Wahr oder falsch? – Alle Faktenchecks in der Übersicht
Auf der GADMO-Webseite finden Bürgerinnen und Bürger jeden Monat 100 Faktenchecks der vier beteiligten Partner dpa, CORRECTIV.Faktencheck, AFP und APA. So entsteht ein stetig wachsendes Archiv von deutschsprachigen Faktenchecks. Damit bieten wir Leserinnen und Lesern ein umfangreiches Nachschlagewerk, um Informationen aus dem Netz zu überprüfen und Falschbehauptungen zu entlarven.
post_ID
Datum der Veröffentlichung
Content
Titel
Autoren_Creator
Autoren
Kategorie
lang
Datum der Veröffentlichung
Link
1.989
30/12/2022 10:47 AM
Eine vielfach geteilte, falsche Berechnung mit veralteten Zahlen aus 2016 sorgte zuletzt für große Reichweite in sozialen Netzwerken. Dabei handelt es sich um eine Gegenüberstellung vermeintlicher Monatseinnahmen und Ausgaben von durchschnittlichen „Angestellten“ und „Asylanten“ in Österreich (1). An der Rechnung stimmt jedoch vieles nicht.
Einschätzung: Die Zahlen beziehen sich auf die Mindestsicherung in Wien aus dem Jahr 2016, die auch schon damals nur anerkannten Flüchtlingen unter gewissen Voraussetzungen zustand. Der angenommene Wert für einen durchschnittlichen Angestellten liegt zudem deutlich unter dem tatsächlichen Schnitt von 2016. Angestellte bekommen deutlich mehr Geld als Asylberechtigte.
Überprüfung: Um die Zahlen richtigstellen zu können, muss man zuerst die Begriffe klären. Üblicherweise werden mit „Asylant“ Asylwerber bezeichnet, doch es könnten auch Asylberechtigte, also anerkannte Flüchtlinge, gemeint sein – nach einem positiven Asylbescheid (2).
Die 837 Euro aus dem Posting beziehen sich auf die Wiener Mindestsicherung aus dem Jahr 2016, die damals exakt 837,76 Euro betrug (3) und aktuell bei 977,94 Euro liegt (4). Bezugsberechtigt sind in Wien Staatsbürger Österreichs oder eines anderen EU-Landes, sowie Drittstaatsangehörige, die schon mindestens seit fünf Jahren rechtmäßig in Österreich leben oder Einkommenssteuer bezahlt haben, und Asylberechtigte.
Sie alle müssen ein Einkommen unterhalb des Mindeststandards vorweisen können (5) und dürfen keine abgeschlossene Ausbildung oder Matura haben (6). Erst dann kann ihnen der fehlende Betrag zugeschossen werden, „damit ein Mindesteinkommen in Höhe des Mindeststandards gesichert ist“.
Dass Mindestsicherungsbeziehern kein Geld für Miete abgezogen wird, ist nicht korrekt. Denn in den maximal 977,94 Euro (für Alleinstehende oder Alleinerzieher) ist bereits ein „Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs“ von 244,48 Euro eingepreist. 2016 lag dieser bei 209,44 Euro. Für die weiter aufgeführten Punkte wie „Verpflegung“ und „Kleidung, Handy“ müssen Mindestsicherungsbezieher ebenso selbst aufkommen wie der gegenübergestellte Angestellte.
Meint das Posting mit dem Begriff „Asylant“ Aslywerber, so sind die genannten 837 Euro schlichtweg falsch. Denn Menschen ohne positiven Asylbescheid haben in Österreich lediglich Anspruch auf die Grundversorgung (7), aber nicht auf die Mindestsicherung (8).
Auch diese ist gesetzlich klar geregelt (9) und umfasst in Wien für Personen in organisierten Unterkünften neben diesen auch Verpflegung sowie Taschen- und Freizeitgeld. Privat Untergebrachte können Anträge auf Mietbeihilfe und Verpflegungsgeld stellen. In beiden Fällen inkludiert die Grundversorgung auch „Krankenversicherung, sowie Sach- und Geldleistungen für Schulbedarf und Bekleidung“.
Diese Beträge sind alles andere als luxuriös bemessen. Betreut Untergebrachte bekommen in Wien maximal 17 Euro Verpflegung pro Tag, das Taschengeld beträgt maximal 40 Euro pro Monat und das Freizeitgeld maximal 10 Euro. Wer privat untergebracht ist, hat Anspruch auf Verpflegungsgeld von maximal 260 Euro pro Monat, Mietzuschuss von maximal 110 Euro und Taschengeld von maximal 40 Euro pro Monat. Der Schulbedarf ist bei 200 Euro pro Kind und Jahr gedeckelt, die „notwendige Bekleidungshilfe“ bei 150 Euro pro Jahr. Die Kostenhöchstsätze sind dieselben wie 2016 (10).
Das Gehalt des Angestellten aus dem Posting ist zudem äußerst knapp bemessen. 2020 lag das Durchschnittsgehalt von Arbeitern und Angestellten laut Arbeiterkammer (11) in Österreich bei 2.640 Euro brutto, der Median lag bei 2.435 Euro, das sind zwischen rund 1.750 und 1.870 Euro netto (12).
2016 lag das Durchschnittsgehalt bei 2.360 Euro brutto (13), also immer noch über 1.700 Euro netto. Im Gegensatz zu Mindestsicherung und Grundversorgung werden Angestelltengehälter in Österreich freilich nicht zwölf, sondern 14-mal pro Jahr ausbezahlt (14). Der Vergleich aus dem Posting hinkt also an allen Enden – und das bereits seit Jahren (15).
Quellen:
(1) Facebook-Posting: http://go.apa.at/IrSG57f5 (archiviert: https://archive.ph/9Uzch)
(2) Begriffsbestimmungen, u.a. Asylwerber/Asylberechtigte: http://go.apa.at/Lqp1BUoM (archiviert: https://archive.ph/TQccP)
(3) Mindestsicherungsverordnung 2016: http://go.apa.at/wjlIuU1H (archiviert: https://archive.ph/ABjFg)
(4) Mindestsicherungsverordnung 2022: http://go.apa.at/Q6xfMM7d (archiviert: https://archive.ph/M7fNA)
(5) Schwellenwerte Mindeststandard: http://go.apa.at/5B9fApB6 (archiviert: https://archive.ph/hV7Nj)
(6) Antrag Mindestsicherung in Wien: http://go.apa.at/W0axXyrJ (archiviert: https://archive.ph/kLnK2)
(7) Infos zur Grundversorgung in Wien: http://go.apa.at/HI1rxgO1 (archiviert: http://go.apa.at/bkjMRd0g)
(8) Anspruchsvoraussetzungen Mindestsicherung: http://go.apa.at/N3EUaF7o (archiviert: https://archive.ph/lhxus)
(9) Gesetzestext Grundversorgung Wien: http://go.apa.at/Cc8uoQfL (archiviert: https://archive.ph/LSz24)
(10) Fassung vom 4.10.2016: http://go.apa.at/OTVlMTqv (archiviert: https://archive.ph/VHJ1i)
(11) AKOÖ: Einkommen in Österreich: http://go.apa.at/O78sUARp (archiviert: https://perma.cc/7JTZ-23M2)
(12) AK-Brutto-Netto-Rechner: http://go.apa.at/lAqvLUqB
(13) Durchschnittsgehalt in Österreich 2016: http://go.apa.at/a68pOpRL (archiviert: https://archive.ph/8l9Xf)
(14) Urlaubs- und Weihnachtsgeld: http://go.apa.at/jVqc7RmK (archiviert: https://perma.cc/48VY-9C4E)
(15) Facebook-Posting aus 2019: http://go.apa.at/Z8k79jeW (archiviert: https://archive.ph/YDIjy)
Wenn Sie zum Faktencheck-Team Kontakt aufnehmen oder Faktenchecks zu relevanten Themen anregen möchten, schreiben Sie bitte an [email protected]
Eine Biopsie ist ein medizinischer Eingriff, bei dem Gewebe oder Zellen aus einem bestimmten Bereich des Körpers entnommen werden, um sie anschließend unter einem Mikroskop zu untersuchen. Das ist eine Routine-Untersuchung bei der Krebsdiagnostik. Trotzdem verbreitet sich im Netz die Behauptung, bei dem Eingriff würden Krebszellen im Körper verteilt.
Bewertung
Zwar gibt es wie bei jedem medizinischen Eingriff Risiken, Studien belegen aber, dass der Nutzen von Biopsien die Risiken bei weitem überwiegt. Eine Gewebeprobe führt zu einer genaueren Diagnose und somit auch zu einer präziseren Krebstherapie.
Fakten
Die Biopsie dient dazu, Krankheiten oder Gesundheitszustände zu diagnostizieren oder auszuschließen, wie zum Beispiel Krebs. Es gibt verschiedene Arten von Biopsien, je nachdem, welcher Bereich des Körpers untersucht wird und welche Art von Gewebe entnommen wird. Bei dem Vorgang wird in der Regel ein kleines Gewebestück aus einem vermuteten Tumor oder einer bedenklichen Stelle entnommen. Anschließend wird es in der Pathologie unter dem Mikroskop untersucht, um daraufhin eine Diagnose zu stellen.
Tumorseeding möglich, aber sehr selten
Das verbreitete Video ist ein Ausschnitt eines Vortrags, in dem Ergebnisse der Krebsforschung angezweifelt werden. Die Behauptung, eine Biopsie würde Krebszellen im Körper verteilen, existiert schon seit Jahren und wurde mehrfach von Forschungseinrichtungen und Expertinnen und Experten widerlegt.
Das sogenannte Tumorseeding oder Nadelseeding tritt zwar tatsächlich in seltenen Fällen auf, wenn die bei einer Biopsie in einen Tumor eingeführte Nadel Krebszellen ablöst und diese sich ausbreiten. Eine Studie beziffert die Häufigkeit eines Nadelseedings aber auf unter 1 Prozent. Andere Studien bestätigen diesen Eindruck (hier und hier) und betonen den Nutzen der Biopsie, da sie die Krebsdiagnose präzisiert und dadurch auch wirksamere Therapien ermöglicht.
Art der Krebserkrankung entscheidend
Dr. Anne Marie Asemissen, Fachärztin für Onkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, betont in diesem Zusammenhang, dass die Art und Schwere der Krebserkrankung die Risiken einer Biopsie beeinflusst. Wenn sich Krebszellen bereits im Körper verbreitet («metastasiert») haben, hat die Biopsie «keinen (weiteren) Einfluss auf die Prognose der Erkrankung. Außerdem werden durch die ohnehin empfohlene medikamentöse Therapie alle Metastasen erreicht und behandelt», so Asemissen.
Wenn sich die Krebszellen noch nicht weiter verbreitet haben, wird die Biopsieart angepasst. Gegebenenfalls werden die Krebszellen im sogenannten Stichkanal verteilt. Dieser Stichkanal wird dann bei einer anschließenden Operation entfernt oder mit einer Bestrahlung gesondert behandelt. Oft ist dies bei sogenannten Weichteilsarkomen der Fall. Das sind bösartige Tumore, die vor allem im Knochen- und Muskelgewebe, Fett- und Nervengewebe sowie im Gewebe von Blut- und Lymphgefäßen auftreten.
Gewebeprobe essentiell für Krebsdiagnose
Wenn bei einer Krebsbehandlung auf eine Biopsie verzichtet werden würde, hätten Patientinnen und Patienten eine ungenauere Diagnose und in der Folge nicht die bestmögliche Therapie. Ultraschall und Magnetresonanztomographie (MRT) können zwar bereits zeigen, ob ein Bereich verdächtig aussieht. In den meisten Fällen ist die Biopsie aber die einzige Möglichkeit, eine endgültige Krebsdiagnose zu stellen.
Manchmal stellt sich beispielsweise bei einer Biopsie heraus, dass der verdächtige Bereich nur gutartige oder nicht krebsartige Zellen enthält. Dies kann dann bedeuten, dass keine Behandlung, wie etwa eine Operation, Strahlen- oder Chemotherapie, nötig ist. In anderen Fällen kann eine Biopsie Aufschluss darüber geben, wie aggressiv eine Krebserkrankung ist und wie groß das Ausmaß der Erkrankung ist.
All diese Informationen tragen dazu bei, die beste Therapie zur Behandlung des Krebses zu bestimmen. Bei der dafür nötigen Biopsie ist es möglich, dass es zu einer Ausbreitung von Krebszellen kommt, doch die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering.
(Stand: 17.1.2023)
Spätestens mit der Ankunft von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine bewegt das Thema Migration wieder viele Menschen in Deutschland. So auch in Beiträgen in sozialen Medien, die ein Foto eines angeblichen Flyers aus Chemnitz zeigen. «Die Stadt Chemnitz freut sich bekanntzugeben, dass bald im Ortsteil Einsiedel eine neue Unterkunft für Migrant*innen in Betrieb genommen werden wird», heißt es auf dem Flyer unter dem Titel «Diversity-Booster». Am unteren rechten Rand des Flyers steht «Chemnitz Kulturhauptstadt Europas 2025» neben einem Logo. In einem Teil des Faltblatts wird der Chemnitzer Stadtteil als «trister Ort» und «Teil der weißen Mehrheitsgesellschaft» bezeichnet, was sich «glücklicherweise bald ändern» solle dank der Zuwanderung afghanischer Ortskräfte. Ist die Broschüre wirklich eine offizielle Veröffentlichung?
Bewertung
Der Flyer ist eine Fälschung. Die Stadt Chemnitz distanziert sich von dem Inhalt und hat die Publikation nach eigenen Angaben «weder in Auftrag gegeben, noch selbst veröffentlicht».
Fakten
Der Stadt Chemnitz ist die Existenz des Flugblatts bekannt. «Warnung! Derzeit ist ein falscher Flyer im Umlauf und wird in Briefkästen im Stadtgebiet verteilt», teilte die Stadt auf ihrer offiziellen Facebook-Seite am 15. Januar mit. Das Layout erwecke den Eindruck, dass es sich um eine Broschüre der Stadt handele. «Dies ist aber nicht der Fall! Die Stadt Chemnitz hat den Flyer weder in Auftrag gegeben, noch selbst veröffentlicht», heißt es weiter in dem Posting. Man distanziere sich vom Inhalt des Flugblatts und prüfe rechtliche Schritte.
Auch der MDR und die Zeitung «Freie Presse» berichteten über die Fälschung. Echt ist allerdings die Wiedereröffnung einer Unterkunft für Geflüchtete in dem Chemnitzer Stadtteil Einsiedel. Dort wurden am Montag, 16. Januar, die ersten 41 Menschen einquartiert. In dem ehemaligen Pionierlager sollen vorrangig frühere afghanische Ortskräfte der Bundeswehr und ihre Familien unterkommen. Anders als Asylsuchende haben sie sofort Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis.
Auf dem Areal war schon 2015 eine Erstaufnahme für Flüchtlinge eingerichtet worden. Dagegen hatte es vor Ort Protest und Blockadeversuche sowie einen Brandanschlag gegeben.
(Stand: 17.1.2023)
Zurzeit findet im schweizerischen Davos das Weltwirtschaftsforum (WEF) statt. Dort diskutieren Politiker sowie hochrangige Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft über globale Probleme und mögliche Lösungen. Beim WEF habe sich Tierverhaltensforscherin Jane Goodall angeblich mit einer menschenverachtend daherkommenden Äußerung hervorgetan: «Wir können den Klimawandel lösen, indem wir die Erde um nur 7,5 Milliarden Menschen entvölkern.» Hat sie sich ernsthaft so geäußert?Bewertung
Falsch. Bei einer Podiumsdiskussion während des WEF 2020 sagte Jane Goodall, dass aus dem Bevölkerungswachstum viele Probleme resultierten. Doch sie sprach an keiner Stelle von Entvölkerung als Lösung oder gar von einer konkreten Zahl Menschen.
Fakten
Jane Goodall nahm im Januar 2020 an einer Podiumsdiskussion beim Jahrestreffen des WEF in Davos teil. Dabei ging es um eine nachhaltige Zukunft für den Amazonas-Regenwald in Südamerika. Goodall sprach hauptsächlich über ihre Erfahrungen mit (afrikanischen) Regenwäldern, ihrem Ökosystem und den verschiedenen Herausforderungen der Abholzung.
Ihrer Ansicht nach müsse sich der Fleischkonsum reduzieren, da Regenwald für Weideflächen von Tieren abgeholzt würde. Diese Ausführungen beginnen etwa ab Minute 31 in einem Video-Mitschnitt der Diskussion. «Schließlich können wir nicht das Bevölkerungswachstum verleugnen, weil es so vielen anderen Problemen zugrunde liegt. All diese Dinge, über die wir sprachen, wären kein Problem, wenn wir die gleiche Bevölkerung wie vor 500 Jahren hätten», sagt sie dann bei Minute 31:35.
Sie formuliert das Bevölkerungswachstum also als Problem. Doch an keiner Stelle der Podiumsdiskussion sagt sie, dass die Erde entvölkert werden müsste oder nennt die Zahl 7,5 Milliarden. Sie spricht von Maßnahmen wie Bildung (insbesondere für Mädchen) und Familienplanung, um deren Leben zu verbessern.
Goodall hat in der Vergangenheit wiederholt die Ansicht geäußert, dass die globale Bevölkerung zu groß für die auf der Erde verfügbaren Ressourcen sei, etwa 2007 und 2017. Diese Ansicht wird auch kritisiert. Einige Wissenschaftler argumentieren, dass nicht die Bevölkerungszahlen das Problem seien, sondern vielmehr die Verteilung der Ressourcen. Ungleichheit in Macht, Reichtum und Zugang zu Ressourcen seien das eigentliche Problem.
(Stand: 17.1.2023)
In sozialen Netzwerken macht seit Anfang Januar ein Video die Runde: In der Aufnahme behauptet ein Mann, dass die Firma Porsche angeblich 104 Mitarbeiter wegen gefälschter Impfpässe entlassen hätte. Geimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens seien «viel kränker» als das ungeimpfte Personal. Das würde eine interne Krankheitsstatistik belegen, wie der Mann von einer Porsche-Mitarbeiterin erfahren habe. Zu Beginn des Videos erwähnt er zudem Todesfälle im Stuttgarter Jugendamt und suggeriert, dass diese mit einer Corona-Impfung in Zusammenhang stehen würden.In der Aufnahme spricht der Mann von «Geschlumpften» statt von Geimpften oder von «gefälschten Schlumpfpässen» statt Impfpässen. Die Nutzer verstehen seine Aussagen dennoch und verbreiten das Video bei Facebook und Telegram mit Kommentaren wie: «Langsam erkennen immer mehr Firmen, wie schädlich „die Impfung“ wirklich ist und was es für ihre Mitarbeiter bedeutet.» Doch stimmen die Aussagen?
Bewertung
Das Video enthält falsche Behauptungen: Wie Porsche auf dpa-Anfrage erklärte, gibt es keine solche Krankheitsstatistik. Es ist somit gar nicht möglich, entsprechende Rückschlüsse zu ziehen. Der Autobauer bestätigte zwar Kündigungen aufgrund gefälschter Impfpässe. Allerdings liege die tatsächliche Zahl der entlassenen Mitarbeiter deutlich unter den Angaben im Video. Derweil geht die Stadt Stuttgart gegen die Verbreitung von Todesanzeigen von gestorbenen Beschäftigten des Jugendamtes vor, die von Impfgegnern mit einer Corona-Impfung in Verbindung gebracht werden.
Fakten
Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur hat sich der Stuttgarter Autobauer zu den Aussagen in dem Video geäußert: «Die angeführten Krankheitsstatistiken gibt es nicht, denn: Bei Krankschreibungen erhält der Arbeitgeber keine Diagnose», betont Porsche. Auch die Verbraucherzentrale weist grundsätzlich darauf hin, dass der Grund der Krankmeldung – etwa eine Erkältung oder ein Knochenbruch – von den Krankenkassen nicht an den Arbeitgeber weitergegeben wird.
Porsche sei zudem der Impfstatus von einzelnen Mitarbeitern nicht bekannt. «Eine statistische Auswertung dieser Art ist also nicht möglich», teilte ein Sprecher mit.
Der Sportwagenhersteller, der unter anderem auch in Leipzig und in Ludwigsburg Standorte betreibt, bestätigte auf Anfrage Mitarbeiter-Entlassungen wegen gefälschter Impfausweise. Im Rahmen der seinerzeit geltenden Corona-Verordnung sei Porsche als Arbeitgeber verpflichtet gewesen, ausschließlich genesenen, geimpften oder getesteten Mitarbeitern Zugang zum Betriebsgelände zu gewähren und die Einhaltung der 3G-Regel zu prüfen. «Sofern Mitarbeiter dem Arbeitgeber einen gefälschten Impfpass vorgelegt haben, hat Porsche das Arbeitsverhältnis mit den Mitarbeitern beendet – wie viele andere Unternehmen auch», erklärte die Firma.
Die Zahl der Kündigungen in diesem Zusammenhang bewege sich im unteren zweistelligen Bereich. Sie liegt damit deutlich unter den Angaben aus dem Video. Eine genaue Zahl nannte das Unternehmen nicht.
Stadtverwaltung geht gegen Verbreitung von Traueranzeigen vor
Zu Beginn des Videos spricht der Mann von drei Angestellten des Stuttgarter Jugendamtes, die in den vergangenen Tagen «plötzlich und unerwartet» verstorben seien. Unter dem Hashtag «#plötzlichundunerwartet» stellen Impfgegner immer wieder unbelegte Zusammenhänge von unerwarteten Todesfällen meist prominenter oder junger Personen mit der Covid-19-Impfung her – so etwa hinsichtlich des Todes von Lisa Marie Presley.
Unter der Impfgegner-Phrase verbreiteten Nutzer in den sozialen Netzwerken zuletzt auch mehrere Todesanzeigen für gestorbene Beschäftigte des Jugendamtes, die die Stadt Stuttgart im Dezember geschaltete hatte. Dazu gibt es im Netz Andeutungen, Geraune und Spekulationen darüber, dass die Todesfälle eine vermeintliche Häufung zeigen würden und die Corona-Impfung die Todesursache sein könnte. Belege für diese Behauptungen liefern die User jedoch nicht.
Die im Netz verbreiten Todesanzeigen sind echt und wurden in einem Trauerportal einer Stuttgarter Zeitung veröffentlicht. Sven Matis, Sprecher der Stadtverwaltung, bestätigte auf dpa-Anfrage: «Acht Menschen sind im vergangenen Jahr verstorben, die bis zu ihrem Tod im Jugendamt tätig waren. Acht. Von rund 4000.» Das Jugendamt mit etwa 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die größte Behörde der Stadt, in der mehr als 600 000 Menschen leben. Für die Stuttgarter Verwaltung arbeiten insgesamt etwa 16 000 Menschen.
Es gebe keine Anzeichen für eine ungewöhnliche Häufung an Todesfällen bei der Stadtverwaltung, sagte der Sprecher. Es sei Zufall, dass es fünf Todesfälle im Dezember gegeben habe. Für die Stadt und besonders die Kolleginnen und Kollegen sei jeder einzelne Todesfall tragisch. «Todesursachen sind höchstpersönlich und gehen den Arbeitgeber nichts an.»
Dass die Todesanzeigen der Kollegen nun von Impfgegnern verbreitet werden und mit einer Corona-Impfung in Verbindung gebracht werden, empört die Behörde. Die Stadt Stuttgart geht daher gegen die Posts in den sozialen Medien rechtlich vor. «Wir haben bislang einen Strafantrag wegen Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener gestellt sowie eine Strafanzeige, weil sogar Volksverhetzung als Straftat in Betracht kommt», bestätigte Matis der dpa. Zuerst hatte T-Online berichtet.
Keine Hinweise auf Zusammenhang von Impfung mit Übersterblichkeit
Die Andeutungen über eine vermeintliche Häufung von Todesfällen bei der Stadt Stuttgart passen derweil zu einem weiteren von Impfgegnern verbreiteten Narrativ. So kursiert immer wieder die Behauptung einer angeblich durch die Covid-Impfstoffe ausgelösten Übersterblichkeit. Tatsächlich hat das Statistische Bundesamt (Destatis) für das Jahr 2022 eine überdurchschnittliche Zunahme bei den Sterbefällen registriert, wie aus vorläufigen Ergebnissen einer Sonderauswertung hervorgeht. Diese geht über den erwarteten Anstieg der Zahlen durch den wachsenden Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung hinaus.
Wie die Wiesbadener Behörde mitteilt, könnten Covid-19 und ein hohes Niveau bei Atemwegsinfekten wie der Grippe eine mögliche Ursache für den Anstieg in bestimmten Monaten und Wochen sein. Im Dezember lagen die Sterbefallzahlen auf Basis einer Hochrechnung mit 19 Prozent deutlich über dem Vergleichswert. In den von Hitzerekorden geprägten Sommermonaten Juni bis August beobachtete das Statistische Bundesamt ebenfalls überdurchschnittliche Sterbefallzahlen. Die genaue Auswertung der Todesursachen steht aber noch aus. Bislang gibt es keine Belege für einen Zusammenhang mit den Corona-Impfungen.
(Stand: 16.1.2023)
Am 24. Februar 2022 startete Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine. Seitdem ist dort aus vielen Ländern finanzielle und militärische Hilfe angekommen, zahlreiche Unterstützungspakete wurden geschnürt und Unsummen aus den Haushalten freigeschlagen.US-Präsident Joe Biden unterzeichnete etwa den sogenannten «Lend-Lease Act», zu Deutsch «Leih- und Pachtgesetz». Dazu kursiert im Netz ein Video, in dem auch EU-Hilfen thematisiert werden: Zum einen sollen US-Diplomaten und -Politiker die EU dazu drängen, mehr Geld in die Ukraine zu überweisen – die Rede ist von 3,5 Milliarden Euro pro Monat. Zum anderen wird behauptet, die USA hätte Waffen im Gegenwert von 40 Milliarden Dollar an die Ukraine verliehen beziehungsweise verpachtet. Diese Waffen soll die Ukraine nun angeblich mit den EU-Geldern bezahlen.Bewertung
Die aufgestellten Behauptungen sind teilweise falsch, teilweise aus dem Kontext gerissen. Die EU muss keine 3,5 Milliarden Euro pro Monat zahlen, die USA haben bislang keine Waffen im Gegenwert von 40 Milliarden Dollar geliefert.
Fakten
Bei dem Video handelt es sich um einen Zusammenschnitt, zeitlich lässt es sich nicht genau einordnen. Von den 3,5 Milliarden Euro, die die Ukraine pro Monat benötigt, war aber erstmals Ende September 2022 zu hören, als die «Financial Times» berichtete. Damals soll der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal diese Summe gegenüber dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, als «monatliche Finanzierungslücke» genannt haben.
US-Offizielle hatten damals laut der «Financial Times» zu schnelleren und höheren Zahlungen an die Ukraine gedrängt, da die EU zu diesem Zeitpunkt erst eine der im Mai versprochenen neun Milliarden Euro gezahlt hatte.
Dass den geforderten Betrag von monatlich 3,5 Milliarden Euro allein die EU zu stemmen hat, ist allerdings falsch: Rein finanzielle Unterstützung erhält die Ukraine unter anderem aus dem «International Monetary Fund» (IMF) der UN und der «Macro-Financial Assistance» (MFA) der EU. Darüber hinaus unterstützen mehrere Staaten die Ukraine finanziell, humanitär und militärisch – zum Beispiel die USA, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Kanada und Polen.
Im Zuge der MFA beschloss das EU-Parlament im Dezember 2022 ein Hilfspaket für das Jahr 2023 mit einem Gesamtvolumen von 18 Milliarden Euro. Rechnerisch entspricht das 1,5 Milliarden pro Monat. Damit soll ein Teil des monatlichen finanziellen Aufwands der ukrainischen Regierung gedeckt werden. Es handelt sich dabei jedoch um keine Schenkung, sondern um ein Darlehen. Dieses wird zu Vorzugsbedingungen gewährt, ist aber an Reformen geknüpft.
Über die finanzielle Unterstützung hinaus hat die Ukraine auch humanitäre und militärische Hilfe erhalten. US-Präsident Joe Biden unterzeichnete etwa am 9. Mai 2022 den sogenannten «Lend-Lease Act 2022». Mit diesem «Leih- und Pachtvertrag» soll die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine erheblich erleichtert werden.
In dem kursierenden Video ist die Rede von US-Waffen im Gegenwert von 40 Milliarden Dollar, was allerdings falsch ist. Bis zum 20. November 2022 hatten die USA der Ukraine laut dem «Kiel Institut für Weltwirtschaft» zwar mehr als 47 Milliarden Euro zugesagt, doch mehr als die Hälfte davon waren finanzielle und humanitäre Hilfen.
Militärische Unterstützung machte nur 22,9 Milliarden Euro aus. Dass diese Waffen Leihgaben sind, die die Ukraine bezahlen muss, ist richtig. Im «Lend-Lease Act 2022» ist in Sektion 2, Abschnitt a, Absatz 3 festgelegt, dass «jegliche Darlehen oder Verpachtungen von Verteidigungsgütern an die Regierung der Ukraine […] [der] Rückgabe, Erstattung und Rückzahlung [unterliegen]». Zum Zeitpunkt der Rückzahlung ist Stand 16. Januar 2023 jedoch nichts bekannt.
Der «Lend-Lease Act 2022» hat aber ein historisches Vorbild aus dem Jahr 1941. Damals unterstützten die USA unter anderem die Sowjetunion und das Vereinigte Königreich mit Darlehen und Kriegsgütern im Kampf gegen Deutschland. Dabei wurde ebenfalls eine Erstattung der Darlehen und Kriegsgeschütze festgelegt, den empfangenden Regierungen wurde allerdings ein signifikanter Anteil erlassen.
Außerdem forderte Washington die Rückzahlung nicht unmittelbar nach Kriegsende ein. So zahlte etwa das Vereinigte Königreich erst im Jahr 2006 die abschließende Rate. In welchem Umfang und in welchem Zeitraum die Ukraine Rückzahlungen in Rahmen des «Lend-Lease Act 2022» zu tätigen hat, ist also derzeit ebenso ungewiss wie die Frage, ob dazu Teile der EU-Gelder verwendet werden.
(Stand: 16.1.2023)
Die Spannungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten haben eine lange Geschichte. Sie dienen regelmäßig als Vorlage für Film und Literatur – aber auch für Verschwörungsmythen. So etwa bezüglich der Intentionen der Vereinigten Staaten in der Ukraine: Angeblich soll der ehemalige US-Präsident Barack Obama von einem Krieg zwischen Europa und Russland mit vielen europäischen Opfern gesprochen haben, wird in einem Sharepic verbreitet. Ist da irgendetwas dran?
Bewertung
Für die zitierten Äußerungen gibt es keinen Beleg. Sowohl während als auch nach seiner Amtszeit hat sich Obama stets für Frieden in Europa – und mit Russland – ausgesprochen. Die beiden Aufnahmen im Sharepic sind mehrere Jahre alt und zeigen den ehemaligen US-Präsidenten bei zwei verschiedenen Vorträgen.
Fakten
Über einen Krieg zwischen Europa und Russland ist keine Äußerung Obamas auffindbar. Eine Suche nach den beiden konkreten Zitaten bringt dahingehend keine Ergebnisse – weder auf Deutsch (hier und hier) noch auf Englisch (hier und hier).
Obamas Position zum Kreml
Der ehemalige US-Präsident war stets um Deeskalation und friedliche Beziehungen zu Russland bemüht. So betonte Obama nach der Annexion der Halbinsel Krim, dass weder die Vereinigten Staaten noch die Nato – zu der auch 28 europäische Länder gehören – einen Konflikt mit Russland suchten. Zwei Jahre danach verwies er in einer Rede erneut auf die Wichtigkeit wirtschaftlicher Sanktionen sowie einer politischen Lösung in dieser Situation.
Auch nach seiner Amtszeit neigt Barack Obama nicht zur Kriegsrhetorik. Anlässlich des Demokratiegipfels in Kopenhagen im Juni 2022 äußerte er mit Blick auf die Ukraine, dass der Verlauf des Angriffskriegs auf das Land schwer vorhersehbar sei. In einem Podcast im Oktober 2022 erklärte er, dass die Unterstützung der Ukraine zwar wichtig, aber auch das Risiko abzuwägen sei, dass daraus kein Konflikt zwischen den Nato-Bündnispartnern und Russland entstehe.
Nationale Sicherheit in Obamas Amtszeit
Im Sharepic werden zwei Bilder gezeigt, in denen der ehemalige US-Präsident hinter einem Rednerpult steht. Die beiden Aufnahmen stammen aus verschiedenen Situationen. Die obere entstand während einer Reformankündigung der National Security Agency (NSA) am 17. Januar 2014 im Justizministerium der Vereinigten Staaten. In dieser thematisierte Obama die Arbeitsweise der NSA, die zuvor durch die Enthüllungen Edward Snowdens und wegen des mutmaßlichen Zugriffs auf das Handy der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Kritik geraten war.
In der Rede ging es unter anderem um Änderungen zu Datenspeicherung sowie mehr Transparenz bei der Überwachung von Fernmeldedaten – englisch «Signals Intelligence» – im Ausland. Einzelne Länder Europas sowie das Wort Krieg erwähnte der damalige Präsident lediglich im historischen Kontext US-amerikanischer Geheimdienste. Auf Russland bezog er sich an zwei Stellen: Hinsichtlich des Entstehens der NSA während des Kalten Krieges sowie des Umgangs mit Privatsphäre seitens der russischen Regierung. Von einem Krieg zwischen Europa und Russland sprach Obama jedoch nicht.
Das untere Bild der Fotomontage zeigt Obama am 23. Mai 2013 auf einem Vortrag über Terrorismusbekämpfung an der Nationalen Verteidigungsuniversität in Washington. Dieser hatte zwar Krieg zum Thema, allerdings jene in Afghanistan und Irak. Das Wort Opfer (englisch «sacrifice») fiel nur im Zusammenhang mit islamischen Terrorvereinigungen. Europa erwähnte Obama nur bezüglich vereitelter Anschläge sowie seiner Rolle als internationaler Verbündeter. Russland kommt in dieser Ansprache überhaupt nicht vor.
(Stand: 13.1.2023)
Unmittelbar nachdem bekannt wurde, dass US-Sängerin Lisa Marie Presley im Alter von 54 Jahren an einem Herzstillstand gestorben ist, haben Impfgegner im Netz eine Verbindung zur angeblichen Corona-Impfung hergestellt. Wie schon in vorhergehenden Fällen jung gestorbener Prominenter und Sportler wird auch im Fall der Tochter von Rock’n’Roll-Legende Elvis Presley eine solche Geschichte ohne irgendwelche Beweise verbreitet.
Bewertung
Keine Belege. Über den Grund für Presleys Herzstillstand ist bisher überhaupt nichts bekannt. Es ist allerdings wissenschaftlich erwiesen, dass Corona-Impfungen das Herzinfarkt-Risiko nicht erhöhen.
Fakten
Die einzige Tochter von Elvis Presley (1935-1977) und kurzzeitige Ehefrau von Popstar Michael Jackson (1958-2009) und Schauspieler Nicolas Cage (59) war wenige Stunden vor ihrem Tod in ein Krankenhaus eingeliefert worden, wie ihre Mutter Priscilla Presley (77) mitteilte. Weitere Angaben zu dem medizinischen Notfall machte sie zunächst nicht.
Nach US-Medienberichten (hier und hier) soll Lisa Marie Presley in ihrem Haus im kalifornischen Calabasas möglicherweise einen Herzstillstand erlitten haben. Ersthelfer hätten Erste-Hilfe-Maßnahmen durchgeführt, schreibt das Promi-Portal «TMZ».
Kurz nach der Nachricht von Presleys Tod haben Anti-Impf-Aktivisten weltweit unbelegte Behauptungen und Verschwörungstheorien über einen vermeintlichen Zusammenhang zur Corona-Impfung in die sozialen Medien geschüttet. Doch das ist nicht belegt.
Es ist derzeit nicht bekannt, woran Lisa Marie Presley gestorben ist. Ihre tatsächliche Todesursache wurde bislang nicht veröffentlicht. «Zu diesem Zeitpunkt wird es keine weiteren Kommentare geben», teilte die Familie mit.
Nach «TMZ»-Angaben klagte Presley zunächst über Magenschmerzen. Bevor die Rettungssanitäter ihr Haus erreichten, soll sie dann einen Herzstillstand erlitten haben. Solange keine Ergebnisse einer Autopsie vorliegen, ist die tatsächliche Todesursache in Presleys Fall nicht ermittelbar. Alles andere ist reine Spekulation.
Bisher hat niemand, der Lisa Marie Presley nahesteht oder Einblick in ihre medizinische Versorgung hat, die Möglichkeit überhaupt nur erwähnt, es könne der Zusammenhang zu einer Impfung bestehen.
Es ist nicht einmal gesichert, dass Presley sich überhaupt hat gegen das Coronavirus hat impfen lassen. Es sind keine Angaben dazu zu finden – auch nicht auf ihrem Twitter-, Instagram- oder Facebook-Account. In den USA gibt es keine allgemeine Corona-Impfpflicht, nach Angaben der Johns Hopkins Universität haben mehr als 80 Prozent der Amerikaner mindestens eine Dosis der Corona-Schutzimpfung erhalten.
Der nach ihrem Tod in sozialen Medien verbreitete Screenshot eines vermeintlichen Posts, in dem Presley angeblich über ihre Impfungen schreibt, stammt nicht von ihr, sondern von einer anderen Nutzerin mit Namen Lisa Marie.
Unter Presleys Vorfahren traten immer wieder Herzprobleme auf. Ihr Vater Elvis starb 1977 im Alter von 42 Jahren. Jahrelang hatte er mit Fettsucht und Medikamentenmissbrauch zu kämpfen. Bei der Autopsie seines Leichnams stellten einige der Pathologen fest, dass der «King» einen verdickten Herzmuskel hatte. Diese Krankheit, die häufig vererbt wird, kann zu akutem Herzversagen führen.
Corona-Impfungen begünstigen keine Herzinfarkte. Diese Erkenntnis zieht unter anderen die Deutsche Herzstiftung aus der Auswertung vieler wissenschaftlicher Studien. Im Gegensatz dazu erhöht eine Corona-Infektion das Herzinfarkt-Risiko. Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland für die Überwachung der Medikamentensicherheit verantwortlich ist, kommt in seinem jüngsten Sicherheitsbericht vom Dezember 2022 zu dem Schluss (S. 32), dass für Todesfälle durch Herzinfarkte nach einer Corona-Impfung kein Zusammenhang zur Impfung erkennbar ist.
Die Empörung ist groß, denn im Netz wird behauptet, dass Gesetze gegen sexuelle Belästigung von Kindern nach Einschätzung des Weltwirtschaftsforums (WEF) gegen Menschenrechte verstoßen würden. Angeblich fordere die Organisation daher eine Entkriminalisierung, was Sharepics, Videos und Blogbeiträge belegen sollen. Aber gab es eine solche WEF-Forderung überhaupt?
Bewertung
Die angeblichen WEF-Aussagen sind frei erfunden. Es gibt keine Belege oder seriösen Berichte, dass sich das Weltwirtschaftsforum oder Klaus Schwab jemals so geäußert haben. Ein WEF-Sprecher dementierte die Vorwürfe auf dpa-Anfrage.
Fakten
Ein als vermeintlicher Beleg angeführter Blogbeitrag verlinkt als Quelle auf einen Artikel der Seite Newspunch vom 3. Januar 2022. Auch das Bild aus dem Sharepic stammt offenbar aus diesem Beitrag.
Die Seite ist bereits in der Vergangenheit mit falschen Behauptungen aufgefallen. Zuletzt hatte die Deutsche Presse-Agentur in einem Faktencheck einen Newspunch-Bericht über eine angebliche WEF-Haltung zum privaten Haustierbesitz widerlegt.
In dem Newspunch-Text vom 3. Januar 2022 ist ein Video eingebettet, bei dem es sich um den Clip aus den Facebook-Posts handelt. Der Text ist offenbar eine Abschrift der Aufnahme. Darin werden Pädophilie und Kindesmissbrauch als Synonyme verwendet – ein weit verbreiteter Fehler.
Das Präventionsnetzwerk «Kein Täter werden» weist auf die Trennung der Begriffe hin: «Nicht jeder Mensch mit einer Pädophilie oder Hebephilie begeht sexuellen Kindesmissbrauch und nicht jeder Sexualstraftäter ist pädophil oder hebephil.» Pädophilie ist also kein Synonym für sexuellen Missbrauch von Kindern, der in Deutschland gesetzlich verboten ist.
WEF-Sprecher: Angebliche Forderung hat es nie gegeben
Der Newspunch-Artikel nimmt auf ein angebliches Forschungspapier Bezug, das auf dem jährlichen Treffen des WEF in Davos präsentiert worden sein soll. Über ein solches Forschungspapier oder die Forderung lassen sich aber auf der Webseite des WEF keine Informationen finden. Auch über die angebliche Aussage von Klaus Schwab über Pädophilie als ein «Geschenk der Natur» gibt es keine Berichte auf der Webseite.
Die dpa hat beim WEF nach dem angeblichen Forschungspapier und den Aussagen gefragt. Ein Sprecher erklärte: «Weder hat Klaus Schwab sich so jemals in irgendeiner Weise geäußert, noch hat das Weltwirtschaftsforum ein entsprechendes Statement oder Forschungspapier veröffentlicht.»
In dem Vorschaubild des Newspunch-Videos ist ein angeblicher Tweet des Weltwirtschaftsforums zu sehen. «Age gap love laws violate human rights» («Gesetze über altersunterschiedliche Liebe verletzen die Menschenrechte»), soll die Organisation über den offiziellen Account getwittert haben. Dieser Tweet lässt sich jedoch nirgendwo finden: Eine Twitter-Suche nach dem Wortlaut liefert kein Ergebnis. Es wird auch weder im Video noch im Text auf den angeblichen WEF-Tweet verwiesen, was darauf hindeutet, dass das Bild nur dazu dient, die Leute dazu zu bringen, auf das Video zu klicken.
(Stand: 12.1.2023)
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) ist für viele Verschwörungsgläubige zu einer Art Zentrum des Bösen geworden. Und wenn dann beim Jahrestreffen im schweizerischen Davos auch noch das Thema Klima auf der Agenda steht, sind den kruden Ideen scheinbar keine Grenzen gesetzt. Im Dezember 2022 etwa wird in einem Artikel auf einer verschwörungsideologischen Website ohne irgendwelche Beweise verbreitet, das WEF wolle Weihnachten abschaffen, um das Klima zu schützen.
Bewertung
Falsch. Für diese Behauptung gibt es keinerlei Belege. Das WEF macht sich seit Jahren vielmehr für nachhaltige Weihnachten stark.
Fakten
Dass diese Geschichte vollkommen frei erfunden ist, lässt sich anhand mehrerer Indizien feststellen:
Der gefälschte TweetAngeblich soll das WEF am 22. Dezember 2022 getwittert haben: «Christmas must be abolished.» (auf Deutsch: «Weihnachten muss abgeschafft werden.»). Das soll ein vermeintlicher Screenshot belegen, der dem Artikel beigefügt ist. Doch der Tweet ist gefälscht.
Tweets lassen sich beispielsweise über Änderungen am Quellcode relativ leicht manipulieren. Es ist daher ratsam, immer skeptisch zu sein, wenn sich ein Tweet mit vermeintlich skandalösen Äußerungen als Screenshot verbreitet und nur in dieser Form zu finden ist.
Ein entsprechender Tweet mit dem Wort «christmas» auf dem offiziellen WEF-Twitteraccount ist nicht zu finden. Auch in den Google-Ergebnissen samt gespeicherten Treffern im Cache wird kein solcher Text angezeigt.
Grundsätzlich können Tweets gelöscht werden. Doch heutzutage finden sich Postings von bekannten, reichweitenstarken Accounts wie dem des WEF in der Regel in Internetarchiven wieder. Im vorliegenden Fall (hier und hier) gibt es dort von dem vermeintlichen Tweet aber keinerlei Spur.
Die Fake-News-Schleuder «Newspunch»
Die These, Weihnachten solle abgeschafft werden, stammt wohl ursprünglich von der US-Seite «Newspunch», die auch schon unter dem früheren Namen «YourNewsWire» mehrfach mit Falschbehauptungen und Verschwörungsmythen aufgefallen ist. dpa hat schon häufiger falsche Behauptungen der Seite in verschiedenen Sprachen widerlegt. Auch zum angeblichen Weihnachts-Verbot reicht diese Website keinerlei Belege an die Hand.
Stattdessen werden Beiträge des US-Nachrichtensenders CNN und der britischen Zeitung «The Guardian» zitiert, die sich angeblich gegen das christliche Fest richten. Allerdings geht es dabei um Berichterstattung über Weihnachten unter Corona-Bedingungen (CNN) beziehungsweise Anregungen, das Festmahl, Feierlichkeiten und Geschenke klimafreundlicher zu gestalten («Guardian»). Von einer Abschaffung von Weihnachten ist nirgendwo die Rede.
In den vergangenen Jahren hat sich das WEF durchaus zum Weihnachtsfest geäußert. Dabei ging es unter anderem um nachhaltige Geschenkideen, eine durch Muskelkraft angetriebene Weihnachtsbaumbeleuchtung in Ungarn, einen Christbaum-Verleih in London oder einen Shop in New York, in dem man Flüchtlingen Weihnachtsgeschenke kaufen kann. Keiner dieser (und der unzähligen weiteren) Artikel erweckt den Eindruck, das christliche Fest solle abgeschafft werden.
Das WEF und Verschwörungsanhänger
Sowohl der deutsche als auch der englische Artikel mit der Fake-Behauptung wiederholen gängige Verschwörungserzählungen über das Weltwirtschaftsforum. Es wird von einer vermeintlichen Elite rund um den deutschen WEF-Gründer Klaus Schwab geraunt, die angeblich das Volk leiden lassen wolle.
«Große ökonomische Zusammenschlüsse wie das Weltwirtschaftsforum sind gerne Projektionsflächen für Verschwörungserzählungen, weil dort verschiedenste Menschen mit Macht zusammenkommen, um sich auszutauschen», sagt Politikwissenschaftler Jan Rathje vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das CeMAS untersucht Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz.
Mehrfach haben in der Vergangenheit die Nachrichtenagentur dpa und viele weitere Faktencheck-Organisationen hanebüchene Desinformation rund um das WEF widerlegt. So ist es zum Beispiel falsch, das WEF habe davon gesprochen, dass Gott tot und Jesus Fake sei, wie etwa die US-Nachrichtenagentur AP herausgefunden hat.
Erfunden ist auch die Behauptung, das WEF fordere, Haustiere für die Rettung des Klimas zu töten. Und dass Schwabs angebliche rechte Hand Yuval Noah Harari – der in Wahrheit jedoch gar nicht für das Weltwirtschaftsforum arbeitet – gesagt haben soll, das WEF sei mit seinen Plänen so erfolgreich, dass es «göttliche Kräfte» der «Schöpfung und Zerstörung» erlangt habe, wurde unter anderen bereits von den Faktencheckern der Nachrichtenagentur Reuters widerlegt.
(Stand: 12.1.2023)
In Fairbanks in Alaska steht seit den Neunziger Jahren eine sogenannte «Haarp»-Anlage, kurz für «High-frequency Active Auroral Research Program». Eigentlich untersuchen Wissenschaftler damit die Ionosphäre, eine 2000 Kilometer weite Luftschicht innerhalb der Erdatmosphäre – doch immer wieder wird »Haarp« auch Gegenstand von Verschwörungsmythen. Haarp sei dazu da, das Wetter zu verändern, wird da zum Beispiel fälschlicherweise behauptet. Im Januar 2023 kursiert ein Video, das zeigen soll, wie in Brasilien angeblich eine solche Haarp-Anlage zerstört wird.
Bewertung
Falsch. In dem kursierenden Video wurde keine Haarp-Anlage zerstört, sondern das Umspannwerk eines Agrarbetriebes im Osten Brasiliens.
Fakten
Im November 2017 zerstörten Protestierende in der Nähe der Stadt Correntina im Osten von Brasilien ein Umspannwerk. Das Werk gehörte zu einem Wasserkraftwerk und einer Farm des Agrarbetriebes «Lavoura e Pecuária Igarashi». Das in sozialen Medien geteilte Video wurde damals auch von verschiedenen brasilianischen Medien verwendet, etwa hier und hier. Die Medien berichteten im November 2017 von Protesten, bei denen zwischen 500 und 600 Bauern und Viehzüchter teilnahmen, die zumindest zu diesem Zeitpunkt entlang des Rio Arrojado lebten. An diesem befand sich auch das Wasserkraftwerk der Firma Iragashi, dessen Strommasten die Protestierenden zerstört haben. Laut den Berichten fürchteten die Bauern, dass sich durch den Wasserbedarf der Farm der Pegel des Flusses senken würde.
Auch der Ort des Kraftwerkes lässt sich mittels Abgleich von Satellitenaufnahmen und dem kursierenden Video nachvollziehen. Zu Beginn des Videos sieht man im Vordergrund einen Baum, auch hinter und links von den Strommasten ist Wald zu sehen. In Kombination mit der Anordnung der Strommasten lässt das darauf schließen, dass das Video vom nördlich angrenzenden Waldstück aus aufgenommen wurde.
Dass es sich bei den zerstörten Masten um Strommasten handelt, zeigen etwa die befestigten Transformatoren, die im Video zu erkennen sind. Es besteht optisch keinerlei Ähnlichkeit zu den Haarp-Masten, wie Aufnahmen aus der Forschungseinrichtung in Fairbanks zeigen.
In Fairbanks steht die einzige Anlage des US-amerikanischen Haarp-Programms. Zwischen 1990 und 2014 betrieben es die United States Air Force und der United States Navy, seit 2015 hat die University of Alaska Fairbanks die Führung übernommen. Ähnliche Anlagen aus anderen wissenschaftlichen Programmen zur Untersuchung der Ionosphäre gibt es beispielsweise in Norwegen, in Brasilien befindet sich jedoch keine.
Das «High-frequency Active Auroral Research Program» ist ein Projekt, das sich mit der Ionosphäre befasst und deren Eigenschaften untersucht. Die Haarp-Einrichtung der University of Alaska Fairbanks war bereits in der Vergangenheit Gegenstand von Falschinformationen und Verschwörungsbehauptungen, wie der Direktor des Geophysikalischen Institutes der Universität in einem Interview erklärte.
Das Video aus Brasilien kursierte bereits vor einiger Zeit, ebenfalls mit der Behauptung, es zeige die Zerstörung einer Haarp-Anlage. Das wurde bereits damals widerlegt, ebenso wie die angebliche Beeinflussung des Wetters. Diese Behauptung hat die Deutsche Presse-Agentur in der Vergangenheit bereits mehrfach falsifiziert (etwa hier und hier).
(Stand: 12.1.2023)
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) ist eine internationale Organisation, die sich mit wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen beschäftigt. Nun soll es laut einem Facebook-Post erklärt haben, «dass die Menschen kein Recht auf ein eigenes Auto haben». Stimmt das?
Bewertung
Es gibt keine Belege dafür, dass das Weltwirtschaftsforum den Menschen das Recht auf ein eigenes Auto absprechen will. Es empfiehlt lediglich die Nutzung von Carsharing-Angeboten, um den umweltschädlichen Abbau von Metallen zu verringern.
Fakten
In der Behauptung geht es um einen WEF-Artikel vom 18. Juli 2022. Darin werden Möglichkeiten zur Verringerung der Nachfrage nach bestimmten Metallen vorgeschlagen.
Der Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energiequellen sei ohne große Mengen an Kobalt, Lithium und Nickel, die in Batterien verwendet werden, laut WEF nicht möglich. Der Abbau dieser Metalle bringe neue Herausforderungen mit sich – ökologische, soziale und geopolitische.
Das Weltwirtschaftsforum schlägt in dem Artikel deswegen drei Maßnahmen vor, wie eine Änderung der Denkweise dazu beitragen könnte, die Nachfrage nach den Metallen zu verringern. Unter anderem ermutigt das WEF die Menschen dazu, ihren Schwerpunkt vom Besitz auf die Nutzung von Dingen zu verlagern.
In dem Artikel heißt es, dass ein Auto in England durchschnittlich nur 4 Prozent der Zeit genutzt wird. Dies sei keine effiziente Nutzung von Materialien. Als Alternative wird das Konzept Carsharing genannt. Dies würde es erleichtern, Materialien effizienter zu nutzen und zu einer geringeren Nachfrage nach Metallen führen.
Laut dem Facebook-Post soll das WEF angeblich fordern, dass private Autos «aus dem Markt verdrängt» werden und die Menschen stattdessen einfach «zu Fuß gehen oder teilen» sollten. Solche Formulierungen lassen sich in dem Artikel jedoch nicht finden. Auch in anderen Publikationen wird so etwas nicht verlangt.
(Stand: 11.1.2023)
Die Stadt Osnabrück soll zum Klimaschutz Karussellautos für Kinder verboten haben – das behaupten Nutzer bei Facebook. Der vermeintliche Beweis: Das Foto eines Zeitungsberichts. In dem Artikel ist die Rede von einer angeblichen Verfügung der Stadt, die seit dem 1. Januar 2019 gelte und von SPD und Grünen unterstützt werde. «Was geht denn in Osnabrück ab?», fragen User.
Bewertung
Es handelt sich um einen satirischen Beitrag der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Der Bericht kursiert bereits seit einigen Jahren im Netz.
Fakten
Eine Google-Suche nach den Wörtern «Osnabrück» und «Karussellauto» zeigt, was hinter der Geschichte steckt:
«Achtung, Satire! Nein, Karussellautos sind in Osnabrück nicht verboten», titelte die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) am 2. Januar 2019 auf ihrem Online-Auftritt. Das niedersächsische Medienhaus pflegt eine Silvester-Tradition: Zum Jahreswechsel veröffentlicht das Blatt in der Printausgabe nicht ernst gemeinte Satire-Beiträge.
Bei dem vermeintlichen Zeitungsbericht «Karussellautos sind jetzt tabu» handelt es sich um einen solchen Beitrag. Die NOZ stellte das auf ihrem Online-Auftritt klar, nachdem einige User die Satire schon 2019 kurz nach Erscheinen für bare Münze nahmen. «Tatsächlich zeigt das im Netz verbreitete Foto des Artikels nur einen kleinen Ausschnitt der ersten Lokalseite, die an Silvester traditionell mit «Tills Silvesterpunsch und Bleigießerei» überschrieben ist», erklärte die Zeitung damals.
Die satirischen Artikel werden nur im Kontext der Zeitungsseite veröffentlicht, nicht im Onlineportal, um Missverständnisse zu vermeiden, heißt es in dem Artikel. Am 2. Januar folgt dann die Auflösung in der Glosse «Till» und die Texte werden als Scherz entlarvt. Doch in der Vergangenheit sind Leserinnen und Leser der Neuen Osnabrücker Zeitung schon anderen Spaß-Beiträgen zu Silvester auf den Leim gegangen, schreibt das Lokalblatt.
(Stand: 11.1.2023)
Ein Video-Zusammenschnitt auf Facebook stellt Aussagen des ehemaligen ZDF-Moderators Claus Kleber Aufnahmen von ukrainischen Rechtsextremen gegenüber. Angeblich ist auch eine Demonstration vom Neujahrstag 2023 zu sehen – während Kleber sagt: «Es gibt diese Faschisten nicht.» Wird hier ein Widerspruch oder gar eine Falschaussage des Journalisten dokumentiert?
Bewertung
Der Satz von Claus Kleber wurde sinnentstellend gekürzt und stammt bereits aus dem Jahr 2014. In Wirklichkeit sagte er damals über Vorwürfe, Rechtsextreme würden die Ukraine regieren: «Es gibt diese Faschisten nicht, jedenfalls nicht an verantwortlicher Stelle in Kiew.» Zudem fand die im Video gezeigte Demonstration nicht an Neujahr 2023, sondern genau ein Jahr vorher statt.
