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Transfeindliche Montagen verunglimpfen Sportlerinnen

Olympische Spiele sind der Höhepunkt im Leben vieler Sportler und Sportlerinnen. In zahlreichen Disziplinen treten Männer und Frauen – abgesehen von wenigen Ausnahmen wie den drei Reit-Disziplinen (1) und einigen Mixed-Bewerben (2) – nach Geschlechtern getrennt an. Transgeschlechtliche und intersexuelle Menschen sind von den Wettkämpfen weitgehend ausgeschlossen, da einheitlich anwendbare Regeln fehlen (3). Solche Sportpersönlichkeiten werden oft angefeindet.

So wurde etwa ein Foto der US-Schwimmerin Lia Thomas, einer Trans-Frau, manipuliert. Ihrem Badeanzug wurde eine Wölbung hinzugefügt, als wäre dort ein Penis zu sehen. Zudem wird ihr Name in zahleichen Postings falsch geschrieben (4). Auch der namentlich nicht genannten russischen Weltrekordhalterin im Stabhochsprung, Jelena Issinbajewa, wurden männliche Genitalien hinzugefügt (5).

Einschätzung: Beide Bilder sind manipuliert. Das Originalbild von Thomas ist aus dem Jahr 2019. Thomas darf zwar tatsächlich nicht bei den Olympischen Spielen antreten, allerdings nicht wie in dem Post behauptet „ohne Begründung“. Issinbajewa trat 2016 zurück. Das angeblich aktuelle Foto stammt aus 2013, die Manipulation ist zumindest acht Jahre alt.

Überprüfung: Spätestens seit die lange Leidensgeschichte der intersexuellen südafrikanischen Leichtathletin Caster Semenya medial ausführlich begleitet wurde (6), sind Sportfans für die Thematik rund um Geschlechteridentitäten im Sport sensibilisiert. Die dafür in jüngerer Zeit adaptierten Regeln können je nach Sportart variieren (7).

Für die heurigen Olympischen Spiele wurden etwa unlängst zwei Boxerinnen zugelassen, die laut dem Präsidenten des internationalen Amateurboxverbandes (IBA) XY-Chromosomen aufwiesen (8). Sie waren ein Jahr zuvor bei den Box-Weltmeisterschaften in Neu-Delhi disqualifiziert worden: Imane Khalif aus Algerien wenige Stunden vor ihrem Wettkampf um die Goldmedaille, Lin Yu-ting aus Taiwan verlor ihre Bronze-Medaille.

Solche Zulassungen sorgen nicht nur für Freude. Besonders in rechtskonservativen Kreisen wird alles, was nicht dem eigenen Weltbild entspricht, kritisiert. Das begann bei den derzeit laufenden Olympischen Spielen in Paris bereits kurz nach der Eröffnungsfeier (9). Oft bleibt es allerdings nicht bei Kritik. Personen, die keine konservative Einordnung nach Geburtsgeschlecht zulassen, werden der Lächerlichkeit preisgegeben.

Transsexuelle Schwimmerin mit Fotomontage lächerlich gemacht

Aktuellstes Beispiel dafür ist die US-Schwimmerin Lia Thomas. Gettyimages veröffentlichte am 16. November 2019 ein Foto der Athletin, die zum damaligen Zeitpunkt noch einen männlichen Namen trug (10).

Im Jahr 2022 führte der Internationale Schwimmverband bis heute gültige, neue Regeln ein (11). Trans-Männer dürfen demnach prinzipiell in Herrenbewerben teilnehmen. Trans-Frauen nur dann, wenn sie keinerlei männliche Pubertät durchlaufen haben. In der Regel beginnen Trans-Personen in Österreich ihre Geschlechtsumwandlung nicht vor der Pubertät, zumal hierfür auch eine Dreifachdiagnose (12) Voraussetzung ist.

Keine Olympia-Starterlaubnis für Thomas

An den diesjährigen Olympia-Spielen in Paris darf Thomas nicht in der Damenkategorie teilnehmen. Diesbezüglich verlor sie einen Rechtsstreit (13).