Fakten
Das Kleber-Zitat ist so geschnitten worden, dass ein wichtiger Teil fehlt. Eine längere Version enthält einen weiteren Halbsatz: «Es gibt diese Faschisten nicht, jedenfalls nicht an verantwortlicher Stelle in Kiew.» Der Satz fiel bereits am 21. Juli 2014 in einer Ausgabe des «heute journals» im ZDF. Die Sendung widmete sich den schon damals von Russland erhobenen Vorwürfen, in der Ukraine würden «Faschisten» regieren. Kleber ging Ende 2021 als Moderator des «heute journals» in Rente.
Im Jahr 2014 war an der ukrainischen Regierung nach dem Sturz des pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch tatsächlich für einige Monate die rechtsextreme Sowoboda-Partei beteiligt. Zur derzeitigen Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ministerpräsident Denys Schmyhal gehört jedoch keine derartige Partei. Swoboda verfügt nur noch über einen Abgeordneten im Parlament in Kiew.
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine war zu diesem Zeitpunkt vor allem deshalb Thema, weil am 17. Juli 2014 über den seit wenigen Monaten von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine ein malaysisches Passagierflugzeug abgeschossen worden war. Dabei waren alle 298 Insassen ums Leben gekommen. Untersuchungen ergaben später, dass das Flugzeug von einer Flugabwehrrakete russischer Bauart getroffen worden war. Im November 2022 verurteilte ein Gericht in den Niederlanden zwei Russen und einen Ukrainer in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen Mordes.
Den Aufmarsch von Rechtsextremen und Nationalisten, der auf Facebook dem Kleber-Zitat gegenübergestellt wird, hat es tatsächlich gegeben – allerdings mehr als sieben Jahre nach dem Satz von Kleber.
Die im Video gezeigten Datumsangaben erwecken den Eindruck, dass einmal eine Demonstration am 1. Januar 2022 und einmal am 1. Januar 2023 zu sehen sei. Das ist jedoch falsch: Alle Videos stammen vom selben Aufmarsch am Neujahrstag 2022 in Kiew. Eine Foto-Rückwärtssuche mit Screenshots aus den Videos führt zu einem Livestream des ukrainischen TV-Senders 5. Kanal und zu einem Beitrag des Senders Euronews. Unter anderem ist der Junge mit der Mütze, der auf den Schultern eines Mannes sitzt, in dem Livestream zu sehen. Die Szene wurde also nicht im Jahr 2023 aufgenommen.
Anlass des rechtsextremen Aufmarsches in der Innenstadt von Kiew war der Geburtstag des ukrainischen Partisanenführers Stepan Bandera. Er kämpfte ab den 1930er Jahren für die ukrainische Unabhängigkeit und mit einer Miliz gegen Polen, Sowjets und Deutsche und auch gegen die jüdische Bevölkerung. Im Zweiten Weltkrieg verbündete Bandera sich zwar zunächst mit Deutschland, wurde von den Nationalsozialisten aber später verhaftet und in einem deutschen Konzentrationslager interniert. Er gilt heute als Ikone ukrainischer Nationalisten. Auf der Bandera-Demonstration am 1. Januar 2022 sind Fahnen der rechtsextremen Swoboda zu sehen.
(Stand: 11.1.2023)
Er ist erst der zweite katholische Präsident in fast 250 Jahren Geschichte der USA – und doch soll ausgerechnet Joe Biden nicht zum Requiem für den kürzlich verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. eingeladen worden sein. So jedenfalls derzeit im Netz zu lesen. Was steckt hinter dem Fernbleiben des Präsidenten?
Bewertung
Weder Benedikt XVI. noch der Vatikan haben Joe Biden verboten, an der Trauerfeier teilzunehmen. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass der Verstorbene sich zu Lebzeiten einen schlichten Rahmen gewünscht hat. Nur Deutschland und Italien waren offiziell eingeladen.
Fakten
Unter anderem auf Facebook wird ein Screenshot geteilt, dem zu entnehmen ist, dass Papst Benedikt dem «Katholiken» Biden verboten hätte, an seiner Beerdigung teilzunehmen. Vorlage für den Post ist ein Artikel des US-amerikanischen Online-Magazins Newspunch, das seit Jahren Falschmeldungen verbreitet.
Mit verantwortlich für die Spekulationen sind unter anderem Bemerkungen von Joe Biden gegenüber einem Reporter. Gefragt nach dem Grund seines Fernbleibens, antwortet der Präsident, es bräuchte für sein Erscheinen eine Entourage an Personen. Das würde «alles in eine falsche Richtung bewegen» und sie «wären nur im Weg».
Bereits am Vortag war im Zuge des täglichen Presse-Briefings im Weißen Haus die Frage nach einer offiziellen Delegation der USA zur Trauerfeier für Benedikt XVI. aufgekommen. Daraufhin antwortete die Pressesprecherin des Weißen Hauses Karine Jean-Pierre, dass der US-Botschafter beim Heiligen Stuhl Joe Donnelly die Vereinigten Staaten auf der Beerdigung vertreten werde, wie es der Wunsch des verstorbenen Papstes und des Vatikans gewesen sei.
Diese Aussage wurde stellenweise so ausgelegt, dass Präsident Biden explizit nicht erwünscht gewesen wäre. Im Gegenteil entsprachen die USA damit aber nur der Bitte des in Deutschland geborenen, emeritierten Kirchenoberhaupts, die Totenmesse einfach zu halten. Wie der Vatikan bekannt gab, waren nur Deutschland und Italien mit offiziellen Delegationen vertreten.
Benedikt XVI. verstarb am 31. Dezember 2022 im Alter von 95 Jahren, am 5. Januar 2023 fand im Vatikan das Requiem statt. Staats- und Regierungsoberhäupter anderer Länder hatten ihre Teilnahme angekündigt, waren jedoch nicht formal eingeladen.
(Stand: 10.1.2023)
Zuletzt hatte es Vorwürfe gegen Ungarn gegeben, das Land hätte EU-Gelder veruntreut. Eine Mehrheit der EU-Staaten hatte sich daraufhin geeinigt, Milliardenzahlungen an Ungarn einzufrieren. Im Netz kursiert nun die Behauptung, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hätte bei seiner Neujahrsansprache angeblich daraufhin angekündigt, das Land werde den europäischen Staatenverbund verlassen. Stimmt das?Bewertung
Das ist falsch. Es gab keine offizielle Neujahrsansprache von Viktor Orban und auch keine Ankündigung, aus der der Europäischen Union (EU) auszutreten.
Fakten
Ein erster Hinweis, dass an der Behauptung etwas nicht stimmen kann: Außer den Facebook-Posts finden sich keine Berichte über einen möglichen Austritt Ungarns aus der Europäischen Union. Hätte Orban wirklich einen EU-Austritt angekündigt, hätte diese Nachricht zu internationalen Medienberichten geführt.
Eine offizielle Neujahrsansprache hat es zudem nicht gegeben. Die offizielle Webseite der ungarischen Regierung listet zwar einige Berichte über Auftritte und Reden des Staatspräsidenten, eine Neujahrsansprache lässt sich dort jedoch nicht finden. Auch auf der eigenen Webseite von Orban sind weder eine solche Rede noch Äußerungen über einen möglichen EU-Austritt zu finden.
Über seinen Facebook-Account hat Orban zwar am Silvesterabend ein zweiminütiges Video hochgeladen, in dem er das Jahr kurz in Bildern Revue passieren lässt. Aber auch darin ist von einem möglichen Austritt aus der EU nicht die Rede.
Wo die Ersteller der Facebook-Beiträge diese Behauptung aufgegriffen haben, bleibt unklar. Ein Hinweis bietet ein Video des Youtube-Kanals «Leben in Ungarn». Der Sprecher verweist auf einen Beitrag im russischen sozialen Netzwerk VK, räumt allerdings ebenfalls ein, eine Neujahrsansprache Orbans nicht gefunden zu haben.
(Stand: 10.1.2023)
Die rechtspopulistische Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gilt in äußerst konservativen Kreisen in Deutschland als Vorbild. «Ungarn ist ein friedliches Land, nicht nur zu Weihnachten», twittert am 25. Dezember 2022 etwa der Präsident des Lobby-Vereins Deutsch-Ungarische Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Papke. «Es gibt keinerlei politische Gewalt, keine Straßenschlachten, keine brennenden Autos», schreibt er. Frauen trauten sich ohne Angst auch im Dunkeln noch auf die Straße. Doch das hat mit der Realität nichts zu tun.
Bewertung
Ein Blick in die Kriminalstatistik zeigt: Ein durch und durch friedliches Leben gibt es in Ungarn nicht für alle.
Fakten
Ungarn ist kein so beschauliches Land, wie es manche gern behaupten. Kriminalität ist wie in anderen europäischen Staaten genauso verbreitet.
Mord, Totschlag und sexuelle Gewalt
Im Jahr 2020 gab es nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat in Ungarn 0,79 Fälle einer vorsätzlichen Tötung pro 100 000 Einwohner. In fast derselben Größenordnung lag Deutschland mit 0,86 Fällen. Beide Länder befanden sich damit nebeneinander im Mittelfeld der EU-Staaten.
Reichlich 500 Vergewaltigungen sind in Ungarn im Jahr 2020 polizeilich registriert worden. Das sind tatsächlich im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Fälle im Vergleich zu Deutschland. Während die Bundesrepublik 2020 mit 12,17 Vergewaltigungen pro 100 000 Einwohner im oberen Mittelfeld unter den EU-Staaten lag, befand sich Ungarn mit 5,16 Fällen im unteren Mittelfeld.
Gewalt gegen Frauen
Zu behaupten, sie trauten sich durchweg ohne Angst im Dunkeln auf die Straße, wirft ein völlig falsches Bild auf die Gewalt, der Frauen in Ungarn ausgesetzt sind.
Nach Eurostat-Angaben gab es in Ungarn zwischen 2011 und 2020 jährlich zwischen 31 (2019) und 102 (2015) weibliche Opfer einer vorsätzlichen Tötung. Damit lag das Land zwischenzeitlich bei einer deutlich höheren Pro-Kopf-Rate an Femiziden als Deutschland. Seit 2010 ist die rechtsnationale Orban-Regierung in Ungarn an der Macht.
Die ungarische Frauenrechtsorganisation Nane schreibt auf ihrer Website, dass jede fünfte Frau in einer Partnerschaft lebt, in der sie körperlich misshandelt wird.
Nach einer Eurobarometer-Umfrage vom März 2022 sind 47 Prozent der Frauen in Ungarn außerdem der Meinung, dass die Corona-Pandemie in ihrem Land zu einem Anstieg der körperlichen und seelischen Gewalt gegen Frauen geführt hat – darunter etwa Belästigungen auf der Straße, bei der Arbeit oder im Internet.
Das ungarische Parlament hat die Istanbul-Konvention bisher nicht ratifiziert. Das internationale Übereinkommen soll Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt verhüten und bekämpfen.
Politische Gewalt
Gewagt ist auch Papkes Aussage, in Ungarn gebe es keine politische Gewalt. Zwar ist offene Aggression auf der Straße tatsächlich wenig präsent. Doch ist die Gesellschaft von struktureller Gewalt durchdrungen, die von Orbans Regierung zur Machtstabilisierung eingesetzt wird.
So wird zum Beispiel die LGBTQI-Gemeinde mächtig unter Druck gesetzt. LGBTQI ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer und intersexuell. Gay-Pride-Märsche in Ungarn mussten von der Polizei immer wieder gegen Rechtsradikale abgesichert werden. Zugleich scheint die homophobe Politik und Gesetzgebung Orbans die Hater zu legitimieren.
Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen, die Hasskriminalität in Ungarn untersuchen, listen in einem Bericht vom März 2021 unter anderem mehrere Fälle aus den Vorjahren auf, bei denen LGBTQI-Veranstaltungen angegriffen wurden. Dem Bericht zufolge schreitet die Polizei bei Hasskriminalität häufig nicht ein – selbst wenn ausreichend Beweise für Rechtsverstöße vorliegen.
Im Sommer 2021 etwa verließ der Literaturwissenschaftler Boldizsar Nagy wegen anhaltender Drohungen gegen sich das Land. Homophobe Rechte hatten ihn wegen des von ihm herausgegebenen Kinderbuchs «Märchenland für alle» angefeindet. Darin werden bekannte Märchen neu erzählt, indem die Heldenfiguren Minderheiten angehören – etwa in Armut lebende Kinder, Kinder mit Behinderung oder Homosexuelle.
Außerdem wurden in Hochzeiten der Corona-Pandemie Übergriffe gegen Menschen aus Asien registriert. Der Rektor der Universität im südungarischen Pecs musste in einem offenen Brief die Bürger der Stadt sogar auffordern, Studierende aus Fernost nicht zu diskriminieren.
Rechtsextremismus
So lange Orban regiert, finden Neonazis und Rechtsradikale wenig Anlass, gewaltsame Proteste auf die Straße zu tragen. Die Politik der Regierung ist strikt migrationsfeindlich. «Patriotismus» und «christlich-nationale Werte» werden im öffentlichen Raum und in den regierungstreuen Medien bis zum Abwinken zelebriert.
Im Februar 2020 etwa marschierten rund 500 schwarz gekleidete Neonazis in Budapest auf, um an eine Schlacht deutscher SS-Einheiten gemeinsam mit ihren ungarischen Verbündeten gegen die sowjetischen Belagerer im Zweiten Weltkrieg zu erinnern. Rechtsextreme organisieren im Umfeld des Jahrestags jährlich Aufmärsche unter dem Motto «Tag der Ehre», das auch als Anspielung auf den SS-Wahlspruch «Meine Ehre heißt Treue» verstanden werden kann.
Im Oktober 2019 griffen 50 Neonazis ein liberales Kulturzentrum in Budapest an. Nach Angaben des Leiters der Einrichtung rissen sie die Regenbogenfahne am Eingang herunter, verbrannten sie und schmierten Nazi-Slogans an Tor und Hauswand. Die Polizei leitete damals Ermittlungen gegen unbekannt wegen Randalierens ein.
Hooligans und Fußball-Ultras
Auch die radikale Fußballszene in Ungarn sorgt für Randale. Nicht nur in den Stadien (daheim und im Ausland) kommt es zu Beleidigungen, Übergriffen und Randalen. Auch außerhalb werden Zusammenstöße und Straßenschlachten rivalisierender Gruppen registriert – etwa zwischen Anhängern von Ferencvaros und Ujpest.
Fußball-Ultras randalierten im September 2015 vor, während und nach einem EM-Qualifikations-Spiel gegen Rumänien in Budapest. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei mit mehreren Verletzten und in Brand gestecketen Autos, darunter ein Polizeifahrzeug.
Die Recherche-Plattform Bellingcat hat in einem Artikel vom Spätsommer 2021 enge Verbindungen zwischen ungarischen Ultras-Gruppen und rechtsextremen sowie neonazistischen Gruppen aufgezeigt.
Dort schlummert ein beträchtliches Gewaltpotenzial. Orbans Regierungspartei Fidesz ist mit diesen Milieus verbunden, kontrolliert sie zum Teil und instrumentalisiert sie für ihre Zwecke.
(Stand: 10.1.2023)
Das Königreich Saudi-Arabien ist zu großen Teilen von Wüste bedeckt. Auch deshalb ist das Land nicht bekannt für Schneemassen, die vom Himmel fallen. Umso mehr Aufsehen erregt es, sollte es einmal dazu kommen: Auf Facebook wurden um den Jahreswechsel Videoausschnitte und Fotos geteilt, die Schneefälle in Mekka zeigen sollen. Rund um die würfelförmige Kaaba in der Großen Moschee, Pilgerstätte und Heiligtum des Islams, ist ein schneebedeckter Boden zu sehen.
Bewertung
Bei dem Video handelt es sich laut Behörden um eine Fälschung. In Mekka hat es um den Jahreswechsel nicht geschneit, zeigen Wetterdaten.
Fakten
Die Provinz Mekka teilte am 1. Januar einen Screenshot aus dem kursierenden Video mit der Stellungnahme, das Video sei gefälscht und mit zusätzlichen Effekten bearbeitet worden.
Auch das Nationale Zentrum für Meteorologie (NCM) des Königreichs meldete sich mit einer Warnung zu Wort, in der es dazu auffordert, beim Verbreiten von Videos und Fotos zu Wetterphänomenen vorsichtig zu sein. Es sei festgestellt worden, dass einige der Beiträge nichts mit der Wetterlage vor Ort zu tun hätten oder verändert worden seien.
Aus einem Portal für weltweite Wetterdaten geht ebenfalls hervor, dass rund um den Jahreswechsel in der Pilgerstadt Mekka Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius herrschten.
Das Königreich Saudi-Arabien erstreckt sich über zwei Klimazonen, die Subtropen und die Tropen. Auch wenn es möglich ist, dass dort Schnee fällt, kommt es äußerst selten dazu. Das «Redaktionsnetzwerk Deutschland» berichtete etwa zuletzt im Januar 2022 von Schneefällen in Saudi-Arabien. Von Mekka ist in dem Beitrag allerdings keine Rede.
(Stand: 10.1.2023)
Zu Jahresbeginn treten oft eine Reihe neuer Regeln in Kraft. In sozialen Medien kursiert, dass in der Ukraine angeblich nun ein schockierendes Gesetz gelten soll: «Selenskij hat im Schatten der Feiertage ein Gesetz unterzeichnet, das Organtransplantationen und Handel mit Organen vereinfacht. Der Verdacht, der sich im Krieg aufdrängt, ist gruselig», heißt es in einem Tweet (Schreibweise im Original). Dazu wird ein Selfie-Video geteilt, in dem der russischsprachige Sprecher nahelegt, Kriegstote und Verwundete würden für den Organhandel ausgenutzt. Stimmen die Behauptungen über das neue Gesetz?
Bewertung
Das erwähnte Gesetz wurde bereits vor einem Jahr – vor dem Krieg – vom Parlament verabschiedet und von Präsident Selenskyj unterzeichnet. Organhandel war schon vor der Gesetzesänderung in der Ukraine verboten und ist es weiterhin.
Fakten
Der Mann in dem gezeigten Video verweist auf einen Artikel zu seinen Behauptungen, der auch im Video eingeblendet wird. Erschienen ist er auf dem ukrainischen Nachrichtenportal LB.ua – allerdings vor einem Jahr.
Das Portal veröffentlichte den Artikel Anfang Januar 2022 und beschreibt darin ein Gesetz, das im ukrainischen Parlament im Dezember 2021 verabschiedet und kurz danach von Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnet wurde. Der ganze Vorgang passierte also vor dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022. Er steht nicht damit in Verbindung.
Das damals verabschiedete Gesetz Nr. 1967-IX änderte bestehende Gesetze, die Organtransplantationen bei Menschen regelten. Auf Englisch hat auch die staatliche ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform darüber berichtet.
Der Handel mit Organen oder Gewebeteilen und Werbung dafür werden in Artikel 20 des veränderten Transplantationsgesetzes geregelt – beides war bereits vor der Novelle verboten und ist es weiterhin.
Nach Angaben des ukrainischen Präsidialamts legt das neue Gesetz fest, dass der Staat Organtransplantationen zahlt. Außerdem sieht das Gesetz ein neues Punktesystem vor, das anhand bestimmter Kriterien mitbestimmen soll, welcher Empfänger ein Spenderorgan erhält.
Falschinformationen zu Transplantationen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg waren bereits zuvor im Umlauf. Es gibt bisher keine Belege dafür, dass Tote und Verwundete dafür ausgenutzt werden. In einem Faktencheck kam dpa zu dem Schluss, dass die Behauptung, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes habe in der Ukraine Kinder mit «gesunden Organen» katalogisiert, falsch ist. Der kanadische Geheimdienst warnte bereits Anfang April 2022 vor russischen Desinformationen über vermeintlichen Organhandel.
(Stand: 9.1.2023)
Seit der Entwicklung der Corona-Impfung hat ihre Wirkung wieder und wieder Schauermärchen entstehen lassen. Hartnäckig halten sich Gerüchte rund um vermeintlich gravierende Impffolgen. Aktuell wird im Netz der Leserbrief einer Hebamme geteilt, die viele unerwartete Todesfälle und Fehlgeburten sowie ansteigende Krebsfälle und einbrechende Geburtenzahlen beklagt. Doch die Thesen sind längst widerlegt.
BewertungFür die aufgestellten Behauptungen gibt es keine Belege. Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe werden genau beobachtet. Es gibt keine Nachweise dafür, dass Sterblichkeit, Krebsfälle, Fehlgeburten oder Unfruchtbarkeit erhöht seien.Fakten
Der Leserbrief einer Privatperson mit dem Titel «Wissenwollen oder Nichtwissenwollen» ist vor Weihnachten 2022 in verschiedenen baden-württembergischen Regionalzeitungen erschienen (kostenpflichtig: hier und hier) und wird seither intensiv in sozialen Medien verbreitet. Darin behauptet eine Hebamme, niemand könne im Zusammenhang mit der Corona-Impfung noch von Fremd- oder Eigenschutz sprechen.Das Robert Koch-Institut (RKI) überwacht laufend die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe. Die Impfung schützt nicht zu 100 Prozent vor Ansteckung. Ziel der Entwicklung war es stets, dass der Impfstoff schwere Krankheitsverläufe verhindert – und das tut er.Zur Übertragbarkeit liegen derzeit zwar keine ausreichenden Daten vor. Eine aktuelle US-Studie bestätigt jedoch die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen, wonach die Übertragung auf Geimpfte auch bei der Omikron-Variante reduziert zu sein scheint.Ein Anstieg an Impfdurchbrüchen ist dem RKI zufolge mit steigender Impfquote in der Bevölkerung erwartbar und kein Hinweis auf eine mangelnde Wirkung.
Strenge Überwachung möglicher Nebenwirkungen
Falschmeldungen zu Todesfällen infolge einer Impfung gegen Covid-19 kursieren schon seit Beginn der Impfkampagne in Deutschland und wurden von der Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits mehrfach widerlegt. Meist wurden in der Vergangenheit Verdachtsfälle fälschlicherweise mit Sterbefällen gleichgesetzt, Daten ohne Zusammenhang präsentiert – und manchmal Vorfälle auch einfach erfunden.
Nach wie vor gibt es keine Belege dafür, dass die Impfung zu vermehrten Todesfällen geführt hat. Dem aktuellen «Bulletin zur Arzneimittelsicherheit» (S. 32) des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom Dezember 2022 zufolge ist «insgesamt und insbesondere auch bei älteren Personen» keine Übersterblichkeit infolge einer Covid-19-Impfung zu erkennen. Das PEI sammelt Verdachtsfälle zu möglichen Impfnebenwirkungen.
Für die angeblich wegen der Impfungen «explodierenden» Krebsraten werden im Leserbrief keine Belege angegeben. Bislang gibt es für das Jahr 2022 keine offiziellen Zahlen, nur vorläufige Analysen und Prognosen. Die Deutsche Krebsgesellschaft etwa verweist auf einen Artikel aus dem Frühjahr 2022: Darin werden höhere Raten von Krebsdiagnosen in fortgeschrittenen Stadien darauf zurückgeführt, dass Vorsorgemaßnahmen zur Früherkennung während der Pandemie verschoben wurden.
Diese Entwicklung beobachtete auch eine Studie aus Italien vom November 2022 und mahnt die Folgen für die Überlebenschancen von Betroffenen an. Krebspatienten wird die Corona-Impfung – bis auf Ausnahmefälle – ausdrücklich empfohlen, wie die dpa bereits in einem Faktencheck darlegte.
Schwangerschaft während der Pandemie
Die Behauptung, eine Corona-Impfung könne für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder gefährlich sein, kam ebenfalls in der Vergangenheit immer wieder auf. Die dpa hat zur Sicherheit des Impfstoffs in der Schwangerschaft sowie zu Falschmeldungen von Fehlgeburten bereits Faktenchecks veröffentlicht.
Eine Fehlgeburt liegt rein rechtlich der Personenstandsverordnung zufolge vor, wenn ein Kind mit weniger als 500 Gramm Gewicht oder vor der 24. Schwangerschaftswoche im Mutterleib stirbt oder nicht lebensfähig auf die Welt kommt. Da dazu kein Eintrag im Personenstandsregister gemacht wird, gibt es keine exakten Zahlen zu Fehlgeburten in Deutschland.
Das Risiko, ein Kind zu verlieren, nimmt bis zur 12. Schwangerschaftswoche mit jeder Woche ab. Erst ab diesem Zeitpunkt spricht auch die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Empfehlung für eine Impfung von Schwangeren aus.
Verstirbt ein Kind nach der 24. Schwangerschaftswoche oder mit mehr Gewicht, wird von einer Totgeburt gesprochen. Diese wird standesamtlich beurkundet. Bislang liegen nur Zahlen für 2021 vor. Hier ist zwar ein leichter Anstieg zu erkennen, allerdings sind auch insgesamt mehr Kinder lebend zur Welt gekommen.
Die Ursachen für das frühzeitige Versterben eines ungeborenen Kindes sind verschieden. Für die meisten Fälle wird eine Plazentaerkrankung verantwortlich gemacht, bei der der Fötus nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. In einer Studie vom Februar 2022 wurde festgestellt, dass eine Corona-Infektion zu einer Entzündung der Plazenta und damit einhergehend zu einer solchen Unterversorgung des Kindes führen kann.
Weniger Neugeborene in Krisenzeiten
Die Geburtenzahlen werden ebenfalls seit Pandemiebeginn immer wieder kritisch unter die Lupe genommen. Für Europa gibt es für 2022 bislang lediglich Prognosen der Vereinten Nationen sowie vorläufige Daten der nationalen statistischen Behörden.
Einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung und der Universität Stockholm zufolge ist einer der möglichen Gründe für den Geburtenrückgang unter anderen der, dass die Impfung für Schwangere zunächst nicht ausdrücklich empfohlen war, und viele Frauen ihren Kinderwunsch darum aufgeschoben hätten.
Diese Empfehlung erfolgte schließlich hierzulande im September 2021 (S. 10) explizit nicht nur für Schwangere und Stillende, sondern auch für Frauen mit Kinderwunsch. Zuvor war bereits im Juni die Impfpriorisierung gefallen. Ab diesem Zeitpunkt war es möglich, sich unabhängig von Alter, Vorerkrankung oder Beruf impfen zu lassen.
Hätte die Impfung Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit, müsste die Geburtenstatistik (vorläufige Zahlen können hier generiert werden) ab April 2022 erste Einbrüche verzeichnen. Ab Mai 2022 steigen die zunächst rückläufigen Zahlen aber wieder. Darüber hinaus ist der Rückgang im Osten Deutschlands deutlich ausgeprägter, obwohl dort die Impfquote stets niedriger war – das geht nicht mit einem angeblich direkten Zusammenhang zwischen Impfung und Fruchtbarkeit einher.
Eine Schweizer Studie über die bereits 2021 europaweit rückläufigen Geburtenzahlen kam zu dem Ergebnis, dass wesentliche Faktoren unter anderem die Länge der Lockdowns sowie die Verunsicherung durch Krisen in Wirtschaft und Gesundheitssystemen gewesen sein könnten. Nach Aufhebung der Beschränkungen sei aber wieder ein Anstieg der Geburten zu beobachten. Ähnliches berichtet das französische Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien, das diesen Effekt über drei Lockdowns hinweg feststellte.
(Stand: 9.1.2023)
Am 6. Januar 2021 stürmten Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump das US-Kapitol in Washington. Besonders auffällig: Ein als «Schamane» verkleideter Mann mit einem Kopfschmuck aus Fell und Hörnern. Fast genau zwei Jahre später soll am 8. Januar 2023 ein ähnlich gekleideter Mann beim Angriff auf das Regierungsviertel in Brasília dabei gewesen sein. Kann das sein?
Bewertung
Falsch. Die Bilder des brasilianischen «Schamanen» stammen weder aus Brasilia noch sind sie aktuell.
Fakten
Sein Bild mit Kopfschmuck, tätowiertem Oberkörper und den in den Farben der US-Flagge bemalten Gesicht ging um die Welt: Der Mann, der sich selbst als «QAnon Schamanen» bezeichnet hatte und sich später von der Verschwörungsbewegung distanzierte, war dabei, als eine wilde Menge von Trump-Anhängern am 6. Januar 2021 das US-Kapitol in Washington stürmte.
Derzeit verbreitete Bilder, die angeblich eine brasilianische Version eines solchen «Schamanen» zeigen, stammen jedoch nicht vom aktuellen Sturm radikaler Anhänger des früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Sie drangen am 8. Januar 2023 im Regierungsviertel in Brasília in den Kongress, den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz Palácio do Planalto ein.
Der «Schamane» auf den aktuell verbreiteten Bilder ist aber wohl tatsächlich ein Unterstützer des rechten Ex-Staatschef. Denn bereits am 7. September 2021 veröffentlichte ein BBC-Journalist Fotos des verkleideten Mannes bei einer Demonstration von Bolsonaro-Anhängern in Sao Paulo. Hinsichtlich der gerade verbreiteten Bilder stellte BBC-Journalist zudem in einem aktuell Tweet dar, dass diese früher entstanden seien.
Auch die brasilianische Zeitung «Diário do Centro do Mundo» titelte am 7. September 2021, ein Bolsonaro-Anhänger trage ein vom «Kapitol-Schamanen» inspiriertes Kostüm und habe bei einer Demonstration in Sao Paulo teilgenommen. Auch die Zeitung «Brasil de Fato» verwendet einige Tage später am 24. September 2021 eines der nun verbreiteten Fotos des Mannes.
(Stand: 9.1.2023)
Seit Ende Dezember verbreiten sich in Sozialen Netzwerken Traueranzeigen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Stuttgart. Die Namen von mehreren Menschen, die im November und Dezember 2022 verstarben, finden sich dutzendfach auf Telegram, Facebook oder Twitter. Ihr Tod wird in Zusammenhang mit der Corona-Impfung gebracht. „Klar, mit der Impfung hat das nichts zu tun“, schreibt etwa eine Person auf Twitter. „Wie wir alle wissen, kommt das Unglück überwiegend ‚plötzlich und unerwartet‘“, schreibt ein Facebook-Nutzer. „Plötzlich und unerwartet“ ist eine beliebte Formulierung in der Impfgegner-Szene – damit wird suggeriert, dass der Tod eine Folge der Covid-19-Impfung sei. In einem Telegram-Beitrag ist sogar von einer „tödlichen Impfcharge“ die Rede. Allein diesen Beitrag haben mehr als 120.000 Menschen gesehen.Belege für diese Behauptungen liefern die Beiträge nicht. Die Impfung und die Todesfälle der städtischen Mitarbeiter hätten nichts miteinander zu tun, sagte ein Sprecher der Stadt Stuttgart gegenüber T-Online. Für das Stuttgarter Jugendamt arbeiten zudem mehr als 4.000 Menschen – die Anzahl der Todesfälle ist statistisch nicht ungewöhnlich.Auf Telegram kursieren Traueranzeigen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stuttgarter Jugendamts. Für den behaupteten Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung gibt es keine Belege. (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Die Zahl der Todesfälle ist statistisch gesehen nicht auffällig
Die Traueranzeigen sind echt. Sie wurden in der Stuttgarter Zeitung und in den Stuttgarter Nachrichten veröffentlicht. Die Screenshots selbst stammen offenbar von einem gemeinsamen Online-Portal für Traueranzeigen, das die beiden Zeitungen gemeinsam betreiben. Die Todesanzeigen selbst lassen sich inzwischen nur noch in einer archivierten Version der Seite finden.Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart, schrieb uns per E-Mail: „Fakt ist: Acht Menschen sind im vergangenen Jahr verstorben, die bis zu ihrem Tod im Jugendamt tätig waren. Acht. von rund 4.000.“ Auffällig oder besser gesagt zufällig sei, dass es im Dezember fünf Todesfälle gegeben habe. Ein Blick auf die Sterbestatistik für Deutschland zeigt: 2021 starben in der Bundesrepublik 12,3 Menschen pro 1.000 Einwohner. In den Jahren davor war die Zahl ähnlich hoch. Auch wenn dabei nicht nur Verstorbene im erwerbsfähigen Alter erfasst werden, wird deutlich: Die acht Toten sind statistisch gesehen nicht auffällig, zumindest nicht auf das ganze Jahr gerechnet.
Stadt Stuttgart stellt Strafanzeige wegen Volksverhetzung
„Wir waren empört, als wir von den Veröffentlichungen erfuhren“, schrieb uns Matis. Durch die Behauptung würden Menschen in die Irre geführt und aufgewiegelt. Es habe sogar einen Drohanruf beim Jugendamt gegeben, berichtete T-Online. Nach Angaben des Sprechers hat die Stadt einen Strafantrag wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Auch der Blog Report24 instrumentalisiert Todesanzeigen der Stadt Stuttgart. Dort wird zudem behauptet, es gebe eine Übersterblichkeit, die im Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen stehe. Zu Übersterblichkeit kam es durch die Corona-Pandemie tatsächlich, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Die Todesursachenstatistik für 2021 zeigt, dass sieben Prozent aller Todesfälle direkt auf Covid-19 zurückgehen; Corona-Impfungen dagegen werden nicht als Todesursache aufgeführt. Einer vorläufigen Sonderauswertung des Bundesamts vom 10. Januar 2023 zufolge könnte die Übersterblichkeit für einzelne Wochen und Monate 2022 unter anderem auf Covid-19 und Grippe zurückgehen. Die genaue Auswertung der Todesursachen steht noch aus, bislang gibt es aber keine Belege für einen Zusammenhang mit Corona-Impfungen.Aktuell kursieren im Netz auch Todesanzeigen der Universität des Saarlandes – auch bei diesen Sterbefällen wird suggeriert, sie hätten etwas mit der Corona-Impfung zu tun. Dafür gibt es ebenfalls keinerlei Belege, wie wir berichteten. Auch in der Vergangenheit wurde mit ähnlichenBehauptungen Stimmung gegen die Covid-19-Impfstoffe gemacht.Redigatur: Steffen Kutzner, Uschi Jonas
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Sterbefälle in Deutschland, Statistisches Amt der Europäischen Union, letzter Zugriff: 10. Januar 2022: Link
„Querdenker“ verhöhnen tote Jugendamt-Mitarbeiter, T-Online: Link
Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamts für 2021: Link
Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts zu Sterbefallzahlen 2022: Link
„Es muss ein Ende haben. Ich wünsche mir von Herzen, dass man wieder die Grenzen schließt“, sagt ein Mann in einem kurzen Video, das mindestens seit dem 1. Januar 2023 in Sozialen Netzwerken kursiert, etwa auf Facebook. Das wünsche er sich als Migrant, sagt der Sprecher im Video weiter. Einige Nutzerinnen und Nutzer sowie Kreisverbändeder AfD teilten das Video in Sozialen Netzwerken mit der Behauptung, es zeige den Schauspieler Kida Khodr Ramadan, der unter anderem aus der Serie „4 Blocks“ bekannt ist. Als „Prominenter mit Migrationshintergrund“ spreche er das aus, „was viele Deutsche inzwischen nicht mehr laut auszusprechen wagen“, heißt es in den Beiträgen. Bei der Person im Video handelt es sich jedoch nicht um Kida Khodr Ramadan, wie der Schauspieler am 7. Januar 2023 in einem Statement auf Instagram klarstellte. Die Inhalte des Videos bezeichnete er als „rechtsextrem“.Kida Khodr Ramadan erklärte auf Instagram, dass er nicht die Person in diesem Video sei und distanzierte sich von den Inhalten (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
AfD Sachsen löschte das Video, nachdem der Schauspieler Ramadan klarstellte, dass er darin nicht zu sehen sei
Der 46-jährige Schauspieler erklärte, die AfD Sachsen habe das Video auf ihrem Instagram-Kanal mit der Angabe seines Namens veröffentlicht. Auf Instagram ist das Video bei der AfD Sachsen weder aktuell noch archiviert zu finden. Wir fanden den Beitrag auf Telegram, weil er dort am 3. Januar in einem Kanal geteilt wurde. Der ursprüngliche Beitrag der AfD Sachsen wurde gelöscht.Wir haben am 10. Januar bei der AfD Sachsen nachgefragt, warum der Beitrag gelöscht wurde – jedoch keine Antwort erhalten. Am selben Tag veröffentlichte der Telegram-Kanal „AfD Sachsen“ eine Richtigstellung, in der es heißt: „Herr Kida Khodr Ramadan ist in dem Video weder zu hören noch zu sehen.“ Am 10. Januar veröffentlichte der Telegram-Kanal „AfD Sachsen“ diese Richtigstellung (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Vergleich der Aufnahmen zeigt: Der Mann im Video ist nicht Kida Khodr Ramadan
Bereits vor der Stellungnahme Ramadans haben Nutzerinnen und Nutzer in Sozialen Netzwerken Zweifel daran geäußert, dass die Person im Video der Schauspieler sei. Mit Sicherheit sei das nicht die Stimme von Kida Khodr Ramadan, kommentierte etwa ein Nutzer bei Twitter. Die Stimmen klingen tatsächlich unterschiedlich, wie ein Vergleich mit einem ZDF-Beitrag zeigt, in dem Ramadan spricht. Auch das Aussehen des Sprechers aus dem kursierenden Video unterscheidet sich von dem des Schauspielers. Die Frisuren und Gesichtsformen stimmen nicht überein. Der Schauspieler hat beispielsweise eine breitere Nase als die Person im Video. Ramadan hat zudem eine Narbe zwischen den Augenbrauen, die der Person im Video fehlt. Auch die Form der Augenbrauen ist unterschiedlich. Links die Person aus dem Video, rechts Kida Khodr Ramadan bei seinem Statement auf Instagram; ein Vergleich zeigt: Die Nasen und Augenbrauen der Personen unterscheiden sich. Ramadan hat zudem eine Narbe zwischen den Augenbrauen, die Person im Video nicht. (Quellen: Facebook und Instagram; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Immer wieder tauchen im Internet Videos auf, die angeblich Prominente zeigen sollen, die jedoch nicht zu sehen sind. Im November 2022 etwa wurde behauptet, ein Video zeige den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim Tanzen auf einer Bühne. Tatsächlich handelte es sich aber um einen russischen Comedian. Redigatur: Steffen Kutzner, Sarah Thust
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Stellungnahme des Schauspielers Kida Khodr Ramadan auf Instagram, 7. Januar 2022: Link
Ein abgewählter rechtspopulistischer Präsident, ein Sturm auf das Parlament, Anfang Januar: Die aktuellen Angriffe auf das Kongressgebäude in Brasilien erinnern stark an den Sturm auf das Kapitol in den USA zwei Jahre zuvor. Im Netz kursieren nun Bilder, die eine weitere Ähnlichkeit zeigen sollen. Zu sehen sind zwei Männer, beide tragen Hörner auf dem Kopf, haben einen freien Oberkörper und bemalte Gesichter. Verglichen wird der sogenannte „QAnon-Schamane“ aus den USA, der 2021 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, mit einem Mann aus Brasilien. Der brasilianische „Schamane“ sei am 8. Januar beim Sturm auf das Parlament in Brasilien dabei gewesen, suggeriert der Vergleich. Die Bilder verbreiten sich international: etwa auf Deutsch, Englisch und Spanisch.Doch das Bild des brasilianischen „Schamanen“ stammt gar nicht von den aktuellen Ausschreitungen in der Hauptstadt Brasília. Das Foto wurde 2021 in São Paulo aufgenommen.Der Vergleich zwischen den zwei als „Schamanen“ verkleideten Männern aus den USA und Brasilien verbreitet sich international – das untere Foto entstand aber nicht am 8. Januar 2023 (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Bild vom brasilianischen „Schamanen“ stammt von 2021, nicht von dem Sturm auf das Parlamentsgebäude 2023
Eine Bilderrückwärtssuche mit dem Foto des Mannes führt zu einem Artikel auf Portugiesisch vom 7. September 2021. Darin geht es um die Verhaftung eines Trump-Vertrauten in Brasilien. In einem weiteren Artikel der BBC vom 8. September 2021 ist ein Foto des Mannes mit dem bemalten Gesicht und den Hörnern am Kopf aus einer anderen Perspektive zu sehen. Der Artikel berichtet über eine Kundgebung des damaligen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, in São Paulo. Der abgebildete „Schamane“ wird als Bolsonaro-Unterstützer bezeichnet.Die Faktencheck-Redaktion von Reutersfand heraus, dass die Aufnahme aus Brasilien von dem Fotografen Guilherme Gandolfi stammt. Er veröffentlichte das Bild mehrmals auf seinem Instagram-Kanal und schrieb dazu, das Foto sei vom 7. September 2021.Redigatur: Paulina Thom, Kimberly Nicolaus
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Artikel auf Portugiesisch mit dem Foto des brasilianischen „Schamanen“ vom 7. September 2021: Link
Instagram-Beitrag des Fotografen Guilherme Gandolfi vom 6. September 2022: Link
„Das darf doch jetzt nicht wahr sein. Und wir schuften bis zum Umfallen und wissen dennoch nicht, wie wir alles bezahlen sollen“, kommentierte eine Person ein Tiktok-Video. Es geht darin um einen angeblichen Beschluss des Deutschen Bundestags: Geflüchtete aus der Ukraine sollen sich an jeder Caritas-Stelle des Landes 500 Euro Begrüßungsgeld abholen können, sagt eine weibliche Stimme. Der Bundestag habe „dem Antrag im Eilverfahren“ zugestimmt, bezahlt werde das Ganze mit deutschem Steuergeld. Das Video schließt mit der Verabschiedung: „Ihre Grüne Bundesregierung“. Es wurde 25.000 Mal abgespielt und ist nur eines von Dutzenden, in denen diese Behauptung verbreitet wird. Sie ist falsch. Das bestätigten uns die Caritas und der Deutsche Bundestag. Die Videos basieren auf einem Satire-Beitrag, der ernst genommen und weiterverbreitet wurde. Der Urheber fiel schon mehrfach mit Falschmeldungen zu angeblichen finanziellen Zuwendungen an ukrainische Geflüchtete auf – die oft nur versteckt oder gar nicht als Satire gekennzeichnet waren.Einer von vielen Beiträgen, in denen die Falschinformation verbreitet wird, dass ukrainische Geflüchtete 500 Euro Begrüßungsgeld bekommen würden (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Laut Caritas und Bundestag bekommen Geflüchtete aus der Ukraine keine 500 Euro Begrüßungsgeld
Eine Online-Recherche liefert keine Hinweise auf das vermeintliche Begrüßungsgeld. Weder die Bundesregierung noch die Caritas haben dazu Informationen auf ihrer Webseite. Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck schreibt Caritas-Sprecherin Anja Stoiser, dass der Verband bundesweit kein Begrüßungsgeld bezahle oder anbiete. Es habe dazu auch keine Anfragen von Ukrainerinnen oder Ukrainern gegeben. Auch im Bundestag gebe es zu dem Thema keine Entscheidung, schreibt uns der dortige Sprecher Sven Göran Mey auf Anfrage. Es befinde sich weder etwas „derartiges im parlamentarischen Verfahren des Bundestages“ noch gebe es einen „Entwurf, der in die Gremien ginge“.
Urheber des Beitrags fällt mit schlecht gekennzeichneter Satire auf
In die Welt gesetzt hat die Behauptung ein Tiktok-Account namens fettbaer_man. Der Nutzer bezeichnet sich als Satiriker, über 52.000 Accounts folgen ihm. Er fiel schon mehrfach mit falschen Behauptungen auf. Etwa, dass auf Mallorca Hotels mit deutschem Steuergeld für ukrainische Geflüchtete umgebaut werden würden, oder dass die Bundesregierung einen Solidaritätszuschlag für die Ukraine eingeführt habe. Oft kennzeichnet er seine Videos nur schwer sichtbar als Satire, manchmal fehlt die Kennzeichnung komplett.Im Beitrag über das angebliche Begrüßungsgeld ist ein Satire-Hinweis in den Hashtags versteckt, das Video wurde über 230.000 Mal angesehen. Die Kommentare unter dem Beitrag zeigen, dass viele Nutzerinnen und Nutzer ihn ernst nehmen.In der Aufnahme ist ein Mann zu sehen, der vor einem Gebäude mit einem Caritas-Schild steht und sich die Finger reibt. An dem Logo ist erkennbar, dass das Gebäude nicht in Deutschland steht. Die deutsche Caritas verwendet eine andere Grafik, auch die Schreibweise des Wortes „Caritas“ ist anders: Den Akzent über dem Buchstaben A gibt es in der deutschen Schreibweise nicht, in der spanischen zeigt er nach oben und in der katalanischen Schreibweise zeigt er – so wie im Video – nach unten. Das Logo im Video (links oben) sieht aus wie das Logo der Caritas Mallorca (links unten) – nicht wie jenes der deutschen Organisation (rechts) (Quelle: Tiktok, Caritas Mallorca, Caritas Deutschland; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)Diese Schreibweise verwendet auch die Càritas Mallorca. Auf Anfrage bestätigt uns die dortige Pressesprecherin Begoña González, dass im Video eine Fahrradwerkstatt der Càritas zu sehen ist. Sie befindet sich etwa 35 Kilometer nordöstlich von Palma. Eine Aufnahme von Google Maps bestätigt, dass es sich um den gleichen Ort wie im Video handelt. Auch dort gebe es keine 500 Euro an ukrainische Geflüchtete, schreibt die Sprecherin.Wir finden den Caritas-Standort, der im Video gezeigt wird (links) auf Google Maps (rechts). Er ist nicht in Deutschland, sondern auf Mallorca. (Quellen: Tiktok, Google Maps; Screenshots, Collage und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Desinformationen über Sozialleistungen für Geflüchtete sind weit verbreitet
Immer wieder tauchen im Internet Falschbehauptungen auf, in denen es um die Versorgung von Geflüchteten geht. Im Dezember etwa hieß es, Geflüchtete verfügten in Deutschland über mehr Einkommen als Angestellte, doch – wie unser Faktencheck zeigt – waren die Zahlen veraltet und stammten aus Österreich. Im April kursierte die Behauptung, Geflüchtete aus der Ukraine könnten zehn Jahre früher als Deutsche Rente beziehen. Auch das stellte sich als falsch heraus. Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.Redigatur: Sophie Timmermann, Paulina ThomUpdate, 12. Januar 2023: Nach der Veröffentlichung schrieb uns die Sprecherin der Càritas Mallorca, dass auch dort ukrainische Geflüchtete keine 500 Euro als Begrüßungsgeld bekämen. Wir haben diese Information ergänzt.
Eine Todesanzeige kursiert aktuell in SozialenNetzwerken. Die Beiträge zeigen den Ausschnitt einer Zeitungsseite, darauf listet die Universität des Saarlandes die Namen von zehn Mitarbeitenden, die zwischen April und September 2021 verstorben sind. Impfgegner missbrauchen diese Todesfälle, um einen Zusammenhang mit der Impfung gegen Covid-19 zu suggerieren. „Ob diese Mediziner gegen Corona geimpft waren, würde mich sehr interessieren“, schreibt etwa eine Nutzerin auf Facebook. Auf einem der geteilten Bilder steht: „Uni legt Wert auf durchgeimpften Lehrkörper“. In einem anderen Beitrag heißt es: „Hat natürlich nichts mit der Genplörre zu tun“. Die Todesanzeigen kursierten bereits im Oktober 2021 und tauchen seit Dezember 2022 wieder in mehreren Beiträgen auf. Doch für die Behauptungen gibt es keine Belege. Die Anzahl der Todesfälle ist aber nicht ungewöhnlich – schon vor der Corona-Pandemie veröffentlichte die Universität des Saarlandes ähnliche Traueranzeigen nach jedem Semester. Ein Zusammenhang der aktuellen Todesfälle mit den Corona-Impfungen entbehre „jedweder Grundlage“, schrieb uns eine Sprecherin der Universität.Diese Todesanzeige der Universität des Saarlandes ist echt, doch die Sterbefälle stehen laut der Universität nicht in Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Anzahl der Verstorbenen in der Todesanzeige der Universität im Saarland ist nicht ungewöhnlich
Wir haben bei der Universität des Saarlandes nachgefragt, was es mit der Todesanzeige auf sich hat. Die Sprecherin schrieb uns, dass die Universität seit längerer Zeit ihre verstorbenen Mitglieder in gesammelten Traueranzeigen betrauere, auch schon vor der Corona-Pandemie. „An der Universität des Saarlandes arbeiten rund viereinhalbtausend Menschen, dazu kommen noch etliche Ehemalige, die nicht mehr im Dienst sind, aber als verdiente Universitätsmitglieder natürlich in den Traueranzeigen gewürdigt werden.“ Ein Dutzend Verstorbener pro Semester seien bei dieser Größenordnung nicht ungewöhnlich.Das bestätigt auch ein Blick auf die Todesanzeigen der Saarbrücker Zeitung, in der die Universität den Verstorbenen regelmäßig gedenkt. Über die Suchmaske lässt sich die aktuell kursierende Traueranzeige vom 2. Oktober 2021 finden – aber auch viele weitere Anzeigen der Universität, die über ähnlich viele Todesfälle berichten.Am 11. April 2020 etwa veröffentlichte die Universität eine Traueranzeige für 15 Mitarbeitende, am 20. April 2019 für elf und am 6. Oktober 2018 für acht Universitätsmitglieder. Die erste Corona-Impfung in Deutschland erhielt eine Frau Ende Dezember 2020.Immer wieder werden Todesfälle in Sozialen Netzwerken instrumentalisiert, um Stimmung gegen die Covid-19-Impfungen zu machen. Wir haben uns in mehreren Faktenchecks mit solchen Behauptungen beschäftigt (zum Beispiel hier, hier und hier).Redigatur: Paulina Thom, Uschi Jonas
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Traueranzeigen der Universität des Saarlandes in der Saarbrücker Zeitung vom 11. April 2020: Link (archiviert)
Traueranzeigen der Universität des Saarlandes in der Saarbrücker Zeitung vom 20. April 2019: Link (archiviert)
Traueranzeigen der Universität des Saarlandes in der Saarbrücker Zeitung vom 6. Oktober 2018: Link (archiviert)
Dutzende User haben Anfang Januar 2023 das Foto eines Posters online geteilt, auf dem vor plötzlichem Tod durch Corona-Impfstoffe gewarnt wird. Angeblich stamme das Plakat von den irischen Gesundheitsbehörden. Diese bezeichnen das Poster allerdings als Fälschung. Ein solches Plakat sei nie veröffentlicht worden. Auch in den Erhebungen der irischen Gesundheitsbehörden zu Impfnebenwirkungen ist nicht von einem möglichen „plötzlichen Tod“ die Rede. Die Nebenwirkungen seien meist leicht bis moderat. Geimpfte hätten durch die Impfung eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs oder einer Hospitalisierung.
Dutzende Nutzerinnen und Nutzer haben das angebliche Plakat zu Impfnebenwirkungen auf Facebook geteilt. Auf Telegram sahen mehr als hunderttausend Menschen entsprechende Beiträge.
Die Behauptung: User verbreiten im Netz ein angebliches Plakat der irischen Gesundheitsbehörden zu Impfnebenwirkungen. Auf dem Poster wird unter anderem vor plötzlichen Tod gewarnt. Auch Kopfschmerzen, Menstruationsstörungen, Lähmungen, Blutgerinnsel, Herzinfarkte und Schlaganfälle werden auf dem Plakat gelistet. Es wird dazu aufgefordert, die Nebenwirkungen an die Health Products Regulatory Authority (HPRA) zu melden. In der unteren rechten Ecke ist das Logo der irischen Regierung mit den Worten „Volk von Irland“ zu sehen.
Facebook-Screenshot der Behauptung: 11. Januar 2023
Falsche und irreführende Informationen werden immer wieder online geteilt. So überprüfte AFP in der Vergangenheit bereits Behauptungen, wonach mRNA-Impfstoffe angeblich massenhaft Ungeborene töteten oder die Corona-Impfstoffe angeblich zu Affenpocken führten. Faktenchecks zu Impfungen sammelt AFP hier.
Irische Behörden nennen Plakat eine Fälschung
Bereits ein genauer Blick auf das Poster gibt erste Hinweise darauf, dass es sich hierbei um eine Fälschung handelt. Neben dem Logo der irischen Regierung am rechten unteren Bildrand sind die Worte „Muintir na hEireann“ zu lesen, „Volk von Irland“. Dabei handelt es sich um eine irische Wendung, die häufig von Politikerinnen und Politikern oder Regierungsbeamten genutzt wird, um sich auf die Menschen in Irland zu beziehen, beispielsweise hier oder hier.
Als offizielle Bezeichnung der irischen Regierung gilt allerdings „Rialtas na hEireann“, zu Deutsch: „Regierung von Irland“. Der Name inklusive Symbol ist so auch auf der Website der irischen Regierung zu sehen:
Screenshot der Website der irischen Regierung: 13. Januar 2023
Auf dem Plakat wird zudem dazu aufgefordert, mögliche Impfnebenwirkungen an die Health Products Regulatory Authority (HPRA) zu übermitteln, eine irische Behörde zur Regulation von Arzneimitteln für Menschen und Tiere, ähnlich dem deutschen PEI.
Die Behörde erstellte aber gar keine Plakate oder sonstiges Informationsmaterial zu Impfstoffen, wie eine HPRA-Sprecherin am 11. Januar 2023 gegenüber AFP erklärte:
„Die HPRA produziert keine Covid-19-Impfplakate. Alle Covid-19-Impfplakate, die im Umlauf sind – ob in gedruckter Form oder über soziale Medien – und die als von der HPRA stammend dargestellt werden, sind wahrscheinlich gefälscht und enthalten falsche oder irreführende Informationen.“ Für einen AFP-Faktencheck vom November 2021 bestätigte eine HPRA-Sprecherin ebenfalls bereits, dass es sich bei dem Poster um eine Fälschung handle.
Informationsmaterialien zu Impfstoffen würden nicht vom HPRA, sondern vom irischen Health Service Executive (HSE) erstellt, der das irische Gesundheitssystem betreibt.
Eine Sprecherin des irischen HSE bestätigte ebenfalls am 11. Januar 2023 gegenüber AFP, dass es sich bei dem Plakat um kein Material der Behörde handele: „Die in dem Poster enthaltenen Informationen wurden weder von der HSE autorisiert noch veröffentlicht.“
Auf der HSE-Website finden sich entsprechende Beispiele für tatsächliche Poster mit Verhaltensempfehlungen zu Covid-19. Ein Poster mit Warnungen vor Todesfällen durch Impfung findet sich dort allerdings nicht.
Auch auf diesem Poster findet sich am unteren Bildrand die Bezeichnung „Regierung von Irland“ statt der Worte „Volk von Irland“ wieder, wie sie auf der gefälschten Version genutzt wurde.
Mehrheit der Nebenwirkungen mild bis moderat
Zu den auf dem Fake-Poster genannten Nebenwirkungen erklärte die HPRA-Sprecherin: „Auch wenn nicht jeder davon betroffen ist, haben alle Impfstoffe Nebenwirkungen, von denen die meisten leicht bis mittelschwer sind.“ Diese Nebenwirkungen müssten immer wieder gegen den Nutzen der Impfung bei der Bekämpfung von Covid-19 abgewogen werden. Geimpfte hätten im Fall einer Corona-Infektion eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, schwer zu erkranken oder ins Krankenhaus zu müssen. Der Gesundheitsdienst HSE wirbt für Auffrischungsimpfungen.
Zur Sicherheit der Impfstoffe verwies die Sprecherin auf die offiziellen Informationen der irischen Behörden. So finden sich auf der Website des HPRA die offiziellen Produktinformationen zu den in Irland verwendeten Impfungen, ebenso wie Sicherheitsberichte.
Im jüngsten Bericht vom 19. Mai 2022 heißt es, bis zum 10. Mai 2022 seien insgesamt „20.182 Berichte über vermutete Nebenwirkungen“ bei der Behörde eingegangen, davon beziehen sich 113 Berichte auf Personen, von denen bekannt sei, „dass sie geimpft worden und später verstarben“. Etwa 70 Prozent dieser Berichte hätten Menschen im Alter von 75 Jahren und älter betroffen.
Im Bericht heißt es dazu weiter: „Berichte über einen Todesfall werden sorgfältig geprüft. Es ist zu erwarten, dass Todesfälle aufgrund des Fortschreitens einer Grunderkrankung oder natürlichen Ursachen auch weiterhin auftreten werden, auch nach Impfung.“ Das bedeute allerdings nicht, dass die Impfstoffe die Todesfälle auch verursachten.
Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Sicherheitsberichte zu den Corona-Impfstoffen. Im jüngsten Bericht vom 8. Dezember 2022 heißt es ebenfalls, die EMA bestätige, dass der Nutzen der derzeit zugelassenen Corona-Impfstoffe weiterhin „ihre Nebenwirkungen überwiegen“. Weiter wird erklärt: „Die Tatsache, dass jemand nach einer Impfung ein medizinisches Problem hatte oder gestorben ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass dies durch den Impfstoff verursacht wurde.“
Auch die US-Gesundheitsbehörde CDC, der britische National Health Service (NHS) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen zum selben Schluss.
Fazit: Bei dem online kursierenden Poster handelt es sich um ein gefälschtes Plakat der irischen Behörden zu Corona-Impfstoffen. Das bestätigten sowohl die irische Arzneimittelbehörde HPRA sowie der irische Gesundheitsdienst HSE. Weltweit prüfen laufend Gesundheitsbehörden die Sicherheit der Impfstoffe und empfehlen sie weiterhin.
Die russische Krieg in der Ukraine ist auch von einer Welle an pro-russischen Beiträgen in sozialen Medien begleitet, die die Berichterstattung westlicher Medien über den Konflikt falsch darstellen. Das ist auch im Fall einer Serie an angeblichen Titelbildern des satirischen Wochenmagazins „Charlie Hebdo“ der Fall. Alle verbreiten antiukrainische Botschaften und erscheinen auf den ersten Blick überzeugend. Sie sind allerdings von Ungereimtheiten und Fehler durchsetzt, die sie verraten. Im Archiv des Magazins findet sich keines der angeblichen Titelbilder und die Zeitschrift bezeichnete sie als Fälschungen.Die Behauptung: AFP hat sieben vermeintlichen Titelbilder gefunden, die in verschiedenen sozialen Netzwerken und in unterschiedlichen Sprachen geteilt wurden. Manchmal wird der ukrainische Präsident als Dieb dargestellt, manchmal als Hund. In einem Fall werden ukrainische Fußballfans als Nazis dargestellt, was ein gängiges Thema der pro-russischen Propaganda gegen die Ukraine ist.
Die Zeichnungen sind in einem spöttischen Stil gehalten, ähnlich wie die echten Titelbilder von „Charlie Hebdo“, das 2015 von islamistischen Terroristen angegriffen wurde. Das Magazin veröffentlicht teils respektlose Karikaturen von Personen des öffentlichen Lebens, die etwa zuletzt im Iran für Empörung sorgten.
Die Zeichnungen, die online als ukrainekritische Ausgaben präsentiert werden, tragen die Unterschriften der Karikaturisten des Magazins. Die vermeintlichen Cover sind aktuell und spiegeln die Nachrichten der jeweiligen Tage wider, die sie zeigen. Aber sie sind Fälschungen.
AFP Faktencheck hat alle sieben Fake-Cover zum Ansehen auf seinem Instagram-Account veröffentlicht:
„Charlie Hebdo“ bezeichnet die Karikaturen als Fälschungen
Die echten Titelblätter einer jeder Ausgabe sammelt „Charlie Hebdo“ in einem Archiv auf seiner Website. Dort ist allerdings keine der geteilten Karikaturen zu finden, genauso wenig wie auf anderen offiziellen Kanälen des Mediums, etwa seinem Twitter– oder Facebookkanal.
Archiv der echten Titelbilder auf der Website von Charlie Hebdo vom 12. Oktober bis 28. Dezember 2022; Screenshot vom 4. Januar 2023
AFP hat bei „Charlie Hebdo“ direkt nachgefragt und der Redaktion die in Umlauf befindlichen Cover gezeigt. Ein Sprecher von „Charlie Hebdo“, bezeichnete am 29. Dezember 2022 alle angeblichen Cover als Fälschungen: „Keines dieser Titelbilder wurde von ‚Charlie Hebdo‘ erstellt.“
Er wies auf mehrere Unterschiede zwischen den echten und den gefälschten Covern hin. Andere Unstimmigkeiten fand AFP bei einem genaueren Vergleich, zum Beispiel:
„Charlie Hebdo“ erscheint normalerweise am Mittwoch – einige der gefälschten Cover sind jedoch auf andere Wochentage datiert.
Bis September 2022 kostete die Zeitschrift drei Euro, danach stieg der Preis auf 3,20 Euro. In drei der sieben von AFP gesichteten Exemplare ist der Preis beispielsweise mit 3,50 Euro angegeben.
Über dem Titel des Magazins sind auf den echten Titeln in der Regel drei kurze Vorschauen auf den Inhalt zu sehen, die bei den gefälschten Titeln weggeschnitten zu sein scheinen.
Der Sprecher wies zudem auf künstlerische Ungereimtheiten hin. Die Texte und Zitate in den Sprechblasen seien unbedeutend und nicht gut geschrieben, sagte er und kritisierte auch die Qualität der Karikaturen. Die gefälschten Titelseiten seien außerdem überladen mit Farben und einer Fülle von unnötigen Details, was das „genaue Gegenteil der Arbeit von ‚Charlie Hebdo'“ sei.
Bereits am 23. September 2022 hatte sich „Charlie Hebdo“ mit einem Statement zu gefälschten Karikaturen zu Wort gemeldet, die in pro-russischen Telegram-Kanälen kursierten. „Russische Propagandisten erstellen gefälschte Titelbilder von ‚Charlie Hebdo‘, um Leute von der Unterstützung unserer Zeitung für Putin zu überzeugen“, heißt es darin. Die Karikaturisten des Magazins würden allerdings „weiterhin Putins Wahnsinn anprangern“ heißt es im Statement, das die Fakes außerdem als „schlecht gezeichnet“ bezeichnet.
Mehrere internationale Medien hatten zuvor über die Serie an falschen „Charlie Hebdo“-Titelseiten berichtet (hier, hier).
Kein Cover mit Selenskyj als Golddieb
gefälschtes Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023
Das jüngste der angeblichen Titelbilder von Charlie Hebdo zeigt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim Diebstahl von Goldschätzen von Jesus, Maria und Josef sowie den heiligen drei Königen. Im Weglaufen ruft er „Hör auf zu jammern, wir brauchen es!“ Das Bild ist wie einige andere Fake-Cover als Spezialausgabe beschrieben.
Am 22. Dezember 2022, einem Donnerstag, erschien kein solches Cover, wie auch ein Blick in die Archive des Magazins bestätigt.
Die Karikatur stellt Selenskyj, der jüdisch ist, mit typischen antisemitischen Vorurteilen dar.
Papst-Cover ist gefälscht
gefälschtes Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023
Ein auf den 30. November 2022 datiertes Fake-Cover zeigt einen Mann, der den Papst darstellen soll, der einem Jungen ans Gesäß fasst und dabei sagt: „Haltet eure Kinder von diesen grausamen und gefährlichen Burjaten fern“. Die Gruppe der Burjaten lebt vor allem in Sibirien.
Die Karikatur scheint eine Anspielung auf ein Interview im katholischen Magazin „America“, in dem sich Papst Franziskus im November 2022 über Tschetschenen und Burjaten geäußert hatten, die in der Ukraine kämpfen. Er hatte die beiden Gruppen darin als besonders grausam bezeichnet. In Russland sorgte die Aussage für Aufruhr.
Während das Christentum und andere Religionen immer wieder von Karikaturisten des Blattes aufs Korn genommen wird, so findet sich das angebliche Papst-Cover weder im öffentlichen Archiv von „Charlie Hebdo“ noch anderen offiziellen Kanälen des Magazins. Das tatsächliche Cover des 30. Novembers 2022 mit der Nummer 1584 – das gefälschte Cover gibt als Seriennummer 1585 an – kritisierte Unstimmigkeiten im französischen Parlament.
Falsches Cover zu Nazis bei Fußball-WM basiert auf erfundenem Vorfall
gefälschtes Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023
Ein auf den 24. November 2022 datiertes Cover – ebenfalls ein Donnerstag anstatt des üblichen Erscheinungsdatums am Mittwoch – zeigt zwei Kataris, die versuchen, ein nationalsozialistisches Graffiti zu entziffern, das zwei Ukrainer bei der Fußballweltmeisterschaft an die Wand schmieren. „Das ist etwas auf Ukrainisch“, sagt einer der beiden Kataris mit einem Wörterbuch in der Hand.
Die beiden Fußballfans mit blau-gelben Trikots in der Karikatur schreiben gerade „Sieg“ an die Wand, ihre Trikots tragen jeweils die Nummer acht. Der in Deutschland und Österreich verbotene Hitlergruß wurde in der Zeit des Nationalsozialismus von den Worten „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler“ begleitet. Die Zahl 88 wird von Neonazis häufig als Code verwendet, um auf die Anfangsbuchstaben des Hitlergrußes anzuspielen. Der Buchstabe H ist der achte im Alphabet. Dem Maskottchen der Fußballweltmeisterschaft ist im geteilten Bild außerdem ein Hitlerbart aufgemalt.
Die Karikatur spielt damit auf einen vermeintlichen Vorfall während der Fußball-WM in Katar Ende 2022 an, bei dem ukrainische Nazis laut eines angeblichen Berichts von Al Jazeera ein solches Graffiti am Austragungsort des Turniers hinterlassen haben sollen. Bereits dieser Vorfall ist allerdings erfunden. Al Jazeera wies den Bericht als klare Fälschung zurück. Hinweise für einen solchen Vorfall konnte AFP nicht finden.
Der russische Präsident Wladimir Putin rechtfertigte die Invasion der Ukraine wiederholt mit dem Vorwand der „Entnazifizierung“ des Landes. Die Erzählung von Ukrainerinnen und Ukrainern als Nazis ist seither wiederholt Thema von AFP-Faktenchecks. AFP überprüfte beispielsweise Behauptungen zu angeblich mit Nazi-Symbolen tätowierte Ukrainern, die in Wahrheit ein belarussischer Gefangener und ein russischer Neonazi waren.
Vous hésitez à regarder la #coupedumonde2022 ? Notre hors-série spécial est disponible en kiosque pour vous convaincre… de ne pas le faire. Planète, laïcité, droits LGBT, dopage des joueurs, antiracisme… On vous décortique tout en seulement 16 pages ⤵ pic.twitter.com/DjKKBOsvVr
Während „Charlie Hebdo“ zwar Cover zur Weltmeisterschaft veröffentlichte, so ist das Titelblatt mit den angeblich nationalsozialistischen Fußballfans keines davon. Echte Cover zur WM kritisierten etwa die Anzahl der verstorbenen Arbeiterinnen und Arbeitern auf WM-Baustellen oder Korruption rund um die Vergabe. Im November widmete „Charlie Hebdo“ der WM außerdem eine Sonderausgabe, die aber ebenfalls völlig anders aussieht als das Fake-Cover.
Cover zu Raketen in Polen stammt nicht von „Charlie Hebdo”
gefälschtes Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023
Am 15. November 2022 schlug eine Rakete in der südostpolnischen Ortschaft Przewodow in der Nähe der ukrainischen Grenze ein und tötete zwei Menschen. Nach Auffassung der Nato und Polens wurde der Einschlag wahrscheinlich durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht, die zur Abwehr russischer Raketenangriffe abgefeuert wurde.
Ein auf den 16. November 2022 datiertes angebliches Cover greift dieses Ereignis auf. Zwei Männer stehen auf einem Acker, der den Fotos vom Raketeneinschlag ähnelt. Sie schimpfen und vergleichen das Ereignis mit dem Massaker von Wolhynien. Im Jahr 1943 ermordeten ukrainische Nationalisten zehntausende polnische Zivilistinnen und Zivilisten.
AFP hat sich bereits im Dezember mit dem angeblichen Cover beschäftigt. Ein Sprecher des Magazins sagte am 19. Dezember: „Das ist nicht unser echtes Cover.“
Karikaturen mit König Charles, Emmanuel Macron und Boris Johnson sind gefälscht
gefälschte Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023
Drei weitere Cover sind auf den 19. September (links), den 29. August (Mitte) und den 9. Juli (rechts) datiert, zwei Montage und ein Samstag statt des üblichen Mittwochs. Sie zeigen den britischen König Charles beim Begräbnis seiner Mutter Queen Elizabeth Mitte September 2022, den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei einem Protest sowie das personifizierte Großbritannien, das sich auf den früheren Premierminister Boris Johnson erbricht, der im Juli 2022 gerade seinen Rückzug angekündigt hatte. Auf allen drei Montagen ist auf Seiten der westlichen Führer in Schwierigkeiten auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Hund abgebildet.
Während es zwar echte Cover beziehungsweise Karikaturen mit König Charles, Macron (hier, hier, hier) und Johnson gibt, sind die drei angeblichen Titelseiten nicht im offiziellen Archiv von „Charlie Hebdo“ zu finden.
Sie weisen außerdem mehrere Fehler auf, auf die andere Faktenchecker wie etwa von France24 bereits hinwiesen. Im mittleren Bild, das Macron mit einem Wasserwerfer zeigt, fehlt im französischen Wort „chaud“ zu Beginn der Buchstabe C. Im rechten Bild mit Johnson heißt es auf Französisch „Die Feier ist vorbei“. Im Wort für Feier passiert dabei ein Grammatikfehler, ein E fehlt am Ende.
Das russischsprachige Medium „Provereno“ hat die drei angeblichen Titelbilder mit Charles, Macron und Johnson Ende Oktober 2022 genauer unter die Lupe genommen. Laut ihrer Analyse stammen die frühesten Veröffentlichungen der drei Fakes aus russischen Telegram-Kanälen (hier, hier, hier).
Beißende Kritik
„Charlie Hebdo“ ist bekannt für seine beißende Kritik religiöser und politischer Figuren. Die Darstellung des Propheten Mohammed wurden von islamistischen Terroristen als Grund für einen Anschlag auf die Redaktion am 7. Januar 2015 angeführt, bei dem 12 Mitarbeitende getötet wurden.
Schon lange vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine kursierten immer wieder gefälschte Karikaturen im Stil von „Charlie Hebdo“. Die „Berliner Zeitung“ veröffentlichte etwa im Januar 2015 nach dem Anschlag auf die Redaktion mehrere Zeichnungen, darunter auch eine antisemitische Karikatur, die nicht von „Charlie Hebdo“ stammte. Die Zeitung bat tags darauf um Entschuldigung für den Fehler.
In einer aktuellen Kontroverse drohte der Iran Frankreich am 4. Januar mit Konsequenzen, nachdem „Charlie Hebdo“ Karikaturen veröffentlicht hatte, die den obersten geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei zeigten und vom Iran als „beleidigend“ angesehen wurden.
Renommierte Medien werden zum Transport einer Botschaft benutzt Patrick Rössler ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt und mit derartigen Fälschungen vertraut. Am 30. Dezember 2022 schrieb er an AFP: „Was ich interessant finde ist, dass diese Fakes nicht einfach als Karikaturen verbreitet werden, sondern zusätzlich als vermeintliche Zeitschriftencover präsentiert werden. Ganz klar soll hier eine bekannte Medienmarke als Nachweis für Authentizität dienen und zu einem Glaubwürdigkeitstransfer beitragen.“
Seiner Einschätzung nach seien dazu Medien wie „Charlie Hebdo“ gut geeignet: „Ausgewählt wurde dabei bewusst ein anerkanntes, kritisches Medium aus dem Westen.“
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine geschah das immer wieder. AFP überprüfte beispielsweise bereits eine Serie von Falschinformationen, die mithilfe imitierter Nachrichtenseiten prorussische Propaganda transportierten. User verbreiteten immer wieder gefälschte Berichte westlicher Medien, etwas ein angebliches „Stern“-Cover, ein gefälschtes„Money“-Cover oder einen manipulierten CNN-Tweet.
Die Fälschungen setzen dabei auf eine Spezialvariante des sogenannten Sleeper-Effekts, erklärte Rössler. Beim Sleeper-Effekt tritt eine Einstellungsänderung durch eine Botschaft nicht sofort mit dem Empfang einer Nachricht ein, sondern erst im Laufe der Zeit. „Das funktioniert aber nur, wenn die Quelle nicht in der Erstwahrnehmung schon zurückgewiesen wird, wie es vermutlich der Fall wäre, wenn die Karikatur ’nur‘ über (für manche unglaubwürdige) Telegram-Kanäle verbreitet würde. Diese Hürde soll der Charlie-Hebdo-Fake zu überwinden helfen“, so Rössler.
Außerdem könne die „vage Hoffnung“ der Fake-Titelseiten sein, dass „im Sinne medialer Koorientierung eventuell diese vermeintlichen Beiträge von anderen Medien zunächst unbesehen zitiert werden und so eine weitere Verbreitung erfahren“, vermutete Rössler.
Verbreiter dieser Version von Desinformation nutzen den guten Ruf glaubwürdiger Medien aus, sagte Lena Frischlich von der Universität Münster am 9. Januar 2023 gegenüber AFP. „Glaubwürdigkeit ist ein wichtiger Faktor bei Überzeugungsprozessen. Wenn ich die Quelle von Anfang an als unzuverlässig abstemple, wird der Inhalt weniger hängenbleiben“, erklärte Frischlich.
Solche Desinformation zielt auch darauf ab, Unsicherheit und Misstrauen gegenüber den Medien zu schüren. „Wenn ich es schaffe, dass dem etablierten Journalismus nicht mehr vertraut wird, weil das ja auch gefälscht sein könnte, dann schaffe ich eine Unsicherheit. Und bei Unsicherheit können weitere Fehlinformationen leichter platziert werden.“ Das könne dazu führen, dass Menschen denken: „Man kann ja niemandem mehr glauben“.
Fazit: Alle sieben angeblichen Titelseiten von „Charlie Hebdo“ sind gefälscht. Die Redaktion bestätigte gegenüber AFP, dass es sich bei den angeblichen Titelbildern um Fälschungen handelt. Einige von ihnen weisen zudem Schreibfehler oder andere Unstimmigkeiten auf.
Personenbeschreibung aktualisiert
Ein online zirkulierendes Video soll angeblich eine Einrichtung der Firma EctoLife zeigen, welche die erste künstliche Gebärmutter der Welt entwickele. Bei dem Clip handelt es sich allerdings nur um eine erfundene Animation. Die Einrichtung existiert in Wahrheit gar nicht und ist auch nicht in Planung. Das bestätigte der Urheber des Videos. Forschende erklärten gegenüber AFP, die im Video gezeigte Animation sei „reine Science-Fiction“.
Dutzende User haben das Video Mitte Dezember 2022 auf Facebook verbreitet. Auf Telegram sahen Tausende entsprechende Beiträge. Dabei wird auch ein Link zur Website des Schweizer Nachrichtenmediums „Blick“ geteilt, das ebenfalls eine Meldung mit der Falschbehauptung zu EctoLife veröffentlichte.
Die Behauptung: „Firma entwickelt die erste künstliche Gebärmutter der Welt“, heißt es auf der „Blick“-Website. Mithilfe von EctoLife ließen sich die Eigenschaften von Designer-Babys vorbestimmen. Ob und wann das Verfahren möglich sei, stehe noch in den Sternen. Laut des Unternehmens sei dies aber gar nicht unwahrscheinlich, schreibt der „Blick“ zum Video. Auf Facebook schreiben User zu dem Video: „Das wird die Zukunft der Menschen“. „Wird mir jetzt zu viel“, schreibt ein Weiterer auf Telegram. In dem dazu geteilten Video wird die Idee hinter EctoLife vorgestellt. Angeblich könne die Einrichtung bis zu 30.000 Babys im Jahr entwickeln.
Facebook-Screenshot der Behauptung: 11. Januar 2023
EctoLife ist ein fiktives Projekt
Eine umgekehrte Bildsuche nach Ausschnitten des Clips führte AFP zu einem am 9. Dezember 2022 veröffentlichten Youtube-Video mit dem Titel „EctoLife: The World’s First Artificial Womb Facility“, zu Deutsch: „EctoLife: Die weltweit erste Einrichtung für künstliche Gebärmütter“. Hochgeladen hat es der in Berlin ansässige Wissenschaftskommunikator und Videoproduzent Hashem Al-Ghaili.
Ab Minute 7:54 erklärt eine Erzählstimme: „Das Konzept der EctoLife-Einrichtung wurde vom Biotechnologen und Wissenschaftskommunikatoren Hashem Al-Ghaili entworfen.“ Bei Minute 8:25 wird ebenfalls eine entsprechende Einblendung gezeigt: „Concept by: Hashem Al-Ghaili“.
Auf AFP-Anfrage erklärte Al-Ghaili am 28. Dezember 2022, das Video sei eine „Animation“, die nur als „Konzept“ gedacht sei. Das Material sei „von den User, die es geteilt haben, aus dem Kontext gerissen“ worden.
„EctoLife ist keine echte Einrichtung und es wird aktuell nicht daran gearbeitet, einen Prototypen zu bauen“, erklärte Al-Ghaili. „Das Video soll zeigen, wie weit die Wissenschaft und reproduktive Technologie gekommen sind und soll eine Debatte darüber anstoßen.“
Auf Al-Ghailis Youtube-Kanal finden sich zudem weitere Videos mit derartigen Animationen, beispielsweise zur Visualisierung eines Science-Fiction Buchs oder einem Hotel im Himmel.
Auf AFP-Anfrage erklärte ein Sprecher der „Blick“-Gruppe am 12. Januar 2023, das Video sei aus dem Angebot der Nachrichtenagentur AP heruntergeladen und genutzt worden, nachdem es zuerst im Dezember 2022 in einem Artikel des britischen Nachrichtemediums „Daily Mail“ erschien. Weiter erläuterte der Sprecher: „Aufgrund ihres Hinweises haben wir uns dazu entschlossen, das entsprechende Video von unserer Homepage zu nehmen.“
Forschung zu künstlichen Gebärmüttern
Forscherinnen und Forscher haben zwar tatsächlich bereits versucht, eine künstliche Gebärmutter zu kreieren, um Frühgeborenen helfen zu können. Die bisherigen Erfolge beschränkten sich allerdings nur auf Tierversuche, zum Beispiel an Lämmern.
Im Oktober 2019 erhielten Forschende im niederländischen Eindhoven einen EU-Zuschuss in Höhe von 2,9 Millionen Euro für die Entwicklung eines Prototypen einer künstlichen Gebärmutter, der Frühgeborenen helfen soll, auch außerhalb der Gebärmutter zu wachsen. Im Oktober 2021 prognostizierten die Forschenden, dass die künstliche Gebärmutter, „Inkubator 2.0“, innerhalb von zehn Jahren Realität werde.
Guid Oei, Leiter des Lehrstuhls für Grundlegende Perinatologie an der Technischen Universität Eindhoven, erklärte auf AFP-Anfrage am 9. Januar 2023: „Es wird aktuell nirgendwo auf der Welt an einer künstlichen Gebärmutter wie in dem animierten Film gearbeitet.“
„In dem Animationsfilm wird gesagt, die Entwicklung des Babys finde komplett außerhalb der Gebärmutter statt. Das ist fern davon, wissenschaftlich möglich zu sein,“ erklärte Oei.
„Woran wir in Eindhoven als Projektleiter eines europäischen Konsortiums arbeiten und woran auch einige Forschungsteams in Amerika und Australien arbeiten, ist die Entwicklung einer verbesserten Version eines Inkubators für extrem frühgeborene Kinder.“ Eine komplette Ektogenese, also die Reifung von Empfängnis bis Geburt außerhalb des menschlichen Körpers, sei nach wie vor „reine Science-Fiction“, so Oei.
Fazit: Bei dem online zirkulierenden Clip handelt es sich um Fiktion. Der Ersteller bestätigte gegenüber AFP, dass es sich bei EctoLife um keine echte Einrichtung handele und aktuell nicht an einer solchen gearbeitet werde. Laut Forschenden der Technischen Universität Eindhoven ist die komplette Entwicklung eines Menschen außerhalb der Gebärmutter nach wie vor „Science Fiction“. Geforscht wird allerdings an verbesserten Brutkästen für extrem frühgeborene Babys.
Der ehemalige Kickboxer und umstrittene Influencer Andrew Tate ist am 29. Dezember 2022 in Rumänien wegen Vorwürfen des Menschenhandels, der Vergewaltigung und Gründung einer kriminellen Vereinigung festgenommen worden. Mehrere österreichische und deutsche Medien berichteten dazu, die rumänischen Behörden hätten Tate nach einem Twitterstreit mit der Umweltaktivistin Greta Thunberg ausfindig machen können. In einem Video des Influencers sei ein Pizzakarton zu sehen gewesen, der Tates Aufenthaltsort verraten haben soll. Das ist allerdings irreführend. Tates Haus in Rumänien wurde bereits im April 2022 durchsucht. Die zuständige Staatsanwaltschaft erklärte gegenüber AFP, die Ermittlungen liefen bereits seit Anfang 2021. Der Pizzakarton habe nichts mit der Verhaftung zu tun.
Dutzende User haben die Meldung zu Andrew Tate auf Facebook geteilt. Auf Twitter sahen Tausende entsprechende Beiträge. Mehrere Medien in Österreich und Deutschland verbreiteten die irreführende Meldung ebenfalls weiter, darunter das Online-Medium „Buzzfeed„, die österreichischen Zeitungen „Kurier“ und „Heute„, das rechtspopulistische Online-Medium „Exxpress„, der Sender Euronews sowie der „Kölner Stadt-Anzeiger„. Auf Nachfrage von AFP schrieben einige der Medien, darunter „Buzzfeed„, der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der „Kurier„, mittlerweile aktualisierte Versionen ihrer Meldungen mit korrekter Darstellung veröffentlicht zu haben.
Die Behauptung: Online heißt es, die rumänischen Behörden seien dank eines Pizzakartons in der Lage gewesen, Andrew Tate zu verhaften. Während eines Schlagabtausches mit der Umweltaktivistin Greta Thunberg auf Twitter, war in einem Video Tates ein Pizzakarton zu sehen gewesen, der angeblich dessen Aufenthaltsort verriet.
Facebook-Screenshot der Behauptung: 09.01.2023
Am 27. Dezember lieferte sich Tate auf Twitter eine hitzige Diskussion mit der Umweltaktivistin Greta Thunberg, die viral ging. Der britische Kickboxer und ehemalige Big-Brother-Kandidat hatte Thunberg gegenüber mit einem Foto geprahlt, das seine große Sammlung an Sportwagen zeigte.
Tate wies ebenfalls auf die „enormen Emissionen“ der Fahrzeuge hin, woraufhin Thunberg mit scharfen Worten reagierte:
Als Reaktion darauf postete Andrew Tate ein kurzes Video, in dem er sich über Thunberg lustig macht. Ebenso sind darin mehrere gelieferte Pizzen „in nicht recycelten Kartons“ zu sehen, wie Tate erklärte. Auf dem Pizzakarton war deutlich das Logo des Lieferers Jerry’s Pizza sowie eine Aufschrift auf Rumänisch zu sehen, die beide Rückschlüsse auf seinen Aufenthaltsort geben könnten.
Screenshot aus Andrew Tates Video auf Twitter. Grüne Hervorhebung von AFP hinzugefügt: 28.12.2022
Einen Tag nach Tates Verhaftung tweetete Thunberg: „Das passiert wenn man seine Pizzakartons nicht recycelt.“ Ihr Beitrag wurde bis Mitte Januar mehr als 3,5 Millionen mal geliked. Der Beitrag der Aktivistin wurde auch von österreichischen und deutschen Medien aufgegriffen, um zu behaupten, die Pizzaschachteln hätten Tates Verhaftung ermöglicht.
this is what happens when you don’t recycle your pizza boxes
Pizzakarton löste nicht die Verhaftung aus
Das Gerücht um die Pizzaschachteln begann sich am 29. Dezember 2022 online zu verbreiten, nachdem eine Anwältin der Harvard Law School, Alejandra Caraballo, eine Reihe an Tweets mit der Behauptung postete, die auch Screenshots eines rumänischen Nachrichtenartikels beinhalteten. Wie auf der Website des rumänischen Nachrichtenmediums „Gândul“ erläutert wurde, hätten die Behörden für die Ermittlungen auch Andrew Tates Social-Media-Beiträge genutzt.
Dazu schrieb Caraballo: „Greta Thunberg hat Andrew Tate nicht nur mit ihrem Tweet vernichtet, sondern ihn auch so wütend gemacht, dass er mit seinem lahmen Comeback-Video versehentlich die rumänischen Behörden auf seine Anwesenheit in Rumänien aufmerksam gemacht hat.“
Auch der Twitter-Account von Jerry’s Pizza, dem Lieferanten in Tate’s Video zu sehenden Pizzen, schrieb: „Der Grund, weshalb wir die beliebteste Pizza sind.“ Dazu teilte das Unternehmen ein Foto eines Pizzakartons mit dem Slogan „We got Taste“, auf Deutsch „Wir haben Geschmack“. Das „s“ wurde dabei allerdings leicht unkenntlich gemacht, sodass der Satz als „We got Tate“ lesbar ist.
Staatsanwaltschaft dementierte
Die rumänische Staatsanwaltschaft wies jedoch die Behauptung zurück, der Twitterstreit zwischen Tate und Thunberg habe dabei geholfen, den Influencer ausfindig zu machen. „Da gibt es keinen Zusammenhang“, erklärte die Sprecherin der rumänischen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung organisierter Kriminalität (DIICOT), Ramona Bolla, am 30. Dezember 2022 gegenüber AFP.
„Um festzustellen, ob sich eine Person im Land aufhält, nutzen wir eine ganze Reihe von Mitteln. Die Tatsache, dass Tate in dieser Nacht ein Video mit einem Jerry’s Pizzakarton gepostet hat, bestätigte nur, was wir ohnehin schon wussten“, erklärte Bolla. Die „Haftbefehle und Durchsuchungen“ seien bereits in Kraft gewesen.
Die Ermittler waren Tate schon seit Anfang 2021 auf der Spur. Im April 2022 hatten sie bereits eine Villa des Promis durchsucht.
Auf AFP-Anfrage erklärte ein Sprecher Greta Thunbergs am 30. Dezember 2022, dass der Tweet der Aktivistin zu den Pizzakartons ein „Witz“ gewesen sei und dass die Klimaaktivistin „nicht im Kontakt mit den rumänischen Behörden“ gestanden habe.
Caraballo, die Anwältin, die zuerst einen Zusammenhang zwischen der Verhaftung und den Kartons herstellte, veröffentlichte mittlerweile einen weiteren Tweet, in dem sie von „berechtigter Kritik“ an ihren zuvor getätigten Aussagen spricht.
Bereits vor Veröffentlichung des Pizzavideos gab es Hinweise, dass Tate sich in Rumänien aufhielt. So tweetete er beispielsweise am 25. Dezember 2022 ein Video einer Bergstraße mit der Beschreibung „Rumänien“.
Obwohl die Aufnahme nicht datiert werden kann, konnte AFP den Aufnahmeort nachvollziehen. Das Video stammt von der Transfăgărașan-Straße, die durch die rumänischen Karpaten führt. Der Ort kann mittels Geolokalisierung auf dem Kartendienst von Google ausfindig gemacht werden, wie in folgendem Vergleich mit Tates Tweet zu sehen ist:
Screenshot von Andrew Tates Twitter-Account: 30.12.2022
Auf Google Street View ist zudem ein Hütte erkennbar, die auch auch in Andrew Tates Video erscheint:
Screenshot von Andrew Tates Twitter-Account: 30.12.2022
Vorwürfe des Menschenhandels
Andrew Tate sowie sein ebenfalls verhafteter Bruder Tristan Tate seien nach der Festnahme zunächst für 24 Stunden in Gewahrsam genommen worden, erklärte die Sprecherin der rumänischen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung organisierter Kriminalität gegenüber AFP. Am 30. Dezember 2022 entschied sich ein rumänisches Gericht für eine 30-tägige Inhaftierung der Verdächtigen.
Laut einer am 29. Dezember 2022 veröffentlichten Erklärung der Staatsanwaltschaft werden der britische Influencer und sein Bruder der organisierten Kriminalität, der Vergewaltigung und des Menschenhandels in mehreren Ländern verdächtigt. Zum aktuellen Zeitpunkt wurden sechs potenzielle Opfer identifiziert.
Die Opfer wurden angeblich mit einer Masche reingelegt, die Gefühle für sie vortäuschten, sie dann einsperrten und mit Gewalt zur Prostitution und zur Teilnahme an pornografischen Filmen zwangen.
Die Staatsanwaltschaft veröffentlichte zudem Aufnahmen von Durchsuchungen am 29. Dezember 2022, die Schusswaffen, Bargeldbündel und Sportwagen zeigen, die an verschiedenen Orten in Rumänien beschlagnahmt wurden. Rumänischen Medien zufolge waren bereits im April zwei Frauen, darunter eine US-Bürgerin, von der Polizei aus einer Bukarester Villa befreit worden. Die Frauen behaupteten, von den Tate-Brüdern gewaltsam festgehalten worden zu sein.
Tate, der auch die US-Staatsbürgerschaft hat, war 2016 in der Fernsehshow „Big Brother“ aufgetreten. Er wurde jedoch aus der Sendung ausgeschlossen, nachdem ein Video aufgetaucht war, in dem er eine Frau schlägt. Auch auf Twitter war er aufgrund misogyner Äußerungen bis vor Kurzem gesperrt gewesen.
Fazit: Laut rumänischer Staatsanwaltschaft hat Andrew Tates Verhaftung nichts mit den Pizzakartons zu tun, die in einem Twitter-Video des Influencers zu sehen waren. Die Behörden ermitteln bereits seit Längerem gegen den ehemaligen Kickboxer. Im April 2022 wurde schon einmal Tates Villa in Rumänien durchsucht.
Ende Dezember 2022 kam es in Teilen der USA zu einem Wintersturm, den User zum Anlass nahmen, einen alten Satiretext erneut in sozialen Netzwerken zu teilen. Aufgrund der kalten Temperaturen sei angeblich eine Klimakonferenz mit der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg abgesagt worden. Das ist jedoch falsch, wie ein Sprecher Thunbergs bestätigt. Ein Auftritt in den USA wie im Satiretext sei nicht geplant gewesen. Kalte Wetterereignisse stellen außerdem nicht die globale Erderwärmung infrage.
Auf Facebook (hier und hier) wurde die Behauptung hunderte Male von französischsprachigen Userinnen und Usern geteilt. Auf Telegram sahen den Post mehrere tausend Menschen, auch auf Twitter (hier und hier) und Gettr wurde die Behauptung geteilt.
Die Behauptung: Die Beiträge in den sozialen Netzwerken teilen den Screenshot eines Artikels. Unter der Schlagzeile zur angeblichen Absage einer Klimakonferenz aufgrund extremer Minusgrade ist eine plumpe Fotomontage zu sehen: Greta Thunberg verzieht vor dem Hintergrund einer eingeschneiten Straße das Gesicht. „Das kann man sich nicht ausdenken“, schreibt ein Facebook-Nutzer dazu.
Screenshot der Behauptung auf Facebook: 29.12.2022
Eine Websuche mit den Stichwörtern im Titel des Artikels und „Genesius Times“, dem Namen der Veröfftlichung im Screenshot, ergab, dass es sich um einen humoristischen Artikel von der gleichnamigen Satireseite handelt. Die Webseite bezeichnet sich selbst als „die zuverlässigste Seite für Fake News auf dem Planeten“ und will die Leserinnen und Leser vor allem „zum Lachen und / oder zum Weinen bringen“.
Screenshot der Seite genesiustimes.com: 29.12.2022
Der Text war ursprünglich bereits am 12. November 2019 veröffentlicht worden und ist eine klare Parodie. Im Text wird die fiktive Organisation „International Global Warming Trust“ beschrieben, zu deren Veranstaltung im US-amerikanischen Bundesstaat Michigan Greta Thunberg angeblich mit einem „Heißluftballon, der von ihrem eigenen Atem angetrieben wird“ reise. Am 19. Dezember 2022 erschien der Artikel erneut auf den Facebook– und Twitterkonten von „Genesius Times“, als die USA die Ankunft eines großen Wintersturms erwarteten. Der Sturm mitten in der Weihnachtszeit hat landesweit mindestens 61 Menschen das Leben gekostet.
Auf Anfrage bestätigte der Pressesprecher von Greta Thunberg gegenüber AFP am 28. Dezember 2022, dass die Aktivistin „nicht beabsichtigte, an einer derartigen Konferenz teilzunehmen“ und dass sie „keine einzige Veranstaltung in den USA absagen musste“.
„Da Greta Thunberg nicht mit dem Flugzeug reist, ist es ihr in der Regel nicht möglich, an einer Veranstaltung in den USA teilzunehmen, es sei denn, sie nimmt wieder ein Schiff“, sagte ihr Sprecher ergänzend. 2019 war Greta Thunberg schon einmal mit dem Segelboot in die Vereinigten Staaten gereist, um dort an einem UN-Klimagipfel teilzunehmen.
Greta Thunberg ist bereit, „das Megafon“ an andere weiterzugeben, die für das Klima kämpfen
Anfang November 2022, während des Auftakts der UN-Klimakonferenz in Ägypten und nach vier Jahren, in denen sie mit Klimastreiks mobilisiert hatte, teilte Greta Thunberg der schwedischen Nachrichtenagentur TT mit, dass sie das „Megafon weitergeben“ wolle.
„Wir müssen auch den Aussagen und Erfahrungen der Menschen zuhören, die am meisten von der Klimakrise betroffen sind“, plädierte die 19-jährige Schwedin. Die Aktivistin der globalen Bewegung Fridays for Future, die zu einem Aushängeschild des Klimaschutzes geworden ist und über die intensiv berichtet wurde, seit sie 2018 einen „Schulstreik für das Klima“ begonnen hat, will Ende des Jahres das Gymnasium abschließen. Im nächsten Jahr will die Stockholmerin ein Studium aufnehmen. Wie ihr möglicher Rückzug aus dem Scheinwerferlicht aussehen kann, darüber spricht sie noch nicht.
Greta Thunbergs große mediale Präsenz hat sie in den vergangenen Jahren auch zum Gegenstand zahlreicher Falschmeldungen gemacht. Einige dieser Behauptungen hat AFP widerlegt, von dem angeblichen Aufruf an China, „keine Essstäbchen mehr zu benutzen“, um Bäume zu retten über ein angeblich vermülltes Festivalgelände nach einer Rede Thunbergs bis zu gefälschten Bildern, die Greta Thunberg angeblich an einer Tankstelle zeigen.
Greta Thunberg und ihr Vater Svante bei einer Pressekonferenz auf dem UN-Klimagipfel in Katowice, Polen, am 4. Dezember 2018
Kein „direkter kausaler Zusammenhang“ zwischen einem einmaligen Wetterereignis und der Klimaentwicklung
Im Gegensatz zu dem, was die Beiträge in sozialen Netzwerken mit dem Anfang des Genesius-Times-Artikels implizieren, stellen extreme Kälteperioden die Realität der globalen Erwärmung nicht infrage. Auch eine solche Behauptung hat AFP bereits widerlegt.
Florian Tolle ist Dozent für Geographie an der Universität Franche-Comté im französischen Besançon, das zu theoretischer und quantitativer Geographie forscht. Er sagte gegenüber AFP am 28. November 2022 für einen anderen Faktencheck: „Es gibt keinen direkten Kausalzusammenhang zwischen einem punktuellen Wetterphänomen wie der gemessenen Schneedecke zu Beginn der kalten Jahreszeit – auch wenn sie bis zum Frühjahr anhalten sollte – und den grundlegenden Trends der Klimaentwicklung, die sich wiederum auf mehrere Jahre erstrecken.“
Außerdem fügte der Experte hinzu: „Was auch in diesem Winter kommt, ob er rau wird oder nicht, das wird nicht genügen, um die grundlegenden Tendenzen unseres Klimas zu deuten. Nur die Untersuchung des Klimas über einen längeren Zeitraum verschafft uns ein klares Bild der aktuellen Trends. Und wenn sich dieser Winter tatsächlich als schneereich und kalt erweist, wird das nur eine einmalige Atempause in einem Trend steigender Temperaturen sein, der in den letzten Jahrzehnten ungebrochen war.“
Karl Rittger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arktis- und Alpenforschung in Colorado in den USA, sagte außerdem am 28. November 2022 für den selben Faktencheck mit Blick auf CO2-Werte: „Wie die CO2-Messungen in der Atmosphäre zeigen, ist dieser Wert nicht gesunken: Er steigt seit Beginn dieser Messung von Jahr zu Jahr an.“
Diese Daten können auf der Keeling-Kurve eingesehen werden, die die Entwicklung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre seit 1958 beschreibt. Benannt ist sie nach den Messungen des US-amerikanischen Wissenschaftlers Charles David Keeling. Er hatte die Messungen an der Mauna-Loa-Messstation auf Hawaii initiiert.
Stand der Erderwärmung – Entwicklung der Temperatur, des Meeresspiegels, der CO2-Konzentration und des arktischen Eisverlustes
Karl Rittger erinnerte gleichzeitig an verschiedene Auswirkungen der globalen Erwärmung, darunter „mehr Extremereignisse“, wie zum Beispiel starke Schneefälle.
AFP überprüfte wiederholt einzelne Wetterereignisse, die Nutzerinnen und Nutzer zum Anlass nahmen, die Erderwärmung anzuzweifeln (hier, hier, hier).
Wie AFP in einem Artikel vom Juni 2022 erläutert, stehen die im Sommer 2022 in Europa verzeichneten Hitzewellen und die zu Überschwemmungen führenden starken Niederschläge nicht im Widerspruch zueinander. Das erklärt eine Studie, die 2021 in der Zeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht wurde. Durch den Klimawandel gerät das Klima auf ungefähr zwei Dritteln des Planeten mehr und mehr aus dem Gleichgewicht. „Das bedeutet größere Schwankungen zwischen feuchten und trockenen Extremen“, schließt die Studie.
Fazit: Greta Thunberg hat keine angebliche Konferenz zur Erderwärmung in den USA aufgrund der extremen Kältewelle im Dezember 2022 abgesagt. Der zitierte Artikel ist eine Parodie und wurde schon 2019 veröffentlicht. Thunbergs Pressesprecher bestätigte gegenüber AFP, dass die Teilnahme an einer derartigen Veranstaltung nicht geplant war.
Die Behandlung von Krebserkrankungen ist komplex und hängt individuell von der Art eines Tumors ab. Ein aktuell geteilter Blogbeitrag behauptet, Krebs ließe sich mit einer Mischung aus Backsoda und Ahornsirup heilen. Medizinerinnen und Mediziner warnen jedoch vor der Einnahme eines solchen Gemischs zur Behandlung einer Krebserkrankung. Es gebe keine wissenschaftlichen Belege für dessen Wirksamkeit. Unter Umständen könnte eine solche Behandlung sogar gefährlich sein.
Hunderte User haben seit Anfang Dezember einen Blogartikel auf Facebook geteilt, demzufolge Krebserkrankungen mit einer Mischung aus Backsoda und Ahornsirup geheilt werden können. Laut medizinischen Fachleuten gibt es keine Belege für die Wirksamkeit dieser Behandlung. Die Behauptung kursierte zudem in sozialen Netzwerken auf Polnisch.
Die Behauptung: Der aktuell geteilte Blogartikel behauptet, Krebs sei ein Candidapilz, der sich mit Hilfe eines Gemischs aus Natriumhydrogencarbonat, auch bekannt als Soda oder Natron, und Ahornsirup heilen lasse. Der Zucker im Sirup diene demnach als Vehikel, um das basische Natron in die Krebszellen „einzuschleusen“, wo es deren Wachstum hemme und die Entstehung weiterer Krebszellen verhindere.
Screenshot der Behauptung auf Facebook: 11. Januar 2023
In sozialen Netzwerken kursieren regelmäßig angebliche alternative Behandlungsmethoden für Krankheiten, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht belegt ist. AFP überprüfte in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang etwa Behauptungen, wonach verschiedene Öle im Bauchnabel Krankheiten heilen oder der Alterungsprozess mit Kraft der Gedanken aufgehalten werden könnte.
Wie entsteht Krebs?
Expertinnen und Experten für Krebserkrankungen und deren Behandlung erklärten gegenüber AFP, dass es keine wissenschaftlichen Belege für eine heilende Wirkung des Backsoda-Ahornsirup-Gemischs gebe. Unter Umständen könnte eine Einnahme bei Krebspatientinnen und-patienten sogar zu unerwarteten Neben- und Wechselwirkungen führen. Krebs gehe zudem auch nicht auf den Candidapilz zurück, sondern auf Veränderungen des Erbgutes, wie die Fachleute gegenüber AFP erklärten.
Der geteilte Blogbeitrag behauptet, Krebs sei ein Candidapilz, ein Pilz aus der Familie der Hefepilze. Medizinisch betrachtet ist Krebs eine bösartige Gewebeneubildung, deren Zellen sich unkontrolliert vermehren, in benachbartes Gewebe einwachsen, gesundes Gewebe zerstören und Ableger – sogenannte Metastasen – bilden, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) auf seiner Website schreibt.
Jutta Hübner ist Professorin für integrative Onkologie am Universitätsklinikum Jena und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Medizin in der Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft. Im Gespräch mit AFP am 11. Januar 2023 sagte sie: „Krebs entsteht durch Mutationen in der Zelle. Das heißt, es liegen genetische Veränderungen in der Zelle vor.“ Diese Mutationen könnten unter anderem durch Rauchen, Alkohol, zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung oder UV-Licht ausgelöst werden. Hefepilze seien jedoch nicht dafür verantwortlich.
Die Deutsche Krebsgesellschaft schreibt zur Entstehung von Krebs auf ihrer Website: „Die Ursache für die Krebsauslösung ist jeweils eine Änderung des Erbguts oder der Regulation der entsprechenden Gene.“ Diese genetischen Veränderungen entstünden spontan im Lebensverlauf. In seltenen Fällen werde die Neigung zu Krebserkrankungen vererbt. Zu den krebsauslösenden Faktoren gehören demnach Zigarettenrauchen, starker Alkoholkonsum, übermäßige Einwirkung von Sonnenlicht oder auch Infektionen mit einigen Krankheitserregern wie den Humanen Papillomaviren (HPV).
„Die Entstehung von Krebs ist unglaublich komplex. Es gibt jede Menge Ursachen von Krebs, das einzige, was es nicht ist, ist Candida“, sagte Cyrus Khandanpour, Professor für Onkologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck am 12. Januar 2023 im Gespräch mit AFP.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) listet zudem bekannte krebserregende Stoffe auf ihrer Website auf. Der Candidapilz befindet sich nicht darunter.
Unbewiesene Behandlungsmethode
In dem Blogbeitrag wird weiter behauptet, Krebserkrankungen ließen sich durch ein Gemisch aus Backsoda und Ahornsirup behandeln. Onkologin Jutta Hübner widerspricht: Krebs entstehe durch Mutationen in der Zelle. Bei derartigen spontanen genetischen Veränderungen handele es sich um Zufallsprozesse. „Diese sind nicht umkehrbar. Das bedeutet, selbst wenn ein Hefepilz der Auslöser für die Mutation wäre, würden wir mit dem Abtöten des Pilzes den Krebs, die mutierte Zelle, damit nicht wieder wegbekommen“, erklärte Hübner.
Auch Cyrus Khandanpour erklärte gegenüber AFP, dass Natron und Ahornsirup keinen Einfluss auf das Tumorwachstum hätten: „Das bringt nichts. Bei einer oralen Einnahme würde das Gemisch im Magen, in der Leber und schließlich im Darm abgebaut werden.“ Die vermeintlichen Wirkstoffe würden daher gar nicht erst im Tumorgewebe ankommen. „Wenn es ein solches einfaches Heilmittel gegen Krebs gäbe, würden wir es nutzen“, ergänzte Khandanpour.
Auch das DKFZ äußert sich auf seiner Website zu den Behauptungen, Backpulveroder Natron helfe gegen Krebs. „Natron und Backpulver sind nicht Bestandteil einer evidenzbasierten Krebstherapie“, schreibt das Forschungszentrum. Bislang lägen keine Daten aus klinischen Studien mit Krebspatienten vor. Daher handele es sich dabei um eine „Methode mit unbewiesener Wirksamkeit“.
Laut DKFZ geht die Behauptung, Soda könne Krebs heilen, auf eine US-amerikanische Studie zurück, die 2018 in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht wurde. Darin untersuchten Forschende, wie sich die Einnahme von Natron auf krebskranke Mäuse auswirkt.
Bislang keine klinischen Studien zur Wirkung von Natron
Die Studie untersuchte demnach zwei Mechanismen in Krebszellen: In sauerstoffarmen Gewebe verstoffwechseln Zellen Zucker und geben Milchsäure als Abbauprodukt an ihre Umgebung ab. Das umgebende Gewebe wird saurer, wodurch die Zellteilung im Tumorgewebe pausiert und Krebszellen nicht mehr auf Therapien reagieren. Die Forschenden zeigten, dass Backpulver im Trinkwasser von Mäusen helfen kann, die Zellteilung in Krebszellen anzuregen, damit sie wieder auf Behandlungen ansprechen.
Das DKFZ warnt auf seiner Website jedoch davor, die Ergebnisse dieser und ähnlicher Laboruntersuchungen zur Wirkung von Soda auf Krebszellen auf den Menschen anzuwenden. Es handele sich dabei um Grundlagenforschung. „Solche Erkenntnisse können nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen werden. Dazu bedarf es klinischer Studien mit Krebspatienten.“
Labormaus: Erkenntnisse aus Laboruntersuchungen an Mäusen lassen sich nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen
Ähnlich äußerte sich Jutta Hübner: „In Laborexperimenten lassen sich Krebszellen mit vielem abtöten.“ Das meiste, was im Labor produziert werde, sei in der angewandten Medizin nicht nutzbar. Die Erkenntnisse aus sogenannten In-Vitro-Studie dienten in der Regel dazu, Hypothesen zu generieren und seien nicht ohne Weiteres auf die Verhältnisse im menschlichen Körper übertragbar.
Kleine, lokale Veränderungen im pH-Wert oder der Sauerstoffversorgung des betroffenen Gewebes würden etwa durch die Durchblutung ausgeglichen. Das bestätigt auch Onkologe Khandanpour: „Es gibt gewisse Stoffwechselveränderungen, die im Tumor auftreten. Der Tumor wird saurer, das lässt sich von außen allerdings nur sehr, sehr schwer beeinflussen.“
Nach Angaben des britischen Krebsforschungszentrums „Cancer Research UK“ wurden bislang keine klinischen Studien zur Wirksamkeit von Natron als Krebsmedikament veröffentlicht. Eine kleine klinische Studie mit neun Probandinnen und Probanden, die 2013 in den USA durchgeführt wurde, untersuchte, ob Natron Krebsschmerzen lindern könne. Die Studie ging jedoch nicht in die zweite klinische Phase über und brachte keine Ergebnisse.
Warnung vor Nebenwirkungen
Die Einnahme von Natron oder Backpulver könne vielmehr zu Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen, warnt das DKFZ. Eine Überdosierung könne Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Muskelschwäche, Krämpfen, Bluthochdruck oder Nierensteinen zur Folge haben.
Durch das Natron könne sich das Säure-Basen-Gleichgewicht im Körper verschieben, erklärte Jutta Hübner. Dies könne die Aufnahme von anderen Medikamenten, die stark von den Säure-Basen-Spiegeln in Magen und Darm abhängig sind, beeinflussen. „Deswegen würde ich jedem Patient, der irgendwelche Medikamente einnimmt, dringend davon abraten, solche Versuche zu machen.“
Als Quelle für die Behauptung, bei Krebs handele es sich um eine Pilzerkrankung und könne mit Hilfe von Natron behandelt werden, nennt der Blogbeitrag den ehemaligen italienischen Arzt Tullio Simoncini. Der Artikel enthält ein Youtube-Video von 2011, in dem Simoncini seine Thesen verbreitet.
Italienischen Medienberichten zufolge verurteilte ein Gericht Simoncini 2006 zu vier Jahren und vier Monaten Haft, weil er drei Patienten mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium mit Natron behandelte, die kurz darauf starben. Die italienische Ärztekammer schloss Tullio Simoncini im selben Jahr aus. 2022 stand er laut einem Bericht der italienischen Zeitung „Corriera della Sera“ wegen unerlaubter Berufsausübung erneut vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, aus Albanien Patientinnen und Patienten über WhatsApp und Skype Behandlungen mit Natriumbikarbonat verschrieben zu haben.
Fazit: Es gibt keine Belege, dass Natron oder Backsoda eine therapeutische Wirkung gegen Krebs hat. Frühere Laboruntersuchungen mit Mäusen haben gezeigt, dass Natron helfen kann, die Zellteilung anzuregen. Klinische Studien mit Menschen gibt es hingegen bislang nicht.
Ein Video, das einen Stau in der Nähe des polnischen Dorfes Dorohusk zeigt, wurde in sozialen Netzwerken seit Dezember 2022 hunderte Male geteilt. Damit einher ging die Behauptung, dass es sich dabei um Polinnen und Polen handeln würde, die aus ihrem Land nach Deutschland fliehen würden, nachdem ihnen mitgeteilt worden sei, dass 200.000 Personen zum Militär berufen werden sollten. Das Video wurde jedoch nicht an der polnisch-deutschen, sondern an der polnisch-ukrainischen Grenze aufgenommen. Die Zahl von 200.000 einberufenen Personen ist laut polnischem Verteidigungsministerium außerdem die gleiche wie in den Vorjahren und auch Massen von polnischen Bürgerinnen und Bürgern, die das Land verlassen, konnten nicht beobachtet werden.
Das Video wurde auf Twitter und auf Facebook geteilt. Ähnliche Behauptungen kursierten auch auf Niederländisch, Russisch, Englisch und Französisch.
Die Behauptung: Das fast 30 Sekunden lange Video wird aus dem Inneren eines Autos gefilmt und zeigt einen langen Stau auf einer zweispurigen Straße. In der Beschreibung behauptet eine Twitter-Nutzerin, dass es sich um die deutsch-polnische Grenze handeln würde: „Die Polen verdrücken sich massenweise nach der Ankündigung der Mobilisierung ‚für Militärübungen‘ aus Polen.“
Screeenshot der Behauptung auf Twitter: 18. Januar 2023
Eine polnische Straße an der Grenze zur Ukraine
Laut den Beiträgen in den sozialen Netzwerken zeigt das Video angeblich eine lange Fahrzeugschlange auf dem Weg von Polen nach Deutschland. Das stimmt aber nicht: Das Video wurde an der polnischen Straße E373 bei Dorohusk an der Grenze zur Ukraine aufgenommen. AFP fand das Originalvideo mit einer umgekehrten Bildsuche über verschiedene Suchmaschinen, darunter Yandex. Es wurde schon am 14. Dezember 2022 mit derselben Behauptung in einem russischen Telegramkanal geteilt wurde. Am selben Tag wurden auch verschiedene französischsprachige Facebook- und Twitterbeiträge geteilt (hier und hier).
Ein Kommentar auf Twitter bot einen ersten Hinweis darauf, wo das Video aufgenommen wurde. Eine Twitteruserin erklärte am 17. Dezember 2022, dass das Video an einer anderen Grenze zu einer anderen Jahreszeit gefilmt worden war und dass es im Schengen-Raum, zu dem Deutschland und Polen gehören, „keine Grenzkontrollen gibt“. An den Binnengrenzen im Schengenraum gibt es zwar tatsächlich keine Grenzkontrollen, aber sie können in Ausnahmefällen, bei einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit, vorübergehend wieder eingeführt werden.
Die Userin fügte hinzu, dass die Autos sich auf die polnisch-ukrainische Grenze „in Dorohusk“ zubewegen würden und teilte dazu Fotos von Google Maps. AFP war es nicht möglich, mit der Twitternutzerin in Kontakt zu treten. Mit weiteren Nachforschungen gelang es AFP dennoch, Beweise dafür zu finden, dass es sich beim Ort im Video tatsächlich um Dorohusk handelt.