Lia Thomas outete sich im Jahr 2019 als Trans-Frau. Die letzte Saison vor ihrem Outing beschreibt sie als „unangenehm“, sie partizipierte nur in wenigen Bewerben. Nach drei Jahren im Herrenteam der Pennsylvania University wechselte Thomas 2020 in das Damen-Team (14). Dafür war ein Einreichen medizinischer Bestätigungen, etwa ein Nachweis über ein Jahr Testosteronunterdrückung, notwendig. Die National Collegiate Athletic Association (NCAA) akzeptierte diese.

Teilnahme an Frauenbewerben nicht unumstritten

Seitdem heimste Lia Thomas mehrere Rekorde ein. Die Schwimmerin ist etwa sportartenübergreifend die erste Transgender-Person, die einen NCAA-Titel gewann (15).

Manche Pennsylvania-Teamkolleginnen sprachen sich gegenüber Medien gegen Thomas‘ Teilnahme in Damenbewerben aus (16,17,18). Missmut der Öffentlichkeit manifestierte sich in Demonstrationen (19), aber wurde auch in einem Video (20) einer Siegerehrung deutlich, als sie 2022 die NCAA Division 1 Championship gewann. Lia Thomas erntete darin Buh-Rufe, die Zweitplatzierte Jubel und Applaus.

Auch russische Ex-Sportlerin verunglimpft

Ein ähnlich gelagerter Fall betrifft ein Foto der russischen Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa. Die Weltrekordhalterin (21), die ihre Karriere 2016 beendet hatte (22), trat unter anderem 2013 bei der Leichtathletik-WM im eigenen Land an. Dort entstand das Bild, das für die Manipulation herhalten musste (23).

Issinbajewa wurde, wie auch Thomas, ein Penis hinzugefügt. Der manipulierte Teil des Fotos ist in einem etwas anderen Blauton gehalten als die Hose der Athletin. Zudem ist die Manipulation nicht neu. Sie wurde bereits vor acht Jahren in sozialen Medien geteilt, Issinbajewa wurde damals kurzerhand zu einer fiktiven Sportlerin namens „Svetlana Gevenskaia“ (24). In der aktuell geteilten Version hat die Sportlerin keinen Namen. Die Herkunft der Bildbearbeitung ist unklar.

Was die Fälschung abgesehen von ihrer plumpen Machart so unglaubwürdig macht: Die 42-jährige Russin, lange Zeit eine enge Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin (25), wetterte schon in ihrer aktiven Zeit gegen homosexuelle Kolleginnen und Kollegen und deren Einsatz für die Akzeptanz von allen Abweichungen eines heteronormativen Weltbildes (26,27).

Zahlreiche Ungereimtheiten rund um das Foto

Auch aus logischen Gründen kann das Foto nur gefälscht sein. So tauchte es bereits Ende Juli erneut in sozialen Netzwerken als angebliches Foto von den aktuellen Olympischen Spielen auf. Die Pariser Damen-Bewerbe im Stabhochsprung waren jedoch erst ab dem 5. August angesetzt (28).

Weiters ist Issinbajewa seit acht Jahren nicht mehr aktiv. Außerdem ist auf ihrem Sportdress eindeutig das Wort „Russia“ erkennbar. Russische (und belarussische) Athletinnen und Athleten dürfen allerdings bei den Olympischen Spielen 2024 nicht unter ihren Flaggen antreten (29). Ausnahme bilden einige einzeln vom IOC genehmigte, sogenannte Individuelle Neutrale Athleten (AIN) (30). Selbst deren Teilnahme war im Vorfeld der Spiele umstritten (31).

Quellen:

(1) Reiten bei den Olympischen Spielen 2024: https://go.apa.at/mk3ZpUuo (archiviert: https://perma.cc/65W2-WBEQ)

(2) Mixed-Bewerbe in Paris: https://go.apa.at/5xZAyaj0 (archiviert: https://perma.cc/ZCQ6-G9PY)

(3) „merkur.de“-Artikel zu Trans-Athleten bei Olympia: https://go.apa.at/HIFdGtTA (archiviert: https://perma.cc/YA6F-EFZ8)

(4) Manipuliertes Foto von Thomas: https://go.apa.at/S4HuQIWx (archiviert: https://archive.ph/0p1Sq)

(5) Manipuliertes Foto von Issinbajewa: https://go.apa.at/kaNYQSxi (archiviert: https://archive.ph/ygZiG)

(6) „NZZ“-Artikel zu Diskriminierung Semenyas: https://go.apa.at/eA7wlkB7 (archiviert: https://archive.ph/3Sl2U)

(7) „fr.de“-Artikel zu Transgender-Regeln bei Olympia: https://go.apa.at/HLiX7ckE (archiviert: https://archive.ph/ry1nn)

(8) „Reuters“-Artikel zu zugelassenen Boxerinnen: https://go.apa.at/TAkjw5cY (archiviert: https://archive.is/XCSxN)

(9) Kommentar zur Eröffnungsfeier: https://go.apa.at/svqcu84C (archiviert: https://go.apa.at/rS8D1US0)

(10) Bild in der „Getty Images“-Datenbank: https://go.apa.at/iebFMjhg (archiviert: https://archive.ph/kKKO1)

(11) Adaptierte Schwimm-Regeln: https://go.apa.at/8pcURqUe (archiviert: https://perma.cc/MA7D-2XPA)

(12) Infos der Stadt Wien zur Hormonbehandlung: https://go.apa.at/DPXvgCNb (archiviert: https://go.apa.at/QkCL4Vab)

(13) „CNN“-Artikel zum Rechtsstreit: https://go.apa.at/E1HreNsM (archiviert: https://archive.ph/ES7tW)

(14) „swimswam“-Artikel zu Thomas‘ Geschichte: https://go.apa.at/jj4ToLsZ (archiviert: https://go.apa.at/xfBm1LmZ)

(15) „Business Insider“-Artikel über Thomas‘ NCAA-Titel: https://go.apa.at/T8H11wH3 (archiviert: https://go.apa.at/bsXx6U8I)

(16) „New York Post“-Artikel mit Teamkollegin: https://go.apa.at/aNVPlSGc (archiviert: https://go.apa.at/loddJKba)

(17) Video-Interview mit Teamkollegin: https://go.apa.at/HZDns89z (archiviert: https://perma.cc/289T-VBCF)

(18) Interviews mit weiteren Schwimmerinnen: https://go.apa.at/92BmZCzl (archiviert: https://archive.ph/kkCkq)

(19) „Newsweek“-Artikel zu Protesten: https://go.apa.at/NkeVL1rS (archiviert: https://archive.ph/h8eV3)

(20) Video mit Buh-Rufen: https://go.apa.at/4Zo48uBR (archiviert: https://go.apa.at/olYoGw8c)

(21) „Eurosport“-Artikel zu Issinbajewas Weltrekord: https://go.apa.at/0lOmx3se (archiviert)

(22) „spiegel.de“-Artikel zu ihrem Karriereende: https://go.apa.at/ZzcnMERF (archiviert: https://archive.ph/E722o)

(23) Originalbild in der Alamy-Datenbank: https://go.apa.at/xAle0GS2 (archiviert: https://perma.cc/9ELB-TQBH)

(24) X-Posting aus 2016: https://go.apa.at/gT8960ps (archiviert: https://archive.ph/q83BQ)

(25) „ntv“-Artikel über Issinbajewa: https://go.apa.at/4A7Zg63C (archiviert: https://archive.ph/fxiGA)

(26) „LGBTQNation“-Artikel zu Issinbajewas Homosexuellen-Kritik: https://go.apa.at/CRKiYNUu (archiviert: https://archive.ph/bPCYT)

(27) Definition Heteronormativität: https://go.apa.at/FGjAsQrk (archiviert: https://archive.ph/gDuDt)

(28) Stabhochspringen in Paris 2024: https://go.apa.at/Zl8ezbb0 (archiviert: https://archive.ph/YusuW)

(29) „The Telegraph“-Artikel zu Russland bei Olympia 2024: https://go.apa.at/9LLY0Krr (archiviert: https://archive.ph/uXrD4)

(30) Offizielle Infos zu AIN in Paris: https://go.apa.at/geH3tNed (archiviert: https://archive.ph/hGb3Y)

(31) „Politico“-Artikel zu russischen Olympia-Teilnehmer:innen: https://go.apa.at/KSRaV8AX (archiviert: https://archive.ph/EOK23)

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Olympische Spiele 2024, Gesellschaft

Autor(en): APA

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