Twitter-Screenshot vom 11. Januar 2023
Bei einer Suche auf Google Maps mit den Stichwörtern „E373 Dorohusk“ erschien eine Straße mit der gleichen Nummer nahe der Grenze zur Ukraine. AFP konnte dann den im Video gefilmten Straßenabschnitt in der Street-View-Ansicht von Google Maps ausfindig machen, zu der man gelangt, indem man die gelbe Figur an einen Ort zieht. Wie die Twitter-Nutzerin betonte, ähneln sich ein Straßenschild, die Schallschutzplatten und eine Werbetafel und scheinen sich am selben Ort zu befinden wie im geteilten Video.
Screenshot des Videos mit der Behauptung (links) und Screenshot von Google Maps (rechts), Hervorhebungen durch AFP
Die Anzeige auf der Werbetafel scheint jedoch verschieden zu sein, was sich durch das Datum der Bilder auf Google Street View erklären lässt: Sie wurden vor mehreren Jahren, im Juli 2012, aufgenommen. AFP fand heraus, dass beide Werbetafeln für dasselbe Geschäft warben, für Majster.
Google-Maps-Screenshot mit Bildern von Juli 2012, auf denen ein altes Werbeplakat von Majster zu sehen ist, aufgenommen am 11. Januar 2023, Hervorhebungen durch AFP
Da sich Straßen stark ähneln können und grüne Schallschutzwände an verschiedenen Orten zu finden sind, beschloss AFP, mehr Informationen über das Gebiet zu sammeln, um zu sehen, ob es tatsächlich mit dem Video übereinstimmt. Am 6. Januar 2023 kontaktierte AFP einen Mechaniker in Dorohusk, Adam Albiniak, dessen Werkstatt sich in der Nähe der Werbetafel befindet.
Nachdem AFP ihm das Video geschickt hatte, antwortete er: „Ja, diese Stelle erkenne ich wieder, das Video wurde die Straße hinunter am Ende einer Brücke gefilmt, auf der E373, nahe dem Grenzposten in Dorohusk.“ Dank der Fotos, die Albiniak auf Anfrage von AFP hin machte, konnte AFP sicher feststellen, dass es dasselbe Areal wie im Video ist: die Bäume, die Plakatwand, der Radweg und die Straße an sich passen zusammen (markiert von AFP). „Das muss im Frühling gewesen sein, als Ukrainerinnen und Ukrainer viele Autos in Polen gekauft haben, um sie in die Ukraine zu importieren, man sieht Autos auf den Anhängern“, wies er bezüglich des Videos hin.
Screenshot des geteilten Videos mit der Behauptung, erstellt am 12. Januar 2023, Hervorhebungen durch AFP
Foto von der E373 in Dorohusk, aufgenommen von Adam Albiniak am 7. Januar 2023, Hervorhebungen durch AFP
Auf dem Werbeplakat war immer noch dasselbe zu sehen wie auf dem Video, wozu Albiniak erklärte: „Das alte Plakat wirbt für den längst geschlossenen Laden Majster-DIY in Chelm, 25 Kilometer von der Grenze gelegen.“ Mithilfe von Albiniaks Fotos konnte AFP verifizieren, was genau auf dem Plakat auf Polnisch geschrieben steht: „Likwidacja sklepu -90 Prozent – Nie przepłacaj – 25 km. Majster Chelm, ul Rampa Brzeska 14 a „. („Lagerräumung -90 Prozent – günstige Preise – 25 km. Majster Chelm, Rampa-Brzeska-Straße 14a“)
Dank einer lokalen Pressemeldung von 2019 fand AFP heraus, dass das Heimwerkfachgeschäft Majster aufgelöst wurde. Der Inhaber eines benachbarten Geschäfts bestätigte gegenüber AFP, dass das Geschäft geschlossen worden war und das Plakat mit der Ankündigung der Auflösung stehen gelassen wurde.
Ein weiteres Video von der Straße mit demselben Werbeplakat wurde im September 2020 auf der Videoplattform YouTube mit der Angabe, dass es in Dorohusk aufgenommen wurde, veröffentlicht. Auf diesem Video sind jedoch nur große Lastwagen zu sehen, im Gegensatz zu dem Video in den analysierten Beiträgen: Darin sieht man Autos, Kleinbusse und Autos auf Transportanhängern.
Tausende Autos in die Ukraine importiert
Auch wenn es AFP gelang, die Stelle zu finden, an der das Video gedreht worden war, konnte nicht festgestellt werden, wann es genau entstanden ist. Es wurde wahrscheinlich zwischen dem 20. Mai 2022 und dem 1. Juli 2022 aufgenommen, als der Stau vor dem Grenzübergang Dorohusk dichter war und sich von den üblichen LKW-Warteschlangen in der Gegend unterschied, die auf einem Satellitenbild auf Google Maps zu sehen sind.
Albiniak erwähnte, dass das Video wahrscheinlich im Frühling aufgenommen wurde und auch ein Sprecher der polnischen Grenzbeamten der Region Nadbużański Oddział SG kam zum selben Schluss, nachdem er das Video angesehen hatte. Sprecher Dariusz Sienicki, mit dem AFP am 9. Januar 2023 sprach, erkannte die Stelle und sagte: „Das ist die Straße, die zum Dorohusk-Grenzposten führt. Da es sich um eine EU-Außengrenze handelt, bilden sich in der Gegend auf dem Weg in die Ukraine häufig lange LKW-Schlangen, aber in dem Video sehen wir viele Autos, die auf Anhängern transportiert werden, im Gegensatz zu den üblichen Warteschlangen auf dieser Straße. Das Video muss zu dem Zeitpunkt gefilmt worden sein, als Ukrainerinnen und Ukrainer sehr viele Autos in Polen kauften, die dann in die Ukraine exportiert wurden.“
Über einen Monat nach dem russischen Angriff am 24. Februar 2022 setzte die Ukraine die Steuern auf importierte Fahrzeuge aus (Mehrwertsteuer, Verbrauchssteuer, Zoll). Drei Monate später, am ersten Juli 2022, wurden die Steuern wieder eingeführt. Verschiedene Medien berichteten über die langen Schlangen an der Grenze. „Aufgrund der Steuerbefreiungen haben die Ukrainerinnen und Ukrainer seit April mehr als 250.000 Gebrauchtwagen importiert, hauptsächlich aus Polen“, sagt ein Artikel von Radio Lublin.
Die polnische Zeitung „Interia reads“ berichtete am 13. Mai 2022, dass eine „acht Kilometer lange Schlange von Autos darauf wartete, Polen über die Grenze zur Ukraine in Dorohusk (Lubelskie) zu verlassen, während die Schlange für importierte Waren bis zu 15 Kilometer lang war. In beiden Schlangen standen vor allem Fahrerinnen und Fahrer, die Autos in die Ukraine brachten“. Der Artikel fügte hinzu, dass die Wartezeiten bis zu 25 Stunden betrugen, bis die Wartenden endlich die Grenze überqueren konnten.
Polnisches Ministerium dementiert „Massenflucht“ aus Polen
In den Beiträgen, die mit den Videos verbreitet wurden, wird behauptet, dass 200.000 Polinnen und Polen aus dem Land flohen, weil sie zur militärischen Ausbildung einberufen werden sollten.
Die Zahl 200.000 stand im Dezember in den Plänen des Verteidigungsministeriums als Maximalanzahl der Einberufungen von Reservistinnen und Reservisten im Jahr 2023.
Die Welle der Falschinformationen, die auf diese Nachricht folgte, veranlasste die Zentrale Militärkommission Polens zur Klarstellung, dass „diese Zahl die gleiche wie im Vorjahr ist und nicht die absolute Umsetzung bedeutet“. In mehreren Artikeln wurde erklärt, dass diese Zahl nicht mit dem Krieg in der Ukraine in Verbindung steht, sondern darauf abzielt, Reservisten auszubilden. Zu keinem Zeitpunkt gab es einen Hinweis darauf, dass eine Wehrpflicht eingeführt werden sollte. Diese wurde in Polen 2009 abgeschafft.
AFP hat nachgeforscht und herausgefunden, dass die gleiche Zahl (bis zu 200.000 Reservisten) in den Plänen des Verteidigungsministeriums für die Jahre 2021 und 2022, also vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine, tatsächlich angekündigt wurde.
AFP erfragte am 13. Januar 2023 weitere Einzelheiten bei Justyna Balik, Sprecherin der polnischen Armee für Rekrutierungen. Der Plan für 2023 sieht vor, dass für ein Training von bis zu 16 Tagen bis zu 200.000 Reservisten einberufen werden sollen, die aus der Vergangenheit bereits über gewisse militärische Erfahrungen verfügen, erklärte sie. Darunter sind bis zu 3000 Personen (von der Armee „passive Reservisten“ genannt), die tauglich für den Militärdienst wären, aber noch nicht in Kontakt mit der Armee gekommen sind und eine zweitägige Schulung durchlaufen werden. Dazu gehören beispielsweise Krankenschwestern, Informatikerinnen und Informatiker oder Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer. Diese Personen können Widerspruch einlegen, wenn sie nicht an der Ausbildung teilnehmen können, erklärte sie weiter.
AFP hat keine widerlegbaren Informationen gefunden, wonach polnische Bürgerinnen und Bürger nach dieser Ankündigung massenweise geflüchtet seien. Die polnische Faktencheckseite „Konkret24“ hat Behauptungen über die angebliche Flucht von Polinnen und Polen vor einer Zwangsmobilisierung widerlegt.
Auf eine AFP-Anfrage zu diesen Behauptungen antwortete das polnische Verteidigungsministerium in einer E-Mail am 10. Januar 2023: „Wir haben keine Massenflucht von Personen, die für den Militärdienst qualifiziert sind, registriert. Wir haben auch keine Massenflucht von Teilnehmenden an Militärübungen wahrgenommen. Und, was ebenso wichtig ist, es wurde keine allgemeine oder teilweise Mobilisierung im Land angeordnet.“
Fazit: Das online kursierende Video zeigt die polnisch-ukrainische Grenze beim polnischen Dorf Dorohusk, vermutlich zu einem Zeitpunkt, als viele Ukrainerinnen und Ukrainer gebrauchte Autos in Polen kauften und diese in die Ukraine importiert wurden. Auch das polnische Verteidigungsministerium bestätigte, dass keine Massenabwanderung von Polinnen und Polen wegen des Militärdienstes beobachtet werden konnte.
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos ist seit Jahren im Visier von Verschwörungstheoretikern aus aller Welt – und zur Zeit der diesjährigen Konferenz 2023 entstehen wieder besonders viele falsche Behauptungen über das Treffen. Noch vor Beginn des Forums verbreitete sich die Behauptung, Klaus Schwab, Gründer und Leiter des WEF, werde «aus gesundheitlichen Gründen» nicht an der Eröffnung der Konferenz teilnehmen. Dabei ist klar dokumentiert, dass und wie er das tat.Bewertung
Klaus Schwab nahm am Montag, 16. Januar, um 18:00 Uhr an der Eröffnungsfeier des jährlichen WEF-Treffens in Davos teil.
Fakten
Offizieller Beginn des WEF 2023 war Montag, der 16. Januar und dass hat Klaus Schwab an einer morgendlichen Eröffnung nicht teilnahm, hat einen einfachen Grund: Es gab diese Eröffnung am Morgen nicht. Im Laufe des Tages kamen Teilnehmer in Davos ein – und um 18 Uhr begann dann das offizielle Programm mit der Verleihung der «Crystal Awards». Dort stand Schwab als erster auf der Bühne, um alle willkommen zu heißen.
Das Gerücht, Schwab nehme an seiner eigenen Veranstaltung nicht teil, ist also falsch. Den Faktencheckern von Lead Stories teilte das WEF mit, Schwab sei bei «bester Gesundheit». Die vorab verbreitete Behauptung, WEF-Gründer Schwab verpasse den Termin in Davos «aus gesundheitlichen Gründen», war offensichtlich erfunden: Sie kam auch ohne jede Quellenangabe daher.
Das WEF und Gründer Klaus Schwab sind beliebtes Ziel von Verschwörungstheorien, von denen die Deutsche Presse-Agentur (dpa) viele schon falsifiziert hat, etwa hier, hier, und hier.
(Stand:19.1.2023)
In einem Video behauptet ein Mann, ein internes Dokument von Pfizer zeige, dass die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 Graphenoxid enthalten würden. Der Clip ist nicht neu, er stammt von August 2021: Er zeigt die Rede eines Mannes bei einer Versammlung in Barbados. In manchenBeiträgen heißt es zu dem Video: „Der ungeschwärzte Vertrag zwischen Pfizer und der EU ist aufgetaucht“. Graphenoxid ist eine Substanz, der bei der Oxidation von Graphen (einem Material aus Kohlenstoff-Verbindungen) entsteht. Es gilt als sehr reißfest und leitfähig. In der Industrie wird Graphenoxid zum Beispiel im Bereich der Elektronik, der Energiegewinnung oder in der Messtechnik eingesetzt. Auch an Graphenoxid als Bestandteil von Impfstoffen wird geforscht, diese Forschung ist jedoch noch in der Anfangsphase. Immer wieder kursieren irreführende Behauptungen, dass Graphenoxid in den aktuell verwendeten mRNA-Impfstoffen enthalten sei. Dafür gibt es keine Belege, wie wir schon 2021 berichteten. Die Inhaltsstoffe der zugelassenen Covid-19-Impfstoffe sind öffentlich zugänglich – Graphenoxid ist dort nicht aufgeführt. Das „Dokument“, das in den Beiträgen zu dem Video eingeblendet wird, ist ebenfalls öffentlich verfügbar und kein Beleg für die Behauptung. Es geht darin nicht um die chemische Substanz Graphenoxid, sondern um den mRNA-Code des Biontech/Pfizer-Impfstoffs.In einem Video bezieht sich ein Mann auf Dokumente von Pfizer und stellt die Falschbehauptung auf, es belege, dass Graphenoxid im mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer enthalten sei. (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Video ist von August 2021 und stammt aus Barbados
Laut einigen Beiträgen von August 2021 stammt das Video aus Barbados. Mit diesem Hinweis finden wir auf Youtube ein Videoeiner Bürgerversammlung vom 18. August 2021. Der offizielle Youtube-Kanal des Premierministers von Barbados übertrug sie damals live. Bei der Bürgerversammlung im Rathaus ging es demnach darum, sich über die Covid-19-Impfstoffe auszutauschen. Der Mann im Video sagt (ab Stunde 1:46), sein Name sei Fred Corbin, er sei Rennwagen-Ingenieur und habe einen „Hintergrund in der Erforschung biologischer Waffen“. Statt eine Frage zu stellen, hält er rund zehn Minuten lang einen Vortrag, in dem er behauptet, dass mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 eine „Biowaffe“ seien. Im Netz kursiert von seinem Vortrag nur ein kurzer Auszug. Einige Beiträge, die den Ausschnitt von Corbins Rede verbreiten, verlinken auf einen Vorvertrag zwischen den Pharmakonzernen Biontech/Pfizer und der Europäischen Kommission von November 2020, der bei der Transparenzinitiative Frag-den-Staat abrufbar ist. Darin steht aber nichts über Graphenoxid. Was der Vertrag mit dem Video von Corbin zu tun haben soll, ist unklar.Fakt ist: Die Inhaltsstoffe der in Europa zugelassenen Covid-19-Imfpstoffe sind auf der Webseite der Europäischen Arzneimittelagentur veröffentlicht. Graphenoxid ist weder für den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer noch für die anderen zugelassenen Impfstoffe (Valneva, Nuvaxovid, Vaxzevria, Jcovden, Vidprevtyn Beta, Spikevax) aufgeführt. Eine Biontech-Sprecherin in Deutschland teilte auf Nachfrage mit, in den zugelassenen mRNA Covid-19 Impfstoffen seien „nach wie vor keine Graphenoxide oder sonstige gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe“ enthalten.
Das „interne Dokument“ bezieht sich auf den öffentlich einsehbaren mRNA-Code – Graphenoxid ist darin nicht aufgeführt
In seiner Rede nennt Corbin ein „internes Dokument von Pfizer“ namens „Reverse Engineering the source code of the BioNTech/Pfizer SARS-CoV-2 Vaccine“ (ab etwa Stunde 1:53). Er hält dazu ein Papier hoch, dessen Inhalt im Video nicht zu erkennen ist. Dazu sagt er, bei den Impfstoffen seien „chemische und biologische Prozesse“ so manipuliert worden, dass eine mRNA produziert werde, die Graphenoxid enthalte. In den Videos in Sozialen Netzwerken wird an dieser Stelle ein Bild von einem Teil des mRNA-Codes des Biontech/Pfizer-Impfstoffs eingeblendet. Ein Teil der Sequenz für den mRNA-Code des Covid-19-Impfstoffes von Biontech/Pfizer – er wird in dem Video eingeblendet. Die Buchstaben im Code zeigen die einzelnen Bestandteile der Aminosäuren: Adenin, Cytosin, Guanin und Psi ψ. (Quelle: WHO; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Eine Suche nach „Reverse Engineering the source code of the BioNTech/Pfizer SARS-CoV-2 Vaccine“ führt zu einem Blog-Text, in dem dieser Code zu sehen ist. Er stammt demnach ursprünglich von der zugangsbeschränkten Wissenschaftsplattform „mednet“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er ist öffentlich einsehbar, beispielsweise im Geschäftsbericht 2020 des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen GKV (PDF, Seite 119).Pressesprecherin Susanne Stöcker vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das für die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland zuständig ist, erklärte uns dazu: „Durchaus kreativ (aber inhaltlich völlig unhaltbar) ist der Ansatz, die Sequenz für den mRNA-Code […] würde belegen, dass Graphenoxid enthalten sei. Graphenoxid ist eine chemische Substanz mit der Summenformel: C140 H42 O20.“ Die mRNA codiere jedoch ausschließlich für Aminosäuren. In der mRNA kämen vier Nukleinbasen vor: Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil. Diese bilden Aminosäuren, die wiederum Bausteine für Proteine sind (beim Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer für das Spike-Protein).Die Buchstaben im Code zeigen die einzelnen Bestandteile der Aminosäuren: Adenin, Cytosin, Guanin. Hinzu kommen viele „Dreizacke“ – das griechische Psi ψ. Es steht für Pseudouridin. „Damit wird gewährleistet, dass die mRNA nicht sofort von unserem Immunsystem als fremd erkannt und abgebaut wird. Die modifizierte mRNA (mit dem Pseudoiridin) kann diesem Mechanismus für eine gewissen Zeit entgehen“, so die Sprecherin des PEI. Ein Hinweis auf Graphenoxid ist der Code somit nicht.
Graphenoxid in keinem der in Europa zugelassenen Covid-19-Impfstoffe als Inhaltsstoff aufgeführt
Stöcker teilte uns bereits 2021 für einen Faktencheck mit, was unverändert gilt: „Graphen / Graphenoxid wird weder in der Herstellung von Covid-19-Impfstoffen noch in der Herstellung anderer in der EU beziehungsweise in Deutschland zugelassener Impfstoffe als Hilfsstoff eingesetzt.“ Dem PEI seien auch keine wissenschaftlich belegten oder haltbaren Informationen bekannt, die auf das Vorkommen dieser Substanz in Impfstoffen hinweisen würden. Auch eine Pressesprecherin der europäischen Arzneimittelbehörde EMA schrieb uns damals: „Die EMA hat weder bei ihren Bewertungen noch bei laufenden Tests glaubwürdige Hinweise darauf gefunden, dass ein Covid-19-Impfstoff Graphenoxid enthält.“ Graphenoxid sei generell kein anerkannter Hilfsstoff in Arzneimitteln. Die Qualität der zugelassenen Impfstoffe sei „in zufriedenstellender Weise“ festgestellt worden und „wird gemäß den EU-Rechtsvorschriften kontinuierlich und sorgfältig überwacht“. Diese Aussage wiederholte die Europäische Kommission in einer Parlamentsanfrage im März 2022.Allgemein wird Graphenoxid bei der Herstellung von Impfstoffen in Deutschland nicht eingesetzt. Dies antwortete die Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss bereits am 5. August 2021 auf eine schriftliche Anfrage eines AfD-Politikers.
Graphenoxid wird als potenzieller Bestandteil von Impfstoffen erforscht
An Graphenoxid wird im Zusammenhang mit Impfungen geforscht, zum Beispiel als potenzieller Trägerstoff oder im Zusammenhang mit der Krebsforschung. Wir fanden jedoch nichts, was mit den zugelassenen Corona-Impfstoffen zu tun hätte (Stand: 17. Januar). Bereits 2021 erklärte Hong Byung-hee, ein Experte für Nanotechnologie an der National University in Seoul, gegenüber der AFP,diese Forschungen seien noch in der „experimentellen Phase“.Experten der Organisation Health Desk erklärten in einem Artikel Anfang August 2021: „Während bestimmte Mengen an Graphenoxid für Menschen toxisch sein könnten, deuten aktuelle Untersuchungen […] darauf hin, dass die Menge, die in potenziellen Impfstoffen enthalten wäre, so gering wäre, dass sie für menschliche Zellen nicht toxisch wäre.“Fazit: Das angeblich „interne Dokument“ belegt nicht, dass Graphenoxid in dem Covid-19-Impfstoff von Pfizer/Biontech enthalten ist. Es gibt auch sonst keinerlei Hinweise darauf, dass die Substanz in den aktuell zugelassenen Impfstoffen enthalten ist. Sowohl die Hersteller selbst, als auch zuständige Behörden, die für die Überprüfung und Zulassung der Impfstoffe zuständig sind, widersprechen.Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Liste Inhaltsstoffe des Covid-19-Impfstoffes von Pfizer/Biontech: Link
Presseantwort der Parlamentarischen Staatssekretärin auf AfD-Anfrage, 6. August 2021: Link (archiviert)
Geschäftsbericht des GKV-Spitzenverbands: Link (archiviert)
„Sehr deutlich zu erkennen, wird hier eine Festnahme von Greta Thunberg samt Regieanweisungen inszeniert“, kommentiert eine Nutzerin auf Facebook. Die rechtskonservative Wochenzeitung Junge Freiheit schreibt in einem Facebook-Beitrag: „Medien melden heute, Greta Thunberg sei von der ‚Polizei weggetragen und in Gewahrsam genommen‘ worden. Doch Videos legen nahe, dass die Aktion eine Inszenierung ist.“ Verlinkt ist ein Artikel mit dem Titel: „Die Fake-Festnahme der Greta Thunberg“. Auf Twitter verbreitet sich das Narrativ der inszenierten Verhaftung Thunbergs auch international, in einem Beitrag ist etwa von einer „komplett gefälschten Veranstaltung“ die Rede.Zu sehen ist in dem Video, wie die Klimaaktivistin zwischen zwei Polizeibeamten steht, einer hält sie am Arm fest. Die Situation wirkt entspannt: Thunberg lacht, um sie herum sind Medienleute zu sehen, die die Szene festhalten. Diese Szene ist offenbar Anlass, warum einige nicht glauben, dass es eine echte Amtshandlung gegen Thunberg gab. Die zuständige Polizei Aachen widerspricht diesen Behauptungen.Aufnahmen sollen belegen, dass Thunbergs Festnahme nur „fake“ gewesen sei. Laut Polizeiangaben wurden die Personalien der Klimaaktivistin erfasst und dafür wurde sie festgehalten. Die Festnahme war also nicht gestellt. (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Greta Thunberg wurde in Lützerath kurzzeitig festgehalten
Der Energiekonzern RWE will die Braunkohlevorkommen rund um das Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen abbaggern. Um das zu verhindern, besetzten Klimaaktivistinnen und -aktivisten das Dorf. Am 11. Januar hatte die Polizei mit einem Großaufgebot begonnen, das Dorf zu räumen. Am vergangenen Samstag, dem 14. Januar, demonstrierten tausende Menschen gegen die Räumung von Lützerath und den Kohleabbau. Bei erneuten Protesten am Dienstag, dem 17. Januar, entstand das Video, das nun in Sozialen Netzwerken kursiert.Dana Zimmermann, Sprecherin der Polizei Aachen, sagte uns am Telefon: Im Zuge der Demonstrationen habe sich eine Gruppe von etwa 30 bis 50 Personen, darunter Greta Thunberg, auf den Tagebau Garzweiler zubewegt. Eine Person sei in den Tagebau gesprungen, ein Teil der Gruppe über die Verwallung getreten und andere seien davor stehen geblieben. Greta Thunberg habe die Verwallung nicht übertreten. Gegen ein solches Verhalten könne RWE Anzeige erstatten, da sich die Demonstrierenden auf dem Privatgelände von RWE befinden. Deshalb seien die Personalien von allen aus dieser Gruppe erfasst worden. Greta Thunberg sei kurzzeitig festgehalten worden, damit ihre Identität festgestellt werden konnte. Sie habe sich also nicht frei entscheiden können, wohin sie geht, sei aber, so Zimmermann, nicht in Polizeigewahrsam im Sinne eines Zellenaufenthalts gewesen. Nach der Personalienfeststellung hätten die Polizisten mit Thunberg auf den Bus warten müssen, der die Demonstrierenden vom Gelände brachte. In dieser Wartesituation entstand laut Zimmermann das Video – es steht also in keinem Widerspruch zu der tatsächlich durchgeführten Amtshandlung.Die Polizei Aachen äußerte sich bereits zu der locker wirkenden Atmosphäre in dieser Situation: „Es gab aus dieser Gruppe keine Widerstandshandlungen, deswegen gab es auch für die Beamten vor Ort keinen Grund, härter durchzugreifen. Es gibt keinen Promi-Bonus, es gibt aber auch keine Promi-Ungleichbehandlung“, sagte ein Sprecher der Polizei Aachen zur Kölnischen Rundschau. Zur NZZ hieß es: Wenn die Polizei von Fotografen gefragt werde, ob man ein Bild machen könne, dann lehne sie das nicht ab. „Wenn wir da ‚Nein‘ sagen würden, bekämen wir ganz andere Vorwürfe zu hören.“Redigatur: Gabriele Scherndl, Uschi Jonas
Seit Jahren kursiert die Behauptung, dass niederfrequente Schallwellen von Windkraftanlagen – sogenannter Infraschall – krank machen. Als Beweis teilen User derzeit einen alten Beitrag des Regionalsenders SWR, in dem behauptet wird, Infraschall von Windrädern könne das Herz schädigen. Die in dem Beitrag zitierte Studie wurde von verschiedenen Experten wegen ihrer Methoden kritisiert und durch andere Untersuchungen widerlegt. Zahlreiche Studien, die seit 2018 durchgeführt wurden, haben keine Hinweise auf Gesundheitsschäden durch Infraschall von Windkraftanlagen finden können.
Hunderte User haben seit Anfang November 2022 einen Beitrag auf Facebook geteilt (hier, hier), der die Behauptung verbreitet, Windkraftanlagen könnten die Gesundheit von Anwohnerinnen und Anwohnern schädigen. Die Postings enthalten einen SWR-Bericht übere eine Studie der Mainzer Universitätsmedizin die angibt, Infraschall könne die Funktionsfähigkeit des menschlichen Herzen beeinträchtigen.
Die Behauptung: Der SWR-Beitrag berichtet über die vermeintlichen Folgen von Infraschall auf den menschlichen Körper, die in einer Studie erstmals nachgewiesen worden seien: „In einer aktuellen, noch nicht veröffentlichten Studie der Mainzer Unimedizin wurde jetzt nachgewiesen, dass sich auch Infraschall negativ auf den Körper auswirkt“, heißt es in dem Bericht.
Die Untersuchung habe demnach ergeben, dass die Aktivität von Herzmuskelfasern abnehme, nachdem diese Infraschall ausgesetzt wurden. „Was wir als gesichert sehen, ist, dass die Applikation von Schallwellen […] zu einer Hemmung der Kraftentwicklung von Herzmuskelpräparaten führt“, sagte der Leiter der Forschungsgruppe, der Mainzer Herzchirurg Christian-Friedrich Vahl gegenüber dem SWR. Manche Postings erwecken den Eindruck, der Beitrag sei aktuell: „Windturbinen erzeugen Infraschall 30. Oktober 2022 Ich dachte immer, das sei eine Verschwörung.“
Screenshot der Behauptung auf Facebook: 23. November 2022
Zu Windenergie und ihren angeblichen Folgen kursieren immer wieder Falschbehauptungen in sozialen Medien. AFP überprüfte in der Vergangenheit etwa Behauptungen, wonach für den Bau eines Windrades 4000 Tonnen Stahl benötigt würden, Windkraftanlagen den Klimawandel verstärken oder in Spanien Wälder abgebrannt würden, um Bauland für Windkraftanlagen zu schaffen. Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.
Was ist Infraschall und wird er von Windkraftanlagen erzeugt? Infraschall sind nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) „Geräusche mit einer Frequenz von 20 Hertz und darunter“. Damit bewegt sich Infraschall unterhalb der menschlichen Hörschwelle. Dieser tieffrequente Schall ist in der Umwelt allgegenwärtig und wird von natürlichen Schallquellen wie dem Wind oder der Meeresbrandung erzeugt, aber auch vom Straßenverkehr oder technischen Anlagen wie Windrädern.
Die Hörbarkeit von Geräuschen hängt von der Frequenz ab. Die Frequenz von Infraschall bewegt sich im nicht hörbaren Bereich
Auf der Website des UBA heißt es, Infraschall könne als „Belästigung“ empfunden werden, auch wenn er nicht hörbar ist. Zahlreiche Studien konnten keine Belege dafür finden, dass der von Windkraftanlagen erzeugte Infraschall gesundheitsschädlich ist.
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Tremac“, in dem verschiedene deutsche Forschungsinstitute und Universitäten die Schallemissionen von Windkraftanlagen untersuchten, konnte keinen Zusammenhang zwischen Infraschall und gesundheitlichen Beschwerden feststellen. In einer Veröffentlichung des Projekts aus dem Jahr 2022 heißt es: „Es gibt derzeit keine epidemiologischen Studien, die kausale Zusammenhänge zwischen dem Betrieb von Windenergieanlagen und körperlichen Beschwerden eindeutig belegen konnten.“
Auch eine experimentelle Studie des UBA aus dem Jahr 2020 fand keine Hinweise auf körperliche Schäden durch Infraschall. Die Untersuchung fand „keinen Zusammenhang zwischen Infraschallgeräuschen um oder unterhalb der Wahrnehmungsschwelle und akuten körperlichen Reaktionen“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie. Allerdings bewerteten die Probanden den Infraschall als „etwas“ bis „mittelmäßig“ lästig. Das Studiendesign mache die Ergebnisse zudem nicht generalisierbar, dafür bedürfe es umfassenderer Forschung.
Auch eine großangelegte Studie des Technischen Forschungszentrums Finnlands (VTT) aus dem Jahr 2020, die sich auf Gebiete konzentrierte, in denen Anwohner über Symptome im Zusammenhang mit Infraschall von nahe gelegenen Windparks geklagt hatten, konnte keine Hinweise auf gesundheitsschädliche Auswirkungen von Infraschall aus Windkraftanlagen finden.
Was zeigt das geteilte Video?
Der Clip, der in den Postings geteilt wird, zeigt das Logo der lokalen Nachrichtensendung „SWR Aktuell“. Eine Suche nach „SWR Aktuell“ und „Infraschall“ auf Facebook führte zu einem Video, das am 26. April 2018 auf der Facebook-Seite des Senders hochgeladen wurde. Der ursprüngliche Fernsehbeitrag wurde laut SWR am Tag zuvor, am 25. April 2018, ausgestrahlt. Dieser findet sich jedoch nicht mehr in der Mediathek des SWR.
Im Mittelpunkt des Berichts steht eine Studie der Mainzer Universitätsmedizin unter der Leitung des Herzchirurgen Christian-Friedrich Vahl, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht war. In dem SWR-Bericht wurde die Studie mit dem Ergebnis zitiert, dass die Funktion von Herzfasern durch Infraschall beeinträchtigt werde.
Der Bericht kommt zu dem Schluss: „Noch muss diese Erkenntnis quantifiziert, das heißt auf die Lebensrealität der Menschen in der Nähe von Windrädern übertragen werden. Im schlimmsten Fall aber bedeutet sie, dass das Leben in der Nähe solcher Anlagen herzkrank machen kann“. In dem Bericht wird auch ein Ehepaar interviewt, das befürchtet, dass seine Gesundheitsprobleme durch einen nahe gelegenen Windpark verursacht wurden.
In der Reportage berichtet Vahl von den Ergebnissen seines Experiments. Demnach beeinträchtige Infraschall die Fähigkeit des untersuchten Herzmuskelgewebes, sich anzuspannen: „Was wir als sicher ansehen, ist, dass die Anwendung von Schallwellen […] zu einer Hemmung der Kraftentwicklung von Herzmuskelpräparaten führt“, sagt er in dem Interview.
SWR: „Bericht würde heute nicht mehr ausgestrahlt werden“
Eine SWR-Sprecherin sagte am 29. November 2022 gegenüber AFP, die 2018 veröffentlichte Version des Berichts würde heute nicht mehr ausgestrahlt werden. „Da es inzwischen eine breite Auseinandersetzung mit der von Professor Vahl 2018 vorgelegten Studie gibt, würden wir den Beitrag, so wie er 2018 produziert wurde, zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr verbreiten. Hier würden wir stärker auf die Kritik eingehen.“
Nach Angaben des SWR gab es zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des Beitrags keine Hinweise, „die Zweifel an der Methodik der Studie hätten aufkommen lassen“. Vahls Ansatz sei zu diesem Zeitpunkt „schlüssig und nachvollziehbar“ gewesen. „Deshalb haben wir auch in den Nachrichtensendungen des SWR darüber berichtet“, erklärte die Sprecherin. Eine kritische, öffentliche Debatte über Vahls Forschungsmethoden und -ergebnisse habe es erst nach der Ausstrahlung gegeben, sagte die Sprecherin.
Christian-Friedrich Vahl reagierte auf mehrfache Anfragen von AFP, seine Forschungsergebnisse zu kommentieren, nicht. Allerdings hat er seine Behauptungen in verschiedenen Zeitungsinterviews kürzlich wiederholt. In diesem Interview mit dem „Nordkurier“ vom 24. Mai 2022 äußert er sich zwar zurückhaltend, wenn es darum geht, die Laborergebnisse seiner Studie auf die Funktionsweise eines echten menschlichen Herzens zu übertragen, hält aber an den grundsätzlichen Ergebnissen der Studie fest: „Da bin ich grundsätzlich sehr vorsichtig. In den Präparaten sind die Muskelfasern anders angeordnet als im wirklichen Herzen, und sie wurden im Labor gleichmäßig beschallt. In der Praxis könnte die Wirkung also geringer sein“, sagte er. Er fügte jedoch hinzu: „Entscheidend ist aber, dass es diesen Effekt gibt: Infraschall schwächt die Herzkraft.“
Kritik an zu hohen Infraschallwerten
Im Rahmen der Studie von 2018, die 2021 in der Fachzeitschrift „Noise & Health“ veröffentlicht wurde, setzte Vahls Forschungsgruppe präparierte Herzmuskelfasern unter Laborbedingungen Infraschall aus. Die Forscher untersuchten je zwei Proben von 18 Probanden, die diesen während einer Herzoperation entnommen worden waren. Die Proben wurden jeweils eine Stunde lang mit Infraschall in einer Stärke von 100, 110 und 120 Dezibel beschallt. Die zweite Probe diente als Kontrollgruppe und wurde dem Infraschall nicht ausgesetzt.
Der in Dezibel gemessene Schalldruckpegel beschreibt die Intensität eines Geräusches. Für die Hörbarkeit ist jedoch nicht nur die Intensität, sondern auch die Frequenz entscheidend. Ein Geräusch mit 70 Dezibel bei 1000 Hertz ist so laut wie ein Staubsauger, während ein Ton mit 70 Dezibel bei 2 Hertz für den Menschen völlig lautlos ist.
Die Studie ergab, dass die Kraft der Herzmuskelfasern beim Zusammenziehen durch die Infraschall-Beschallung abnahm. Bei 110 Dezibel nahm ihre Kontraktionsfähigkeit demnach um elf Prozent ab, bei 120 Dezibel um 18 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Beschallung. Aufgrund dieser Ergebnisse formulierte die Arbeitsgruppe um Vahl im Fazit der Studie konkrete politische Forderungen zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner von Windkraftanlagen: „Die Forscher dieses Artikels empfehlen, den Pegel des erzeugten Infraschalls auf 80 Dezibel (20 Dezibel unter dem kritischen Wert von 100 Dezibel) als maximal tolerierbare Grenze für die chronische Belastung festzulegen“.
Eine Langzeitmessung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) ergab jedoch, dass der Infraschall von Windkraftanlagen bereits in 200 Metern Entfernung deutlich unter 60 Dezibel und damit weit unter der Wahrnehmungsschwelle liegt. Eine ähnliche Untersuchung der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) kam zu dem Ergebnis, dass die Infraschallintensität ab einer Entfernung von 700 Metern von einer Windenergieanlage so gering ist, dass sich nicht mehr unterscheiden lässt, ob eine Anlage ein- oder ausgeschaltet ist.
Infraschall in der Umgebung von Windenergieanlagen liegt deutlich unter der Hör- und Wahrnehmungsschwelle
Der LUBW-Bericht stellt außerdem fest, dass viele alltägliche technische Quellen deutlich höhere Infraschallpegel verursachen als Windkraftanlagen. „So wurden zum Beispiel an gewöhnlichen Geräten im Haushalt wie Waschmaschine oder Ölheizung teils höhere Infraschallpegel gemessen als bei Windkraftanlagen in einer Entfernung von 300 Metern“, heißt es in einer Zusammenfassung des Berichts.
Stefan Holzheu, Umweltwissenschaftler an der Universität Bayreuth, beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit Infraschall von Windkraftanlagen. Er widersprach im Gespräch mit AFP am 5. Dezember 2022 der Behauptung, dass Infraschall der menschlichen Gesundheit schade. „Warum haben wir denn keinen medizinischen Notfall, wenn wir uns in ein Auto setzen?“, fragte Holzheu. „Dabei entstehen Intensitäten, die tausendmal höher sind als die von Windkraftanlagen“ Es sei überhaupt nicht klar, wie der angeblich schädliche Infraschall überhaupt in den Körper gelangen soll. „Druck auf den Körper ist weitgehend irrelevant und Infraschall ist in diesem Zusammenhang völlig harmlos“, sagte er.
Das belegt eine Studie des UBA zu den Auswirkungen von Infraschall, in der es heißt: „Für eine negative Auswirkung von Infraschall unterhalb der Wahrnehmungsschwelle konnten bislang keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse gefunden werden, auch wenn zahlreiche Forschungsbeiträge entsprechende Hypothesen postulieren.“
Auch in einer Veröffentlichung des Hessischen Energieministeriums heißt es zu Windenergie und Infraschall: „In Studien, in denen ausschließlich Infraschall unterhalb der Hörschwelle vorlag, konnten keine gesundheitsschädlichen Wirkungen auf den Menschen beobachtet werden.“ In der Veröffentlichung heißt es auch, dass Infraschall oberhalb der Wahrnehmungsschwelle unter Umständen negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben kann.
Schwerer Rechenfehler einer Bundesbehörde
Die Infraschallstudie von Vahls Arbeitsgruppe wurde zusätzlich in Zweifel gezogen, nachdem sich offizielle Messdaten einer Bundesbehörde zu den von Windkraftanlagen erzeugten Infraschallpegeln als falsch herausstellten und nachträglich korrigiert werden mussten. Eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus dem Jahr 2005 gab Infraschallwerte im Umfeld von Windkraftanlagen mit bis zu 100 Dezibel an.
Im April 2021 musste die BGR nach Kritik aus der Wissenschaft einen wiederholten Rechenfehler in ihrer Studie von 2005 einräumen. Die Infraschallwerte seien aufgrund eines Programmierfehlers in der verwendeten Software deutlich zu hoch berechnet worden, hieß es.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften BGR hat endlich Fehler bei den Infraschallpegeln von Windenergieanlagen korrigiert. Es hat lange gedauert. Tatsächlich ist Infraschall harmlos. Heute in @BR_Pressepic.twitter.com/AHbxtWb56Q
Der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), dessen Ministerium die BGR unterstellt ist, entschuldigte sich für den Fehler. Der tatsächliche Wert belief sich demnach auf 64 und nicht 100 Dezibel. Die Differenz von 36 Dezibel macht einen enormen Unterschied in der Schallintensität, da die Dezibelskala logarithmisch und nicht linear ansteigt. Ein Anstieg um 10 Dezibel bedeutet eine Verzehnfachung des Schalldrucks. Somit überschätzte die BGR-Studie die Infraschallpegel in der Umgebung von Windkraftanlagen um den Faktor 4000.
Die BGR hat ihre ursprüngliche Studie zurückgezogen und im Dezember 2021 eine Korrektur ihrer Berechnungen veröffentlicht. In der Korrektur heißt es: „Als Maß für die Stärke des Infraschalls einer Windenergieanlagen wurden in der Veröffentlichung Schalldruckpegel gezeigt. Diese enthielten jedoch einen systematischen Fehler und waren 36 Dezibel zu hoch.“
Vahl beruft sich in einer Vortragsreihe an der Universität Mainz am 3. Dezember 2019, wo er sein Infraschall-Experiment der Öffentlichkeit vorstellt auf die fehlerhaften Infraschallwerte der BGR. Der Infraschallpegel in einem Kilometer Entfernung zu einem Windpark betrage 100 Dezibel, „obwohl man nichts hört“, sagt Vahl bei Minute 34:17 und zeigt eine Grafik, die auf den BGR-Daten basiert.
Auch die Korrektur der Daten ändern für Vahl nichts an seiner Einschätzung zu den angeblich gesundheitsschädlichen Folgen von Infraschall. In einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ vom Mai 2021, sagte er, dass die niedrigeren Infraschallpegel nichts an den „grundlegenden Stresswirkungen“ von Infraschall änderten. Die vermeintlichen Gesundheitsschäden treten bereits bei niedrigen Schalldruckpegeln auf, behauptet Vahl: „Nach der BGR-Korrektur werden die Beschwerden der Betroffenen nicht mehr im Bereich von größer 90 Dezibel geäußert, sondern bereits im Bereich zwischen 60 und 70 Dezibel.“
Im Interview mit dem „Nordkurier“ vom Mai 2022 argumentierte er zusätzlich zum SWR-Beitrag von 2018, dass der Infraschall von Windkraftanlagen schädlicher sei, weil er im Gegensatz zu anderen Formen von Infraschall nicht nicht gleichmäßig abgestrahlt werde.
Technischer Aufbau von Vahls Experiment kritisiert
Einige Expertinnen und Experten kritisieren zudem, dass der technische Aufbau von Vahls Experiment die Infraschallwirkung von Windkraftanlagen nicht realistisch nachstelle. Der niederländische Schallexperte Frits van den Berg schreibt in einer Replik auf die Studie von Vahls Arbeitsgruppe in „Noise & Health“, die 2022 veröffentlicht wurde: „Ihre Ergebnisse sind schlicht nicht auf den Infraschall von Windparks übertragbar. Das liegt zum einen daran, dass die Infraschallpegel von Windkraftanlagen zu niedrig sind, und zum anderen daran, dass ihr Verständnis von der Wirkung des Schalls auf den menschlichen Körper falsch ist“.
Das Herzmuskelpräparat befindet sich im Studienaufbau Vahls in einer Kammer aus Plexiglas. An dessen oberer Abdeckung ist ein Lautsprecher angebracht, der den tieffrequenten Schall erzeugt. Der Umweltwissenschaftler Stefan Holzheu argumentierte gegenüber AFP, dass allein die Bewegungen des Lautsprechers die Ergebnisse beeinflusst haben könnten.
Zusammen mit drei anderen Wissenschaftlern, zweiPhysikern und einer Medizinerin, veröffentlichte Holzheu in „Noise and Health“ eine weitere Erwiderung auf Vahls Studie. Darin heißt es, Ergebnisse von Vahls Studie seien ungültig, weil die Versuchsanordnung ungeeignet sei und sich nicht auf reale Bedingungen übertragen lasse. Die Ergebnisse seine Forschungsgruppe würden „durch eine physikalisch ungeeignete Versuchsanordnung entkräftet, die eine übermäßige Luftbewegung erzeugt, die bei einer normalen Schallwelle mit gleichem Schalldruck im Fernfeld nicht auftritt. Diese starke Luftbewegung bringt die Pinzettenspitzen zum Vibrieren und setzt die befestigten Muskelgewebeproben einer lokalen mechanischen Reizung aus, die im Herz in vivo nicht vorhanden ist“, heißt es in der Veröffentlichung.
Das heißt, der Luftstrom, der durch die Bewegung des Lautsprechers erzeugt wird, als auch die Vibration des Lautsprechers verfälschen nach Auffassung der Forschenden Vahls Messergebnisse.
Fazit: Der aktuell geteilte SWR-Bericht stammt aus dem Jahr 2018 und nicht aus dem Jahr 2022, wie die Postings nahelegen. Der SWR erklärte gegenüber AFP, dass der Beitrag veraltet sei und gesendet wurde, bevor Fragen zu Vahls Ergebnissen aufkamen. Zahlreiche Studien, die seitdem veröffentlicht wurden, haben keine Beweise dafür gefunden, dass Infraschall von Windkraftanlagen physische Schäden im menschlichen Körper verursacht. Vahl hält weiterhin an seinen Forschungsergebnissen fest.
„Wir können den Klimawandel lösen, indem wir die Erde um nur 7,5 Milliarden Menschen entvölkern“: Dieses Zitat wird in Sozialen Netzwerken der britischen Verhaltensforscherin Jane Goodall zugeschrieben. Dazu wird ein Video verbreitet, das die Forscherin auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) im schweizerischen Davos zeigt. Jedes Jahr treffen sich beim WEF in Davos führende Personen aus Politik und Wirtschaft, um über globale Probleme und Lösungen zu diskutieren. Im Juni 2020 beschäftigte sich das WEF mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie und stellte eine neue Initiative vor: „The Great Reset“ (auf Deutsch: „Der große Neustart“), die zu einer robusteren und nachhaltigeren Weltwirtschaft nach der Pandemie führen soll. Diese Initiative ist Gegenstand von Verschwörungsmythen, gefälschteZitate dazu verbreiten sich häufiger im Netz. Das angebliche Zitat von Goodall ist ein weiteres Beispiel für eine solche Fälschung.Jane Goodall habe angeblich gesagt, das Problem des Klimawandels könne durch eine Entvölkerung gelöst werden. Die Forscherin hat eine solche Aussage nicht getroffen. (Quelle: Twitter; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Video zeigt Jane Goodall beim World Economic Forum – es ging um Nachhaltigkeit für den Amazonas-Regenwald
In dem 16-sekündigen Video ist Goodall zu sehen, im Hintergrund das Logo des WEF. Über eine Bilderrückwärtssuche mit einem Standbild aus dem Video finden wir ein Youtube-Video von einer Podiumsdiskussion beim WEF 2020. Dabei ging es um die Frage, wie eine nachhaltige Zukunft für den Amazonas-Regenwald in Südamerika gesichert werden kann.Goodall sagt auf Englisch ab Minute 31:30: „Wir können uns nicht vor dem Bevölkerungswachstum verstecken, denn es liegt so vielen anderen Problemen zugrunde. All diese Dinge, über die wir gesprochen haben, wären kein Problem, wenn die Bevölkerungsgröße so wäre wie vor 500 Jahren.“ Vor 500 Jahren lebten etwa 7,5 Milliarden Menschen weniger auf der Erde. Das geht aus Schätzungen der Vereinten Nationen hervor. Demnach lebten im Jahr 1500 rund 500 Millionen Menschen auf der Erde. 2022 überstieg die Zahl erstmals acht Milliarden. Die vollständige Videoaufnahme zeigt jedoch, dass Goodall mit ihrer Aussage nicht auf eine „Entvölkerung“ hinaus will. Sie sprach in der Diskussion hauptsächlich über Projekte zum Schutz von Ökosystemen und Aufforstung.
Jane Goodall spricht nicht von „entvölkern“, das Bevölkerungswachstum sei aber ein Problem
Weder in dem Videoausschnitt noch zu einem anderen Zeitpunkt während der Podiumsdiskussion sagt Goodall, dass die Erde „entvölkert“ werden solle oder nennt die Zahl 7,5 Milliarden. Sie nennt das Bevölkerungswachstum als Ursache für viele Probleme. Die Meinung, dass die Bevölkerung zu groß für die Ressourcen ist, die auf der Erde zur Verfügung stehen, vertrat die Forscherin in der Vergangenheit bereitshäufiger. Sie sprach bei anderen Diskussionen beispielsweise von einer „freiwilligen Optimierung der Bevölkerung“ und sagte, „wenn du ein Stück Land hast, das eine Familie mit zwei Kindern ernähren kann […], und dann das Land mit zehn oder zwölf Kindern füllst, dann haben sie nicht mehr genug zu essen“. AndereForschende argumentieren dagegen, nicht die Gesamtzahl der Bevölkerung sei das Problem, sondern der ungleiche Zugang zu Ressourcen und dessen Konsum seien das Problem.Redigatur: Viktor Marinov, Sarah ThustDie wichtigste, öffentliche Quelle für diesen Faktencheck:
Video der Podiumsdiskussion „Securing a Sustainable Future for the Amazon“ beim Weltwirtschaftsforum 2020 in Davos: Link
Bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg kann die Ukraine auf Unterstützung aus dem Ausland bauen. Mehrere Staaten stellten dem Land bereits militärische Ausrüstung wie etwa Waffen, zur Verfügung. Ein Twitteruser behauptet nun, dass die kanadische Regierung der Ukraine angeblich «C14-Timberwolf»-Gewehre im Wert von 900 000 Dollar geliefert habe. Doch diese Gewehre sollen schon den Weg zurück nach Nordamerika gefunden haben: Denn nach Kanada geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer hätten vermeintlich 70 Prozent der gelieferten Gewehre an dem Schwarzmarkt verkauft, heißt es auf dem getwitterten Foto des Users. Stimmt das?Bewertung
Kanada hat der Ukraine zur militärischen Unterstützung tatsächlich Scharfschützengewehre geliefert. Die Behauptungen sind jedoch falsch: Wie ein Sprecher des kanadischen Verteidigungsministeriums auf dpa-Anfrage erklärte, war unter den gelieferten Gewehren nur eins vom Typ «C14-Timberwolf». Ansonsten handelte es sich um andere Modelle. Es gibt keine Belege für Verkäufe der bereitgestellten Waffen durch Geflüchtete auf dem kanadischen Schwarzmarkt.
Fakten
Die kanadische Rüstungsfirma Prairie Gun Works (PGW) Defense Technologies stellt Gewehre für den militärischen und den privaten Gebrauch her. Ein Modell des Unternehmens aus Winnipeg ist das sogenannte «C14-Timberwolf MRSWS (Medium Range Sniper Weapon System)». Dabei handelt es sich um ein für Mittelstrecken ausgelegtes Scharfschützengewehr, das unter anderem vom kanadischen Militär verwendetet wird.
Zu den Kunden des Waffenherstellers gehören auch die ukrainischen Streitkräfte: Wie aus einem Bericht des staatlichen Rundfunksenders CBC hervorgeht, stimmte Kanadas Regierung im Jahr 2018 einem Waffendeal zwischen PGW Defense Technologies und dem ukrainischen Militär zu. Bei der Lieferung – offenbar im Wert von einer Million kanadischer Dollar (aktuell umgerechnet etwa 747 695 US-Dollar bzw. 690 665 Euro) ging es damals jedoch um Scharfschützengewehre des Langstreckenmodells «LRT-3».
Kanadische Waffenspende: Lieferung enthielt unterschiedliche Gewehre
Kanada und die Ukraine sind enge Verbündete. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die kanadische Regierung deshalb finanzielle und militärische Unterstützung zugesagt. So kündige Kanada am 14. Februar 2022, kurz vor dem russischen Überfall, eine Spende von Ausrüstung und Waffen an. Darunter waren nach Angaben auf der Regierungswebseite auch Scharfschützengewehre.
Ein Sprecher des kanadischen Verteidigungsministeriums bestätigte die Waffenspende auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Kanada habe der Ukraine ein «Timberwolf»-Scharfschützengewehr von PGW Defense Technology Inc. und Dutzende Scharfschützengewehre anderer Marken überlassen. Die gespendeten Waffen stammten aus dem Bestand der kanadischen Armee oder wurden für die Ukraine-Lieferung erworben. Laut dem Sprecher wurden die Spende verschiedener Scharfschützengewehre im Wert von 888 000 Dollar direkt an einen Partner der ukrainischen Streitkräfte geliefert.
Kurz nach Ankündigung der kanadischen Regierung war in Beiträgen auf ukrainischen Webseiten darüber spekuliert worden, ob die Ukraine mit der Waffenlieferung auch Gewehre vom Typ «C14-Timberwolf» erhalten würde. Hintergrund ist, dass laut den Beiträgen die ukrainischen Streitkräfte im Rahmen der «Operation Unifier» mit dem Modell trainiert haben.
Bei der «Operation Unifier» handelt es sich um eine militärische Ausbildungsmission der Canadian Armed Forces (CAF) zur Unterstützung der Streitkräfte der Ukraine, die 2015 in Leben gerufen wurde. Die Mission war 2022 bis 2025 verlängert worden, wurde allerdings aufgrund von Spannungen und der folgenden russischen Invasion ab Februar 2022 zeitweise ausgesetzt. Seit August 2022 finden Trainingseinheiten in Großbritannien und Polen statt, heißt es.
Das Verteidigungsministerium bestätigte, dass die kanadische Armee für das Training im Rahmen der «Unifier»-Mission «C14-Timberwolf»-Gewehre bereitgestellt hat. Die Waffen verblieben jedoch im Besitz des kanadischen Militärs und kehrten mit Unterbrechung der Mission wieder nach Kanada zurück, erklärte der Sprecher. Im Rahmen der Mission seien vor 2022 weder Waffen noch Munition oder sonstige Ausrüstung gespendet worden.
Unbelegte Behauptungen über illegalen Waffenhandel
Derweil gibt es auch in Kanada zu den Waffenlieferungen an die Ukraine kritische Stimmen. So berichtete CBC im März 2022 über Warnungen von Experten, dass kanadische Waffen in falsche Hände fallen könnten – etwa von russischen Soldaten oder kriminellen Schwarzmarkt-Verkäufern. Laut einem Artikel der Zeitung «Ottawa Citizen» kann Kanada die an die Ukraine gelieferten Waffen nicht verfolgen oder orten. Es ist nicht auszuschließen, dass von Kanada gespendete Waffen möglicherweise auf dem Schwarzmarkt gelandet sein könnten. Für die Behauptung, geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer hätten einen Großteil der gespendeten Gewehre an den kanadischen Schwarzmarkt verkauft, lassen sich jedoch keine Belege finden.
Die Sorgen über den möglichen Schwarzmarkt-Handel mit Waffen, die eigentlich für die Ukraine gedacht waren, wird unterdessen von pro-russischen Desinformationsakteuren ausgenutzt. So konnte die dpa bereits in einem Faktencheck eine Falschmeldung über ukrainischen Waffenhandel in Bremen widerlegen. Das Recherchezentrum Correctiv sowie Journalisten der BBC haben sich ebenfalls in ausführlichen Hintergrundberichten mit unbelegten Waffenverkäufen auf dem europäischen Schwarzmarkt beschäftigt. Oftmals zielen die Behauptungen demnach auch darauf ab, Ukrainerinnen und Ukrainer als korrupt oder kriminell darzustellen und Stimmung gegen westliche Waffenlieferungen an die Ukraine zu machen.
(Stand: 18.1.2023)
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist im Laufe der Pandemie immer wieder Ziel von Falschmeldungen gewesen. Aktuell wird der Organisation im Netz ein «perfider Plan» unterstellt, demzufolge eine Entmachtung der nationalen Regierungen und eine Streichung der Menschenrechte aus den Internationalen Gesundheitsvorschriften geplant sei. Was ist da dran?
Bewertung
Es gibt keine derartigen Pläne. Die nationalstaatliche Souveränität ist in der Verfassung der WHO gesichert. Das besprochene Dokument enthält lediglich Änderungs- sowie Ergänzungsvorschläge der bestehenden Leitsätze und ist kein verbindlicher Vertrag. Der Ausdruck «Menschenrechte» wurde außerdem nicht gestrichen, sondern nur an einer Stelle präzisiert.
Fakten
Unter anderem auf Facebook kursiert ein Video, in dem ein vermeintliches «Geheimpapier» vorgestellt wird, das der Öffentlichkeit angeblich nicht zugänglich ist. Der Autor des Beitrags hat das Dokument laut eigener Aussage von einem «Whistleblower» erhalten (Minute 1:25), der «jahrelanger Insider der WHO» sein soll.
Dieser Umstand wäre aber gar nicht nötig gewesen: Bei dem hier thematisierten Papier handelt es sich um eine «Zusammenstellung von Änderungsvorschlägen zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften». Die Datei ist öffentlich zugänglich und kann über die Webseite der WHO heruntergeladen werden. Hier sind Vorschläge zu Ergänzungen und Erneuerungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) aus dem Jahr 2005 enthalten.
Auf Initiative der USA hin entschied die Weltgesundheitsversammlung (WHA) als Exekutivorgan der WHO im Mai 2022, dass die Mitgliedsstaaten Änderungsvorschläge für die Gesundheitsvorschriften einreichen sollten. Eine Arbeitsgruppe, die im November 2022 in Genf zusammentraf, bündelte die Anträge der einzelnen Mitgliedsstaaten nun in dieser Übersicht. Ausführlich sind die Einreichungen zusätzlich in englischer sowie in der jeweiligen Landessprache der Mitgliedsstaaten als Download verfügbar.
Dies sind bis dato lediglich Vorschläge. Die Arbeitsgruppe wird diese ausarbeiten und bis zur 77. Versammlung der WHA im Jahr 2024 zur Prüfung vorlegen.
Staatliche Souveränität bleibt erhalten
Einer der zentralen Punkte in dem Video dreht sich um einen zu ergänzenden Artikel 13A der Gesundheitsvorschriften. In dessen Absatz 1 sollen die Vertragsstaaten die WHO als Koordinationsstelle im Falle eines «Gesundheitsnotstands von internationaler Tragweite» anerkennen und sich verpflichten, ihren Handlungsempfehlungen zu folgen. Dies bedeute angeblich, die Nationalstaaten müssten mitmachen, «koste es, was es wolle» (ab Minute 04:55).
Nur: Die Leitlinien der WHO stehen nicht über der Souveränität der WHO-Mitglieder, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits mehrfach in Faktenchecks darlegte. Laut Artikel 19 der WHO-Verfassung müssen Verträge und Abkommen entsprechend der jeweiligen nationalen verfassungsrechtlichen Bestimmungen genehmigt werden, um in Kraft zu treten. Hierzulande erfolgt die Legitimation der Leitlinien durch das «Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005)» (IGV-DG).
Die Mitgliedsstaaten haben darüber hinaus gemäß Artikel 22 der WHO-Verfassung die Möglichkeit, die Beschlüsse nicht anzuwenden, wenn dies begründet und rechtzeitig mitgeteilt wird. Insofern ist der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, nicht «alleiniger Machthaber» in Entscheidungen zur Pandemiebekämpfung (ab Minute 05:26). Das Recht, den Gesundheitsnotstand auszurufen hat er außerdem bereits in der jetzigen Fassung.
Recht auf Teilhabe präzisiert
Im Anschluss wird noch die Behauptung aufgestellt, die WHO wolle die Menschenrechte «ersatzlos» aus den Gesundheitsvorschriften streichen (ab Minute 10:33). Das stimmt allerdings nicht, da der Terminus in den Vorschlägen zu Artikel 2 IGV sogar ergänzt wurde. In Artikel 3 IGV wurde wiederum eine differenziertere Formulierung vorgeschlagen.
So solle die Umsetzung der Regularien künftig nicht mehr nur «unter voller Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten» erfolgen, sondern vielmehr basierend auf «Gleichheit, Inklusion, Zusammenhalt und […] unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Mitgliedsstaaten».
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist in Artikel 1 definiert: «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.» Das besagt im Grunde nichts anderes als die nun vorgeschlagene Formulierung zu Gleichheit und Inklusion. Die neue Fassung würde nur überdies auch auf die unterschiedlichen Grundvoraussetzungen der einzelnen Staaten in der Bekämpfung von Krankheitsausbrüchen Bezug nehmen.
Denn einer der wesentlichen Gründe für die Überarbeitung der Internationalen Gesundheitsvorschriften ist das Ziel, einer gesundheitlichen Notlage künftig schneller begegnen und einen gleichberechtigen Zugang zu technologischen sowie medizinischen Mitteln schaffen zu können.
(Stand: 19.1.2023)
„Wir leiten unverzüglich das Verfahren zum Austritt aus der EU ein“, soll der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in seiner Neujahrsansprache gesagt haben. Die angebliche Nachricht verbreitet sich in sozialen Netzwerken unter anderem auf Englisch und Deutsch. Allein einen Beitrag auf Telegram haben rund 49.000 Menschen gesehen. Auch ein AfD-Politiker teilte die vermeintliche Ankündigung Orbáns.Doch das Zitat ist frei erfunden. Die offizielle Neujahrsansprache in Ungarn hat auch nicht Orbán gehalten, sondern Präsidentin Katalin Novák.Die erfundene Ankündigung von Viktor Orbán, Ungarn werde die EU verlassen, ist auf Telegram besonders viral (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Ministerpräsident Viktor Orbán hielt keine Neujahrsansprache
Hätte der Ministerpräsident Ungarns tatsächlich in einer Neujahrsansprache den Austritt seines Landes aus der EU angekündigt, würde es dazu Medienberichte geben. Eine solche Nachricht fanden wir weder auf Deutsch noch auf Englisch. Im Februar 2022 hatte Orbán in einer Wahlkampfrede allerdings gedroht, dass Ungarn die EU verlassen könne. Das Land wolle nicht wie Westeuropa werden, sagte er. Die Verhältnisse zwischen der Europäischen Union und Ungarn sind seit Jahren angespannt, Orbán greift die EU und ihre Institutionen immer wieder an. Ende Dezember 2022 sprach er sich für die Auflösung des EU-Parlaments aus. Auf einer offiziellen Webseite der ungarischen Regierung finden sich einige Zitate und Ankündigungen von Orbán, aber keine Neujahrsansprache von ihm. Am 2. Januar wurde dort zwar eine Neujahrsrede veröffentlicht – allerdings jene von Präsidentin Katalin Novák. Darin werden weder die Europäische Union noch Europa erwähnt.Auch auf der offiziellen Seite von Orbán und auf seinem Twitter-Profil gibt es keine Rede zum neuen Jahr. Auf seinem Facebook-Profil veröffentlichte der Ministerpräsident am 31. Dezember ein zweiminütiges Video und schrieb dazu: „Frohes neues Jahr, Ungarn!“ In dem Video sind verschiedene Szenen aus Staatsbesuchen von Orbán zu sehen und Auszüge aus seinen Reden zu hören. Im Video sagt Orbán unter anderem, dass Ungarn im schwierigsten Jahr der letzten 30 Jahre außergewöhnlich gut abgeschnitten habe und das Land sich nicht in einen Krieg hineinziehen lassen werde. Über die Europäische Union spricht er nicht.
Russische Satire-Webseite veröffentlichte das angebliche Zitat schon am 1. Januar 2023
Manche Beiträge in Sozialen Netzwerken verbreiten auch ein angebliches Zitat Orbáns, das den Grund zum EU-Austritt beinhalten soll. Er soll gesagt haben: „Wir betraten die europäische Familie und es stellte sich heraus, dass es sich um eine LGBT-Familie handelt, in der das Kind statt eines Vaters und einer Mutter gezwungen ist, mehrere Eltern zu haben, wie in einem Konzentrationslager.“ Wie die georgische Faktencheck-Redaktion Myth Detector herausfand, stammt das Zitat nicht von Orbán, sondern von der russischen satirischen Webseite Panorama. Der entsprechende Beitrag ist als Satire gekennzeichnet.Redigatur: Paulina Thom, Gabriele Scherndl
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Neujahrsvideo des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán auf Facebook, 31. Dezember 2022: Link
Ansprache zum neuen Jahr der ungarischen Präsidentin Katalin Novák, 2. Januar 2023: Link
Impfskeptiker verbreiten online immer wieder falsche und irreführende Informationen zu mRNA-Impfstoffen und den im Körper produzierten Spike-Proteinen. Anfang Januar 2023 verbreitete sich online die Behauptung, das Nahrungsergänzungsmittel Nattokinase sei in der Lage, die Spike-Proteine abzubauen. Das soll angeblich eine japanisch-taiwanesische Studie gezeigt haben. So erhoffen sich die User, eine vermeintlich „toxische“ Wirkung der Impfung zu neutralisieren. Expertinnen und Experten erklärten jedoch gegenüber AFP, der neutralisierende Effekt sei nicht aus der Studie abzulesen. Eine übermäßige Einnahme von Nattokinase berge zudem gesundheitliche Gefahren.
Dutzende Nutzerinnen und Nutzer haben die Beiträge zu Nattokinase auf Facebook geteilt. Auch auf Telegram und Twitter verbreitete sich die Meldung weiter.
Die Behauptung: „Spike-Killer: Wundermittel Nattokinase“, schreibt ein User auf Facebook. Das Mittel sei bereits in der Vergangenheit als Blutverdünner bekannt. Nun hätten angeblich Forschende herausgefunden, dass „die toxischen Spike-Proteine, die durch die mRNA-Impfungen hergestellt werden, durch Nattokinase abgebaut werden können“. Ein ebenfalls dazu kursierender Blog-Artikel beschreibt die Spike-Proteine als gefährlich und verantwortlich für die Zerstörung der „körpereigenen Immunabwehr“. Als vermeintliche Lösung verweist der Artikel auf einen Onlineshop, der Nattokinase anbietet.
Facebook-Screenshot der Behauptung: 20. Januar 2023
Falschinformationen zu mRNA-Impfstoffen und insbesondere den Spike-Proteinen verbreiten sich immer wieder im Netz. AFP überprüfte in der Vergangenheit bereits Behauptungen, wonach sich die Proteine angeblich über die Muttermilch übertragen oder sich Corona-Impfstoffe angeblich von Geimpften auf Ungeimpfte übertragen ließen. Faktenchecks zu Impfstoffen sammelt AFP hier.
Was steht in der Studie?
Bei der Nattokinase handelt es sich um ein Enzym aus dem traditionellen japanischen Lebensmittel Natto, welches aus fermentierten Sojabohnen hergestellt wird.
Das Enzym wurde in einer im August 2022 veröffentlichten Studie namens „Degradative Effect of Nattokinase on Spike Protein of Sars-CoV-2“, untersucht, die abbauende Wirkung von Nattokinase auf das Spike-Protein von Sars-CoV-2 zum Thema hatte.
In der Zusammenfassung der Studie heißt es: „Sars-CoV-2 besitzt ein Spike-Protein (S-Protein) und die Spaltung des Spike-Proteins ist essentiell für das Eindringen des Virus in die Zelle (…). In dieser Studie haben wir den Effekt der Nattokinase auf das Spike-Protein von Sars-CoV-2 untersucht.“
Eine AFP-Anfrage an die Autorinnen und Autoren der Studie blieb bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks unbeantwortet.
Die Mehrheit der Autoren forscht laut der Wissenschaftsdatenbank PubMed an der japanischen Josai Universität in Saitama. Auch dem taiwanesischen Unternehmen Contek Life Science Co., sowie der japanischen Firma CellMark Japan, welche auf die Produktion von Nattokinase spezialisiert sind, werden einige Studienautoren zugeordnet.
Screenshot der Website von PubMed: 17. Januar 2023
Frederic Altare, Leiter der Abteilung für Immunologie am Forschungszentrum für Krebsforschung und Immunologie im französischen Nantes-Angers (CRCINA), erklärte am 16. Januar 2023 zu der Nattokinase-Studie: „Diese Studie soll die Wirkung dieses Moleküls, das als Nahrungsergänzungsmittel verkauft wird, beschreiben, um zu zeigen, dass es im Labor das Spike-Protein abbauen könnte. Ohne das Spike-Protein kann das Virus keine Zelle mehr infizieren, daher hoffen die japanischen Forscher, dass dies der erste Schritt zur Entwicklung eines antiviralen Mittels gegen Sars-Cov-2 ist.“
Tatsächlich liefern auch die sogenannten Messenger-Ribonukleinsäure-Impfstoffe, abgekürzt mRNA-Impfstoffe, dem Körper den Bauplan eines Coronavirus-Spike-Proteins. Der Körper baut dieses dann für begrenzte Zeit nach, das Immunsystem erkennt es und reagiert darauf. Dabei lernt das Immunsystem, sich auch gegen das echte Virus zu wehren. Durch diese Immunreaktion wird der Körper trainiert, um im Falle einer Infektion das Coronavirus effektiv und sofort bekämpfen zu können. Die Impfstoffe von Pfizer-BioNTech oder Moderna nutzen dieses Verfahren. Das folgende Video von AFP erklärt genauer, wie die mRNA-Impfstoffe funktionieren.
Die Impfstoffe enthalten daher nicht selbst das Spike-Protein, sondern vermitteln Anweisungen aus der Messenger-RNA zur Produktion des Proteins. Das Spike-Protein allein ist zudem nicht pathogen, verursacht also keine Erkrankung und verschwindet schnell wieder aus dem Körper.
Aus der Nattokinase-Studie geht allerdings nicht hervor, dass das Nahrungsergänzungsmittel beim Kampf gegen Sars-CoV-2 bei Menschen helfen könnte. Online verbreiten User trotzdem die Annahme, dass Nattokinase dazu dienen könnte, die Wirkung von Corona-Impfungen aufzuheben, da diese die Produktion des Spike-Proteins im Körper anregen. Dieser Logik nach solle die Nattokinase angeblich auch das durch Impfung erzeugte Protein abbauen. Hierbei handele es sich aber um eine „Überinterpretation“ der Studie, erklärten Expertinnen und Experten gegenüber AFP. Die Argumentation sei so nicht haltbar.
Studie mit begrenzter Aussagekraft
Die Nattokinase-Studie wurde „in vitro“ durchgeführt. Das bedeutet, die Versuche fanden im Labor und nicht in einem lebenden Organismus statt.
Bernard Bégaud, emeritierter Professor für Pharmakologie der Universität Bordeaux in Frankreich, erklärte hierzu am 16. Januar 2023 gegenüber AFP, die Studienautorinnen und -autoren hätten für ihre Versuche hohe Konzentrationen von Nattokinase mit langen Inkubationszeiten verwendet und seien dann zum Schluss gekommen, dass so eine Wirkung auf das Spike-Protein nahe liege.
Ohne die Studie zumindest teilweise am Menschen durchzuführen, sei es aber völlig unmöglich, eine Aussage über die Wirkung der Nattokinase gegen Sars-CoV-2 zu treffen. Dies sei „weit weg von einer Versuchsdemonstration“. Nur weil eine Behandlungsmethode „in vitro“ ermutigende Ergebnisse zeige, bedeute das nicht, dass sie auch in lebenden Organismen funktioniere, besonders da in manchen Fällen die verwendete Dosis nicht an Menschen verwendet werden kann.
„Auch Bleichmittel sollen zum Beispiel sehr gut ‚in vitro‘ gegen bestimmte Proteine wirken“, erklärte Mathieu Molimard, Leiter der pharmakologischen Abteilung der Universitätsklinik Bordeaux, am 16. Januar 2023 gegenüber AFP.
Außerdem „verwenden die japanischen Forscher Zellen, die das Spike-Protein selbst produzieren“, sie hätten aber kein Experiment durchgeführt, um zu zeigen, dass das Enzym auch auf das Virus wirkt, erläuterte Olivier Schwartz, Leiter der Abteilung für Virologie und Immunologie am französischen Institut Pasteur, am 16. Januar 2023 gegenüber AFP.
„Wenn man eine Protease (Anm. d. Red.: Enzym. das in Verdauungssäften vorkommt) und ein Protein mischt, kann die Protease, in diesem Fall die Nattokinase, das Protein abbauen oder zerschneiden. Das ist ein unspezifisches Phänomen, das schon seit sehr langer Zeit bekannt ist und nicht nur für Spike-Proteine, sondern für alle Proteine im Allgemeinen gilt“, erklärte Schwartz weiter.
„In unserem Körper haben wir bereits viele Proteasen, das ist das Prinzip der Verdauung“, so Oliver Schwartz. Alles, was der Mensch zu sich nehme, werde von Enzymen abgebaut, die Zucker, Proteine oder Lipide spalten. „Nattokinase zu essen, um neue Proteasen zu bekommen, wird also überhaupt nichts ändern.“
Nattokinase trifft nicht auf Impfstoff
Die Wissenschaftler betonten zudem, die als Nahrungsergänzungsmittel aufgenommene Nattokinase würde lediglich in den Magen gelangen, wo sie verdaut wird. Daher könne sie nicht auf den Impfstoff treffen, der lokal in den Armmuskel gespritzt wird, oder auf diesen einwirken.
„Die Impfgegner glauben, dass das Spike-Protein im Blut verbleibt und dass man sich durch Entfernen des Spikes ‚entimpfen‘ könnte. Aber das ist falsch, denn wenn das Spike-Protein aufgrund der von der Boten-RNA gelieferten Anweisungen produziert wird, verschwindet es danach schnell wieder“, betonte Mathieu Molimard.
Auch Olivier Schwartz erläuterte: „Wenn man sich impft, lässt man die Spikes auf Muskelebene produzieren.“ Diese würden dann von den Zellen des Immunsystems abgefangen. „Der Verzehr eines Enzyms, das im Verdauungstrakt verbleibt, hat keine Auswirkungen auf den Impfstoff oder das Immunsystem.“
Theoretisch müsse die Nattokinase gleichzeitig mit der Impfung injiziert werden, damit der Spike noch im Körper vorhanden ist, so Schwartz. Dann würde die Nattokinase aber wahrscheinlich „lokal Gewebe zerstören“.
Frederic Altare warnte, dass hohe Dosen von Nattokinase auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnten. Auch Bernard Bégaud betonte, es sei nicht bekannt, welche Auswirkungen es habe, wenn man Nattokinase in hohen Dosen und über einen längeren Zeitraum hinweg zu sich nehme.
Corona-Impfung kann nicht rückgängig gemacht werden
Die von AFP befragten Forscherinnen und Forscher bestätigten, dass es nicht möglich sei, den Effekt einer Corona-Impfung rückgängig zu machen. Der Organismus habe bereits gelernt, Sars-CoV-2 im Fall einer Infektion abzuwehren.
„Wenn eine Impfung verabreicht wurde, haben die Zellen des Immunsystems gelernt, ein Antigen zu erkennen“, erklärte Frederic Altare. Diese würden sich dann vermehren und im Körper verbleiben. Die einzige Möglichkeit, eine Impfung zu verhindern, sei es, alle Immunzellen eines Menschen zu zerstören und sie durch neue zu ersetzen, so Altare.
Mathieu Molimard kam zu dem Schluss: „Eine ‚Ent-Impfung‘ wäre ohnehin nicht wünschenswert, da der Impfstoff seine Wirksamkeit gegen schwere Formen der Krankheit bewiesen hat.“ Als Beleg nannte Molimard eine im Juni 2022 erschienene Studie aus der Fachzeitschrift „The Lancet Infectious Diseases“, die schätzt, dass die Corona-Impfung in ihrem ersten Jahr nach Einführung 19,8 Millionen Menschenleben gerettet habe.
Fazit: Die Studie weist nicht den Abbau von Spike-Proteinen mittels Nattokinase an Menschen nach, aus ihrem Aufbau lassen sich keine Rückschlüsse ziehen. Ein Verzehr von Nattokinase, die lediglich im Magen verdaut wird, habe Experten zufolge keine Auswirkungen auf einen Impfstoff, der in den Armmuskel injiziert wurde. Unter den Studienautorinnen und -autoren befinden sich Personen mit Verbindungen zu Produzenten von Nattokinase. Welche gesundheitlichen Auswirkungen ein übermäßiger Verzehr von Nattokinase hätte, ist nicht bekannt. Einige Experten befürchten negative Konsequenzen.
Kaum ist der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Amt, da machen schon Falschinformationen über ihn im Netz die Runde. Einen Tag nach seiner Vereidigung trifft sich Pistorius auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein mit Verbündeten, um über weitere Unterstützung für die Ukraine zu beraten. Während er über eine mögliche Lieferung von Kampfpanzern diskutiert, verbreiten User bei Telegram die Behauptung, der ehemalige südafrikanische Profi-Sprinter und verurteilte Mörder Oscar Pistorius sei ein Familienmitglied des aus Osnabrück stammenden Ministers.Bewertung
Dass Namensvetter Oscar Pistorius der Bruder von Boris Pistorius sei, ist eine erfundene Geschichte. Belege für eine Verwandtschaft gibt es nicht. Die Behauptung geht möglicherweise auf einen Bericht der Satire-Seite «Der Postillon» zurück.FaktenMedienberichte, dass Oscar Pistorius mit Boris Pistorius verwand ist, lassen sich nicht finden. Bekannt ist, dass der ehemalige niedersächsische Innenminister zwei Brüder hat, darunter ist jedoch kein Oscar. Sein älterer Bruder Harald Pistorius arbeitete lange Zeit als Sportredakteur für die «Neue Osnabrücker Zeitung» (NOZ). Er ist 1956 geboren, der südafrikanische Sprinter 1984. Pistorius‘ Mutter hätte also 28 Jahre nach der Geburt ihres Sohnes Harald noch einmal ein Kind bekommen müssen.
In einer Todesanzeige von Boris Pistorius‘ Mutter in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt, steht außerdem der Name des dritten Bruders – er lautet nicht Oscar. Um seine Persönlichkeitsrechte zu wahren, werden die Anzeige und der Name hier nicht veröffentlicht.
«Der Postillon» hat sich am 17. Januar 2023 in einem Artikel mit Boris Pistorius beschäftigt, nachdem bekannt geworden war, dass der SPD-Politiker das Amt des Verteidigungsministers übernehmen soll. Unter dem Titel «9 erstaunliche Dinge, die Sie noch nicht über Boris Pistorius wussten» stellte die Satire-Seite ein paar angebliche «Fakten» zusammen. Im Bereich FAQ der Seite heißt es jedoch: «Alles, was im Postillon steht, ist Satire und somit dreist zusammengelogen.»
In dem nicht ernst gemeinten Beitrag schreibt die Seite: «Sein Bruder Oscar ist ein verurteilter Mörder und ehemaliger Profi-Sprinter mit mehreren Weltrekorden bei den Paralympischen Spielen.» Darüber würde der neue Minister aber nicht so gerne sprechen. Ein anderer Aspekt des Artikels: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hätte ihn als Minister ausgewählt, weil sein Name ein bisschen wie «Pistole» klingt.
Frühere dpa-Faktenchecks zeigen: «Postillon»-Artikel sorgen immer wieder für Verwirrung im Internet. Es ist gut möglich, dass Facebook-Nutzer dem erfundenen Satire-Beitrag aufgesessen sind und dieser Grundlage für ihre Behauptung ist.
Die Besetzung des Verteidigungsministeramtes war unterdessen auch im Netz ein Thema. So amüsierten sich bei Twitter einige Nutzer über die Ähnlichkeit zwischen Boris Pistorius (SPD) und dem früheren CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet. «Hat man den neuen #Verteidigungsminister Boris Pistorius und Armin Laschet schon einmal gemeinsam in einem Raum gesehen?», twitterte ein User scherzhaft. Auch ein anderer Nutzer schrieb dazu: «Der designierte #Verteidigungsminister Boris Pistorius ist NICHT verwandt mit Oscar Pistorius. Allerdings kann eine Verwandtschaft mit Armin Laschet zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden.»
(Stand: 20.1.2023)
Mit dem Absetzen eines Kommentars eine besondere Geschenktüte gewinnen – dafür wirbt eine angebliche Facebook-Seite von Edeka. Zur Feier des Jahreswechsels 2023 soll ein entsprechender Post mit «Frohes Neues Jahr» kommentiert werden. Ist der Aktion zu trauen?
Bewertung
Das Gewinnspiel ist unseriös. Die im Post verwendeten Bilder sind aus alter Berichterstattung über Edeka zusammengesucht.
Fakten
Bereits der Name der Facebook-Seite, die das vermeintliche Gewinnspiel verbreitet, gibt einen ersten Hinweis auf eine mögliche Fälschung: Sie heißt Edeka Fans. Das klingt nicht nach der offiziellen Facebook-Seite von Edeka. Auffällig ist, dass die Seite nur einen Post zeigt. Außerdem hat sie nur 7 Follower, die offzielle Facebook-Seite von Edeka hingegen mehr als 1,2 Millionen.
Die offiziellen Facebook-Seiten von Unternehmen erkennt man oft an dem Verifizierungsabzeichen, also einem kleinen weißen Häkchen auf blauem Grund. Dieses Zeichen bedeutet, dass die Seite des Unternehmens von Facebook geprüft und als echt anerkannt wurde. Das ist bei der gefälschten Edeka-Seite nicht der Fall.
Eines der Bilder aus dem Facebook-Post stammt zudem aus einem anderen Kontext. Es wurde bei einer Aktion im Februar 2022 aufgenommen. In einem Medienbericht mit dem entsprechenden Foto ist zu lesen, dass es sich dabei um eine Aktion gegen Lebensmittelverschwendung handelte.
Ein weiterer Hinweis für eine Fälschung ist das fehlende Impressum. Gewerblich genutzte Seiten müssen laut Gesetz ein Impressum haben, das unter anderem eine Postadresse und Kontaktmöglichkeiten enthält.
Verbraucherschützer und die Polizei warnen immer wieder davor, bei dubiosen Gewinnspiel-Angeboten die eigene E-Mail-Adresse oder sonstige persönliche Daten weiterzugeben – auch weil diese Daten verkauft werden können.
(Stand: 20.1.2023)
Er sei vom Urlaub zurückgekommen und mit Informationen überrumpelt worden, sagt ein Mann, der sich Anfang Januar per Video im Internet zu Wort meldet. Porsche habe in der Region Stuttgart über hundert Angestellte ohne Abfindung gekündigt, weil sie nachweislich einen gefälschten Covid-19-Impfausweis hatten, berichtet er. Der Mann nutzt den Begriff „schlumpfen“ – ein gängiges Synonym zu „impfen“, das Impfskeptiker für die Covid-19-Impfung verwenden. Weiter sagt er: Die Mitarbeitenden seien seit ihrer Impfung ständig krank, die Ungeimpften nicht. Das habe Porsche anhand einer internen Krankheitsstatistik gesehen, er wisse das von einer Personalerin. Außerdem hätten sich die ungeimpften Angestellten jeden Tag testen müssen. Allein auf Facebook verzeichnet das Video über 80.000 Aufrufe, es kursiert in zahlreichen Beiträgen auch auf Telegram, Tiktok und Twitter. Doch die Behauptungen des Mannes sind größtenteils falsch.In diesem Video behauptet ein Mann unter anderem, gegen Covid-19 geimpfte Angestellte bei Porsche seien viel häufiger krank als ungeimpfte. Belegen soll dies eine interne Krankheitsstatistik – doch die gibt es gar nicht. (Quelle: Twitter; Screenshot, Schwärzung und Verpixelung: CORRECTIV.Faktencheck)Wir haben bei der Pressestelle von Porsche nachgefragt, ob sich die beschriebenen Vorfälle in den Standorten rund um Stuttgart so zugetragen haben. Sprecherin Lena Rachor schrieb uns am 16. Januar: „Sofern Mitarbeiter dem Arbeitgeber einen gefälschten Impfpass vorgelegt haben, hat Porsche das Arbeitsverhältnis mit den Mitarbeitern beendet.“ Die Zahl der Betroffenen belaufe sich jedoch nicht auf über hundert Angestellte, sondern „bewegt sich im unteren zweistelligen Bereich“. Über mögliche Abfindungen könne das Unternehmen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben machen. Porsche-Sprecherin Lena Rachor bestätigte uns, dass die Porsche AG in Stuttgart Angestellten mit einem gefälschten Impfausweis kündigte. Die Zahl der Betroffenen sei jedoch deutlich kleiner als behauptet (Quelle und Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Keine Krankheitsstatistik bei Porsche basierend auf Impfstatus – der Impfstatus von einzelnen Mitarbeitenden ist nicht bekannt
Die im Video genannte Krankheitsstatistik (ab Minute 2:30) gebe es laut Rachor nicht. „Bei Krankschreibungen erhält der Arbeitgeber keine Diagnose, zudem ist dem Arbeitgeber der Impfstatus von einzelnen Mitarbeitern nicht bekannt.“ Eine statistische Auswertung, wie viele Geimpfte sich im Vergleich zu nicht-geimpften Mitarbeitenden krank gemeldet haben, sei also nicht möglich. In ihrer Antwort wies Rachor zudem darauf hin, dass „die Porsche AG als Arbeitgeber verpflichtet [war], ausschließlich genesenen, geimpften oder getesteten Mitarbeitern Zugang zum Betriebsgelände zu gewähren“. Vom 24. November 2021 bis 20. März 2022 galt bundesweit die 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Dass nicht-genesene ungeimpfte Porsche-Angestellte einen Test als Nachweis benötigten, war also – anders als das Video suggeriert – nicht ungewöhnlich, sondern gesetzlich vorgeschrieben. Aktuell gelten laut Rachor keine Zugangsbeschränkungen mehr.
Betriebsrat bestätigt Angaben von Porsche: Keine Beschwerden
Wir haben zusätzlich beim Betriebsrat von Porsche in Zuffenhausen (Stuttgart) zu den im Video aufgestellten Behauptungen nachgefragt. Der Betriebsrat bestätigte die Antworten der Sprecherin Rachor. Antje Werner, Referentin des Betriebsrat, schrieb uns, es sei im Werk Zuffenhausen nur die Einhaltung der 3G-Regelungen kontrolliert worden, Porsche sei nicht übermittelt worden, ob Mitarbeitende geimpft oder ungeimpft waren. Ein externer Dienstleister habe vor den Pforten kontrolliert, den Impfstatus jedoch nicht dokumentiert. „Kolleginnen und Kollegen mit längerfristigen Zertifikaten (genesen oder geimpft) konnten diese freiwillig beim Vorgesetzten vorzeigen und ihre Werksausweise ‘freischalten’ lassen. Dazu waren sie aber nicht verpflichtet.“In dem online verbreiteten Video macht der Mann zudem Behauptungen darüber, dass im Unternehmen Druck auf Ungeimpfte ausgeübt worden sei, sich impfen zu lassen. Werner schrieb uns, es seien diesbezüglich keine Beschwerden beim Betriebsrat eingegangen. In Bezug auf die Stuttgarter Region verbreitet sich momentan in Sozialen Netzwerken eine weitere Behauptung: Der Tod mehrerer Angestellter eines Jugendamts stehe in Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung. Auch der Mann in dem Video erwähnt das zu Beginn. Doch dafür gibt es keine Belege. Redigatur: Paulina Thom, Sophie Timmermann
„Oh je oh je“, heißt es unter einem Beitrag auf Facebook. Die Reaktion gilt dem Foto eines angeblichen Plakat der irischen Regierung. Es nennt Kopfschmerzen, Menstruationsstörungen, Gesichtslähmungen, Blutgerinnsel, „Herzinfarkte und Anfälle“, und „plötzlichen Tod“ als Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung. Das Foto tauchte erstmals im Jahr 2021 auf. Seitdem kursiert es international: in englischen, japanischen oder russischen Beiträgen; seit Januar vermehrt auch in deutscher Sprache, etwa auf Telegram (hier, und hier), Twitter und Facebook. Das Plakat im Foto unterscheidet sich in einigen Details von offiziellen Covid-19-Aufklärungsplakaten in Irland. Die dortige Regierung und die zuständigen Gesundheitsbehörden teilten uns mit, der angebliche Aushang stamme nicht von ihnen. Warum die Behauptung aktuell wieder die Runde macht, ist unklar. Allerdings häuften sich in den vergangenen Wochen unbelegte Behauptungen zu „plötzlichen und unerwarteten“ Todesfällen, die angeblich mit der Covid-19-Impfung im Zusammenhang standen (wirberichteten).
Laut Behörden in Irland wurde ein solches Plakat nie veröffentlicht – wer es erstellt hat, ist unklar
Auf dem Plakat im Netz heißt es, mögliche Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung sollten der Health Products Regulatory Authority (HPRA) gemeldet werden. Die Behörde ist unter anderem für das Erfassen von Nebenwirkungen zuständig. Eine Pressesprecherin schreibt uns auf Anfrage: „HPRA stellt keine Covid-19-Impfposter her.“ Dieser Hinweis findet sich auch auf der Webseite. Die Sprecherin verweist auf die irische Gesundheitsbehörde Health Service Executive (HSE), die offizielle Covid-19-Informationsmaterialien produziere. Die HSE untersteht dem irischen Gesundheitsministerium. Auf Anfrage schreibt das Ministerium, das Plakat stamme weder von der irischen Regierung noch von der HSE. Wir haben zusätzlich bei HSE nachgefragt. Ein Sprecher bestätigte, die Informationen auf dem Plakat seien nicht veröffentlicht und auch nicht genehmigt worden. Der Sprecher verweist auf eine Übersicht aller Covid-19-Informationen und Broschüren auf der Webseite. Dort findet sich kein Plakat, das „plötzlichen Tod“ als Nebenwirkung einer Covid-19-Impfung nennt. Stattdessen gibt es Broschüren mit Verhaltensempfehlungen, wie etwa regelmäßigem Händewaschen oder Aufklärungsmaterial für Kinder. Wer das Plakat erstellt hat, ist unklar.
Das Logo auf dem angeblichen Covid-19-Plakat unterscheidet sich von jenem auf offiziellen Plakaten
Ein Vergleich mit einem offiziellen Covid-19-Plakat enttarnt mehrere Unstimmigkeiten – zum Beispiel fehlt auf dem angeblichen Poster das Logo der HSE. In dem online verbreiteten Foto ist unten rechts eine Harfe zu sehen. Die irische Regierung nutzt das Symbol als nationales Emblem. Neben der Harfe steht der irische Spruch „Muintir na hÉireannaigh“, übersetzt bedeutet das „Volk von Irland“. Auf offiziellen Plakaten steht jedoch auf Irisch „Rialtas na hÉireann“, also „Regierung von Irland“. Das online verbreitete Foto (links) unterscheidet sich vom offiziellem Plakat (rechts), zum Beispiel durch den Slogan und das fehlende Logo der Gesundheitsbehörde HSE (Quelle: Telegram; HSE; Screenshots, Collage und rote Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)
„Plötzlicher Tod“ nicht als Nebenwirkung der Corona-Impfung aufgeführt
Auf dem im Netz kursierenden Plakat heißt es, dass bestimmte „seltene Nebenwirkungen“ der Covid-19-Impfung aufgefallen seien. Die deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erklärt zur Häufigkeit der Nebenwirkungen: „Selten bedeutet, dass eine Reaktion bei einer bis zehn von 10.000 geimpften Personen auftritt. Sehr selten bedeutet, dass eine bestimmte Reaktion bei weniger als einer geimpften Person pro 10.000 geimpften Personen auftritt.“ Es gebe auch typische Reaktionen nach einer Impfung, darunter Rötungen an der Einstichstelle oder Fieber. Die auf dem angeblichen irischen Plakat genannten Nebenwirkungen sind jedoch teilweise erfunden oder vermischen typische, seltene und sehr seltene Reaktionen. Die Gesundheitsbehörde HSE führt auf ihrer Webseite zu den einzelnen zugelassenen Covid-19-Impfungen sehr typische, typische, untypische, seltene und sehr seltene Nebenwirkungen auf. „Plötzlicher Tod“ und „Herzinfarkte“ sind bei keinem der Impfstoffe genannt. Kopfschmerzen können eine sehr typische Reaktion sein. Eine Gesichtslähmung („bell’s palsy“) wird bei den Impfstoffen von Moderna und Janssen als seltene Nebenwirkung aufgezählt; Blutgerinnsel („blood clots“) als seltene Nebenwirkung bei Janssen und Astrazeneca. Bei den Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna gehören Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen (Myokarditis und Perikarditis) zu den „sehr seltenen“ Nebenwirkungen. Laut dem Aufklärungsmerkblatt für die Impfstoffe Comirnaty (Biontech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) des Robert-Koch-Instituts (PDF) gibt es zudem Hinweise, dass es „im Zusammenhang mit der Impfung zu einer verstärkten Menstruationsblutung kommen kann“ (Stand: 22. November 2022).
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Nutzen der Covid-19-Impfstoffe überwiegt „bei weitem“ mögliche Risiken
Auf der Webseite der HRPA heißt es, bis zum 28. November 2022 seien insgesamt „20.669 Meldungen über vermutete Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung“ bei der Behörde eingegangen. Bis zum aktuellsten veröffentlichten Sicherheitsbericht von Mai 2022 waren es 20.182 Meldungen. Insgesamt gingen laut dem Bericht 113 Meldungen zu Personen ein, von denen bekannt sei, dass sie in zeitlichem Zusammenhang nach der Impfung gestorben seien. Die Meldungen sind nicht geprüft. Ob die Impfung im ursächlichen Zusammenhang mit diesen Todesfällen stand, ist nicht klar. In Deutschland überwacht das Paul-Ehrlich-Institut die Sicherheit von Impfstoffen. Im aktuellen Sicherheitsbericht, der im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit im Dezember 2022 veröffentlicht wurde, heißt es: „Auch wenn Todesfälle in zeitlicher Nähe zur Covid-19-Impfung weltweit berichtet wurden, wurde in mehreren Studien gezeigt, dass Covid-19-Impfungen insgesamt und insbesondere auch bei älteren Personen nicht zu einer Übersterblichkeit führen“.Laut der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind die in Deutschland zugelassenen Covid-19-Impfstoffe „gut wirksam und ihr Nutzen überwiegt bei weitem mögliche Risiken“. Redigatur: Sarah Thust, Viktor MarinovDie wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Covid-19-Infomaterialien der Gesundheitsbehörde HSE: Link (archiviert)
Nebenwirkungen der Covid-19-Impfungen, HSE: Link (archiviert)
Sicherheitsbericht der irischen Aufsichtsbehörde HRPA, Mai 2022: Link
Informationen zur Covid-19-Impfung, HRPA: Link (archiviert)
Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Paul-Ehrlich-Institut: Link (archiviert)
Im Internet gibt es unzählige Gewinnspiele, doch nicht wenige sind unseriös. 5000 Fahrräder seien zu verschenken, weil sie angeblich «aufgrund kleiner Kratzer und kleiner Schäden noch nicht verkauft werden können», heißt es in einem Facebook-Post. Wer eines davon gewinnen möchte, müsse angeblich nur «Danke» in die Kommentare schreiben.BewertungDas angebliche Gewinnspiel ist nicht seriös. Mit dem Post sollen User-Daten abgegriffen werden.FaktenWelche Firma ist überhaupt Veranstalter dieses vermeintlichen Gewinnspiels? Ein Impressum sucht man auf der gefälschten Facebook-Seite nämlich vergeblich. Dabei müssen gewerblich genutzte Seiten laut Gesetz ein Impressum haben, das unter anderem eine Postadresse und Kontaktmöglichkeiten enthält.Auf der Facebook-Seite, von der das Gewinnspiel stammt, gibt es kein solches Impressum. Schon das zeigt: Dieses Gewinnspiel ist nicht seriös. Auch die geringe Aktivität des Profils mit einem einzigen Post, dem falschen Gewinnspiel, zeigt, dass der Seite nicht zu trauen ist.Dazu stammt ein auf der Seite verwendetes Foto von dem Fahrradhändler «Lucky Bike». Auf dessen Website oder Facebook-Seite ist aber kein Gewinnspiel zu finden, bei dem 5000 E-Bikes verschenkt werden. Auch das im Profilbild verwendete Logo wurde von einer anderen Website kopiert. Es lässt sich auf der Design-Plattform Dribble finden.Verbraucherschützer und Polizei warnen immer wieder davor, bei solch dubiosen Seiten seinen Namen und E-Mail-Adresse oder sonstige persönliche Daten anzugeben – auch weil diese Daten verkauft werden können.(Stand: 20.1.2023)
Am Jahreswechsel kam es in Deutschland zu Krawallen. In Berlin wurden dabei auch Rettungskräfte angegriffen, eine hitzige Debatte über die Herkunft der Verdächtigen und das Thema Integration in Deutschland entbrannte. Ein aktuell in sozialen Medien geteiltes Video zeigt zwar eine Menschenmenge, die einen Krankenwagen attackiert, hat allerdings anders als behauptet nichts mit der Silvesternacht in Berlin zu tun. Es wurde bei Protesten in Hongkong im Jahr 2019 aufgenommen, wie ein Vergleich mit anderen Aufnahmen belegt. Solche aus dem Zusammenhang gerissene Aufnahmen werden immer wieder benutzt, um ausländerfeindliche Ressentiments zu schüren.Die Behauptung: In dem Video ist ein Tumult rund um einen Krankenwagen zu sehen. Menschen werfen Gegenstände ins Innere des Fahrzeugs. Die Szene beschreiben Nutzerinnen und Nutzer als Ereignis in der Silvesternacht in der deutschen Hauptstadt Berlin.
Der ehemalige österreichische ÖVP-Politiker Efgani Dönmez griff die Behauptung auf Facebook und Twitter ebenso auf wie die rechtspopulistische AfD Hamburg, die den Clip in einem Video über die Silvesternacht benutzte.
Facebook-Screenshot der Behauptung: 9. Januar 2023
Nutzerinnen und Nutzer benutzen immer wieder aus dem Kontext gerissene Aufnahmen, um Vorurteile gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen anzustacheln. AFP überprüfte beispielsweise ein der Vergangenheit alte Aufnahmen, die angeblich flüchtende Menschen auf dem Weg nach Deutschland oder Österreich zeigten oder altes Filmmaterial, das ukrainische Flüchtlinge als Brandstifter zeigte.
Video von Protesten in Hongkong
AFP führte zunächst eine Rückwärtssuche mit dem geteilten Video durch, die zu einem Clip mit weitaus älterem Veröffentlichungsdatum führte. Der chinesische Staatssender CCTV veröffentlichte die Aufnahme bereits am 18. November 2019 auf Twitter, allerdings mit einer komplett anderen Beschreibung.
Am Morgen des 18. Novembers habe demnach ein „Mob von Randalierern“ die Polizei in Hongkong angegriffen. Er habe außerdem einen Krankenwagen attackiert und einer Festgenommenen damit zur Flucht verholfen. Ein Polizist habe drei Schüsse abgegeben. Als Aufnahmeort gibt CCTV die Kreuzung zweier Straßen in Hongkong an. Im Anschluss zeigte CCTV die Szene aus der Vogelperspektive.
Tweet von CCTV vom 18. November 2019, Screenshot vom 17. Januar 2023, Hervorhebung durch AFP
In dem höher aufgelösten Video von CCTV fällt außerdem ein Detail ins Auge, das Zweifel aufwirft. Auf der linken Seite des Krankenwagens sind chinesische Schriftzeichen zu sehen, was nicht zu einer Aufnahme eines Krankenwagens aus Berlin passen würde. Auf dem Fahrzeug stehen die Schriftzeichen für Krankenwagen (救護車), was dem Design von Rettungswägen in Hongkong entspricht. Die Menschen im Video rufen zudem laut – allerdings nicht auf Deutsch.
Das Video wurde außerdem zum selben Zeitpunkt wie CCTV von der Polizei Hongkong auf Facebook veröffentlicht. Aufgrund der Zeitverschiebung von sieben Stunden wird der Beitrag auf Facebook auf den Abend des 17. Novembers 2019 datiert. Die Polizei schreibt dazu, dass sich der Vorfall gegen drei Uhr morgens an einer Straßenkreuzung in Hongkong ereignete. Ein Polizist habe drei Schüsse abgegeben.
Auch die Nachrichtenseite „HK01“ veröffentlichte am 18. November 2019 einen Bericht über den Zwischenfall an der Kreuzung. Dazu veröffentlichte sie eine Aufnahme, der die Szene aus der Perspektive der Demonstrierenden festhält. Ein Mann mit orangem Helm und Sicherheitsweste schließt darin bei Sekunde 32 die linke Hecktür des Rettungswagens. Diese Szene kommt auch im aktuell geteilten Video das angeblich aus Berlin stammen soll ab Sekunde 16 vor.
aktuell geteiltes Bild (links) und Aufnahme von „HK01“ (rechts) mit Mann in oranger Sicherheitsweste
Im Video sind zudem Menschen zu hören, die auf Kantonesisch schreien. Eine AFP-Journalistin konnte Schimpfwörter verstehen, genauso wie die Aufforderung eines Demonstranten an einen Beamten, eins gegen eins zu kämpfen. In Hongkong ist Kantonesisch Alltagssprache.
Die Nachrichtenseite „Hong Kong Free Press“, die intensiv über die Proteste in Hong Kong berichtete, veröffentlichte am 17. November um 21.20 Uhr (18. November um 4.20 Uhr Ortszeit) außerdem auf Twitter den Clip der Szene aus der Vogelperspektive, den auch CCTV verwendete. Darin ist eine um einen Krankenwagen versammelte Menschenmenge zu sehen, die angesichts von Schüssen auseinanderläuft.
Anhand der Merkmale in diesem Video lässt sich der von der Polizei angegebene Ort an der Kreuzung bestätigen. Details wie die Spurbreite, der Straßenverlauf (rote Hervorhebung) oder eine kleine dreieckige Verkehrsinsel (gelbe Hervorhebung) samt blauem Wegweiser stimmen überein.
Screenshots des Tweets von „Hong Kong Free Press“ (links) und von Google Maps (rechts), Hervorhebungen durch AFP
Andauernde Proteste in Hongkong
Hong Kong liegt im Südosten Chinas und war früher eine britische Kolonie. Damit galten lange Zeit andere Regeln als in Festlandchina. 1997 gab das Vereinigte Königreich das Land offiziell an China zurück, das Gebiet wurde zur Sonderverwaltungszone erklärt. Unter der von der chinesischen Parteiführung ins Spiel gebrachten Formel „ein Land, zwei Systeme“ sollen sozialistische und kapitalistische Gesellschaftsformen unter einem Dach koexistieren können, erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
Ab Sommer 2019 kam es in es zu großen Protesten gegen eine umstrittene Gesetzesvorlage, die die Auslieferung von Menschen ans chinesische Festland erlaubt hätte. Viele interpretierten das als Versuch, das Prinzip von „ein Land, zwei System“ zu untergraben und sahen es als Symbol für den zunehmenden Einfluss Chinas. In die Proteste gegen das Vorhaben mischten sich zudem Unzufriedenheit über hohe Lebenshaltungskosten, Sorge um die Demokratie des Landes und Wut über das Vorgehen der Polizei. Im November 2019 eskalierten die Lage erneut.
Debatte um Silvesternacht in Deutschland
Die Nacht auf den ersten Januar war in Berlin tatsächlich von teils schweren Ausschreitungen mit Feuerwerkskörpern geprägt. Auch Rettungskräfte und die Polizei wurden angegriffen, zum Teil direkt mit Böllern beschossen. AFP berichtete über die Attacken:
Die Polizei wertet weiterhin Aufnahmen aus, um Verdächtige zu identifizieren. Die allermeisten seien männliche Jugendliche oder junge Männer unter 25 Jahren. Unter ihnen befanden sich sowohl Deutsche als auch Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft.
Im Anschluss an die Neujahrsnacht entbrannte eine hitzige politische Debatte um die Nationalität der Tatverdächtigen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) schaltete sich in ein. Am 4. Januar forderte sie auf Twitter „gewaltbereiten Integrationsverweigerern in unseren Städten“ mit „harter Hand und klarer Sprache“ die Grenzen aufzuzeigen „ohne rassistische Ressentiments zu schüren“. Dass fehlender Respekt vor Rettungskräften Konsequenzen haben müsse, bestärkte sie zwei Tage später erneut. „So ein Silvester darf es nicht noch einmal geben“, sagt die SPD-Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, am 6. Januar 2023 in der Feuerwehrwache im Berliner Stadtteil Neukölln. Abgeordnete der Berliner CDU wollten die Vornamen der Verdächtigen erfahren, um Rückschlüsse auf deren Migrationshintergrund zu ziehen.
Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMas) ist ein Think Tank, der sich mit Verschwörungsideologien, Rechtsextremismus und Desinformation im Internet beschäftigt. Das CeMas beobachte mehrere aus dem Zusammenhang gerissenen Aufnahmen in der Diskussion um die Silvesternacht. „Die Silvesterdebatte zeigt, wie ein Diskurs mit verkürzten Darstellungen, rassistischen Vorurteilen und Desinformation zu vorschnellen Schlüssen führen kann“, schrieb das CeMas am 13. Januar 2013 auf Twitter. „Insbesondere im Rahmen stark emotionalisierender Debatten können solche Desinformationsbeiträge weiteres Öl ins Feuer gießen, bereits vorhandene destruktive Stimmungen verstärken und legitimieren.“
Fazit: Die frühere Veröffentlichung des Videos lange vor der Silvesternacht belegt, dass es sich um altes Material handelt. Der Abgleich mit anderen Aufnahmen der Szene sowie mit der Umgebung zeigt, dass sie aus Hongkong aus dem Jahr 2019 stammt.
Zitatkacheln, ein Bild mit einem Zitat und oft einem Foto einer bekannten Person, verbreiten sich vielfach in sozialen Medien. Auf einem aktuell auf Facebook kursierenden Sharepic mit grünem Hintergrund heißt es: «Dass Asylbewerber kriminell werden, auch unter Umständen Raub begehen, das ist einzig und allein die Schuld der Deutschen, weil deren Spendenbereitschaft sehr zu wünschen übrig lässt.» Neben der Aussage ist das Gesicht von Aydan Özoguz zu sehen – dem Sharepic zufolge Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und bei den Grünen. Ist das ein echtes Zitat?
Bewertung
Falsch. Das Zitat ist erfunden, Özuguz hat das nicht gesagt. Sie ist zudem SPD-Politikerin, nicht bei den Grünen.
Fakten
Die abgebildete Politikerin Aydan Özoguz ist eine Bundestagsabgeordnete der SPD, nicht der Grünen. Sie ist auch schon seit fast fünf Jahren nicht mehr Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration – dieses Amt hatte sie zwischen 2013 und 2018 inne.
Das abgebildete Zitat ist frei erfunden und kursiert seit Jahren in sozialen Medien. «Diese Aussage hat sich jemand ausgedacht! Heute sagt man Fake, früher hieß es einfach »eine Lüge«», schrieb Özuguz bereits im Februar 2018 auf Twitter.
(Stand: 23.1.23)
Aktuell wird im Netz sowie in den sozialen Medien die Meldung verbreitet, dass eine Frau in die Psychiatrie eingewiesen und dort die Grundimmunisierung gegen Corona erhalten soll – gegen ihren Willen. Dies verstoße angeblich gegen den Nürnberger Kodex. Doch was steht darin eigentlich genau?
Bewertung
Der Nürnberger Kodex ist lediglich ein Regelwerk zu medizinischen Versuchen am Menschen. Eine ärztliche Behandlung gegen den Willen der betroffenen Person ist unter bestimmten gesetzlichen Parametern möglich, sofern ein «erheblicher gesundheitlicher Schaden» für die betroffene Person zu befürchten wäre.
Fakten
Anfang Dezember wurde am Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt der Fall einer älteren Dame verhandelt. Da sie unter anderem die Versorgung durch einen Pflegedienst und die Medikamenteneinnahme wiederholt verweigert habe, sollte nun durch ihre Betreuerin eine Unterbringung wahlweise in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses oder einer Pflegeeinrichtung erfolgen. In diesem Zuge solle auch eine Grundimmunisierung vorgenommen werden, entschied das Gericht.
Verschiedene Online-Medien haben den Beschluss – teilweise auch inklusive der personenbezogenen Daten – im Internet veröffentlicht. Dieser ist authentisch, wie eine Pressesprecherin des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage mitteilte.
Zwangsbehandlungen in Deutschland
Hierzulande können eine zwangsweise Unterbringung sowie ärztliche Zwangsmaßnahmen nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Gesetzliche Grundlage hierfür sind die Paragrafen 1831 und 1832 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
In Ersterem ist festgelegt, dass eine Unterbringung in Verbindung mit Freiheitsentzug – wie etwa in einer geschlossenen Abteilung – durch einen Betreuer nur dann zulässig ist, wenn die betroffene Person sich selbst «aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung […] erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt». Oder aber, wenn eine medizinische Maßnahme notwendig ist, die ohne Unterbringung nicht durchgeführt werden könnte. Außerdem ist eine Genehmigung durch ein Betreuungsgericht erforderlich.
Auch ärztliche Zwangsmaßnahmen gegen den Willen der betroffenen Person können gemäß § 1832 BGB nur durchgeführt werden, um einen erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden, und sofern der «zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartende Beeinträchtigungen deutlich überwiegt». Des Weiteren ist im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgelegt, dass die betroffene Person selbst sowie ein ärztlicher Sachverständiger angehört werden muss.
Ein entsprechendes Sachverständigengutachten lag dem Amtsgericht vor, wie dem im Internet veröffentlichten Beschluss zu entnehmen ist. In diesem seien verschiedene körperliche Vorerkrankungen sowie psychische Einschränkungen festgestellt worden. Darum benötige die Betroffene ärztliche Behandlung, die «derzeit ohne geschlossene Unterbringung» nicht erfolgen könne, so das Gericht. Entsprechend den Vorgaben des BGB sei die Impfung gegen Covid-19 in diesem Zuge notwendig, um «einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden von ihr abzuwenden.» Der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Maßnahme überwiege die zu erwartenden Beeinträchtigungen, argumentierte das Gericht weiter.
Inzwischen wurde das Rechtsmittel der Beschwerde beim Landgericht Stuttgart eingelegt. Daraufhin wurde «die sofortige Wirksamkeit und Vollziehung des Beschlusses vom 6.12.2022 einstweilen ausgesetzt», so die Pressesprecherin des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt. Das bedeute, dass bis zur eingehenden Prüfung der Beschwerde durch das Landgericht die Zwangsbehandlung nicht vollzogen werden könne, die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung sei davon aber nicht betroffen. Doch mit dem Nürnberger Kodex hat das rein gar nichts zu tun.
Ethische Richtlinien gegen unfreiwillige Menschenversuche
Von Dezember 1946 bis August 1947 fand in Nürnberg vor dem Ersten Amerikanischen Militärgerichtshof der sogenannte Nürnberger Ärzteprozess statt. Hier waren mehrere Ärzte wegen «Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von medizinischen Experimenten und Eingriffen» angeklagt.
Während der NS-Zeit wurden unter dem Vorwand der Wissenschaft Versuche an Insassen von Konzentrationslagern und weiteren Zivilisten durchgeführt. Um derlei Experimente gegen den Willen von Versuchspersonen künftig zu unterbinden, wurden in der Urteilsbegründung 1947 zum ersten Mal ethische Richtlinien für die medizinische Forschung am Menschen definiert.
Im Zusammenhang mit der Corona-Impfung kann jedoch nicht von einem Experiment gesprochen werden, betonte zwischenzeitlich auch der Präsident der Ärztekammer Berlin und warnte vor derart missbräuchlicher Auslegung des Nürnberger Kodex. Vor der Zulassung der Impfstoffe seien sämtliche Tests entsprechend den dort festgelegten Vorgaben verlaufen: zunächst in präklinischen Studien an Tieren und erst dann ausschließlich an freiwilligen Testpersonen.
(Stand: 23.1.2023)
Insekten werden schon seit Jahrtausenden von Menschen weltweit gegessen. Hierzulande schwanken Verbraucher zwischen Neugier und Ekel. Jetzt hat die EU erlaubt, dass auch Hausgrillen und Larven des Getreideschimmelkäfers auf dem Teller landen dürfen. Doch kann es tatsächlich passieren, dass man – ohne es zu wissen – Insekten isst? Diese haltlose These verbreitet sich jedenfalls im Netz und wird unter anderem auch vom bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) aufgestellt.BewertungFalsch. Sind Insekten im Lebensmittel, muss das auf der Zutatenliste verzeichnet sein. Auch gibt es Allergiehinweise.FaktenDie EU-Durchführungsverordnung 2023/5 sieht vor, dass vom 24. Januar 2023 an das vietnamesische Unternehmen Cricket One ein teilweise entfettetes Pulver aus der Hausgrille (Acheta domesticus) in der EU vertreiben darf. Dazu wurde das auch als Heimchen bekannte Insekt in die Liste der neuartigen Lebensmittel aufgenommen. Vom 26. Januar an gilt das auch für Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus). Ähnliche Regeln gibt es in der EU schon länger für Wanderheuschrecken und Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor, gelber Mehlwurm).Das Pulver der Hausgrillen darf nun unter anderem in Brot und Brötchen, Keksen und Crackern, Backmischungen und Teigwaren, Soßen und Suppen, Fleisch- und Milchersatz, Kartoffelerzeugnissen oder Schokolade vorkommen.
Dass man Insekten isst, ohne es zu wissen, kann aber nicht passieren – wenn man aufmerksam ist. Denn wenn Insekten in den Produkten enthalten sind, muss das gekennzeichnet sein. «Uns ist nicht bekannt, dass es irgendwie untergemischt wird», sagt etwa der Lebensmittelchemiker Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Auch die EU-Kommission stellt klar: «Jede und jeder kann selbst entscheiden, ob er oder sie Lebensmittel aus oder mit Insekten kauft oder nicht.» Den Verordnungen (hier und hier) zufolge muss in der Zutatenliste mindestens eine der folgenden Angaben stehen:
«Gefrorene Larven/Paste aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)» oder
«Getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)»
Verbraucherschützer Valet fordert hingegen eine deutliche Kennzeichnung auf der Verpackung «und zwar gut verständlich für alle, zum Beispiel „Kekse mit Insekten“ oder „Nudeln mit Insekten“».
Bisher sei das Angebot solcher Lebensmitteln «wirklich ein ganz, ganz kleiner Nischenmarkt», erklärt Valet. Hierzulande sind aktuell nur wenige Produkte mit geringen Mengen an Insekten erhältlich – etwa Riegel oder Nudeln. Dass Insektenpulver in Kekse oder Mehl gemischt werde, liege «wirklich noch in weiter Ferne», sagt Valet. Einen kommerziellen Anreiz für Unternehmen sieht er zudem bislang auch nicht, da Produkte mit Insektenmehl zum Teil deutlich teurer verkauft werden.
Auch Allergiker-Hinweise müssen in unmittelbarer Nähe der Zutatenliste verzeichnet sein. Die EU-Verordnungen schreiben einen Hinweis vor, wonach zum Beispiel Hausgrillen «bei Verbrauchern mit bekannten Allergien gegen Krebs- oder Weichtiere und ihre Erzeugnisse sowie gegen Hausstaubmilben allergische Reaktionen hervorrufen» können. Wie viele andere Lebensmittel könnte auch Insektenpulver in seltenen Fällen Reaktionen auslösen.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit kommt nach Auswertung diverser Studien zu dem Schluss: Hausgrillen-Pulver und in den vorgeschlagenen Mengen ist sicher.
Wenn Produkte Insekten enthalten, dürfen sie nicht als vegan oder vegetarisch verkauft werden. Dem EU-Recht zufolge fallen Insekten unter die Kategorie «Lebensmittel, die aus Tieren oder deren Teilen bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden». Entsprechend müssen sie auch gekennzeichnet sein.
Niemand muss befürchten, dass wild gesammelte Tierchen in den Produkten landen. Speiseinsekten, die im deutschen Lebensmittelhandel angeboten werden, stammen nach Angaben des Verbraucherzentrale Bundesverbandes ausschließlich aus kontrollierter Aufzucht.
Weltweit werden mehr als 1900 Arten verzehrt. In verschiedenen Studien hat die Welternährungsorganisation (FAO) festgestellt, dass sie eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit einem hohen Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind. Den deutschen Verbraucherzentralen zufolge ist ihr Proteingehalt ähnlich hoch wie bei Fleisch von Rind, Schwein oder Pute, variiert aber je nach Art des Insekts.
Bei der Ökobilanz schneiden Insekten nach Angaben von FAO und Umweltorganisation WWF deutlich besser ab als Rind, Schwein und Huhn.
(Stand: 24.1.2023)
„Skandal in Slowenien“, heißt es in Beiträgen auf Telegram, Facebook und Twitter. Die Oberschwester der Uniklinik der slowenischen Hauptstadt Ljubljana habe vor laufender Kamera erklärt, wofür einzelne Ziffern auf den Impfdosen stehen: Nummer Eins sei ein Placebo (Kochsalzlösung), Nummer Zwei ein mRNA-Impfstoff und Nummer Drei ein mRNA-Impfstoff, der Krebs auslöse. Nun sei die Oberschwester zurückgetreten. Die vermeintliche Meldung kursierte bereits im November 2021 und verbreitet sich seitdem immer wieder in Sozialen Netzwerken, auch international. Als Beleg soll ein englischsprachiges Video dienen – doch die darin gezeigte Frau ist nicht die Oberschwester der Uniklinik in Ljubljana und die Interpretation der Angaben auf den Impfdosen ist falsch.Auf Telegram wird behauptet, die Oberschwester der Uniklinik in Ljubljana habe vor laufender Kamera die „Codes“ auf den Impfstoffdosen erklärt und sei zurückgetreten. Beide Behauptungen sind frei erfunden. (Quelle: Telegram; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Video zeigt nicht die Oberschwester der Universitätsklinik in Ljubljana
Über eine Stichwortsuche auf Twitter mit den Worten „Scandal in Slovenia“ findet sich das Video der angeblichen Pflegedienstleiterin der Uniklinik in einem der Beiträge. Darin ist zu sehen, wie eine Frau einen etwa 20-minütigen Vortrag auf Slowenisch hält und dabei aus ihren Notizen liest.Die slowenische Faktencheck-Redaktion Oštro bestätigte gegenüber der spanischen Redaktion Newtral, dass die Frau in dem Video behauptet, Geimpfte bekämen ein Placebo. Sie spreche auch über Krebs, beziehe sich jedoch nicht auf einen bestimmten Code, der dazu auf den Impfdosen stehe. Laut Oštro handelt es sich bei der Frau in dem Video nicht um die Pflegedienstleiterin der Universitätsklinik in Ljubljana, sondern um Vera Kanalec, die früher als Krankenschwester gearbeitet habe. Einen Hinweis auf den Ursprung des Videos liefert das Logo oben links, auf dem „Stop Lažnivim Medijem“ steht. Das ist slowenisch und bedeutet: „Stoppt die gefälschten Medien“. Mit diesen Worten fanden wir eine Facebook-Seite mit weiteren Videos, in denen dieselbe Frau auftritt. Sie wird als „Vera“ vorgestellt.Das Personal der Universitätsklinik in Ljubljana ist auf der offiziellen Webseite namentlich und mit Foto gelistet. Die Oberschwester heißt Zdenka Mrak. Die Pressestelle der Klinik reagierte bislang nicht auf unsere Anfrage, sagte aber gegenüber den Nachrichtenagenturen DPA und AFP: Die Oberschwester sei nicht zurückgetreten und die Frau in dem Video habe nie an der Universitätsklinik gearbeitet.
Keine versteckte Botschaften: Ziffern auf Impfdosen stehen für die Charge oder das Verfallsdatum
Wir haben beim Paul-Ehrlich-Institut nachgefragt, was die Kennzeichnungen auf Impfstoff-Fläschchen bedeuten. Sprecherin Susanne Stöcker schrieb uns, es gebe „Kombinationen von Zahlen und Buchstaben auf den Fläschchen, die die Chargenbezeichnung darstellen“, auch das Verfallsdatum könne in Form einer Ziffernfolge abgebildet sein.„Es gibt keine versteckten Botschaften“, schrieb uns Stöcker. Die Chargennummer kennzeichne Impfdosen eines Produktionsgangs. Sie werde auch in den Impfausweis übertragen. Sollte eine Nebenwirkung auftreten, sei so deren Ursprung nachvollziehbar. Die Europäische Arzneimittel-Agentur antwortete uns per E-Mail: Auf den Impfdosen seien stets der Name des Arzneimittels, die Art der Verabreichung, das Verfallsdatum, die Chargennummer und der Inhalt nach Gewicht, Volumen oder Einheit vermerkt. Redigatur: Gabriele Scherndl, Paulina ThomUpdate, 23. Januar 2023: Wir haben die Bewertung von „frei erfunden“ zu „falsch“ geändert und Artikelfoto, Überschrift, Teaser, Behauptung sowie Bewertung klarer formuliert.Die wichtigste, öffentliche Quelle für diesen Faktencheck:
Webseite der Universitätsklinik in Ljubljana: Link (archiviert)
Laut internationalen Gesundheitsbehörden schützen Covid-19-Impfungen sehr wirksam gegen schwere und tödliche Krankheitsverläufe. Ein Film, der weltweit mehr als 10 Millionen Mal angesehen wurde, behauptet, dass die Impfungen Teil einer Verschwörung zur Reduktion der Weltbevölkerung sind. Expertinnen und Experten bezeichnen den einstündigen Film als „Desinformation“ und verwiesen auf Daten, die zeigen, dass Millionen von Leben während der Pandemie durch Impfungen gerettet wurden. Außerdem erklärten sie, dass mehreren falschen Behauptungen Belege fehlen.
Dutzende User haben den Link zu dem Film „Died Suddenly“ Ende November 2022 auf Facebook geteilt. Auf Telegram erreichte der Film Tausende. Der Film wurde von AFP bereits auf Französisch, Serbisch, Finnisch, Polnisch, Niederländisch, Bulgarisch und Englisch geprüft.
Die Behauptung: Im einstündigen Film „Died Suddenly“ werden zahlreiche Behauptungen aufgestellt. Unter anderem zielt der Film darauf ab, übermäßige Todesfälle während der Pandemie mit den Covid-19-Impfstoffen in Verbindung zu bringen. Auch plötzliche Todesfälle und Totgeburten stünden angeblich in Zusammenhang mit den Impfungen. Ein angeblicher Grund seien etwa ungewöhnliche Blutverklumpungen im Körper, die von den Impfungen ausgelöst worden seien. In einem Facebookbeitrag mit dem Link zum Film heißt es: „Die US-Doku ‚Died Suddenly‘ beleuchtet die Abgründe hinter den Covid-Spritzen.“
Screenshot der Video-Plattform Rumble, auf der der Film gezeigt wurde: 27. November 2022
„Died Suddenly“ wurde am 21. November 2022 auf Rumble unter der Überschrift veröffentlicht: „Seit Jahrhunderten verbreitet die globale Elite ihre Absichten, die Welt zu entvölkern – sogar bis zu dem Punkt, an dem sie in Stein gemeißelt werden. Und doch … scheinen wir ihnen nie zu glauben. The Stew Peters Network ist stolz, DIED SUDDENLY zu präsentieren.“
Peters, ein rechtsextremer Talkshow-Moderator, verbreitet in seiner Sendung „The Stew Peters Show“ regelmäßig Verschwörungstheorien und falsche Behauptungen über das Coronavirus und die Impfstoffe dagegen.
Der Film endet mit der Militärärztin Theresa M. Long, die über Covid-19-Impfstoffe sagt: „Es ist meine professionelle medizinische Meinung, dass es sich um eine Biowaffe handelt, die gegen die Menschheit eingesetzt wurde, um die Weltbevölkerung zu entvölkern und zu kontrollieren.“
Mehrere Expertinnen und Experten haben jedoch erklärt, dass die Behauptungen in „Died Suddenly“ falsch sind. AFP hat davon schon zahlreiche hier entlarvt.
„Ein besserer Name für die neueste Antiimpf-‚Schockumentation‘ ‚Died Suddenly‘ wäre ‚Lied Suddenly‘ (Deutsch: plötzlich gelogen), denn sie besteht aus lauter Lügen“, sagte Susan Oliver, eine australische Wissenschaftlerin mit einem Doktortitel in Nanomedizin, in einem Tweet vom 27. November.
Übersterblichkeit während der Corona-Pandemie
„Died Suddenly“ versucht, die überdurchschnittlich häufigen Todesfälle während der Pandemie mit den Covid-Impfstoffen in Verbindung zu bringen.
„Wenn es das Ziel war, die Weltbevölkerung zu reduzieren, dann hat es funktioniert“, sagte Peter McCullough, ein Kardiologe, dessen Zeugnisse wegen der Verbreitung von falschen und irreführenden Informationenvom American Board of Internal Medicine geprüft werden, im Film. McCullough ist AFP bereits mehrfach mit Falschbehauptungen aufgefallen (hier, hier).
Forschende erklärten allerdings, dass die Daten zu Covid-19-Sterbefällen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) darauf hinweisen, dass weltweit 6,6 Millionen Menschen an Covid-19 gestorben sind – nicht an Nebenwirkungen der Covid-Impfungen.
Die US-Epidemiologin Katrine Wallace bezeichnete den Film als „Desinformation“ und erklärte am 27. November 2022 auf Twitter, dass die Covid-19-Impfung Millionen Menschenleben gerettet habe. Wallace nutzte das Cardiac Arrest Registry to Enhance Survival, ein Register über Herzstillstände in den USA, um zu zeigen, dass plötzliche Herzstillstände in den USA im Jahr 2020 häufiger auftraten – auf dem damaligen Höhepunkt der Pandemie und vor der Verfügbarkeit von Impfstoffen.
A) If the vaccine was supposed to “depopulate the world” as the doc claims, then it’s doing a bad job. Instead it saved millions of lives. COVID would have done a better job just running unchecked. /2 pic.twitter.com/tlo2RwdNzI
Seit 2020 ist in fast allen Ländern der Welt eine vermehrte Übersterblichkeit zu verzeichnen, also die Differenz zwischen den tatsächlich beobachteten und den statistisch erwarteten Todesfällen in bestimmten Zeiträumen. Expertinnen und Experten sagen jedoch, dass es keinen Hinweis dafür gibt, dass Impfstoffe daran schuld seien.
Frank Yanfeng Han, Spezialist für Kinderkardiologie bei Northwestern Medicine in den USA, wies auf eine Studie hin, die Todesfälle in Schweden und Norwegen vergleicht. Es wurden mehr Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19-Komplikationen in Schweden festgestellt, wo weniger Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie eingeführt wurden.
„Covid ist ein wirklich schlechter Akteur, und selbst wenn das Publikum Impfungen zutiefst ablehnt, sollten dennoch Anstrengungen unternommen werden, um die Ausbreitung von Covid einzudämmen, weil es jedes Organ im Körper beeinträchtigen kann, selbst bei Patienten mit leichtem Covid“, sagte Han.
Auch das Statistische Bundesamt Destatis in Deutschland veröffentlichte ähnliche Daten. Laut einer Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen der Jahre 2020 bis 2023 sind ab Ende März 2020 immer wieder Übersterblichkeiten beobachtet worden.
Dafür gibt es mehrere Gründe, wie etwa Coronaerkrankungen, Grippewellen, Hitze und die demografische Alterung, jedoch verwies Destatis-Sprecher Enrico Becker am 5. Januar 2023 gegenüber AFP auf einen Artikel im Fachjournal „Nature“. Darin stellte Jona Schöley vom Max-Planck-Institut für Demographie federführend fest, dass höhere Impfraten mit geringeren Sterberaten verbunden sind.
Allerdings erklärte Becker auch: „Auf der Todesbescheinigung wird grundsätzlich nicht erfasst, ob Verstorbene sich einer Impfung unterzogen haben oder nicht. Ausnahmen bestehen nur, wenn der Todesfall im Zusammenhang mit einer Impfung steht und dies vom Arzt oder von der Ärztin so festgestellt wurde.“
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) registriert Nebenwirkungen der Covid-Impfungen in Deutschland. Auf seiner Internetseite veröffentlicht das PEI Sicherheitsberichte über seine Beobachtungen. Der aktuelle Sicherheitsbericht umfasst den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 30. Juni 2022. Zwar gab es 3023 Verdachtsfälle mit tödlichem Ausgang nach einer Covid-Impfung, jedoch stünden davon lediglich 120 Fälle mit dieser wahrscheinlich in Zusammenhang. Zu diesem Zeitpunkt haben aber etwa 64,7 Millionen Menschen in Deutschland bereits mindestens eine Impfung erhalten. Todesfälle sind also extrem selten.
Angebliche plötzliche Todesfälle
Der Film versucht auch, plötzliche Todesfälle mit der Covid-19-Impfung in Verbindung zu bringen, liefert aber keine Beweise dafür, dass die Todesfälle durch die Impfung verursacht wurden.
„Jemand erwähnte, man solle bei Google ‚Plötzlich gestorben‘ eingeben und die Nachrichtenartikel finden, die auftauchen“, sagt Chad Whisnant, ein Bestattungsunternehmer aus dem US-Bundesstaat Alabama, in dem Video.
Es folgt eine Montage von Suchergebnissen, von denen die meisten die Covid-19-Impfung nicht erwähnen. In einer Schlagzeile geht es um einen jungen Mann, der bei einem Autounfall ums Leben kam, in einer anderen um den Niedergang der Cloud-Gaming-Plattform Stadia von Google.
In einem Artikel geht es um einen 13-jährigen Jungen aus Michigan, der einige Tage nach der zweiten Covid-19-Dosis von Pfizer-Biontech starb. Lokale Medien berichteten, dass eine gerichtsmedizinische Autopsie keinen kausalen Zusammenhang mit dem Impfstoff ergab.
Als Bestatter Whisnant den unerwarteten Tod prominenter Persönlichkeiten erwähnt, wird auf dem Bildschirm ein Bild des US-Baseballspielers Hank Aaron gezeigt, der seine Covid-Impfung erhielt. Ein Gerichtsmediziner und die Morehouse School of Medicine, an der Aaron geimpft wurde, erklärten gegenüber AFP im Jahr 2021, dass sein Tod nicht mit der Impfung zusammen hing.
AFP hatte zuvor berichtet, dass Covid-19-Impfstoffe nicht mit plötzlichem und unklarem Herztod in Verbindung stehen, zu denen eine Reihe von oft genetisch bedingter Herzrhythmusstörungen gehören.
AFP hat auch nach dieser Behauptung beim Destatis-Sprecher Becker nachgefragt. Er sagte: „Die Aussage, dass die Zahl der ‚plötzlichen und ungeklärten Todesfälle‘ seit der Verfügbarkeit der Covid-19-Impfung zunehmen würde, können wir für Deutschland nicht bestätigen.“ Er schickte Daten dazu mit, laut denen 2021 mit 33.900 „ungenau bezeichneten und unbekannten Todesursachen“ die Fallzahl etwa so groß ist wie 2019. Becker sagte weiter: „Es gibt also keinen Anstieg dieser Fälle und somit auch keinen Anlass, die Impfung als Ursache zu vermuten.“
Das PEI hat in seinen Sicherheitsberichten über Nebenwirkungen der Covid-Impfstoffe ebenfalls Auswirkungen auf das Herz beschrieben. Wie bereits erwähnt, gab es im Verhältnis zu der groß angelegten Impfkampagne in Deutschland, die sich besonders auf den Comirnaty-Impfstoff von Biontech stützte, insgesamt nur sehr wenige Todesfälle. Kategorisiert sind die Todesfälle nicht. Plötzliche Herztode sind in den Sicherheitsberichten nirgends zu finden.
Das PEI hat aber Herzrhytmusstörungen als mögliche Nebenwirkung der Covid-Impfungen aufgeführt. Statistisch schlug das Herz bei 4,85 von 100.000 Comirnaty-Geimpften nach der Impfung zu langsam, zu schnell oder auch zu unregelmässig.
Ungewöhnliche Verklumpungen
„Died Suddenly“ enthält Aussagen von Einbalsamierern und Bestattungsunternehmern, die beschreiben, dass sie ungewöhnliche Gerinnsel in Leichen gefunden hätten.
Einer der Sprecher in dem Film ist Richard Hirschman, ein lizenzierter Einbalsamierer in Alabama, der AFP in einer Facebook-Nachricht im September 2022 mitteilte, dass er „kein Arzt oder Wissenschaftler“ sei. In dem Film kommen auch John O’Looney, ein Bestattungsunternehmer aus dem Vereinigten Königreich, der zuvor Fehlinformationen über die Pandemie verbreitet hat, und Brenton Faithfull, ein Bestatter aus Neuseeland, der den Tod seiner Kunden fälschlicherweise mit Covid-19-Impfstoffen in Verbindung gebracht hat, zu Wort.
Dieser Screenshot vom 27. November 2022 zeigt eine Szene aus „Died Suddenly“
Die Einbalsamierer in „Died Suddenly“ bringen das Vorhandensein von Blutgerinnseln im Körper mancher Verstorbener mit den Impfungen in Zusammenhang. Expertinnen und Experten haben jedoch mehrere andere Möglichkeiten dafür genannt, darunter Fettleibigkeit, Rauchen oder eine Infektion mit Covid-19.
Monica Torres vom Bestattungsunternehmen NXT Generation Mortuary Support im US-Bundesstaat Arizona führte die Blutgerinnsel auf die Kühlung zurück.
„Es waren einfach so viele Leichen zu verarbeiten, dass viele von ihnen lange Zeit in der Kühlung lagen, sodass sie Blutgerinnsel bekamen. Das ist keine große Sache, und diese Leute versuchen, daraus ein Ding zu machen“, schrieb sie in einer E-Mail vom 19. September 2022.
Laut David Dorward, einem beratenden Pathologen und Dozenten an der Universität von Edinburgh, ist es oft unmöglich, die Ursache eines Blutgerinnsels allein anhand seines Aussehens zu bestimmen.
„Ein Blutgerinnsel von einem Patienten, das durch eine Covid-Infektion verursacht wurde, würde im Vergleich zu einem Blutgerinnsel, das sich nach einer längeren Bettruhe nach einer größeren Operation gebildet hat, ziemlich identisch aussehen“, meinte er in einer E-Mail vom 22. September 2022.
Etwa bei Minute 52 des Films „Died Suddenly“ sagt ein Einbalsamierer: „Ich glaube, dass ein Arzt dies nur dann im Körper sehen könnte, wenn er tatsächlich in den Körper hineinginge.“ Es folgen Aufnahmen, die zeigen, wie ein großes Gerinnsel aus einem Herzen entfernt wird.
In Wirklichkeit zeigt das Video jedoch eine Lungenembolie, die aus einem lebenden Patienten entfernt wird. Die Bilder wurden 2019 auf YouTube hochgeladen – vor der Pandemie.
Die Gesundheitsbehörde Health Canada listet unter den Nebenwirkungen, die nach der Verabreichung der Covid-19-Impfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson gemeldet wurden, auch „Blutgerinnsel mit wenigen Blutplättchen“ auf – auch Thrombozytopenie genannt. Sie sind jedoch selten. Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) haben vier Fälle solcher Blutgerinnsel pro eine Million Johnson & Johnson-Dosen bestätigt.
Das PEI hat in Deutschland ebenfalls Thrombozytopenie-Fälle als Nebenwirkung von Covid-Impfungen beobachtet, zu welcher es kein eindeutiges Risikosignal gebe. Auf alle Impfstoffe verteilt wurden 930 Fälle zwischen dem 27. Dezember 2020 und dem 30. Juli 2022 festgestellt. Das PEI entdeckte, dass besonders beim Impfstoff von Astrazeneca diese Nebenwirkung auftrat, aber bezeichnete sie als sehr selten. Der Impfstoff wurde seit dem 1. Dezember 2021 in Deutschland nicht mehr geimpft.
Keine Totgeburten durch Impfstoffe
„Died Suddenly“ bringt die Covid-19-Impfstoffe außerdem haltlos mit Totgeburten in Verbindung.
In dem Film kommen Michelle Gershon, eine examinierte Krankenschwester aus Fresno in Kalifornien und James Thorp, ein Gynäkologe aus Florida zu Wort, der dem World Council for Health angehört – einer Gruppe, die schon früher Fehlinformationen über Impfstoffe verbreitet hat.
Thorp präsentiert eine statistische Analyse, in der er behauptet, dass es im kanadischen Waterloo, innerhalb eines kurzen Zeitraums 83 Totgeburten gegeben habe.
AFP untersuchte bereits Behauptungen über einen angeblich ungewöhnlichen Anstieg von Totgeburten in Kanada im Jahr 2021. Die örtlichen Behörden erklärten damals, an der Behauptung sei „nichts dran“. Das belegt auch eine groß angelegte Studie der CDC, bei der Zehntausende Schwangere beobachtet wurden – über die Studienergebnisse gab es ähnliche Behauptungen.
Victoria Male, Dozentin für Reproduktionsimmunologie am Imperial College London, hat 30 Studien aus acht Ländern ausgewertet, die sich mit der Sicherheit der Covid-19-Impfung in der Schwangerschaft befassen. In keiner wurde ein erhöhtes Risiko für Totgeburten festgestellt.
Auch auf Nachfrage nach dem deutschen Datenstand mit Blick auf die Behauptung erklärte PEI-Sprecherin Susanne Stöcker gegenüber AFP am 3. Januar 2023, dass das PEI mit dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum PVZ für Embryonaltoxikologie der Charité in Berlin eine Beobachtungsstudie zu Covid-19-Impfungen in der Schwangerschaft durchführe. Bei dieser werden 4000 Schwangere beobachtet. Sie läuft noch bis zum 30. September 2023.
Stöcker erklärte jedoch schon jetzt: „Aus den bisher erhobenen Daten der Beobachtungsstudie ergibt sich kein Hinweis auf ein Risikosignal, weder im Hinblick auf Fehlgeburten noch im Hinblick auf mögliche Probleme mit der Fruchtbarkeit. Daher hat es zu diesem Thema auch keine Informationen in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts gegeben.“
AFP hat auch bei Brigitte Strizek, Direktorin der Geburtshilfe und pränatalen Medizin am Universitätsklinikum Bonn (UKB), nach der Behauptung gefragt. Am 17. Januar 2023 erklärte sie: „Es gibt in Deutschland keine verlässliche Statistik, die Gründe für Fehlgeburten erfasst. Insofern ist es sehr schwierig, die Behauptung, es gäbe mehr Fehlgeburten wegen Corona-Impfungen zu widerlegen oder zu belegen, aber wir sehen selbst keinerlei Beleg für die im Internet vorgetragene Behauptung.“ Ihr sei kein einziger Fall bekannt, bei der die Covid-Impfung zu einer Fehlgeburt geführt habe.
Im Gegenteil: „Die Impfung hat viele Schwangere vor schwerwiegenden Verläufen einer Corona-Infektion bewahrt. Seit sehr viele Schwangere geimpft oder genesen sind, haben wir deutlich weniger schwerwiegende Verläufe in der Schwangerschaft gesehen“, sagte Strizek.
Expertinnen und Experten haben im September 2022 gegenüber AFP darauf hingewiesen, dass sich Schwangere impfen lassen sollten. Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt die Covid-19-Impfung zum Schutz vor schweren Erkrankungen und Krankenhausaufenthalten, so auch Health Canada und die CDC.
Weitere AFP Faktenchecks über Fehlinformationen zu Impfstoffen finden Sie hier.
Fazit: Der Film „Died Suddenly“ stellt zahlreiche falsche und irreführende Behauptungen auf. Expertinnen und Experten sowie internationale Daten belegen, dass Covid-Impfungen nicht zu Übersterblichkeiten während der Coronapandemie geführt haben. Ebenso wenig zu vermehrten Fehlgeburten oder häufigen Blutgerinnseln.
Mit einem Foto mehrerer Röntgenaufnahmen wird in Sozialen Netzwerken vor einer angeblich „typischen Nebenwirkung“ der Covid-19-Impfstoffe gewarnt: Die „Auswertung tausender Mammographien“ habe gezeigt, dass 11 Prozent der einfach und 16 Prozent der zweifach gegen Corona geimpften Frauen Brustkrebs hätten, heißt es. Die Behauptung kursierte bereits im Februar 2021 und wird seitdem immerwieder verbreitet.Wie wir bereits in 2021 berichteten, sind die geteilten Röntgenbilder mehrere Jahre alt und zeigen keinen Brustkrebs. Die Prozentangaben aus der Behauptung stammen ursprünglich vom Impfstoffhersteller Moderna und beziehen sich auf Personen, bei denen nach einer Impfung geschwollene Lymphknoten auftraten – laut Fachleuten eine unbedenkliche und vorübergehende Reaktion des Immunsystems auf eine Impfung.Wir haben für diesen Faktencheck zudem den aktuellen Stand der Forschung recherchiert: Es gibt weiterhin keinerlei Hinweise darauf, dass Brustkrebs eine Nebenwirkung der Corona-Impfung ist. Mit vier Röntgenaufnahmen wird in Sozialen Netzwerken die Behauptung verbreitet, die Covid-19-Impfung könne bei Frauen zu Brustkrebs führen. Die Röntgenbilder sind von 2016, sie haben keinen Bezug zur Covid-19-Impfung und Brustkrebs. (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Richtlinien für Mammographien werden falsch interpretiert
Die geteilten Röntgenaufnahmen haben keinen Bezug zu Corona-Impfungen: Wir fanden sie in einem Artikel eines Gesundheitsmagazins aus den USA von 2016. Sie zeigen zwar Röntgenaufnahmen einer Brust, jedoch keinen Brustkrebs. Die Beiträge in Sozialen Netzwerken verlinken auf einen Blog-Beitrag von Mai 2021. Darin heißt es, Ärzte in Utah, USA, hätten bei Mammographien – also Röntgenuntersuchungen, die zur Früherkennung von Brustkrebs durchgeführt werden – nach der Corona-Impfung bei Frauen „Symptome von Brustkrebs“ entdeckt. Der Text ist zum Großteil eine Übersetzung eines englischsprachigen Blog-Beitrages von März 2021, der als Quelle einen Artikel des US-Fernsehsenders Fox 13 vom Monat zuvor zitiert. Dessen Inhalt wird jedoch falsch wiedergegeben. Laut Bericht hätten Ärzte eines regionalen Gesundheitszentrums (Intermountain Healthcare Breast Care Center) die Richtlinien für Mammographien angepasst. Grund dafür sei laut dem medizinischen Leiter des Zentrums, Brett Parkinson, dass die Corona-Impfung geschwollene Lymphknoten auslösen könne. Wie Parkinson in einer Pressemitteilung erklärte, sei dies nicht ungewöhnlich, Schwellungen seien eine Reaktion des Immunsystems und könnten auch nach anderen Impfungen vorkommen. Die Schwellung erscheine normalerweise in der Achselhöhle auf der Seite, wo die Impfung erhalten wurde, und klinge nach zwei bis vier Wochen wieder ab. Geschwollene Lymphknoten kommen allerdings auch bei Brustkrebs vor. Um Fehldiagnosen zu vermeiden, empfahl das Krebszentrum deswegen, eine Mammographie entweder vor oder frühestens vier Wochen nach einer Corona-Impfung zu machen. Auch die US-amerikanische Gesellschaft für Mammographie (SBI) empfahl im März 2021 einen solchen Zeitplan. Dass Brustkrebs eine „typische Nebenwirkung“ der Corona-Impfung sei, steht weder in dem Artikel von Fox 13 noch in der Pressemitteilung des Krebszentrums. Im Gegenteil, man wolle Patientinnen mit diesen Richtlinien „unnötigen Stress und Ängste mit Folgeuntersuchungen“ ersparen, wenn diese nicht nötig seien, sagte Parkinson.
Prozentangaben beziehen sich nicht auf Brustkrebs, sondern auf vorübergehend geschwollene Lymphknoten nach der Corona-Impfung
Parkinson bezieht sich in seiner Pressemitteilung auf Zahlen der US-Gesundheitsbehörde, dem Center for Disease Control and Prevention (CDC), wonach bei mehr als 11 Prozent der gegen Covid-19 Geimpften nach der ersten Dosis und bei 16 Prozent nach der zweiten Dosis geschwollene Lymphknoten auftreten würden. Diese Zahlen werden in den Beiträgen falsch weiterverbreitet.Die Daten finden sich in einer Tabelle (archiviert) auf der Webseite der CDC. Sie stellt Reaktionen bei Geimpften nach Erhalt des Impfstoffes von Moderna bei Personen zwischen 18 und 64 Jahren rund um die Einstichstelle dar. Die Angaben stammen ursprünglich aus der Phase-3-Studie von Moderna, deren Ergebnisse im Februar 2021 veröffentlicht wurden. Anders als in den Beiträgen behauptet, beziehen sich die Prozentangaben nicht ausschließlich auf Frauen. In der Tabelle heißt es, es handle sich um eine „erwünschte” Reaktion. Laut dieser Tabelle des CDC kam es bei dem Impfstoff von Moderna bei manchen Personen zu geschwollenen Lymphknoten. Unter der Tabelle steht ergänzend, dass es sich dabei um eine „erwünschte lokale Reaktion“ handelt. (Quelle: CDC; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)
Forschungsstand ist weiterhin: Lymphknotenschwellung nach der Impfung ist kein Brustkrebs
Wir haben beim Krebsinformationsdienst nachgefragt, ob es neuere Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung und Brustkrebs gibt. Die Leiterin Susanne Weg-Remers verneinte dies. Auch allen neueren Untersuchungen zufolge könne es nach einer Covid-19-Impfung zu Lymphknotenschwellungen in der Achselhöhle kommen. Diese bildeten sich jedoch im weiteren Verlauf wieder zurück und seien daher „nicht mit Lymphknotenschwellungen durch eine Brustkrebserkrankung zu verwechseln“, so Weg-Remers. Kathrin Stewen, Oberärztin am Brustzentrum der Universitätsmedizin Mainz, hat für uns gezielt nach Forschungen zum Thema Brustkrebs nach einer Corona-Impfung gesucht. Die allermeisten Artikel, so schrieb sie uns, würden sich mit der „reversiblen und unbedenklichen Lymphknotenschwellung im Achselbereich“ befassen. „Anhalt für eine erhöhte Inzidenz von Brustkrebs nach einer Covid 19 Impfung gibt es weiterhin nicht“, so Stewen.Auch im Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts – in dem unerwünschte Ereignisse nach Covid-19-Impfungen in Deutschland dokumentiert werden – werden Brustkrebs sowie Krebs allgemein nicht genannt.Redigatur: Gabriele Scherndl, Sophie Timmermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Pressemitteilung von „Intermountain Healthcare“ zu den neuen Mammographie-Richtlinien, 9. Februar 2021: Link (Englisch, archiviert)
Empfehlungen der Gesellschaft für Mammographie (SBI), 9. März 2021: Link (Englisch, archiviert)
Aktuelle Empfehlungen der Gesellschaft für Mammographie (SBI), Februar 2022: Link (Englisch, archiviert)
Mitteilung des Krebsinformationsdienstes zum Thema „Corona-Impfung kann Brustkrebs-Untersuchungen beeinflussen“, 15. April 2021: Link (archiviert)
Mitteilung des Referenzzentrums Mammographie am Universitätsklinikum Münster: Link (archiviert)
Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts: Link (Pdf)
„China, 50 Spurstraße. Hopp, hopp, ihr Klimakleber, es gibt viel zu tun“, steht über einem Bild einer Straße. Auf dem Foto stehen in etwa 50 Spuren tausende Autos dicht an dicht. Auch Harald Vilimsky, ein Politiker der rechtspopulistischen österreichischen Partei FPÖ, teilte das Bild auf Twitter, dazu schrieb er: „Eine Straße, mehr Spuren, als es Klimakleber in Österreich gibt“. Das Bild zeigt jedoch keine reguläre Autobahn, sondern eine Mautstelle, bei der viel mehr Spuren angelegt sind, als auf der Autobahn selbst.Das Bild kursiert auch mit anderen Behauptungen, etwa dass es sich um einen Stau handle, der entstanden sei, weil eine 50-spurige Autobahn auf vier Spuren verengt werde.Das auf Facebook verbreitete Bild der vermeintlichen Autobahn zeigt eine Mautstelle (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Eine Bilderrückwärtssuche zeigt: Bilder dieser Situation kursieren seit 2015. Zu sehen ist eine Mautstation nahe Peking. Laut dem britischen Telegraph sei dort unmittelbar nach dem Nationalfeiertag 2015 ein Stau entstanden, weil die Warteschlange von etwa 50 Spuren auf 20 zusammengeführt wurde. Auch andere Medien berichteten über den Stau, etwa Bloomberg. Die Bilder von damals sind zwar nicht genau dieselben, wie jenes, das nun geteilt wird. Ein Vergleich zeigt aber, dass es sich um denselben Stau handelt. Laut eines Faktenchecks der US-Webseite Snopes handelt es sich um eine Mautstelle auf der G4, einer vierspurigen Autobahn zwischen Peking und Macau. Satellitenaufnahmen bei Google Earth Pro aus dem Jahr 2015 bestätigen das: Darauf sind dieselben Fahrbahn-Markierungen und das rote Dach der Mautstelle zu sehen. Auf Google Maps ist zu sehen, dass die Autobahn vor und hinter der Mautstelle pro Richtung lediglich vier Spuren hat.Satellitenaufnahmen bei Google Earth Pro aus dem Jahr 2015 zeigen die Mautstelle in China. Die Fahrbahnmarkierung und das rote Dach sind dieselben wie auf dem Bild, das aktuell bei Facebook kursiert. (Quelle: Google Earth Pro; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl
Der Tod des Models Jeremy Ruehlemann bewegt auch in den sozialen Netzwerken Menschen. Unter die Trauer mischen sich jedoch Beiträge von Impfgegnern. Durch den Hashtag «#ploetzlichundunerwartet» und ein Foto, das Ruehlemann bei einer Corona-Impfung zeigt, versuchen sie, seinen Tod in einen Zusammenhang mit Impfungen zu rücken.
Bewertung
Es gibt keinerlei Belege, dass Ruehlemanns Tod mit einer Impfung zusammenhängt. Einem Medienbericht zufolge starb das Model an einer Medikamenten-Überdosis. Das Foto von der Impfung ist fast zwei Jahre alt, schwere Impfkomplikationen treten in der Regel innerhalb weniger Tage oder Wochen auf.
Fakten
Es ist eine bekannte Masche von Impfgegnern: Wird über den Tod eines Prominenten berichtet, raunen sie über einen Zusammenhang mit Impfungen. Chiffriert werden solche Vermutungen häufig mit dem sarkastisch gemeinten, zynischen Hashtag «#ploetzlichundunerwartet». So auch im Fall des US-amerikanischen Models Jeremy Ruehlemann, der im Alter von 27 Jahren gestorben ist.
Es ist jedoch völlig unbekannt, wann und wogegen Ruehlemann zuletzt geimpft wurde. Es kursiert lediglich ein Foto, das er selbst im März 2021 auf Instagram veröffentlicht hatte. Darauf ist er offenbar bei einer Impfung zu sehen. Die Corona-Schutzimpfung war in den USA zu diesem Zeitpunkt seit einigen Wochen verfügbar. In der Hand hält Ruehlemann unter anderem eine Karte, auf der Corona-Impfungen vermerkt werden («COVID-19 Vaccination Record Card»).
Für einen Zusammenhang zwischen einer Impfung und dem Tod Ruehlemanns gibt es keinerlei Belege. Stattdessen berichtet die britische Boulevardzeitung «Daily Mail», Ruehlemann sei an einer Überdosis von Medikamenten gestorben. Das habe der Vater des Models der Zeitung bestätigt. Demnach sei Ruehlemann medikamentenabhängig und deswegen auch in Behandlung gewesen. Genannt wird ein bestimmtes Schmerzmittel.
Seit der Nachricht von Ruehlemanns Tod finden sich auch unter seinem Posting auf Instagram aus dem Jahr 2021 teils hämische Kommentare.
Schwere Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe sind sehr selten. Die Behörden – in Deutschland und den USA – führen Statistiken darüber. Die Corona-Schutzimpfung wird in beiden Ländern weiter empfohlen. Nebenwirkungen und Komplikationen treten innerhalb eines kurzen Zeitraums nach einer Impfung auf. Auch das spricht gegen einen Zusammenhang zwischen der Impfung auf dem Foto und Ruehlemanns Tod.
In den vergangenen Wochen sind weitere Todesfälle und medizinische Notfälle von Prominenten ohne jeden Beleg in einen Zusammenhang mit Impfungen gerückt worden, so etwa der Tod von Sängerin Lisa Marie Presley und der Zusammenbruch des American-Football-Profis Damar Hamlin. Außerdem instrumentalisieren Impfgegner für ihr Anliegen immer wieder Traueranzeigen für weniger bekannte Menschen – ebenfalls ohne irgendeinen Beleg für Zusammenhänge mit Impfungen.
(Stand: 25.1.2023)
Der neue Pressesprecher des Bundesverteidigungsministeriums hat zuvor als ARD-Journalist gearbeitet. Das wird im Netz zum Anlass genommen, frühere Beiträge des Journalisten unter die Lupe zu nehmen. So soll Michael Stempfle in einem Kommentar geschrieben haben: «Die Mehrheit der Bevölkerung hat längst begriffen, dass es sich bei […] Impfgegnern um Verfassungsfeinde handelt, die den demokratischen Staat ablehnen […]». In der Zitierung ist aber ein Wort weggelassen – was die Aussage des Zitats in einen falschen Kontext setzt.Bewertung
Stempfle bezeichnete «radikalisierte Impfgegner» als Verfassungsfeinde. Er sprach nicht über Gegner einer Impfung per se, wie er im selben Kommentar klarstellte.
Fakten
Ende 2021 kommentierte Michael Stempfle die Debatte über den Umgang des Staates mit Menschen, die im Zusammenhang mit ihrer Ablehnung der Corona-Impfung Straftaten begehen. Über diese Gruppe schrieb er: «Die Mehrheit der Bevölkerung hat längst begriffen, dass es sich bei den radikalisierten Impfgegnern um Verfassungsfeinde handelt, die den demokratischen Staat ablehnen und für rationale Argumente nicht mehr empfänglich sind.»
Im Absatz davor hatte Stempfle beschrieben, wen er genau meine: eine «kleine Minderheit von radikalen, gewaltbereiten Impfgegnern und Verschwörungserzählern», die nicht nur im Internet «ihren Gewaltfantasien freien Lauf lassen» würden, «sondern auch im realen Leben, wie etwa der Fackelmarsch vor dem Privathaus der sächsischen Gesundheitsministerin vor wenigen Wochen zeigte». Im Verlauf seines Kommentars schrieb Stempfle außerdem: «Längst nicht alle Impfskeptiker sind Verfassungsfeinde.»
Er bezog sich beim Stichwort «Verfassungsfeinde» also auf radikalisierte, gewaltbereite Personen. Anders als das kursierende Zitat suggeriert, hat Stempfle nicht alle Gegner einer Covid-19-Impfung als Verfassungsfeinde bezeichnet. Das Sharepic mit dem verkürzten Zitat hatte sich schon 2022 vor dem Wechsel von Stempfle ins Verteidigungsministerium verbreitet.
(Stand: 25.1.23)
Seit nunmehr fast 75 Jahren setzt sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dafür ein, globale Gesundheitsstandards zu etablieren. Besonders im Zuge der Corona-Pandemie wurde der Organisation immer wieder unterstellt, sie nehme zu viel Einfluss auf eigentlich nationalstaatliche Aufgaben. Derzeit wird etwa behauptet, die WHO strebe «diktatorische» Verhältnisse an und wolle gar die Menschenrechte aus den Internationalen Gesundheitsvorschriften streichen. Aber was genau steckt dahinter?Bewertung
Die Menschenrechte werden nicht aus den Gesundheitsvorschriften gestrichen. Die Anpassungen und Umformulierungen sollen im Gegenteil sogar mehr Gleichberechtigung in der medizinischen Versorgung schaffen. Die WHO kann überdies gar nicht zu einem medizinischen Alleinherrscher werden, da die Umsetzung ihrer Leitlinien auf nationaler Ebene durch Gesetze gedeckt sein muss.
Fakten
Im vergangenen Jahr regten die Vereinigten Staaten Anpassungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) an, um künftig schneller und effizienter auf etwaige internationale Krankheitsausbrüche reagieren zu können. Obschon die Vorschläge nicht alle angenommen wurden, griff die Weltgesundheitsversammlung (WHA) in ihrer Funktion als Entscheidungsgremium einige der Anregungen auf. Im Folgenden waren die Mitgliedsstaaten angehalten, Änderungsvorschläge einzureichen.
Diese wurden nun als «Zusammenstellung von Änderungsvorschlägen zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005)» veröffentlicht. Wie der Titel bereits verrät, sind das bislang nur Vorschläge. Die dafür eingerichtete Arbeitsgruppe (WGIHR) wird diese ausarbeiten und der Weltgesundheitsversammlung bis zu ihrer 77. Sitzung im Jahr 2024 zur Prüfung vorlegen.
Das Vorhaben zur Überarbeitung nahmen im Netz nun Einige zum Anlass, die eingereichten Vorschläge zu hinterfragen. Nur werden sie dabei in der Regel willkürlich verzerrt und teilweise als bereits beschlossen dargestellt. Unter anderem auf Facebook kursiert derzeit ein Video, demzufolge ein amerikanischer Buchautor aufgedeckt haben will, dass die WHO die Prioritäten medizinischer Behandlungen ändern wolle.
Die Internationalen Gesundheitsvorschriften existieren seit 1969 und wurden zuletzt im Jahr 2005 überarbeitet. Anders als in dem Video behauptet, sind sie kein «Buch, das festlegt, nach welchen Standards medizinische Behandlungen durchgeführt werden müssen»: Das Regelwerk beinhaltet Leitlinien für Standards zur Bekämpfung von Krankheiten. So ist gemäß Artikel 2 der Gesundheitsvorschriften das Ziel, «der internationalen Ausbreitung von Krankheiten vorzubeugen, sie zu kontrollieren, davor zu schützen und die Reaktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitswesens zu gewährleisten.» Daraus gehen also mitnichten Vorschriften für medizinische Behandlungen hervor.
Gleichberechtigter Zugang zu medizinischer Versorgung
Stein des Anstoßes ist nun aber Artikel 3 der IGV. Denn der Zusammenstellung ist zu entnehmen, dass die Vorgabe, die Umsetzung der Regularien solle «unter voller Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten» stattfinden, an dieser Stelle ersetzt werden soll.. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Begriff Menschenrechte ganz aus den Vorschriften verschwindet.
Denn in den Vorschlägen zu Artikel 2 IGV wurde er sogar hinzugefügt, so dass Maßnahmen nicht mehr nur «unnötige Beeinträchtigungen des internationalen Verkehrs und Handels», sondern auch der «Lebensgrundlagen, Menschenrechte und des gerechten Zugangs zu Gesundheitsprodukten» vermeiden sollen.
Zugleich stellt die Umformulierung von Artikel 3 nur eine Konkretisierung für mehr Gleichberechtigung dar. Die Umsetzung der Vorschriften solle nunmehr nämlich basierend auf «Gleichheit, Inklusion, Zusammenhalt und […] unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Mitgliedsstaaten» ablaufen.
Damit tragen die Mitgliedsstaaten dem Umstand Rechnung, dass nicht alle Länder die gleichen Grundvoraussetzungen in der Bekämpfung internationaler Krankheitsausbrüche haben. Insofern wäre die Anpassung dieses Artikels keine Einschränkung, sondern bedeutete mehr Teilhabe und Gerechtigkeit für alle Menschen weltweit.
Potentielle Gefahren durch Desinformation
Eine weitere bekannte Unterstellung ist, die WHO habe Allmachtsfantasien. So ist in dem Video zu hören, weitere Änderungen in den Internationalen Gesundheitsvorschriften verhälfen der Organisation zum Status einer «medizinischen Weltmacht» und sie würde zur Zensurbehörde.
Als Beleg für diese Hypothese wird Anhang 1 der Änderungsvorschläge herangezogen. Hier sind Anforderungen zur Erkennung, Überwachung und der Reaktion im Gesundheitsnotfall festgelegt. Da bislang keine Vorgaben existieren, um die Kapazitäten auch auf internationaler Ebene zu stärken, wurde nun ein neu zu ergänzender Artikel 7 angeregt.
Neben Richtlinien und Handlungsempfehlungen sowie erleichtertem Zugang zu medizinischen Produkten soll die WHO nun auch gezielter gegen Fehl- und Desinformation vorgehen. Verschiedene Erhebungen haben im Laufe der Corona-Pandemie aufgezeigt, welche Risiken durch falsche oder irreführende Informationen entstehen können: So berichtete etwa die Amerikanische Vereinigung der Giftnotrufzentralen (AAPCC) in ihrem Jahresbericht für 2020 von einem Anstieg an Vergiftungen durch Desinfektionsmittel, nachdem der ehemalige US-Präsident Trump in einem Pressebriefing suggeriert hatte, die Einnahme könne das Corona-Virus schwächen. Im gleichen Jahr verzeichnete eine internationale Studie über 800 Todesfälle und knapp 6.000 Einlieferungen ins Krankenhaus, nachdem Menschen zur Abwehr des Virus Methanol getrunken hatten. Die WHO spricht inzwischen gar von einer «Infodemie».
In dem Ziel, Falschinformationen entgegen zu wirken, nun «diktatorische» Befugnisse und Zensurbestrebungen zu vermuten, entbehrt jeglicher Grundlage. Denn die Weltgesundheitsorganisation ist nach wie vor auf die Kooperation der einzelnen Mitgliedsstaaten angewiesen. Artikel 19 der WHO-Verfassung ist zu entnehmen, dass Verträge und Abkommen im Einklang mit den Gesetzen der einzelnen Länder stehen müssen. Hierzulande geschieht dies durch das «Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005)» (IGV-DG). Die Mitgliedsstaaten können zudem gemäß Artikel 22 der WHO-Verfassung die Beschlüsse ablehnen, sofern dies rechtzeitig mitgeteilt und begründet wird.
Die WHO hat demnach überhaupt keine Kompetenzen, die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten zu verletzen. Auch eine Institution als Zensurbehörde ist aus verfassungsrechtlicher Sicht gar nicht möglich, da dies im Kontrast zu Artikel 5 unseres Grundgesetzes stünde. Dort heißt es ausdrücklich: «Eine Zensur findet nicht statt.»
(Stand: 25.1.2023)
Bis Ende Dezember 2022 verfolgte China eine strenge Null-Covid-Politik, die für einige Menschen monatelange Ausgangssperren bedeutete. Nach Protesten im Land lockerte die Nationale Gesundheitskommission Anfang Dezember Maßnahmen wie PCR-Tests und die Quarantäne-Auflagen. Ende Dezember berichteten Aktivisten und Medien dann über teils lange Wartelisten für Einäscherungen in Krematorien. Anfang Januar titelten zudem Medien wie die britische Internetseite Daily Mail oder die deutsche Tageszeitung Bild: „In China werden Leichen auf der Straße verbrannt“. Die Berichte verwiesen auf mehrereVideos, die in Sozialen Netzwerken kursieren. Die Videos bilden verschiedene Szenarien ab: eine Menschengruppe trauert scheinbar auf einem Parkplatz, eine andere vor einem Wohngebäude – ein drittes Video zeigt einen brennenden Holzkasten am Straßenrand. Wir haben uns die vermeintlichen Belege angeschaut: Was zeigen die Videos und was nicht? Unabhängig bestätigte Angaben zu Todesfällen gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Konkrete Zahlen zu den Todesfällen, die in Zusammenhang mit Covid-19 auftraten, veröffentlichte der Staatsrat der Volksrepublik China erst am 15. Januar auf seiner Website. Demnach gab es zwischen dem 8. Dezember 2022 und dem 12. Januar 2023 landesweit 59.938 gemeldete Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19. Ob diese Daten vollständig sind, lässt sich nicht überprüfen.
Ein Video zeigt wahrscheinlich ein chinesisches Ritual auf einem Parkplatz in einer Wohnsiedlung
Eines der verbreiteten Videos zeigt etwa 20 Personen, die auf einem Parkplatz stehen – umgeben von beige-braunen Hochhäusern. Auf dem Stellplatz in ihrer Mitte brennt ein Feuer. Was darunter ist, erkennt man nicht. Zu sehen ist lediglich, dass die Menschen bunte Ringe ins Feuer werfen. Diese Aufnahme wurde von dem ehemaligen ukrainisch-amerikanischen Rennfahrer Igor Sushko auf Twitter mit der Behauptung geteilt, Berichten zufolge zwinge der Covid-19-Ausbruch Menschen dazu, die Leichen ihrer Familienmitglieder auf der Straße zu verbrennen. Wo das Video entstand, ist nicht abschließend zu sagen. Sushko machte keine Angaben dazu. Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck antwortete er nicht. Twitter zeigt unter dem Video von Sushko inzwischen den Hinweis an, dass die Behauptung unbelegt ist. Der Bildausschnitt zeigt, wie Menschen bunte Ringe ins Feuer werfen, das auf dem Parkplatz brennt (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Das Video wurde mehr als 280.000 Mal angesehen (Stand: 25. Januar). In den Twitter-Kommentaren und in Telegram-Kanälen bemängeln Nutzerinnen und Nutzer, dass Sushko es in einen falschen Kontext setzte, das Video zeige ein chinesisches Ritual (hier und hier). Andere behaupten, bei der angeblichen Totenverbrennung auf dem Parkplatz handele es sich um eine „chinesische Neujahrsfeier am 1. Januar, bei der Lampions rituell verbrannt werden“ (hier und hier). Wir haben mehrere Korrespondenten und einen Epidemiologen zu den Aufnahmen befragt – an eine chinesische Neujahrsfeier denkt keiner der Experten beim Blick auf die Videos, zumal das Video Wochen vor dem Neujahrsfest am 22. Januar 2023 verbreitet wurde. Der ehemalige China-Korrespondent der ARD, Steffen Wurzel, dem die chinesischen Behörden 2021 seine Aufenthaltsgenehmigung entzog, meint: Die Leute im Video „verbrennen sog. Huaquan („Blumen-Kronen“). Das sind aus Papier gemachte große Teile, die man sich innerhalb der Familie schenkt, wenn jemand gestorben ist.“ Der China-Korrespondent der Schweizer Tageszeitung NZZ Matthias Sander teilte uns unabhängig davon mit, er stimme den Twitter-Kommentaren zu, dass es sich um ein Ritual handele. Der Faktenfuchs der Bayerischen Rundfunks zitierte dazu den Korrespondenten Benjamin Eyssel aus dem ARD-Studio in Peking. Demnach sei es vor allem in Städten „kaum möglich“, eine Leiche im öffentlichen Raum zu verbrennen, ohne dass „sofort Sicherheitskräfte auftauchen und das unterbinden“.
Bild-Sprecher: Faktencheck ergab, dass es sich bei dem Video „nicht um eine Leichenverbrennung handelt“
Auch die Bild nutzte das Video kurzweilig in ihrem Artikel, korrigierte später jedoch ihre Berichterstattung, entfernte das Video und änderte die Überschrift des Texts. Auf unsere Anfrage schrieb der Sprecher der Bild-Gruppe Christian Senft: „Unser Faktencheck ergab nach kurzer Zeit, dass es sich bei dem Video, das weltweit auf zahlreichen Nachrichtenseiten mit falschen Angaben verbreitet wurde, nicht um eine Leichenverbrennung handelt.“ Quelle der ursprünglichen Berichterstattung seien mehrere US-amerikanische und britische Nachrichtenseiten wie der Mirror und die New York Post gewesen – beide Webseiten haben ihre Berichterstattung bisher nicht korrigiert (Stand: 25. Januar). Dieser Artikel der Bild wurde kurz nach Veröffentlichung geändert. Rechts ist die aktuelle Version zu sehen, die linke Version ist alt. Andere Medien korrigierten ihre Meldungen nicht. (Quelle: Bild.de; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Corona in China: Einige Videos und Berichte stammen aus chinesischen Sozialen Netzwerken
Die Gesundheitsversorgung vor Ort scheint jedoch angespannt. Ein AFP-Journalist sprach mit Menschen in unterschiedlichen Städten in China. Demnach berichtete ein Bewohner aus Bengbu in Ostchina über ein „totales Durcheinander“ durch Covid-19. Es steht im Text aber nichts davon, dass Angehörige verbrannt würden. AndereMedien berichteten über Hinweise, dass manche Bestattungsinstitute und Krankenhäuser wegen Covid-19 stark überlastet seien. Medien wie CNN, Reuters oder Spiegel veröffentlichten Satellitenbilder von gefüllten Krematorien und Krankenhäusern. Berichten zufolge werden Corona-bezogene Beiträge in chinesischen Sozialen Netzwerken oft zensiert. Einige Aktivisten und Journalistinnen sicherten jedoch Nachrichten und berichteten davon. Ein chinesischer Aktivist fasste in einem Tweet vom 29. Dezember eine Wechat-Nachricht zusammen: „Das Bestattungsinstitut in Shanghai ist lahmgelegt, der Transport der Leichen ist bis nächstes Jahr geplant. Der Vater eines Bewohners starb am 26. Dezember an einer neuen Corona-Infektion. Die Leichen konnten nicht abtransportiert werden, und sie wollten die Leichen selbst verbrennen.“ Ob die Nachricht des Aktivisten authentisch ist, bleibt offen.Wir haben bei der Pressestelle des Institute for Health Metrics and Evaluation nachgefragt, wie die aktuelle Corona-Lage in China einzuschätzen ist. Das US-Institut forscht im Bereich globale Gesundheitsstatistik und gehört zur University of Washington in Seattle. Auf die Frage, ob Menschen die Leichen ihrer Angehörigen in der Öffentlichkeit oder auf der Straße verbrennen, antwortete uns der Professor für Epidemiologe Ali Mokdad am 10. Januar: Es sei „schwer zu glauben“, dass das stimme.Dennoch warnt der Forscher vor einer Zunahme der Covid-19-Fallzahlen in China: „Krankenhäuser sind aufgrund der hohen Zahl an Infektionen, insbesondere bei älteren Menschen, überlastet, da die Durchimpfungsrate sehr niedrig ist.“ China habe aufgrund seiner Null-Covid-Politik die geringste Immunität gegen Covid-19, so Mokdad. Die Impfstoffe seien dort nicht so wirksam und die Impfkampagne liege schon „eine Weile“ zurück. Es bestehe also keine Immunität durch den Impfstoff oder durch frühere Infektionen. Die in China zirkulierenden Varianten seien zudem hochgradig infektiös und Land verfüge nicht über genügend Medikamente, um Krankenhausaufenthalte durch eine Corona-Infektion zu verhindern.2. Januar 2023: In der Halle des Shanghai-Krankenhauses warteten laut der Nachrichtenagentur AP zahlreiche Covid-19-Patienten auf medizinische Behandlung (Archivfoto: Picture Alliance / AP / Chinatopix)
Ein zweites Video zeigt offenbar ein lokales Ritual, bei dem die Kleidung eines Verstorbenen verbrannt wird
Fakt ist: Konkrete Belege, dass Einäscherungen auf der Straße stattfinden, sind bisher nicht öffentlich geworden (Stand: 25. Januar). In keiner der Aufnahmen, die sich so stark im Netz verbreiteten, ist nachweislich zu sehen, wie Menschen Angehörige verbrennen. Das betrifft auch ein zweites Video, das Igor Sushko teilte. Es zeigt zehn Menschen mit Schutzmasken, die in einer Art Hinterhof im Kreis um ein brennendes Tuch stehen und rauchende Stöcke schwenken. Das Video zeigt laut der Wissenschaftsredakteurin Flora Teoh von Health Feedback „ein lokales Ritual“, bei dem die Kleidung eines Verstorbenen verbrannt wird und nicht der Verstorbene selbst. Das chinesische Medienunternehmen Chudian News (触电新闻) berichteteüber die Trauerfeier – das Video soll im Stadtteil Pudong in Shanghai entstanden sein. Den genauen Ort der Aufnahme konnten wir nicht identifizieren.Dieser Twitter-Nutzer veröffentlichte mehrere Videos, die chinesische Trauerrituale zeigen. Die Videos zeigen aber keine Verbrennung von Leichen. (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Weiteres Video zeigt einen brennenden Holzkasten – und keine trauernden Angehörigen
Ein weiteres Video, das unter anderem Skynews zitierte, teilte die in den USA lebende chinesische Aktivistin Jennifer Zeng auf Twitter. Menschen sind darin nicht zu sehen, es ist aber eine männliche Stimme zu hören. Zeng schreibt zum Video, es sei schwierig und teuer, einen Körper in einem Krematorium in China einzuäschern. Sie wäre nicht überrascht, wenn sich jemand auf dem Land dafür entscheiden würde „das zu tun“ – womit sie offenbar das Verbrennen eines Toten durch die Angehörigen meint. Skynews schrieb, das Video zeige einen brennenden Holzsarg neben einer Landstraße. Doch es handelt sich um Mutmaßungen. Wir haben Zeng per E-Mail kontaktiert und gefragt, was der Mann im Video, das sie teilte, sagt. „Er spricht einen lokalen Dialekt, ich weiß nicht genau, in welcher Provinz. Es könnte die Provinz Henan sein. Er sagt: Es ist schade, dass hier niemand Kartoffeln röstet“, so die Aktivistin. Sie komme aus einer Region, in der es keine Tradition gebe, Verstorbene zu verbrennen. Sie habe das Video jedoch geteilt, weil sie glaube, dass es echt ist. Es stamme aus chinesischen sozialen Netzwerken; wann oder wo genau das Video gedreht wurde, wisse sie aber nicht. Die Aktivistin Jennifer Zeng wies in einem Twitter-Beitrag daraufhin, dass aktuell Videos von angeblichen Verbrennungen im Internet kursieren (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Der ehemalige China-Korrespondent Steffen Wurzel bestätigte Zengs Übersetzung größtenteils. Der Mann spreche über die Tatsache, dass die Flammen gut geeignet wären, um Süßkartoffeln zu rösten, so Wurzel. „Sagt man sowas als Angehöriger? Wohl nicht.“ Er schließe nicht aus, dass „im riesigen Land China“ sowas passiere. Dass das ein Massentrend sei, bezweifle er.Am 22. Januar feierten viele Menschen das chinesische Neujahrsfest mit der Familie, die viele zum ersten Mal nach langer Zeit besuchen konnten. Wu Zunyou, der Chefepidemiologe des chinesischen Zentrums für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten, sagte laut CNN, dass die gegenwärtige Welle bereits etwa 80 Prozent der Menschen im Land infiziert habe.Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Hintergrund:
Zahlen zu Covid-19-Todesfällen in China, veröffentlicht vom Staatsrat der Volksrepublik China am 15. Januar: Link(archiviert)
Medienbriefing des WHO-Generaldirektors zur Corona-Lage in China, 4. Januar: Link (archiviert)
Mitteilung der WHO zu den Coronavirs Treffen von Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus und Ma Xiaowei, 14. Januar: Link (archiviert)
Übersicht des Institutes for Health Metrics and Evaluation (IHME) mit Schätzungen zu Covid-19-Fällen in China, archiviert am 18. Januar: Link (archiviert)
Informationen über die Methodik der IHME-Todesfallzahlen, archiviert am 18. Januar: Link (archiviert)
89,3 Millionen Menschen befanden sich Ende 2021 laut den Vereinten Nationen weltweit auf der Flucht – so viele wie nie zuvor. Große Vertriebenenbewegungen sorgen in den aufnehmenden Ländern seit jeher einerseits für viel Solidarität, andererseits aber auch für viel Ablehnung. In einem seit Langem kursierenden Sharepic wird behauptet, es gebe «57 islamische Länder, die größer sind als die gesamte EU» – gefolgt von der Frage, warum Muslime ausgerechnet in christliche Länder flüchten würden.Bewertung
Die Anzahl der 57 Länder bezieht sich offenbar auf die Mitgliedsstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ). Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Länder mit einem großen muslimischen Bevölkerungsanteil. All diese Länder nehmen viele Geflüchtete auf.
Fakten
In dem kursierenden Sharepic wird die Behauptung aufgestellt, es gebe «57 islamische Länder, die größer sind als die gesamte EU». Die Zahl 57 taucht im Zusammenhang mit vermeintlich «islamischen» Ländern nur bei der Organisation für Islamische Zusammenarbeit auf.
Diese umfasst seit der Suspendierung Syriens im Jahr 2012 56 Länder, die zusammen größer sind als die gesamte EU. Allein Kasachstan ist mit 2,72 Millionen Quadratkilometern mehr als halb so groß wie die Europäische Union. Bis auf Palästina sind alle 57 Staaten – also auch Syrien – Mitglieder der Vereinten Nationen (UN).
Die OIZ gibt allerdings keine Definition an, ab wann ein Land als «islamisch» gilt. Indien etwa ist kein Mitglied der Organisation. Dort machten Muslime 2020 nach Schätzungen des Pew Research Centers rund 15 Prozent der Bevölkerung aus. Bei insgesamt mehr als 210 Millionen muslimischen Inderinnen und Indern leben dort mehr als zehn Prozent der weltweiten Muslime. Auf der anderen Seite ist beispielsweise Guyana in Südamerika ein Mitgliedsstaat, obwohl Muslime dort laut Pew Research Center nur einen Anteil von etwas mehr als sechs Prozent ausmachen. Auch das Kosovo mit rund 94 Prozent muslimischem Anteil ist nicht Mitglied der OIZ.
Die Definition von «muslimischen» Ländern ist also ähnlich schwierig wie die von «christlichen», auf die im zweiten Teil der Behauptung als angeblich hauptsächlichem Ziel von Geflüchteten eingegangen wird: «Warum „flüchten“ Moslems ausgerechnet in christliche Länder?» Fakt ist: Laut UN wurden knapp 72 Prozent der bis Ende 2021 weltweit 27,1 Millionen Geflüchteten in ihren direkten Nachbarländern aufgenommen.
Darüber hinaus sind bis auf Deutschland (Platz 4 mit rund 1,26 Millionen Geflüchteten) und Äthiopien acht der zehn Länder, die 2021 die meisten Geflüchteten beherbergten, Mitglieder der OIZ. Auf den Rängen 1 bis 3: die Türkei (3,76 Millionen Geflüchtete), Uganda (1,53 Millionen) und Pakistan (1,5 Millionen).
Nach Angaben der UN gab es zusätzlich zu den Geflüchteten weltweit noch 4,6 Millionen Asylsuchende. Laut UN-Definition war jeder offiziell anerkannte Geflüchtete zuvor ein Asylsuchender.
Bis auf Deutschland (Platz 4 mit rund 250 000 Asylsuchenden), Großbritannien und Spanien befand sich 2021 keines der Länder mit den meisten Asylsuchenden in Europa. Auf den Plätzen 1 bis 3 rangierten die USA (1,3 Millionen Asylsuchende), Peru (537 000) und die Türkei (305 000).
Die drei Länder, aus denen laut UN bis Ende 2021 die meisten Geflüchteten stammten, waren Syrien (6,85 Millionen Menschen), Afghanistan (2,71 Millionen) und der Südsudan (2,36 Millionen). Bei den Asylsuchenden waren es Venezuela, Afghanistan und der Irak. Von den zehn Herkunftsländern, aus denen 2021 die meisten Geflüchteten stammten, sind vier Mitglieder in der OIZ. Zudem ist Syrien ein suspendiertes OIZ-Mitglied.
Die 27,1 Millionen Geflüchteten und 4,6 Millionen Asylsuchenden sind nur ein Teil der bis Ende 2021 weltweit 89,3 Millionen Vertriebenen: Den größten Anteil machten die Binnenvertriebenen mit 53,2 Millionen Menschen aus. Damit sind Menschen gemeint, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind laut UN die Zahlen in allen Bereichen noch einmal drastisch angestiegen. Bislang liegen aber nur Zahlen vor, die bis Mitte 2022 erhoben wurden.
(Stand: 26.1.2023)
Das weltweit zirkulierende Coronavirus Sars-CoV-2 war Anlass zur Entwicklung mehrerer Impfstoffe. Obgleich deren Wirksamkeit und Sicherheit fortwährend kontrolliert werden, halten sich nach wie vor Falschbehauptungen über angeblich verheerende Nebenwirkungen. So auch der Leserbrief einer Hebamme. Darin wird behauptet, die Corona-Impfstoffe seien experimentell, niemand könne noch von Fremd- oder Eigenschutz sprechen. Stattdessen explodiere wegen der Corona-Impfstoffe die Zahlen bei Todesfällen, Krebserkrankungen sowie Fehlgeburten. Die Geburtenzahlen würden dramatisch einbrechen, so die Hebamme weiter.
Bewertung
Es gibt keine Nachweise dafür, dass Sterblichkeit, Krebserkrankungen, Fehlgeburten oder Unfruchtbarkeit erhöht seien. Die Impfstoffe werden laufend kontrolliert, ihr Nutzen übersteigt die Risiken deutlich.
Fakten
Der Leserbrief einer Privatperson mit dem Titel «Wissenwollen oder Nichtwissenwollen» ist vor Weihnachten 2022 in mehreren südwestdeutschen Regionalzeitungen erschienen (kostenpflichtig: hier und hier). Anschliessend verbreitete sich der Leserbrief in sozialen Medien, unter anderem auch in der Schweiz.
Impfstoffe gegen Coronaviren seit Jahren in der Forschung
Sars-CoV-2 ist eines von vielen Coronaviren. Deren pandemischen Potenzial war schon seit Jahrzehnten bekannt, entsprechend wurde schon vor 2019 zu möglichen Impfstoffen geforscht. Die Erfahrungen und gewonnene Erkenntnisse aus Forschungen zur mRNA-Technologie flossen in die Entwicklung der Sars-CoV-2-Impfstoffe ein. Die Impfstoffentwicklung begann zügig, nachdem die chinesischen Behörden die genetische Sequenz von Sars-CoV-2 am 12. Januar 2020 veröffentlicht hatten.
Mehrere Studien haben ergeben, dass Corona-Impfstoffe vor schweren Sars-CoV-2 Erkrankungen und somit vor Hospitalisationen schützen, obwohl der Schutz nicht zu 100 Prozent gegeben ist. Geimpfte Personen eliminieren zudem infektiöse Viren schneller als Nicht-Geimpfte.
Strenge Überwachung der Nebenwirkungen der Covid-Impfstoffe
Bevor die Corona-Impfstoffe in der Schweiz zugelassen wurden, wurden diese eingehend von den Herstellern, aber auch von den Schweizer Heilmittelbehörde Swissmedic auf deren Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität untersucht. Auch nach der Zulassung wurden und werden die Impfstoffe von den Behörden überwacht. Swissmedic stuft das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach wie vor als positiv ein.
Es gibt keine Belege dafür, dass die Corona-Impfung zu vermehrten Todesfällen geführt habe. Swissmedic untersuchte mehrere gemeldete Fälle, in denen es in einem zeitlichen Abstand zur Corona-Impfung zu einem Todesfall gekommen ist. Untersuchungen ergaben, dass es zwar eine zeitliche Assoziation gab, der Tod jedoch auf andere wahrscheinlichere Ursachen zurückzuführen war.
Die Krebsliga Schweiz betont, es gebe keine Hinweise, dass die Corona-Impfstoffe Krebserkrankungen auslöse oder zu Rückfällen führen würde. Der Verband appelliert an Krebskranke, sich impfen zu lassen, da sie einem höheren Risiko ausgesetzt sind, einen schweren Covid-Verlauf zu erleiden.
Covid-19-Impfempfehlung für Schwangere
Die Schweizer Behörden schlossen anfänglich schwangere Frauen von der Covid-Impfung aus, weil die Auswirkungen des Impfstoffes auf Mutter und Kind noch kaum erforscht waren. Inzwischen haben mehrere Studien die Wirksamkeit der Covid-Vakzine auch bei Schwangeren belegt.
In einer Studie vom Februar 2022 wurde festgestellt, dass eine Corona-Infektion zu einer Entzündung der Plazenta und damit einhergehend zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen des Kindes führen kann.
Im Oktober 2022 empfahlen die Schweizer Behörden unter anderem auch Schwangeren eine Auffrischungsimpfung. Schwangere sind eher gefährdet, bei einer Covid-19-Erkrankung einen schweren Verlauf zu erleiden. Das Risiko für Komplikationen, die die Schwangerschaft sowie die Entwicklung des Ungeborenen beeinträchtigen, sind folglich erhöht. Auch das Risiko einer Frühgeburt mit den möglichen Folgen für das Neugeborene sowie einer Totgeburt sind erhöht. Daher wird Frauen, die schwanger sind oder dies planen, empfohlen, sich gegen Sars-CoV-2 zu impfen.
In Krisenzeiten generell geringere Geburtenzahlen
Die Geburtenzahlen werden ebenfalls seit Pandemiebeginn immer wieder kritisch unter die Lupe genommen. Einer Studie des deutschen Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung und der Universität Stockholm zufolge ist einer der möglichen Gründe für den Geburtenrückgang, dass die Impfung für Schwangere zunächst nicht ausdrücklich empfohlen war, und viele Frauen ihren Kinderwunsch darum aufgeschoben hätten.
Eine Schweizer Studie über die bereits 2021 europaweit rückläufigen Geburtenzahlen kam zu dem Ergebnis, dass wesentliche Faktoren unter anderem die Länge der Lockdowns sowie die Verunsicherung durch Krisen in Wirtschaft und Gesundheitssystemen gewesen sein könnten. Nach Aufhebung der Beschränkungen sei ein Anstieg der Geburten zu beobachten. Ähnliches berichtet das französische Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien, das diesen Effekt über drei Lockdowns hinweg feststellte.
In der Schweiz verzeichnete das Bundesamt für Statistik (BFS) im Jahr 2021 mit 89 644 deutlich mehr Lebendgeburten als im Jahr 2020. Die Geburtenzahl war 2020 mit 85 914 Neugeborenen rückläufig im Vergleich zum Vorjahr 2019, als 86 172 Kinder geboren wurden.
(Stand: 24.1.2023)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj posiert lächelnd vor einem Haufen Totenschädel und einem Leichenberg, auf dem die ukrainische Nationalflagge weht – das zeigt eine Bildmontage, die in Sozialen Netzwerken (hier und hier) kursiert. Oben links in der Montage ist das Logo des Spiegel-Magazins zu sehen.Die Bildmontage stammt jedoch nicht vom Spiegel und wurde dort auch nicht veröffentlicht, wie uns die Pressestelle mitteilte. Es handelt sich um eine Manipulation.Das auf Twitter geteilte Bild stammt nicht vom Spiegel. Es wurde manipuliert. (Quelle: Twitter; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Bild ist eine Montage aus unterschiedlichen Fotos, die nicht vom Spiegel stammt
Über eine Bilderrückwärtssuche finden wir das Originalbild, allerdings ohne den ukrainischen Präsidenten und das Logo des Spiegel. Es erschien seit 2015 auf mehrerenWebseiten und steht in Zusammenhang mit der US-amerikanischen Fernsehserie „Teen Wolf“. Die Serie, die von 2011 bis 2017 im TV ausgestrahlt wurde, handelt von dem Teenager Scott McCall, der nach einem Wolfsbiss übernatürliche Fähigkeiten entwickelt.Der Hintergrund der Bildmontage stammt von einem Poster der Serie „Teen Wolf“ (grün). Selenskyj auf dem Totenschädel-Haufen, die ukrainische Flagge und das Spiegel-Logo (rot) wurden nachträglich hinzugefügt. (Quelle: Twitter / behance.net; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)
Außerdem ist im Bild auf einem Schild der Schriftzug „Beacon High“ zu sehen. Über eine Google-Suche in Kombination mit den Schlagworten „Beacon High“ und „Teen Wolf Poster“ stoßen wir auf eine Webseite des Softwareunternehmens Adobe. Dort steht ebenfalls, das Bild sei ein Werbeposter für „Teen Wolf“. Den ins Bild montierten Selenskyj finden wir über eine weitere Bilderrückwärtssuche auf einem Foto, das mehrfach in Medienberichten verwendet wurde. In der Bilddatenbank der Deutschen Presse-Agentur heißt es, das Bild sei von Evgeniy Maloletka für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) am 9. April 2022 im Rahmen eines Interviews in Kiew aufgenommen worden. Auf der Originalaufnahme lächelt Selenskyj nicht.In der Bilddatenbank der Deutschen Presse-Agentur finden wir die Originalaufnahme, die für die Bildmontage verwendet wurde (Quelle: DPA / Picture Alliance / Associated Press; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Zusätzlich haben wir beim Spiegel nachgefragt, ob die Bildmontage dort veröffentlicht worden sei. Eine Spiegel-Pressesprecherin antwortete uns: „Die Karikatur stammt nicht vom Spiegel und wurde auch nicht in unseren Medien veröffentlicht.“ In den letzten Monaten begegnete uns immer wieder Bildmaterial, das den ukrainischen Präsidentenverhöhnen soll, um Stimmung gegen die Ukraine zu machen. Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.Redigatur: Viktor Marinov, Matthias Bau
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
Medienberichte, die das Originalfoto von Präsident Selenskyj verwenden, 25. Januar 2023: Link
Interview der Associated Press mit Wolodymyr Selenskyj für das das Foto ursprünglich gemacht wurde, 10. April 2022: Link
Befürworter von gentechnisch veränderten Lebensmittel sagen, dass diese Technologie die einzige Möglichkeit ist, eine sich erwärmende, immer stärker bevölkerte Welt zu ernähren. Kritiker bemängeln, dass dadurch die Natur manipuliert wird oder befürchten Gesundheitsgefahren. Laut einem Facebook-Post sollen nun alle Produkte, die das Label «Ingredients derived from a bioengineered source» auf Verpackungen tragen, die Fähigkeit haben, den «Körper zu verändern» und die DNA des Menschen zu beeinflussen. Dazu wird das Etikett einer Mayonnaise-Tube gezeigt, auf dem der Hinweis zu sehen ist.Bewertung Es gibt keine Hinweise, dass genetisch veränderte Lebensmittel das Erbgut des Menschen verändern können. Die überwiegende Mehrheit der Studien deutet darauf hin, dass der Verzehr solcher Lebensmittel unbedenklich ist. FaktenIn den USA werden Lebensmittel mit dem Label «Ingredients derived from a bioengineered source» gekennzeichnet, wenn sie aus Pflanzen oder Tieren stammen, die durch Gentechnik-Technologien verändert wurden. Dies bedeutet etwa, dass der DNA einer Pflanze oder eines Tieres Gene hinzugefügt wurden, um bestimmte Eigenschaften zu verbessern, wie zum Beispiel eine Resistenz gegen Schädlinge oder eine Erhöhung der Nährstoffzufuhr.Die Verordnung zur neuen Kennzeichnung trat zum 1. Januar 2022 in Kraft. Vorher wurden diese Lebensmittel als GMO («Genetically modified organisms») bezeichnet. Die aktuelle Kennzeichnung soll transparenter und deutlicher über Inhaltsstoffe von Produkten informieren.
Wissenschaft und Behörden sehen keine Bedenken
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft genetisch veränderte Lebensmittel als unbedenklich ein. Auf der Webseite heißt es: «Die derzeit auf dem internationalen Markt erhältlichen gentechnisch veränderten Lebensmittel haben die Sicherheitsbewertungen bestanden und stellen wahrscheinlich keine Risiken für die menschliche Gesundheit dar.» Es seien zudem «keine Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit durch den Verzehr solcher Lebensmittel durch die allgemeine Bevölkerung in den Ländern, in denen sie zugelassen sind» nachgewiesen.
Die US-amerikanische «National Academies of Sciences, Engineering and Medicine» fand keine Beweise dafür, dass Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Nutzpflanzen weniger sicher sind als Lebensmittel aus nicht gentechnisch veränderten Nutzpflanzen. Auch die US-Gesundheitsbehörde FDA bewertet biotechnologisch hergestellte Lebensmittel als sicher und als keine Gefahr für die Gesundheit. Sie seien, so die Behörde, nicht ungesünder, als konventionell hergestellte Lebensmittel
Mehrere Studien konnten ebenfalls keine Belege dafür finden, dass genetisch veränderte Lebensmittel das Erbgut des Menschen verändern. Auch das Unternehmen Unilever, das die gezeigte Mayonnaise herstellt, versichert, dass die verkauften Lebensmittel sicher sind und regelmäßigen Kontrollen unterliegen.
Anbau genetisch veränderter Lebensmittel in Deutschland verboten
Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ist in Deutschland verboten, während der Verkauf einiger gentechnisch veränderter Lebensmittel erlaubt ist. Diese müssen gesondert gekennzeichnet werden, wobei es dafür Ausnahmen gibt. Beispielsweise bei Produkten von Tieren, die mit Futter aus gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden. Dabei spielt es jedoch keine Rolle, ob die jeweilige gentechnische Veränderung im Endprodukt analytisch nachweisbar ist.
Grundsätzlich werden genetisch veränderte Lebensmittel durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft, bevor eine Zulassung erteilt wird. Danach wird in der Regel eine zehnjährige Lizenz für den EU-Markt erteilt. Nach Ablauf dieser Lizenz muss das Produkt neu durch die Behörde bewertet werden.
(Stand: 25.1.2023)
Die Zahl der Asylanträge in Deutschland steigt. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rund 244 000 Anträge gestellt. Mehr Anträge gab es seit 1994 nur in den Jahren 2015 und 2016.
Ein auf Facebook häufig geteiltes Bild erweckt den Eindruck, diese Zahl wirke sich negativ auf das deutsche Gesundheits- und Pflegesystem aus. Flüchtlinge würden bevorzugt behandelt. «Deutschland ist, wenn sich zwei Sozialarbeiter um fünf Flüchtlinge kümmern, während sich zwei Krankenpfleger um 30 Patienten oder zwei Altenpfleger um 60 Bewohner kümmern», heißt es.
Bewertung
Die genannten Zahlen zur Pflege können in Ausnahmefällen zutreffen, die Zahl zur Flüchtlingsbetreuung ist aber gewaltig übertrieben.
Fakten
Für wie viele Flüchtlinge ein Sozialarbeiter im Durchschnitt zuständig ist, ist schwer zu erheben und unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. In den Landesunterkünften in Schleswig-Holstein betreut ein Sozialarbeiter zurzeit, je nach Belegung, etwa 60 bis 70 Flüchtlinge, wie das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge auf Anfrage mitteilte. In Rheinland-Pfalz ist in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes den Angaben des Ministeriums für Integration zufolge ein Sozialarbeiter für 80 Flüchtlinge vorgesehen.
Der Betreuungsschlüssel in Sachsen bewege sich zwischen eins zu 130 und eins zu 150, teilte das Sozialministerium mit. In Bayern stünden 760 Flüchtlings- und Integrationsberater mehr als 152 000 ukrainische Kriegsflüchtlingen und 38 000 Asylbewerbern mit Beratungsbedarf gegenüber. «Dass sich im Schnitt zwei Sozialarbeiter um fünf Flüchtlinge kümmern, können wir ins Land der Märchen verweisen», sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums.
In deutschen Krankenhäusern gibt es eine Personaluntergrenze. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums soll sich eine Pflegekraft um höchstens zwei bis 13 Patienten kümmern – je nach Gesundheitszustand des Patienten. Auf der Intensivstation soll eine Pflegefachkraft durchschnittlich zwei Patienten am Tag versorgen, in der Rheumatologie sind es 13. Nachts können es mehr als doppelt so viele Patienten pro Pfleger sein. Sind die Patientenzahlen stark erhöht, zum Beispiel durch eine Epidemie, muss die Untergrenze nicht eingehalten werden.
Die personelle Besetzung in der Altenpflege ist im Sozialgesetzbuch verankert, aber nicht bundeseinheitlich geregelt. In Baden-Württemberg kümmert sich nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein Altenpfleger durchschnittlich um einen bis sechs Bewohner – je nach Pflegegrad. Hinzu komme Personal für die Hauswirtschaft, Qualitätsmanagement und Leitung.
Die Situation in der Pflege sei sehr angespannt, sagte eine Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBFK). In Einzelfällen könne es sogar vorkommen, dass sich wie im Facebookpost behauptet ein Krankenpfleger um 30 Patienten und ein Altenpfleger um 60 Bewohner kümmern müssten. Zum Beispiel, wenn besonders viele Krankheitsausfälle beim Personal und eine Großlage, wie zuletzt durch die Corona-Pandemie, zusammenkommen. Die Regel sei das aber nicht.
Der Handlungsbedarf ist groß. Mehr Geld für Kinderversorgung, weniger unnötige Klinik-Übernachtungen und Entlastungen für Pflegekräfte – das sieht eine Krankenhausreform vor, die Bund und Länder derzeit planen. Trotz Fachkräftemangel und Pandemie ist die Zahl der Beschäftigten in Pflegeberufen 2021 weiter gestiegen.
(Stand: 26.1.2023)
In sozialen Netzwerken kursiert eine Grafik, die angeblich zeigt, dass die Eisbärenpopulation trotz der globalen Erderwärmung wächst. Das ist irreführend. Verschiedene Experten haben gegenüber AFP erklärt, dass die grafische Darstellung überholte und unzuverlässige Daten verwendet und dass der menschengemachte Klimawandel eine Bedrohung für die Eisbären darstellt.
Rund ein Dutzend Mal wurde ein Facebook-Post mit der Grafik geteilt und erreichte damit hunderte Nutzerinnen und Nutzer.
Die Behauptung: „Der Bestand an Eisbären nimmt zu / passt aber nicht ins Klimanarrativ, deswegen ist die Info gestrichen“, heißt es in einem Facebookbeitrag vom 4. Januar 2023 von Bjørn Lomborg, Autor des umstrittenen Blogs „The Skeptical Environmentalist“. Die im Beitrag angehängte Grafik zeigt eine angebliche Zunahme der Eisbären zwischen 1965 und 2021. Sie verwendet Informationen von der „Polar Bear Specialist Group“ (PBSG), die zur „International Union for the Conservation of Nature“ (IUCN) gehört, also die „IUCN Eisbär-Spezialisten-Gruppe“.
Facebook-Screenshot der Behauptung: 26. Januar 2023
Klimawandelskeptikerinnen und -skeptiker verweisen oft auf das Wachstum bestimmter Bärenpopulationen, um die Rolle des Menschen bei der Erderwärmung herunterzuspielen, wie AFP bereits berichtet hat. Faktenchecks zum Thema Klima hat AFP hier gesammelt.
Verschiedene Experten erklärten jedoch gegenüber AFP, dass die in der online veröffentlichten Grafik verwendeten Daten unvollständig seien. Die IUCN schreibt in ihrer Roten Liste der bedrohten Tierarten, dass die Populationsentwicklung der Eisbären „unbekannt“ sei.
Reine Spekulation
In der Fußnote des Diagramms wird darauf hingewiesen, dass die Kurve auf acht Datensätzen beruht, von denen sechs aus dem letzten Statusbericht der PBSG von 2021 stammen. Die anderen Daten stammen aus Protokollen von zwei Sitzungen: einer der PBSG im Jahr 1981 und einer Sitzung einer Vorläufergruppe im Jahr 1965.
Die Grafik zeigt einen Anstieg von 1965 bis 1981, der mit dem internationalen Verbot der Eisbärenjagd zusammenfällt. Das Verbot wurde 1973 mit Ausnahmen für indigene Gemeinschaften erlassen.
Der ehemalige PBSG-Vorsitzende Dag Vongraven vom Norwegischen Polarinstitut erklärte jedoch gegenüber AFP am 11. Januar 2023, dass die Schätzungen von 1965 und 1981 aufgrund von Einschränkungen beim Eisbären-Tracking zu dieser Zeit nicht stichhaltig seien.
Die Zahlen für 1965 stammen aus einem Absatz in einem wissenschaftlichen Tagungsbericht und beruhen auf drei Schätzungen. Zwei davon sind Ableitungen von Bärenzählungen in Alaska im Jahr 1959 und in Kanada im Jahr 1964, die andere ist eine Schätzung des weltweiten Verbreitungsgebiets von 1961 durch einen sowjetischen Wissenschaftler.
Screenshot eines Berichts zu Eisbären von 1965 (Universität Alaska / US-Büro für Sportfischfang und Wildtiere)
„Das ist reine Spekulation, ganz einfach. Man kann diesen Daten überhaupt nicht trauen“, sagte Vongraven.
Eisbären sind schwer aufzuspüren, da sie in abgelegenen Regionen der Arktis auf dem Eis umherstreifen, wo sie mit der weißen Landschaft verschmelzen. Forscherinnen und Forscher überwachen sie mithilfe von Überflügen und elektronischen Markierungen.
Vongraven sagte, dass Halsbänder für die Satellitenortung von Eisbären in den späten 1960er-Jahren eingeführt wurden. Und die 19 verschiedenen Unterpopulationen von Eisbären, die eine genaue Zählung ermöglichen, waren 1981 noch nicht abgegrenzt. Die Daten aus dem Bericht von 1981 seien also ebenfalls unzuverlässig für die Erstellung einer globalen Grafik, so Vongraven. Die Zahlen beruhen auf Schätzungen aus 17 Gebieten, die bis ins Jahr 1969 zurückreichen.
„Diese Erhebungen beziehen sich auf wirklich zufällige Teile eines Gebiets, weil wir damals noch nicht wussten, wo die Populationen (abgegrenzt) waren, sodass es sich dabei um grobe Schätzungen, Spekulation handelt, sehr grobe Methoden“, sagte Vongraven. „Man kann sie einfach nicht verwenden. Dahinter stecken wirklich wenige Daten.“
„Verbesserte Schätzungen“Steven Amstrup, leitender Wissenschaftler der Naturschutzorganisation „Polar Bears International“, schrieb er AFP in einer E-Mail am 8. Januar 2023, dass die scheinbar ansteigende Kurve der online gezeigten Grafik ein „verbessertes Wissen“ über die Eisbärenpopulation widerspiegelt und nicht einen allgemeinen Anstieg.
Die Eisbärzahlen würden aus einer Kombination von Schätzungen für gut untersuchte Gebiete und „fundierten Vermutungen“ für weniger bekannte Gebiete abgeleitet. Letztere basieren zum Teil auf der Kenntnis des Meereises und der Lebensräume, so Amstrup.
„Eine globale Schätzung ist daher eine Kombination aus einigen guten Zahlen und anderen, von denen wir weit weniger überzeugt sind“, schrieb er AFP in einer E-Mail am 9. Januar 2023
Grafik zum Eisbären: Teilpopulationen und Trends der letzten Generation, Populationsschätzungen bis zum Jahr 2100 und Vergleiche mit anderen Bärenarten. (AFP / Valentin Rakovsky, David Lory)
Von den 19 eigenständigen Eisbär-Teilpopulationen sind einige für die Überwachung besser zugänglich als andere. So ist beispielsweise über die Bären in der westlichen und südlichen Hudson Bay in Kanada mehr bekannt als in entlegenen Gebieten.
„Je mehr wir in Erfahrung gebracht haben, desto klarer wurde uns, dass in einigen dieser Gebiete frühere Schätzungen zu niedrig waren und wir glauben jetzt, dass es dort mehr Bären gibt, als wir bisher angenommen haben“, so Amstrup.
„Wenn man die geschätzte globale Population über die Zeit grafisch darstellt, kann es wie eine ansteigende Kurve aussehen. Diese Darstellung der geschätzten Zahlen im Laufe der Zeit spiegelt jedoch eher verbesserte Schätzungen als ein Wachstum der Zahlen wider.“
Unzureichende Daten
Neuere Daten für bestimmte Gebiete sind zwar detaillierter, reichen aber immer noch nicht aus, um ein genaues Gesamtbild zu zeichnen. Die PBSG schrieb in ihrem Statusbericht, dass die Überwachung für Veränderungen in 10 der 19 Teilpopulationen „unzureichende Daten“ über die letzte Generation von Eisbären oder etwa 11,5 Jahre lieferte.
Die jüngste Schätzung der PBSG für die weltweite Eisbärenpopulation liegt bei 26.000 Bären – ein Durchschnittswert aus einer Spanne von 22.000 und 31.000. Die genauen Zahlen für vier der Teilregionen sind als „unbekannt“ aufgeführt.
Foto: Eine Eisbärin und ihr Junges suchen nach Nahrung. Ufer der Hudson Bay in der Nähe von Churchill, Kanada am 5. August 2022. (AFP / Olivier Morin)
„Für die russische Population gibt es keinerlei Daten – auch für das Polarbecken nichts, keine Studien, weil es viel zu abgelegen und teuer ist“, sagte Vongraven vom Norwegischen Polarinstitut.“Über die Hälfte des Gebietes, in dem sich Eisbären aufhalten, wissen wir also nichts.“
Die PBSG hat in ihrem Bericht von 2021, der in der Quellenangabe der Grafik zitiert wird, erklärt, dass sie die Schätzungen seit 1993 angepasst hat.
„Obwohl für mehrere Teilpopulationen inzwischen bessere Informationen vorliegen, fehlen einige Schätzungen, sind veraltet oder unterliegen großer Unsicherheit“, heißt es in dem Dokument.
Vongraven sagte, es sei „logisch, dass diese gesamte Population in den Jahren nach dem Jagdverbot von 1973 zugenommen hat“. Doch die „Tragfähigkeit“, die Anzahl der Bären, die ein bestimmtes Umfeld verkraften kann, habe diese Zahl in Grenzen gehalten.
„In den letzten Jahrzehnten hat der Klimawandel ganz offensichtlich dazu geführt, dass die Tragfähigkeit enorm gesunken ist“, so Vongraven.
Rückgang in der westlichen Hudson Bay
Eisbären sind auf das Meereis angewiesen, um die Robben zu finden, die sie fressen. Das Eis ist immer weiter zurückgegangen und der hohe Norden erwärmt sich bis zu viermal schneller als der Rest der Welt, wie eine im August 2022 in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte Studie zeigt.
Eine im Dezember 2022 veröffentlichte Luftaufnahme der regionalen kanadischen Behörden aus dem Jahr 2021 ergab, dass die Zahl der Eisbären in der westlichen Hudson Bay innerhalb von fünf Jahren um mehr als ein Viertel zurückgegangen ist. Dem Bericht zufolge könnte der Rückgang zum Teil auf die Abwanderung der Bären in benachbarte Gebiete zurückzuführen sein.
Foto: Ein Eisbär an der Küste der Hudson Bay bei Churchill, Kanada. 8. August 2022. (AFP / Olivier Morin)
Die Vereinten Nationen haben das Schmelzen des Meereises dokumentiert und in ihrem jüngsten Bericht zum Klimawandel wird ausführlich dargelegt, wie der Mensch durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur globalen Erwärmung beiträgt. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass der Klimawandel und das schrumpfende Meereis eine Bedrohung für Eisbären und deren Lebensraum darstellen.
Eine Studie aus dem Jahr 2020 hat ergeben, dass die Länge der eisfreien Periode in einigen Gebieten einen entscheidenden Schwellenwert für das Überleben der Bären überschritten haben könnte.
„Die Daten aus den Gebieten, die wir am besten kennen, zeigen eindeutig, dass der Rückgang des Meereises letztlich zu einem Rückgang der Zahl und der Verbreitung der Eisbären führt“, sagte Amstrup von „Polar Bears International“.
„Die Tatsache, dass einige Populationen noch nicht vom Rückgang des Eises betroffen sind und dass wir jetzt den Eindruck haben, dass einige dieser Teilpopulationen größer sind als bisher angenommen, ist eine gute Nachricht. Aber das ist nur vorübergehend gut, wenn die Menschheit die globale Erwärmung nicht aufhält.“
Fazit: Diese Grafik belegt nicht, dass die Eisbärenpopulation wächst. Die Daten, mit denen die Grafik arbeitet, sind unzuverlässig und veraltet. Aus den gestiegenen Zahlen geht lediglich hervor, dass die Schätzungen über die Jahre präziser geworden sind, wie verschiedene Experten erklärt haben. Das Überleben der Eisbären ist trotz allem durch den menschengemachten Klimawandel bedroht, weil ihr Lebensraum immer weiter schrumpft.
Triggerwarnung: In diesem Beitrag wird Material verlinkt, das Gewalt zeigt. „Alles was wir sehen im Fernsehen, ist gelogen“, sagt ein Mann in einem Video auf Facebook. Er raunt gegen Rundfunkgebühren, die EU und das Fernsehen in Deutschland. Mit roter Schrift auf schwarzem Hintergrund wird darin der Text eingeblendet: „So belügt uns ARD und das ZDF“. Ein Facebook-Beitrag mit diesem Video erhielt mehr als 11.000 „Gefällt mir“-Angaben, es kursiert auch auf Youtube.Beleg für die Behauptung sollen zwei kurze Ausschnitte von Nachrichtenbeiträgen des ZDF sein. Im ersten Fall geht es um Aufnahmen einer Explosion: Bei der Tagesschau hieß es, sie stammten aus Syrien, das ZDF sendete dieselben Aufnahmen mit der Ortsangabe Afghanistan. Im zweiten Fall geht es um ein Foltervideo, zu dem es beim ZDF laut dem Video hieß, es zeige Szenen aus Syrien – eigentlich zeigten sie aber den Irak, heißt es in den Beiträgen in Sozialen Netzwerken. Unsere Recherche zeigt: Die Beispiele sind authentisch und die Behauptungen stimmen. In beiden Fällen hat das ZDF tatsächlich die falschen Orte angegeben – und zwar in den Jahren 2011 und 2012. Beide Berichte wurden jedoch innerhalb von wenigen Tagen öffentlich korrigiert.
Ein Video mit Ausschnitten von Sendungen der ARD und des ZDF kursiert online. Die darin bemängelten Fehler sind echt – das ZDF hat sie aber kurz nach dem Vorfall öffentlich eingeräumt (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Das Video stammt von einem Verein, der sich zu einer christlichen Glaubensgemeinschaft bekennt
Zunächst haben wir nach der Quelle des Videos gesucht. Ab Minute 0:44 werden in dem auf Facebook kursierenden Ausschnitt das Jahr 2015 und der Name eines Vereins eingeblendet: „Amazing Discoveries e.V.“ Auf Youtube fanden wir mit den Stichworten „Medien“, „belügen“ und dem Namen des Vereins das Originalvideo, das rund 80 Minuten lang ist. Der aktuell kursierende Ausschnitt fängt bei Minute 6:20 an. Der Titel des Videos lautet: „Mindcontrol [Gehirnkontrolle, Anm. der Red.] – und sie sind doch in unseren Köpfen“. Es wurde 2016 auf dem Youtube-Kanal von „Amazing Discoveries“ veröffentlicht und von Youtube mit dem Warnhinweis versehen, dass es „für jüngere oder sensible Zuschauer nicht geeignet“ sei. Der Begriff Gedankenkontrolle spielt auch eine Rolle in dem Clip, der in Sozialen Netzwerken kursiert. Über dem Video ist auf weißem Grund mit schwarzer Schrift der Text eingeblendet: „Öffentliche Medien sind MK-Ultra.“ MK-Ultra ist der Name eines geheimen Programms zur Gedankenkontrolle des US-Geheimdienstes CIA aus den 1950er-Jahren. „Amazing Discoveries“ ist nach eigenen Angaben ein gemeinnütziger Verein mit Büros in Deutschland und der Schweiz. Der Verein gehört laut eigener Angabe zur protestantischen Freikirche der Siebenten-Tag-Adventisten, die in Deutschland rund 34.000 Mitgliederinnen und Mitglieder hat.
Erster Ausschnitt: ZDF zeigte Aufnahmen aus Homs fälschlicherweise im Kontext von Kabul
Die erste Szene des aktuell verbreiteten Videos zeigt drei Sekunden lang Explosionen in einer Wohngegend, es sind schwarzer Rauch und Flammen zu sehen. Rechts oben ist das Logo der Tagesschau zu erkennen, unten links steht als Ortsangabe Syrien. „Drei Menschen sollen getötet worden sein“, sagt ein Nachrichtensprecher. Der Mann, der die Sendung von „Amazing Discoveries“ moderiert, kommentiert danach: „Selber Tag, ZDF Heute Journal: Plötzlich geht es um Kabul und Taliban“. Dann zeigt er einen weiteren Clip, in dem oben links das ZDF-Logo zu sehen ist. Dieser zeigt dieselbe Explosion, allerdings hört man im Beitrag diesmal den Satz: „Die Botschaft der Taliban ist klar: Wir sind noch da“ – die Bilder werden hier also im Kontext von Afghanistan gezeigt. Beide Beiträge wurden am 15. April 2012 gesendet. Seit mehr als einem Jahr dauerte der Bürgerkrieg in Syrien damals an, in Afghanistan griffen die Taliban mehrere Städte an.Eine Google-Suche mit den Stichworten „Explosion“, „Syrien“, „Homs“ und „Kabul“ führt zu einem Artikel der Medienkritik-Seite Bildblog vom 17. April 2012. Der Bildblog dokumentiert darin den Fehler des ZDF. Die Redaktion des „Heute Journal“ hat demnach den Beitrag in der Mediathek nach einer Reihe von Zuschauerhinweisen entfernt.Auch ein Statement des Senders ist im Bildblog zu finden: „Diese 7 Sekunden lange Einstellung zeigte Aufnahmen aus dem syrischen Homs. Ursache der bedauerlichen Verwechslung war eine falsche Zuordnung der Bilder in unserer Bildschnittdatenbank. Leider ist uns das durchgegangen, obwohl in unseren Sendungen für praktisch jedes Wort und Bild ein Sechsaugen-Prinzip gilt“, so der zuständige ZDF-Redakteur damals gegenüber dem Bildblog.Am 15. April 2012 haben die Tagesschau und das ZDF Heute Journal ein Video mit unterschiedlichen Ortsangaben gesendet. Die Szene zeigt Syrien und nicht Afghanistan, wie das ZDF zunächst fälschlicherweise berichtete. (Quelle: Bildblog; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Auch uns gegenüber bestätigte das ZDF den Fehler. Ein Sprecher schrieb uns, dass wenige Sekunden in einem knapp zweiminütigen Beitrag über die Taliban-Offensive in Afghanistan vom 15. April 2012 falsch zugeordnet worden seien. Der Sender habe seit 2018 eine Korrekturen-Rubrik auf seiner Seite, in der Fehler dokumentiert werden.
Zweiter Ausschnitt: Video zeigt Szenen aus dem Irak, nicht aus Syrien
Das zweite Beispiel stammt ebenfalls vom ZDF, diesmal aus dem Morgenmagazin. Zu sehen ist am Anfang die Moderatorin Dunja Hayali, die einen Beitrag über die Proteste in Syrien anmoderiert. Daraufhin ist ein Video zu sehen, auf dem mehrere Männer in Uniform auf Menschen einprügeln. Dazu erklärt der damalige ZDF-Korrespondent Christian Sievers, es handle sich um ein Video aus Syrien, das Misshandlungen im Gefängnis zeige. Über eine Google-Suche mit den Stichworten „Christian Sievers“, „Video“ und „Syrien“ fanden wir das Datum der Sendung heraus: 17. Mai 2011. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bürgerkrieg in Syrien bereits begonnen.Die Sendung selbst ist in der ZDF-Mediathek nicht mehr abrufbar, Aber wir fanden einen längeren Ausschnitt des Beitrags auf Youtube. Dieser zeigt, dass „Amazing Discoveries“ Kontext ausgelassen hat: Korrespondent Sievers ordnete das Video im Anschluss noch wie folgt ein: „Wir können nicht unabhängig kontrollieren und überprüfen, wo genau diese Videos entstanden sind, wann genau sie entstanden sind.“ Syrien sei komplett abgeschottet, unabhängig berichtende Journalisten gebe es in dem Land nicht mehr. Richtig ist: Dieselbe Szene findet sich seit mindestens 2007 im Netz, ältere Videos ordnen es dem Irak zu. Sucht man bei Google nach „Christian Sievers“, „Video“ und „Syrien“ findet man einen Blogbeitrag, in dem das Video eines arabischen Senders zu sehen ist. Das Video wurde 2007 hochgeladen; es handelt sich laut dem Titel um eine Gewaltszene aus einem Gefängnis im Irak während des Regimes von Saddam Hussein. Ein Vergleich der Videos zeigt, dass es sich um dieselbe Szene handelt: Die Fassade des Gebäudes im Hintergrund, ein Baum und die Position der einzelnen Personen sind identisch.Das ZDF hat 2011 ein Video gezeigt, das angeblich aus Syrien stammen sollte (oben), doch dieselbe Szene findet sich in einem Bericht von 2007 über den Irak. Das ZDF hat den Fehler zugegeben und sich dafür entschuldigt. (Quelle: Youtube; Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)
Das ZDF-Morgenmagazin entschuldigte sich für die falsche Ortsangabe am Tag nach dem Fehler
Ebenfalls auf Youtube zu finden: die Entschuldigung vom ZDF-Morgenmagazin am 18. Mai 2011, also einen Tag nach der Ausstrahlung. „An dieser Stelle haben wir Ihnen gestern Bilder gezeigt – vermeintliche Folterbilder aus Syrien, die man uns hat zukommen lassen. Wir hatten eingeräumt, dass wir die Quelle nicht kennen, dass wir nicht einordnen können, woher die Bilder stammen und wann sie gemacht wurden“, sagt Dunja Hayali. Die Bilder stammten wahrscheinlich aus dem Irak. Zu der Korrektur äußerte sich auch Korrespondent Christian Sievers in der ZDF-Sendung. Er sagte: „Man muss ganz klar sagen, dass alle Bilder, die wir in den letzten Wochen aus Syrien gesehen haben, aus zweiter und dritter Hand stammen. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir selbst gar nicht klären können, wo diese Bilder gemacht wurden, wann diese Bilder gemacht wurden – es ist ganz wichtig, dass wir unsere eigene Unsicherheit, unsere eigene Unklarheit bei diesen Bildern transparent machen.“Fazit: Beide Fehler sind dem ZDF tatsächlich passiert, der Sender hat falsche Ortsangaben zu gezeigten Aufnahmen gemacht. Der aktuell auf Facebook kursierende Beitrag lässt doch wesentlichen Kontext aus: Die Fehler liegen inzwischen mehr als zehn Jahre zurück. Das ZDF hat beide Fehler wenige Tage nach der Ausstrahlung transparent zugegeben.Redigatur: Sarah Thust, Uschi Jonas
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
„Wie eine Explosion der anderen“, Bildblog, 17. April 2022: Link
Über Musliminnen und Muslime kursieren im Internet immer wieder Falschbehauptungen. In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, über das fälschlicherweise behauptet wird, es zeige, wie betende Muslime in Frankreich gewaltsam von der Straße entfernt würden. Tatsächlich zeigt der Clip, wie Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Protestgruppe „Dernière Rénovation“ während einer Sitzdemonstration in Paris von der Straße gezogen werden.
Das Video wurde am 22. Dezember 2022 auf Englisch auf Twitter veröffentlicht, sowie mit ähnlichen Behauptungen auf Facebook und Youtube geteilt und erreichte so hunderte Nutzerinnen und Nutzer.
Die Behauptung: Auf dem 55-sekündigen Video ist zu sehen, wie zwei Männer eine Reihe von Menschen mit orangefarbenen Westen anpacken und wegziehen, die den Verkehr auf einer belebten Straße blockieren. Im Beitrag heißt es: „Frankreich. Die Leute steigen aus ihren Autos aus und räumen die von Namazis besetzte Straße.“ Der Begriff „Namazi“ bezeichnet im Englischen umgangssprachlich fromme Muslime, die ihren Gebeten nachgehen.
Screenshot der Behauptung: 27. Dezember 2022
Rund um Demonstrationen von Klimagruppen hat AFP bereits in der Vergangenheit Falschinformationen überprüft, etwa die Behauptung, ein Aktivist habe bei einer Protestaktion seine Hand verloren. Auch über Musliminnen und Muslime kursieren immer wieder Falschbehauptungen. Ein Video zeige beispielsweise angeblich spuckende Muslime in Paris, stammt in Wahrheit aber von einem Polizeieinsatz gegen Hooligans in Bukarest.
Video von Klimaprotestaktion
Ein Mann in schwarzem T-Shirt und Jeans ist zu hören, wie er die Demonstrierenden mit französischen Schimpfwörtern dazu auffordert, die Straße zu verlassen, da „sie nerven“. Die Behauptung, dass hier Muslime in ihrem Gebet unterbrochen würden, mit der das Video in sozialen Netzwerken verbreitet wurde, ist falsch.
Eine umgekehrte Bildsuche mit Google unter Verwendung von Schlüsselszenen aus dem Video führt zum offiziellen Youtube-Kanal von Sky News Arabia, wo das Video am 1. Dezember 2022 veröffentlicht wurde.Der arabische Titel lautet dort“Fußgänger in Frankreich entfernen Umweltaktivisten gewaltsam von der Straße“.
Die britische Tageszeitung „The Daily Express“ verwendete in einem Artikel vom 2. Dezember 2022 Screenshots aus einem ähnlichen Video und berichtete, dass in Paris Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten von der Straße entfernt wurden. Ein Vergleich zeigt, dass es sich um dieselbe Szene handelt:
Screenshot-Vergleich des irreführenden Beitrags und des Youtube-Videos von Sky Arabia, aufgenommen am 27. Dezember 2022.
Ein genauer Blick auf Logo und Text auf der Rückseite der orangefarbenen Weste, die einer der Aktivisten trägt, enthüllt die Worte „Dernière Rénovation„, was „Letzte Renovierung“ bedeutet. Wie die deutsche Bewegung „Letzte Generation“ ist die „Dernière Rénovation“ Teil des internationalen Netzwerks ziviler Widerstandsprojekte „A22“ und organisiert ähnliche Aktionen. Ihr Name taucht auch im aktuell geteilten Video auf:
Screenshot-Vergleich der Aktivistenweste: irreführender Beitrag (links) und Twitterbeitrag der „Dernière Rénovation“ (rechts) erstellt am 27. Dezember 2022.
Die Klimaaktivistinnen und -aktivisten haben, ähnlich wie die „Letzte Generation“ in Deutschland, in Frankreich Sitzstreiks veranstaltet, um die Regierung aufzufordern, ihre Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu verstärken. AFP hat bereits hier und hier über die Proteste der Gruppe berichtet. Die
Dieses Foto wurde von der Aktivistengruppe am 26. November 2022 hochgeladen und zeigt eine Straße, die der entspricht, die auch im Video der verbreiteten Beiträge zu sehen ist.“Sieben Bürgerinnen und Bürger, die #DernièreRénovation unterstützen, blockieren den Pont du Saint-Cloud à Boulogne-Billancourt“, heißt es im Tweet.
AFP fand heraus, dass das Video in den geteilten Beiträgen hier auf der Pont de Saint-Cloud, einer Brücke im Westen von Paris, aufgenommen wurde.
Ein Screenshot-Vergleich zwischen dem Video in den verbreiteten Beiträgen (links) und der gleichen Blickrichtung auf Instant Street View (rechts) belegt, den Aufnahmeort.
Ein Screenshot-Vergleich zwischen dem Video in den falschen Beiträgen (links) und demselben Ort auf Instant Street View (rechts).
Fazit: Auf diesem Video werden keine betenden Muslime in Frankreich gewaltsam von der Straße gezerrt. Es handelt sich um Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die in einer Sitzdemonstration eine Änderung des politischen Handelns bezüglich des Klimawandels bewirken wollen. Das belegt unter anderem ein Tweet der französischen Protestgruppe „Dernière Rénovation“, die den Sitzstreik organisiert hatte.
Ein zentrales Element russischer Propaganda ist die Darstellung der Ukraine als faschistisch und durchsetzt von Neonazis. Immer wieder tauchen in sozialen Bilder oder Berichte auf, die dafür angeblich die Beweise liefern sollen – so etwa in einem aktuellen Facebook-Beitrag: «Vermeintliche ukrainische Flüchtlinge an einem Strand in Kroatien», steht über einem Foto, das zwei Männer in Badehosen vor Sonnenschirmen zeigt (hier archiviert). Auf ihren nackten Oberkörpern haben sie eindeutige Nazi-Tätowierungen, etwa ein Porträt von Adolf Hitler mit dem Schriftzug «Sieg Heil» oder Hakenkreuze. Doch sind die dargestellten Männer wirklich Ukrainer?
Bewertung
Beide Männer mit den Nazi-Tätowierungen kommen aus Ungarn, sind also keine ukrainischen Flüchtlinge. Das Foto wurde Anfang Juli 2022 in der kroatischen Küstenstadt Rijeka aufgenommen. Es gibt Hinweise darauf, dass die beiden mit einer ungarischen Neonazi-Gruppe unterwegs waren.
Fakten
Das auf Facebook geteilte Foto ist beschnitten und verrät wenig über den möglichen Standort in Kroatien. Mehr Einblick gibt ein Tweet mit größeren Versionen der Bilder, der sich über eine Bilderrückwärtssuche finden lässt. Dieser Beitrag gibt auch einen Ort an: die Strandbar Morski Prasac in der Hafenstadt Rijeka in Kroatien.
Diese Bilderrückwärtssuche hat das dpa-Faktencheckteam in den Niederlanden ausgeführt, denn in Deutschland wird der Tweet aus rechtlichen Gründen nicht angezeigt. Möglicherweise weil Twitter darin einen Verstoß gegen das Verbot des Zeigens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sieht, worunter das Hakenkreuz fällt.
Die Ortansangabe der kroatischen Strandbar Morski Prasac lässt sich anhand weiterer Fotos verifizieren. Die hellgelben Sonnenschirme mit blauem Schriftzug sind die gleichen wie auf dem Foto, ebenso die Bar mit hellblauem Dach. Die Bilder der Männer mit Nazi-Tattoos wurden also tatsächlich in Rijeka aufgenommen.
Auch Lokalmedien haben die Fotos aufgegriffen. So schreibt beispielsweise die kroatische Nachrichtenseite «Dnevnik», dass die örtliche Polizei am 13. Juli Hinweise auf die Männer mit den Nazi-Tätowierungen erhalten habe. Ihre Ermittlungen hätten ergeben, dass die beiden den Strand zehn Tage zuvor, Anfang Juli, besucht hatten, teilte die Polizei «Dnevnik» mit.
«Antifasisticki Vjesnik», eine antifaschistische kroatische Website, die die Fotos auf Twitter geteilt hatte, wies auch auf die Identität eines der beiden Männer hin. Der Mann links mit den Gesichtstattoos ist demnach kein ukrainischer Flüchtling, sondern kommt aus Ungarn.
Anhand seines Äußeren und seiner Tätowierungen ist er auf Fotos von Veranstaltungen der Neonazi-Szene zu erkennen. Dazu gehört eine Veranstaltung 2020 in Budapest. Anlass war der 63. Geburtstag von Ian Stuart, einem englischen Neonazi-Musiker, der 1993 starb. Dort nahm der Mann aus der Strandbar an einem Tauziehen-Wettbewerb teil. Damals hatte er noch weniger Gesichtstattoos, aber die Tränentätowierung unter dem rechten Auge und die Tattoos auf dem rechten Arm sind deutlich zu erkennen.
Außerdem ist der Mann auf Fotos eines Konzerts im Jahr 2018 zu erkennen. Darauf spielt er Bass in einer ungarischen rechtsextremen Band namens Fehér Vihar. Die Band ist mit «Blood and Honour» Ungarn verbunden, einem regionalen Ableger einer internationalen Neonazi-Gruppe. «Blood & Honour» ist auch in Deutschland aktiv und als Organisation seit 2000 vom Verfassungsschutz verboten.
Der zweite Mann mit Nazi-Tätowierungen auf den Fotos kommt ebenfalls aus Ungarn, ist also auch kein ukrainischer Flüchtling. Darauf hingewiesen hatte eine Facebook-Seite der Antifa in Budapest. Auch bei ihm zeigt ein Abgleich markanter Tätowierungen, wie dem Spinnennetz am Ellbogen, dass es sich um denselben Mann wie in der Strandbar handelt. Über soziale Medien sind die beiden Männer zudem als Freunde verbunden. An dieser Stelle verzichtet das Faktencheck-Team der dpa anders als sonst auf einen Link, da sonst zu privaten Social-Media-Profilen verlinkt werden müsste.
Die ungarische Gruppe von «Blood and Honour» organisierte laut ihrem Telegram-Kanal am 2. Juli eine Gedenkveranstaltung in Kroatien. 2019 fand dieselbe jährliche Veranstaltung in einer «kroatischen Küstenstadt» statt. Rijeka wird zwar nicht explizit erwähnt, passt aber zur Beschreibung und könnte die Anwesenheit der Männer erklären.
(Stand: 25.07.2022)
Das angebliche Zitat des russischen Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyn kursiert als Sharepic in verschiedenen sozialen Netzwerken. Der Schriftsteller soll gesagt haben: «Wir wissen, sie lügen. Sie wissen, sie lügen. Sie wissen, dass wir wissen, sie lügen. Wir wissen, dass sie wissen, dass wir wissen, sie lügen. Und trotzdem lügen sie weiter.» Hat sich der Schriftsteller wirklich so geäußert?
Bewertung
Es gibt keine Belege, dass sich Alexander Solschenizyn so geäußert hat. Das Zitat stammt offenbar von der russischen Autorin Elena Gorokhova.
Fakten
Das angebliche Zitat kursiert schon seit mehreren Jahren und wurde im Zusammenhang mit Kritik an den Corona-Maßnahmen oder mit dem Hashtag #Nawalny verbreitet. Im Prozess zum Abschuss des Passagierflug MH17 über der Ostukraine wurde das Zitat von der Angehörigen eines Opfers verwendet.
Google-Suchen mit dem vollständigen Spruch oder Bestandteilen davon und dem Namen «Solschenizyn» führen zwar zu Varianten des Zitats in verschiedenen sozialen Netzwerken. Aus welchem Buch oder Kontext es stammen soll, ist jedoch an keiner Stelle angegeben.
Eine Suche in den Werken Solschenizyns liefert keine Ergebnisse. Stattdessen lässt sich das Zitat in einer ähnlichen Form in einem anderen russischen Buch finden. Die Autorin Elena Gorokhova erzählt in ihrem autobiografischen Roman «Goodbye Leningrad» vom Leben in der sowjetischen Diktatur.
Auf Seite 181 fällt das Zitat nahezu wortgleich: «Die Regeln sind ganz einfach: Sie belügen uns, wir wissen, dass sie lügen, sie wissen, dass wir wissen, dass sie lügen, aber trotzdem lügen sie weiter, und wir tun weiter so, als würden wir ihnen glauben.» Die Autorin bestätigt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass das Zitat von ihr stamme.
Auch Elisa Kriza, die an der Universität Bamberg zu slawischer Literaturwissenschaft forscht, hält es unwahrscheinlich, dass sich Solschenizyn so geäußert hat. Der dpa erklärt sie, dass die Aussage sich «stark von dem Ton seiner Texte» unterscheide. Kriza beschäftigt sich in ihrer Forschung intensiv mit dem Werk Solschenizyn und hat dazu mehrere Publikationen veröffentlicht.
Solschenizyn äußerte sich in seinen Büchern immer wieder kritisch über staatliche Autoritäten. Für seine Erzählungen über den Alltag im stalinistischen Lagersystem erhielt er den Literaturnobelpreis.
(Stand: 12.10.2022)
Online wird behauptet, dass Edeka zu seinem 115. Geburtstag Geschenkboxen und 500 Euro an Nutzerinnen und Nutzer verschenke. Aber das stimmt nicht.
Bewertung
Das Gewinnspiel stammt nicht von der offiziellen Facebook-Seite von Edeka; es ist gefälscht. Die im Post verwendeten Bilder sind aus alter Berichterstattung über Edeka zusammengesucht.
Fakten
Fake-Verlosungen lassen sich anhand einiger Hinweise erkennen – am Beispiel erklärt:
Bereits der Name der Facebook-Seite, die das vermeintliche Gewinnspiel verbreitet, lässt aufhorchen: Sie heißt Edeka Fans. Das klingt nicht nach der offiziellen Facebook-Seite von Edeka. Außerdem hat sie nur 145 Follower, was für ein so großes bekanntes Unternehmen auffällig wenige sind. Die offzielle Facebook-Seite von Edeka hat mehr als 1,2 Millionen Follower.
Ein Blick auf die Seitentransparenz zeigt, dass die Seite zwar schon 2016 eingerichtet wurde, aber bis zum 26. Oktober 2022 anders hieß. Ein weiterer Hinweis für eine Fälschung ist das fehlende Impressum. Gewerblich genutzte Seiten müssen laut Gesetz ein Impressum haben, das unter anderem eine Postadresse und Kontaktmöglichkeiten enthält. Auffällig ist zusätzlich, dass die Seite insgesamt nur zwei Posts zeigt. Der erste Post ist ebenfalls ein falsches Gewinnspiel.Auch eine Bilderrückwärtssuche hilft, Fake-Verlosungen zu entlarven: Dieses Mal haben die Betrüger mehrere Bilder von alten Berichten über Edeka-Aktionen kopiert. Das Foto, auf dem vier Personen ein Schild halten, stammt etwa von einer Zusammenarbeit zwischen Edeka und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) im Jahr 2016.Das Bild, auf dem Edeka-Mitarbeitende Tüten halten, wurde bei einer Aktion im Februar 2022 gemacht. In einem Medienbericht mit dem entsprechenden Foto ist zu lesen, dass es sich dabei um eine Aktion gegen Lebensmittelverschwendung handelte.Die offiziellen Facebook-Seiten von Unternehmen erkennt man oft an dem Verifizierungsabzeichen, also einem kleinen weißen Häkchen auf blauem Grund. Dieses Zeichen bedeutet, dass die Seite des Unternehmens von Facebook geprüft und als echt anerkannt wurde.Verbraucherschützer und die Polizei warnen immer wieder davor, bei dubiosen Gewinnspiel-Angeboten die eigene E-Mail-Adresse oder sonstige persönliche Daten weiterzugeben – auch weil diese Daten verkauft werden können.(Stand: 1.11.2022)
Vor allem sogenannte Reichsbürger verbreiten hartnäckig den verschwörungsideologischen Glauben, dass Deutschland kein souveräner Staat sei. Oft verweisen sie auf Gerichtsurteile, Gesetzesdetails oder Aussagen von Politikern als vermeintliche Belege. «Der Staat BRD wurde NIE gegründet (siehe Herr Dr. Carlo Schmid, SPD, Parlamentarischer Rat am 08.09.1948 und unsere obersten Richter bestätigten dies am 31.07.1973)», heißt es etwa in einem Facebook-Beitrag. Was ist da dran?
Bewertung
Falsch. Deutschland ist ein souveräner, international anerkannter Staat. Die Aussagen von Carlo Schmid und des Bundesverfassungsgerichts werden aus dem Zusammenhang gerissen und fehlinterpretiert.
Fakten
Der SPD-Politiker und spätere Bundesminister Carlo Schmid wirkte in den Jahren 1948 und 1949 im Verfassungskonvent und im Parlamentarischen Rat an der Ausarbeitung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mit. In einer Rede im Jahr 1948 sagte er: «Wir haben nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu machen. Wir haben keinen Staat zu errichten. Wir haben etwas zu schaffen, das uns die Möglichkeit gibt, gewisser Verhältnisse Herr zu werden.»
Schmid begriff das Grundgesetz tatsächlich als ein Provisorium, da die Sowjetische Besatzungszone – die spätere DDR – nicht einbezogen wurde. Erst seit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ist das Grundgesetz die Verfassung der gesamten Bundesrepublik, also auch der ostdeutschen Bundesländer. Damals entschied man sich dagegen, für das wiedervereinigte Deutschland eine komplett neue Verfassung zu entwerfen. Schmids Aussage bezieht sich also auf eine konkrete historische Situation, die sich heute ganz anders darstellt.
Der Verweis auf eine Bestätigung der «obersten Richter» am 31. Juli 1973 bezieht sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Damals stellten die Verfassungsrichter fest, dass der Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dieser wurde von der damaligen sozialliberalen Bundesregierung und der DDR geschlossen, um während der Teilung die Beziehungen beider Staaten zueinander zu regeln.
Bayern hatte daraufhin beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren gegen den Vertrag beantragt, weil er gegen das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes verstoßen würde. Immer wieder greifen Reichsbürger einzelne Sätze aus der Entscheidung des Gerichts und interpretieren sie falsch.
So heißt es zwar wörtlich in dem Urteil: «Das Deutsche Reich existiert fort (…)» und «Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht «Rechtsnachfolger» des Deutschen Reiches (…)». Doch einerseits wird dabei oft der zweite Teil des Satzes ignoriert: «sondern als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich“ in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings „teilidentisch“, sodass insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht.» Das Bundesverfassungsgericht ist also nicht der Ansicht, dass es noch ein reales Deutsches Reich gibt, sondern es viel mehr – zumindest zum Teil – in der Bundesrepublik aufgegangen ist.
Andererseits waren die Fragen zur Rechtsnachfolge in dem Urteil von 1973 relevant, weil es beim Grundlagenvertrag um konkrete völkerrechtliche Detailfragen ging. «Das BVerfG und die westdeutsche Staatsrechtslehre vertraten die Auffassung, dass in Deutschland spätestens mit dem Abschluss des Grundlagenvertrages (1973) zwei Staaten bestanden, die Völkerrechtssubjekte waren, füreinander aber nicht Ausland. Gleichzeitig ging man davon aus, dass über beiden Staaten rechtlich ein handlungsunfähiges Gesamtdeutschland existierte, für das die Vier Mächte Verantwortung trugen», schreibt das Innenministerium von Sachsen-Anhalt.
Als Deutschland dann wiedervereinigt wurde, klärten sich diese Fragen insofern, als nur noch ein souveräner deutscher Staat als Völkerrechtssubjekt existierte. So schreiben etwa die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags: «Der am 15. März 1991 in Kraft getretene Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 markiert den Schlusspunkt der schrittweisen Wiederherstellung der vollen Souveränität Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.»
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag regelte im Zuge der Vereinigung der damals beiden deutschen Staaten die Außenpolitik der neuen Bundesrepublik mit den Alliierten. In Artikel 7 heißt es ausdrücklich: «Die Französische Republik, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten von Amerika beenden hiermit ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes.»
Damit endete der Sonderstatus Deutschlands, der seit 1945 in einer Art internationaler Vormundschaft durch die vier Siegermächte bestanden hatte. Die Bezeichnung «Grundgesetz» wurde nach der Wiedervereinigung für die Verfassung Deutschlands beibehalten. Das Bundesverfassungsgericht schreibt dazu: «Ein anderes Wort für Grundgesetz ist Verfassung.»
Teile der Reichsbürgerszene werden von den Behörden als rechtsextrem eingestuft. «Reichsbürger» und auch sogenannten Selbstverwalter sprechen den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab. In seinem jüngsten Jahresbericht von 2021 rechnet der Verfassungsschutz bundesweit etwa 21 000 Menschen zu diesen Gruppen.
(Stand: 31.10.2022)
Wenn Fotos von Demonstrationen verbreitet werden, auf denen Menschen den verbotenen Hitlergruß zeigen, versuchen einige Nutzerinnen und Nutzer immer wieder, Zweifel an der Echtheit oder den Hintergründen der Aufnahmen zu wecken. Ein Beispiel: Ein Mann, der auf einer Demonstration der AfD in Berlin im Oktober 2022 mutmaßlich den Gruß gezeigt hat, habe das schon vier Jahre zuvor bei rechtsextremen Protesten im sächsischen Chemnitz getan. Fotos zeigten angeblich dieselbe Person, heißt es zu einer Gegenüberstellung von zwei Aufnahmen.
Bewertung
Es gibt keine Belege, dass es derselbe Mann ist. Zieht man weitere Aufnahmen aus beiden Jahren heran, zeigen sich eindeutige optische Unterschiede zwischen den beiden Männern.
Fakten
Am 8. Oktober 2022 veranstaltete die AfD unter dem Motto «Unser Land zuerst!» in Berlin eine Großdemonstration gegen die Politik der Bundesregierung. Nach Polizeiangaben nahmen rund 10 000 Menschen teil.
Während der Demonstration entstanden mehrere Aufnahmen, auf denen Teilnehmende mutmaßlich den verbotenen Hitlergruß zeigen. Ein Mann ist auf dem Leipziger Platz mit einer Flasche in der rechten Hand und lang ausgestrecktem linken Arm zu sehen. Der nationalsozialistische Gruß wäre also nicht ganz korrekt ausgeführt – dafür wird der rechte Arm verwendet.
Unter anderem eine Facebook-Nutzerin legt in einem Posting nahe, dass derselbe Mann auch mit einem Hitlergruß auf einem Foto von einer Demonstration am 27. August 2018 in Chemnitz zu sehen sei. Anlass für die Annahme ist offenbar lediglich eine grobe Ähnlichkeit. Darüber hinausgehende Belege werden in den sozialen Netzwerken nicht präsentiert.
Weiteres Foto- und Videomaterial von beiden Demonstrationen zeigt, dass die Vermutung falsch ist. Von der Demonstration in Berlin gibt es ein rund dreisekündiges Video, in dem der Mann den Arm hebt. Auch der Hitlergruß in Chemnitz ist auf Video festgehalten worden. Der Mann, der den Arm hebt, ist zudem auf weiteren Fotos zu sehen. Er gab vor Ort ein Video-Interview und zeigte den Hitlergruß auch währenddessen.
Alle Aufnahmen machen deutlich: Die Augenpartien der beiden Männer unterscheiden sich eindeutig voneinander. Insbesondere die Augenbrauen sind beim Mann in Chemnitz stärker ausgeprägt. Auch die Nasen sehen unterschiedlich aus. Zudem sind die rechten Hände der Männer unterschiedlich tätowiert.
Zu der Demonstration in Chemnitz im Jahr 2018 hatten rechte und rechtsextreme Gruppierungen aufgerufen. Anlass waren der gewaltsame Tod eines Mannes und Berichte, wonach die Täter Flüchtlinge gewesen seien. Bei den Protesten kam es zu Angriffen auf Gegendemonstranten und Medienvertreter. Auch in den Tagen vor und nach dem 27. August gab es in Chemnitz rechte Demonstrationen und Ausschreitungen.
Der Mann auf dem Foto wurde später wegen des Hitlergrußes und wegen Beleidigung zu einer Strafe von sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, wie das Amtsgericht Chemnitz auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte. Zudem wurden weitere Demonstranten für ihre Hitlergrüße wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt.
Über den Mann im Foto kursierten anschließend im rechten Spektrum Gerüchte, wonach er eigentlich antifaschistischen Gruppen angehöre. Vor Ort rief er aber rechtsextreme Parolen, was in einem Video dokumentiert ist. Der Mann wirkt dabei stark angetrunken.
Zu dem Mann, der im Oktober 2022 in Berlin mutmaßlich den Hitlergruß zeigte, wurden nach Angaben der Berliner Polizei gegenüber dpa Ermittlungen zur Identifizierung eingeleitet. Direkt nach der AfD-Demonstration hatte die Polizei zudem von zwei Festnahmen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen berichtet. Beide Fälle – der mutmaßliche Hitlergruß einer Frau sowie eine Abwandlung, der sogenannte Kühnengruß – passen aber nicht zu der Szene, die in dem online kursierenden Foto zu sehen ist.
(Stand: 2.11.2022)
Europa steht angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor neuen Herausforderungen – insbesondere in der Energiepolitik. Weil eine Gasknappheit nicht mehr ausgeschlossen werden kann, spielt die Gas-Versorgung in Deutschland für viele Menschen derzeit eine wichtige Rolle. Facebook-Nutzer verbreiten in diesem Zusammenhang ein Video von Wladimir Putin. In einer Rede soll der Kremlchef angeblich gesagt haben, dass Russland künftig nur noch Gas an die Türkei liefern werde. Dazu ist eine vermeintliche Übersetzung zu sehen. «Wenn der Westen etwas will, ist ab jetzt die Türkei der Gesprächspartner», heißt es in dem eingeblendeten Text.
Bewertung
Die Übersetzung ist falsch. Putin hat in seiner Rede bei der Russian Energy Week 2022 nicht gesagt, dass Russland künftig nur noch Gas an die Türkei liefern werde. Stattdessen sprach er davon, dass Russland bereit sei, Gaslieferungen an Europa über die Türkei abzuwickeln – sofern die Partner daran interessiert seien.
Fakten
Wladimir Putin hat am 12. Oktober bei der Russian Energy Week 2022 in Moskau eine Rede gehalten. In dem bei Facebook geteilten Video sind einige Hinweise darauf zu finden, dass es sich in dem Clip um eben diese Rede handelt: Nach wenigen Sekunden ist das Logo der russischen Energiewoche im Hintergrund zu erkennen.
Der Kreml veröffentlichte den Wortlaut der Rede sowie eine Aufzeichnung mit englischer Übersetzung auf seiner Webseite. Die im geteilten Video vermeintlich übersetzen Aussagen sind im Originaltext jedoch nicht enthalten. Der Clip zeigt zudem nur einen Ausschnitt der Rede. In der Kreml-Aufzeichnung beginnt dieser Ausschnitt etwa ab Minute 21:39.
Was hat Wladimir Putin wirklich gesagt?
Wie im Wortlaut der Rede nachzulesen ist, hat der Kremlchef eine verstärkte Umleitung von russischem Gas über die Türkei nach Europa in Aussicht gestellt. «Den verloren gegangenen Umfang des Gastransits über Nord Stream könnte Russland durch das Schwarze Meer leiten und so in der Türkei einen riesigen Gas-Hub schaffen, wenn unsere europäischen Partner daran interessiert sind», sagte Putin. Zugleich lobte der russische Präsident die Pipeline Turkstream, die durch das Schwarze Meer in die Türkei und nach Südeuropa führt, als sicherste Route für russisches Gas.
Seine Aussagen beziehen sich dabei also auf vereinbarte Gaslieferungen über die Ostsee-Pipelines Nord Stream. Ende September waren beide von Russland nach Deutschland führenden Stränge der Pipeline Nord Stream 1 und einer der beiden Stränge von Nord Stream 2 durch Explosionen beschädigt worden. Vertreter der EU und der Nato sprachen anschließend von Sabotage. Putin bezeichnete die Vorfälle in seiner Rede als internationalen Terroranschlag.
(Stand: 3.11.2022)
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine wächst auch in Polen die Angst vor einer Ausweitung des Angriffskriegs gegen das eigene Staatsgebiet. Das EU- und Nato-Land rüstet massiv gegen eine Bedrohung durch Moskau auf. Im Netz verbreitet sich Ende Oktober jedoch die Behauptung, Warschau selbst plane, in die Ukraine einzumarschieren. Das habe angeblich eine belgische Nachrichtenseite berichtet. Doch folgt man der Spur dieser Theorie, landet man bei pro-russischen Propagandisten.
Bewertung
Falsch. Polen hat keine solchen Pläne. Die Geschichte stammt von einer Fake-News-Seite.
Fakten
Am 29. Oktober 2022 berichtet die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti, in Polen gäbe es angeblich Pläne, die West-Ukraine zu erobern und ein Referendum über den Beitritt der besetzten Gebiete zum EU-Land abzuhalten. Auch der in Deutschland gesperrte russische Staatssender RT Deutsch, der im Westen als Propagandainstrument des Kremls gilt, berichtet über die vermeintlichen Absichten Warschaus.
Verwiesen wird dabei von beiden auf Angaben der Internetseite «Modern Diplomacy» – ein von der Aufmachung her zunächst offenbar seriöses belgisches Online-Magazin, das mindestens seit 2013 im Netz zu finden ist. Es wird der Anschein erweckt, selbst ein EU-Medium berichte über das Vorhaben. Doch dieser Eindruck täuscht, wie unter anderem der Reporter der Investigativ-Plattform Bellingcat, Christo Grozev, ausführlich analysiert.
Doch der Reihe nach. In einem vier Tage später gelöschten (aber hier archivierten) Bericht vom 27. Oktober 2022, der aktuell weiter als Screenshot in sozialen Medien massiv herumgereicht wird, heißt es bei «Modern Diplomacy»: Die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bereite die Einverleibung der «westlichen Randgebiete» der Ukraine vor. «Der PiS-Plan, die Republik Polen in den Grenzen der „historischen Gebiete“ wiederauferstehen zu lassen, scheint lange vor der russischen Militäroperation in der Ukraine Gestalt angenommen zu haben», schreibt das Magazin – und verbreitet es so auch auf Facebook.
Mit «historischen Gebieten» ist gemeint, dass Polen vor dem deutschen Überfall im Jahr 1939 Regionen umfasste, die teilweise heute zur Ukraine gehören.
«Modern Diplomacy» ist keine glaubwürdige Quelle. Das Portal beschreibt sich selbst als «außerordentlich wertvolle Plattform für die Bewertung und Beurteilung komplexer internationaler Themen, die oft außerhalb der Grenzen westlicher Mainstream-Medien und Wissenschaft liegen». Eine solches Statement und diese Wortwahl sollten bereits an der Seriosität des Portals zweifeln lassen.
Am Ende des Artikels über die angeblichen Pläne Warschaus verlinkt «Modern Diplomacy» auf den gleichlautenden Text auf einer Seite namens «International Affairs», der dort am 26. Oktober veröffentlicht wurde. Die Plattform und das dazugehörige Print-Produkt werden vom russischen Außenministerium herausgegeben, heißt es in der Selbstbeschreibung.
«International Affairs» wiederum verweist auf das polnische Portal «Dziennik Polityczny» (teilweise auch als «Niezalezny Dziennik Polityczny» bekannt). Dort erschien die Story am 19. Oktober unter einer Überschrift, die so viel bedeutet wie: «Europäische Hyänen haben bereits damit begonnen, das Aas zu teilen. Die Hilfe [gemeint ist: die Hilfe der EU] für die Ukraine war keineswegs uneigennützig.»
Bei «Dziennik Polityczny» handelt es sich um eine Desinformationsseite, die schon häufiger von polnischen Faktencheckern der Lüge überführt wurde – etwa von «Demagog Association» oder von «Przeciwdzialamy Dezinformacji». Nach Angaben des polnischen Portals «True Story» verbreitet «Dziennik Polityczny» seit Jahren russische Propaganda.
Investigativ-Reporter etwa von «VSquare», «Re:Baltica» oder «Oko Press» beschreiben in ihren Artikeln eine Verbindung zu russischen Geheimdiensten.
Die Köpfe hinter «Dziennik Polityczny» sind nicht bekannt. Der Link der Internetseite auf ein angebliches Twitter-Profil führt auf ein gesperrtes Konto. Von dem auf dem Online-Portal angegebenen angeblichen Chefredakteur Adam Kaminski gab es etwa im Mai 2020 noch einen Twitter-Account. Doch auch dieses Profil ist heutzutage gesperrt. Es war allerdings schon früher Fake. Denn das angebliche Profil-Foto Kaminskis zeigte eigentlich einen Orthopäden an einem litauischen Krankenhaus.
Zusammengefasst: Die völlig unbelegte Information einer dubiosen Quelle hat sich über verschiedene Kanäle und Verlinkungen verselbstständigt – ausgehend von einer polnischen Fake-News-Seite über eine Plattform, die vom russischen Außenministerium betrieben wird, zu einer belgischen Desinformationsseite – und schlussendlich in die Berichterstattung einer russischen Nachrichtenagentur.
Das Phänomen, eine Falschinformation auf diese Weise zu streuen, ist nicht neu. «Viele unterschiedlich aussehende, gefälschte Websites zu unterhalten anstatt einiger weniger populärer hat ein bestimmtes Ziel: den Eindruck zu erwecken, dass eine bestimmte Desinformationsgeschichte «überall in den Nachrichten» ist», beschreibt etwa das bulgarische Medien-Monitoring-Unternehmen Sensika eine solche Strategie.
In Polen ist diese Art der pro-russischen Propaganda bereits bekannt. Im Juni berichtete das Nachrichten-Portal «WP Wiadomosci» über den Vorwurf des russischen Außenministers, Sergej Lawrow, Polen wolle Teile der West-Ukraine erobern. In dem Artikel wird klargestellt, dass dies russische «Erfindungen» waren. Im aktuellen Fall ist in polnischen Medien kein Bericht über die angeblichen Pläne zu finden – ein weiterer Hinweis dafür, dass an der Sache selbst nichts dran ist.
Zudem gibt es keinerlei Statement der polnischen Regierung oder des Präsidenten zu diesem Vorwurf oder Sachverhalt. Zuletzt hatte Präsident Andrzej Duda in einem Interview gesagt: «Wir wissen, dass für die Sicherheit Europas der russische Imperialismus gestoppt werden muss. Das bedeutet für mich die Verdrängung Russlands von den international anerkannten Grenzen der Ukraine.» Die Aussage unterstreicht, dass Polen die ukrainischen Grenzen anerkennt.
Pro-russische Trolle versuchen also, Polen einen geplanten Einmarsch in die Ukraine zu unterstellen. Dabei ist es Russland selbst, das sich seit seinem Überfall auf den Nachbarn Gebiete der Ukraine einverleibt hat. Ende September besiegelte Kremlchef Wladimir Putin die Annexion der besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. International wird dies indes nicht anerkannt.
(Stand: 3.11.2022)
Kriege werden zunehmend auch im Internet geführt. So behauptet das russische Außenministerium in einem Tweet mit mehreren Fotos, dass die Ukraine an einer «schmutzige Bombe» mit radioaktivem Material arbeite. Was steckt hinter diesen Bildern und was hat Slowenien damit zu tun?
Bewertung
Die Bilder sind kein Beweis für den Bau einer «schmutzige Bombe» seitens der Ukraine. In dem Tweet ist ein Foto aus Slowenien aus dem Jahr 2010 und Fotos von Atomanlagen in Russland und in der Ukraine zu sehen.
Fakten
Am 24. Oktober teilte das russische Außenministerium auf Twitter unter anderem ein Bild von Plastiktüten, die mit weißen Behältern gefüllt sind. Das soll ein Beweis für den Bau der ukrainischen «schmutzigen Bombe» sein.
Nur einen Tag später klärte die slowenische Regierung aber auf, was auf dem Foto wirklich zu sehen ist: Rauchmelder aus dem Jahr 2010, die Strahlenquellen enthalten. Das Bild stammt von der slowenischen Agentur für Atommüllentsorgung ARAO und wurde unter anderem bei einer Präsentation verwendet, die auf Mai 2010 datiert ist (Bild 3).
Auf den Plastiktüten ist unter dem gelben Strahlenwarnschild deutlich das Wort «radioaktivno» zu erkennen. Das ist Slowenisch für «radioaktiv». Auf Ukrainisch heißt es hingegen «радіоактивний» oder «radioaktyvny».
Das Bild unten links unter der englischen Überschrift «Wissenschaftliche Forschungsreaktoren» zeigt das Kernkraftwerk Belojarsk in Russland. Es kann über eine umgekehrte Bildersuche unter anderem in diesem russischen Nachrichtenartikel gefunden werden, in dem es um dieses Kernkraftwerk geht. Ein weiteres Bild aus einem anderen Blickwinkel zeigt dieselbe Anlage.
Auf dem Foto rechts daneben ist ein Mann in einem weißen Anzug hinter einer Sicherheitskabine zu sehen. Dieses wiederum stammt aus Sibirien. Allerdings ist diese Version eine Spiegelung des Originalfotos. Es zeigt einen Angestellten in einer Fabrik in Nowosibirsk. Dort werden Teile für Kernkraftwerke hergestellt.
Das Foto oben links zeigt das Kernkraftwerk Rivne in der Ukraine. Der Ursprung des darunter liegenden Bildes, mit der Überschrift «Lagerstätten für radioaktive Abfälle», konnte nicht endgültig ermittelt werden.
Was ist eine «schmutzige Bombe»?
Eine schmutzige Bombe ist eine Kombination aus Sprengstoff wie etwa Dynamit und radioaktivem Material. Es handelt sich nicht um eine Atombombe, die eine viel stärkere Explosion verursacht.
Nach den russischen Vorwürfen lud die ukrainische Regierung Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ein.
(Stand: 1.11.2022)
Es könnte so einfach sein: Die Supermarktkette Kaufland verschenkt angeblich zum Unternehmensgeburtstag besondere Geschenktüten. Das behaupten zumindest gleich mehrere Facebook-Seiten mit Kaufland-Logo (hier, hier, hier, hier und hier). User, die unter einem der fünf Beiträge mit «Fertig» kommentieren und den Beitrag teilen, erhalten angeblich eine der Tüten.
Bewertung
Vorsicht: Es handelt sich um keine offizielle Aktion von Kaufland. Das Angebot ist nicht seriös, die Facebook-Seiten sind gefälscht.
Fakten
Die Supermarktkette Kaufland hat auf ihrer Webseite eine Übersicht zu allen aktuellen und offiziellen Gewinnspielen eingerichtet. Dort veröffentlicht das Unternehmen auch die Gewinnerinnen und Gewinner der jeweiligen Aktionen. Auf der Übersichtsseite ist das angebliche Facebook-Gewinnspiel nicht erwähnt. Kaufland verschenkt also derzeit keine Geschenktüten zum Geburtstag.
Einen Hinweis darauf, dass die vermeintlichen Gewinnspiele nicht seriös sein können, liefert auch ein Blick auf die jeweiligen Facebook-Seiten: So folgen der ersten angeblichen Seite lediglich 100 Nutzer, bei der zweiten sind es 34 Follower. Die dritte Seite zählt 26 Follower. Der vierten Seite folgen sechs User und dem fünften Kaufland-Auftritt folgt noch kein Nutzer. Im Gegensatz dazu zählt die echte Seite von Kaufland etwa 1,47 Millionen folgende Profile (Stand: 2. November 2022).
Die offiziellen Facebook-Seiten von Unternehmen erkennt man oft an dem Verifikationsabzeichen, einem kleinen weißen Häkchen auf blauem Grund. Es bedeutet, dass die Seite des Unternehmens von Facebook geprüft und als echt anerkannt wurde. Das ist bei den fünf Seiten, die angeblich Geschenktüten an Nutzer ausgeben, nicht der Fall.
Echte Facebook-Seite des Unternehmens besteht seit zwölf Jahren
Unter dem Bereich «Seitentransparenz» ist ein weiterer Hinweis zu finden: Drei der vermeintlichen Kaufland-Seiten bestehen erst seit dem 29. Oktober 2022. Am 1. und 2. November wurden zwei weitere Seiten erstellt, die vorgeben, von der Kette zu stammen. Wer sie eingerichtet hat, ist nicht erkennbar. Dabei müssen gewerblich genutzte Seiten laut Gesetz ein Impressum haben, das unter anderem eine Postadresse und Kontaktmöglichkeiten enthält. Auf den vermeintlichen Facebook-Seiten gibt es kein solches Impressum. Das Kaufland-Logo wird missbräuchlich verwendet.
Die offizielle Kaufland-Seite auf Facebook wurde bereits am 2. Juli 2010 erstellt und hat ein vollständiges Impressum. Bei allen Gewinnspielen erklärt Kaufland zudem die Teilnahmebedingungen und nennt als Ausrichter die Kaufland Dienstleistung GmbH & Co. KG in Neckarsulm, dem Sitz des Unternehmens. All das zeigt: Die angeblichen Geschenktüten-Aktionen sind gefälscht.
Verbraucherschützer und die Polizei warnen immer wieder davor, bei dubiosen Gewinnspiel-Angeboten die eigene E-Mail-Adresse oder sonstige persönliche Daten weiterzugeben – auch weil diese Daten verkauft werden können. Gefälschte Gewinnspiele von Kaufland und anderen bekannten Unternehmen sind regelmäßig Gegenstand von dpa-Faktenchecks.
(Stand: 2.11.2022)
Seit mehr als acht Monaten führt Russland Krieg in der Ukraine. Präsident Wladimir Putin hat dabei immer wieder auf sein Atomwaffenarsenal verwiesen. Doch in sozialen Medien werden dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Aggressionen zugeschrieben «Selenskij fodert NATO auf, offenen Krieg gegen Russland zu beginnen», heißt es etwa auf einem Sharepic auf Facebook. Der ukrainische Präsident wolle angeblich einen atomaren Erstschlag der Nato. Doch das hat dieser nicht gesagt.Bewertung
Unvollständig und teilweise falsch wiedergegeben. Kurz nach einem Vortrag Selenskyjs, in dem es darum ging, präventiv einen Einsatz von Atomwaffen durch Russland unmöglich zu machen, relativierte der ukrainische Präsident seine Aussage. Es gehe nicht um Angriffe, die Ukraine greife kein anderes Territorium an.
Fakten
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am 6. Oktober beim australischen Lowy Institute in Sydney aufgetreten, einer Denkfabrik für Außenpolitik. In seinem Videovortrag forderte Selenskyj, einen russischen Atomwaffeneinsatz entschieden zu verhindern. «Was soll die Nato tun? Den Einsatz von Atomwaffen durch Russland unmöglich machen. Wichtig ist aber – ich wende mich wie vor dem 24. (Februar) deshalb an die Weltgemeinschaft – dass es Präventivschläge sind, damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie sie anwenden», sagte er.
In der englischen Simultan-Übersetzung sagt der Dolmetscher allerdings bei Minute 25:29 sowohl Präventivschläge als auch präventive Handlungen («preventive strikes», «preventive action»). Damit ist bereits hier nicht eindeutig, ob Selenskyj tatsächlich Angriffe meinte.
Seine Aussage rief Kritik hervor. Der Kreml in Moskau bezeichnete sie als «Aufruf zum Beginn des Dritten Weltkriegs». Später betonte ein Sprecher Selenskyjs, der ukrainische Präsident sei falsch verstanden worden: Er habe lediglich sagen wollen, vor dem 24. Februar – dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – wären Präventivmaßnahmen nötig gewesen, um den Krieg zu verhindern.
Einen Tag später, am 7. Oktober, erläuterte der Präsident selbst seine Aussage in einem Interview mit der BBC. «Man muss präventive Tritte ausführen, keine Angriffe. Wir sind keine Terroristen, wir greifen kein anderes Territorium an», sagte Selenskyj.
(Stand: 3.11.2022)
Elon Musk hat kürzlich den rund 44 Milliarden Dollar (44,2 Mrd Euro) teuren Kauf des Kurznachrichtendienstes Twitter abgeschlossen. Doch die Übernahme des sozialen Netzwerks durch den US-Tech-Milliardär gefällt nicht jedem Nutzer. Mehrere User erklärten bereits, dass sie Twitter in Zukunft nicht mehr nutzen würden und sich stattdessen nach Alternativen umsehen. Dabei ist auch immer wieder die Rede vom 2016 in Deutschland entwickelte Micro-Bloggingdienst Mastodon.
Doch wird der Twitter-Konkurrent Mastodon bald zu «Muskodon» wie einige User schreiben? Im Netz teilen Nutzer einen Screenshot von einem angeblich echten Medienbericht: Demnach soll Elon Musk nun auch Mastodon für 1,3 Millionen Dollar gekauft haben. «Solche Unternehmen sollten nicht einem gehören», empört sich ein Facebook-User. Andere reagieren positiv und kommentieren «Der rockt das Ding» und «Das wäre cool.»
Bewertung
Es handelt sich um einen Bericht der Satire-Seite «Der Postillon». Elon Musk hat Mastodon nicht für 1,3 Millionen Dollar gekauft.
Fakten
Sucht man nach der Überschrift aus dem Foto, stößt man auf einen Artikel der Satire-Seite «Der Postillon». In dem Artikel vom 28. Oktober 2022 stimmt die Überschrift und das Foto mit dem Screenshot aus dem Facebook-Post überein. Doch die Informationen im Artikel sind nicht echt. Im Bereich FAQ der Seite heißt es: «Alles, was im Postillon steht, ist Satire und somit dreist zusammengelogen.»
Der Plattformbetreiber Mastodon schreibt selbst bei Twitter, dass es sich um eine Open-Source-Plattform handele, die «nicht verkauft werden und nicht bankrott» gehen könne. Im Gegensatz zu Twitter ist Mastodon kein einheitlicher Service, sondern besteht aus einem dezentralen Netzwerk von verschiedenen Servern. Die Plattform nennt diese Server «Instanzen». Diese werden von unterschiedlichen Organisationen oder Einzelpersonen betrieben, berichtet auch die «Tagesschau».
«Postillon»-Artikel sorgen immer wieder für Verwirrung im Internet. Die Deutsche Presse-Agentur befasste sich bereits mit Themen wie einem angeblichen Auszug aus dem AfD-Gründungsvertrag oder einem «Unfallverbotsschild», mit dem angeblich in Zukunft Unfälle verhindert werden sollen.
(Stand: 3.11.2022)
Schon mehrfach wurde behauptet, Bilder vom Krieg in der Ukraine seien gefälscht oder inszeniert worden. Nun ist in einem auf Facebook geteilten Video zu sehen, wie ein Mann in ukrainischer Militäruniform vor der Kamera weint und schreit. Im Post wird angedeutet, internationale Medien würden solche Inszenierungen verbreiten. Stimmt das?
Bewertung
Das Video zeigt den ukrainischen Schauspieler Petr Sherekin. Für ein Musikvideo der Sängerin Anna Khanina hatte er sich als ukrainischer Soldat verkleidet.
Fakten
In dem auf Facebook geteilten Video ist ein für die Videoplattform Tiktok typisches Wasserzeichen mit dem Benutzernamen «@user4775478401030» zu sehen. Tatsächlich findet man auf Tiktok ein entsprechendes Profil, das dem Schauspieler Petr Sherekin gehört. Auf dem Profil findet man auch das Originalvideo aus dem Facebook-Post.
Sherekin ist professioneller Schauspieler und Stuntman aus der Ukraine und auf verschiedenenBranchenwebseiten zu finden. Auf seinem Tiktok-Account erklärt er selbst, dass es sich bei dem Video um einen Dreh für ein Musikvideo der ukrainischen Sängerin Anna Khanina handelt. Dies bestätigte er auf Nachfrage auch der niederländischen Faktencheck-Redaktion der Deutschen Presse-Agentur. Auf Youtube teilte er ein Video von den Aufnahmen, in dem Teile der Filmcrew und die Sängerin zu sehen sind.
Das fertige Musikvideo für den Song «Lullaby» ist unter anderem auf Youtube zu finden. Auch die Produktionsfirma Zoo Cinema teilte einen Ausschnitt des Musikvideos auf Instagram und nannte im Text dazu «@anna_khanina» und «@petr.sherekin».
Schonmehrfach wurde fälschlicherweise behauptet, Aufnahmen vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine seien inszeniert worden.
(Stand: 4.11.2022)
Zur Corona-Pandemie, zu Impfstoff-Herstellern und den Covid-19-Impfstoffen selbst gibt es viele Verschwörungstheorien. Nun kursiert auf Facebook ein Video, in dem behauptet wird, Michael McManus, angeblich «der Direktor der Covid-19 Impfstofffirma Novavax», sei in Heroin- und Waffenhandel verstrickt. Gibt es Belege für McManus‘ angeblich kriminelle Vergangenheit?
Bewertung
Für diese Behauptungen gibt es keine Beweise. Beim einem 2015 wegen Drogenbesitzes festgenommenen Mann mit demselben Namen handelt es sich um eine andere Person.
Fakten
Am 24. Oktober erschien auf der Website «kla.tv» ein Video von einer «Corona-Kundgebung». Dort behauptete ein Redner: «Michael McManus hat im Weißen Haus gearbeitet, mit Ronald Reagan zusammen. Und Reagan ist durch die Mafia an das Präsidentenamt gekommen.» Demnach ist laut dem Redner auch McManus Teil «alter, bewiesen etablierter Mafia». Genauer: Er sei in der Vergangenheit in Heroin- und Waffenhandel verstrickt gewesen. Allein dieser angeblich kausale Zusammenhang erscheint unseriös.
Angeblicher Heroin- und Waffenhandel
Doch der Reihe nach. Michael A. McManus war von 1982 bis 1985 tatsächlich Teil der Reagan-Regierung. Zunächst war er als Assistent des stellvertretenden Stabschefs Michael Deaver tätig. Später wurde er Reagans Assistent.
Für McManus‘ angeblich kriminelle Vergangenheit lassen sich jedoch keine Belege finden. Eine gezielte Google-Suche im Bezug auf den Heroinhandel ergibt keine treffenden Berichte oder Ermittlungsakten. Gleiches gilt für eine Suche nach dem Vorwurf des Waffenhandels. Dort erscheinen lediglich US-Verschwörungsportale, die ähnliche Vorwürfe äußern, ohne diese zu belegen.
McManus wurde am 11. März 1943 geboren. Da in Ermittlungsakten meist das Geburtsdatum angegeben wird, könnte eine Google-Suche mit dem englischen Wort für «Ermittlungsakten» und McManus‘ Geburtsdatum weitere Hinweise auf ein Strafverfahren liefern. Doch auch mit diesen Suchbegriffen findet man nichts Derartiges.
Es gibt zwar einen Artikel aus dem Jahr 2015 über einen Michael McManus, der mit Heroin gehandelt haben soll. Wie aus dem Artikel hervorgeht, war der Mann zu dem Zeitpunkt aber 36 Jahre alt – und damit deutlich jünger als sein heute 78-jähriger Namensvetter.
McManus‘ Tätigkeit bei NovavaxNovavax ist ein Biotechnologieunternehmen, das innovative Impfstoffe herstellt. Darunter auch einen Covid-19-Impfstoff. Der Redner im «kla.tv»-Video betont mehrmals, McManus sei «der Direktor der Covid-19-Impfstofffirma». Damit erweckt er den Anschein, McManus stünde an der Spitze von Novavax.
Auf der Website stellt das Unternehmen sein Direktorium vor – dort ist Michael A. McManus jedoch nicht zu finden. Auch unter den anderen Reitern auf der Seite taucht er nicht auf. McManus ist lediglich als unabhängiger «Class III Director» im Prüfungs- und Entschädigungsausschuss von Novavax tätig – und damit nicht «der Novavax-Direktor».
Alles in allem lässt sich festhalten:
Michael A. McManus war Teil der Reagan Regierung, was aber kein Beweis für eine kriminelle Vergangenheit ist.
Der Vorwurf des Waffen- und Drogenhandels ist völlig unbelegt.
Zu den Corona-Impfstoffen kursieren im Netz viele Falschinformationen. Nun sorgt eine neue Behauptung für Aufmerksamkeit: Das Arzneimittelgesetz sei geändert worden, sodass die Qualität der Impfstoffe nicht mehr überprüft werden müsse. Auch das Verfallsdatum sei künftig egal, genauso eine Etikettierung auf Flaschen oder die Verwendung eines Beipackzettels. Bei Telegram und Facebook verbreiten sich Text, Sharepic und ein Videoausschnitt. Aber wie viel Wahrheit steckt dahinter?
Bewertung
Das Arzneimittelgesetz wurde nicht verändert. Eine neue Verordnung ist in Kraft getreten, die einzelne Paragrafen des Gesetzes infolge der Corona-Pandemie ausklammert. In der Verordnung sind aber genaue Regeln zur Überprüfung der Qualität der Corona-Impfstoffe enthalten.
Fakten
Ursprung der Behauptung sind der Artikel und ein dazugehöriges Video von «kla.tv», das bereits am 30. März 2022 veröffentlicht wurde. Dort wird auf eine neue Verordnung hingewiesen: die «Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung» (MedBVSV). Darin seien speziell für Corona-Impfstoffe zahlreiche Teile des Arzneimittelgesetzes außer Kraft gesetzt worden, heißt es.
Die Verordnung wurde im Mai 2020 angefertigt und gilt noch bis zum 31. Dezember 2023. Mit der MedBVSV soll die zentrale Beschaffung von Produkten des medizinischen Bedarfs durch die Bundesregierung während der Corona-Pandemie ermöglichen. Darin sind in Paragraf 3 Absatz 1 MedBVSV einige Paragrafen des Arzneimittelgesetzes (AMG) aufgelistet, die unter den Umständen der Corona-Epidemie nicht für das Bundesgesundheitsministerium gelten.
Die Prüfung der Impfstoffe zählt nicht zu den Dingen, die außer Kraft gesetzt wurden. Das ist in Paragraf 4 Absatz 2 MedBVSV geregelt. Abgelaufene Arzneimittel dürfen tatsächlich im Einzelfall verwendet werden, allerdings nur, «wenn dies zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln erforderlich ist» und eine Behörde geprüft hat, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht wesentlich beeinträchtigt sind.
Im Fall des Corona-Impfstoffes ist laut Paragraf 77 AMG das Paul-Ehrlich-Institut für die Prüfung zuständig. Das Institut muss sich laut Website an strenge Regeln der Europäischen Union halten, sodass die Qualität der Impfstoffe immer garantiert ist.
Richtig ist, dass das Paul-Ehrlich-Institut im Einzelfall anordnen kann, Arzneimittel ohne eine Kennzeichnung oder Packungsbeilage freizugeben, «wenn dies zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln erforderlich ist». Sollte das geschehen, müssen die erforderlichen Produktinformationen aber auf andere Weise barrierefrei veröffentlicht werden. Das regelt Paragraf 4 Absatz 1 MedBVSV.
Es stimmt auch, dass laut Paragraf 3 Absatz 4 MedBVSV pharmazeutische Unternehmer, Hersteller und Angehörige von Gesundheitsberufen bei möglichen Auswirkungen des Corona-Impfstoffs nicht haften, wenn der Impfstoff zuvor durch das Bundesgesundheitsministerium als Reaktion auf das Corona-Virus in den Verkehr gebracht wurde. Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz werden laut der Verordnung die Unternehmen allerdings weiterhin zur Verantwortung gezogen.
(Stand: 4.11.2022)
Impfgegner machen seit geraumer Zeit Stimmung unter anderem mit der Behauptung, Geimpfte seien anfälliger für eine Corona-Infektion oder einen schwereren Covid-Krankheitsverlauf als Ungeimpfte. In diesem Zusammenhang werden aktuell etwa Daten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) über die Belegung von Intensivstationen nach Impfstatus verbreitet.
Bewertung
Das ist irreführend. Denn je mehr Menschen insgesamt geimpft wurden, desto höher ist auch deren Anteil an den Intensivpatienten. Zudem zeigen die Divi-Daten etwa auch Patienten, die zwar positiv auf das Coronavirus getestet wurden, aber wegen einer anderen Erkrankung als Covid-19 auf der Intensivstation behandelt werden müssen.
Fakten
«Es ist zu beachten, dass die Impfangaben des Intensivregisters nicht geeignet sind, um die Wirksamkeit der Impfung einzuschätzen», erläutert das Robert Koch-Institut (RKI) explizit unter anderem in seinem aktuellen Monatsbericht vom 3. November 2022. Weiter heißt es, dass im Intensivregister alle auf Intensivstationen aufgenommenen Fälle «mit einem Sars-CoV-2-Nachweis unabhängig vom Aufnahmegrund erfasst» werden.
Auch das Divi selbst teilt immer wieder mit – wie etwa hier in einer Pressemitteilung vom 7. Oktober 2022: Bei den Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen würden «auch Fälle aufgeführt (…), die aufgrund einer anderen Erkrankung intensivmedizinisch behandelt werden müssen, und bei denen die Sars-CoV-2-Diagnose nicht im Vordergrund der Erkrankung beziehungsweise Behandlung steht».
Soll heißen: In das Register gelangen nicht nur die Daten derjenigen, die wegen Covid-19 intensiv im Krankenhaus behandelt werden, sondern auch andere Patienten mit einem positiven Corona-Test.
Grundsätzlich sind die Corona-Impfstoffe sehr gut wirksam gegen einen schweren oder tödlichen Covid-Verlauf. Das haben viele Studien ergeben.
In Deutschland ist der größere Teil der Bevölkerung mindestens ein Mal gegen Sars-CoV-2 geimpft. Daher ist es nur folgerichtig, dass auch im Verhältnis mehr Geimpfte als Ungeimpfte auf Intensivstationen landen. Dem RKI zufolge ist es auch nicht ungewöhnlich, dass die Wahrscheinlichkeit für Impfdurchbrüche höher ist, wenn der Anteil der Geimpften in der Population steigt.
Zudem ist bei weitem nicht bei allen Intensivpatienten überhaupt erfasst, ob sie geimpft oder ungeimpft sind. Nach Angaben von RKI und Divi gab es etwa zwischen 3. und 30. Oktober 2022 nur bei reichlich der Hälfte der Neuaufnahmen mit positivem Corona-Nachweis eine Angabe über den Impfstatus.
Es lassen sich also zwei Punkte schlussfolgern: Aus den Divi-Daten zum Anteil Geimpfter und Ungeimpfter auf Intensivstationen kann weder abgeleitet werden, dass Geimpfte häufiger schwer an Covid erkranken, noch dass Geimpfte womöglich anfälliger sein könnten für schwere Krankheitsverläufe jedweder Art.
(Stand: 4.11.2022)
Der Satz klingt wie eine Drohung: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll gesagt haben: «[…] ich würde dann versuchen, die Ungeimpften zur Impfung zu zwingen, indem ich sage: „Sonst könnt ihr nicht raus“.» Ein Video mit dieser Aussage wird etwa auf Facebook zahlreich geteilt. Hatte Lauterbach wirklich vor, dieses Druckmittel anzuwenden?
Bewertung
Das Zitat ist zwar echt, doch es wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Lauterbach schilderte lediglich ein fiktives Szenario und distanzierte sich direkt anschließend von der beschriebenen Vorgehensweise.
Fakten
Der kursierende Clip zeigt nur einen zehnsekündigen Ausschnitt aus einem Interview, das über eine Stunde lang ist. Dieses erschien am 25. Februar 2022 auf dem YouTube-Kanal «Jung & Naiv». Es geht größtenteils um verschiedene Aspekte der Corona-Pandemie, darunter auch das Impfen.
Der Journalist Tilo Jung fragt den Gesundheitsminister, warum die Corona-Einschränkungen für Geimpfte nicht fallengelassen würden und nur noch für Ungeimpfte gälten. Darauf entgegnete der SPD-Politiker: «Das wird ja nicht funktionieren», und dafür sei er auch nicht.
Lauterbach führt dann im Konjunktiv aus, was in einer solchen hypothetischen Situation notwendig wäre: «Ich würde dann versuchen, die Ungeimpften zur Impfung zu zwingen, indem ich sage: „Sonst könnt ihr nicht raus“.» Das ist genau der Ausschnitt, der im Netz die Runde macht. Direkt im Anschluss stellt Lauterbach dann klar: «Das ist politisch nicht vertretbar.» Dieser Satz fehlt in der jetzt verbreiteten gekürzten Fassung.
Lauterbach fügt zudem hinzu, dass dies extrem riskant wäre. «Das wäre ein Ritt über den Bodensee, bei dem man jederzeit ins Wasser eintauchen kann.»
Eine gezielte Google-Suche mit der Aussage aus dem Video liefert keine seriösen Quellen, die belegen, dass Lauterbach den Satz noch in einem anderen Kontext gesagt hat.
(Stand: 7.11.2022)
Bis heute interpretieren viele die Werke des Dichters Nostradamus als Prophezeiungen. In diversen Plattformen wird derzeit ein Sharepic verbreitet, das eine seiner Voraussagen dokumentieren soll. «Heuschrecken werden über das Wasser kommen, vom günstigen Wind begleitet, aber es werden keine Tiere sein», heißt es da. Und weiter: «Sie werden ganze Landstriche plündern und Gefangene nehmen, Tod zurücklassen.» Gehen diese Sätze wirklich auf den französischen Astrologen und Arzt zurück?
Bewertung
Diese Sätze finden sich in dieser Form nicht in den gesammelten Werken von Nostradamus. Es gibt jedoch ein ähnliches Gedicht, in dem es um mehrere südfranzösische Städte geht.
Fakten
Schon zu Lebzeiten im 16. Jahrhundert war Nostradamus bekannt für seine Gedichte. Diese bestanden aus Vierzeilern, die sogenannten Centurien. Bis heute werden seine Werke als Prophezeiungen gedeutet.
Das angebliche «Heuschrecken»-Zitat wird schon seit Jahren in Zusammenhang mit flüchtenden Menschen verbreitet, zum Beispiel 2018 in einem Facebook-Post zusammen mit dem Foto eines überfüllten Schiffs.
Doch bei einer Google-Suche lässt sich die Aussage nicht als Zitat von Nostradamus mit Quellenangaben finden. Auch eine Suche mit den Begriffen «Nostradamus» und «Heuschrecken» ergibt keinen passenden Treffer.
In einem Buch, in dem die Gedichte Nostradamus gesammelt sind, sucht man nach der Aussage im Wortlaut zwar vergeblich. Teile davon finden sich aber in dem Vierzeiler mit der Nummer 82. Darin ist von Heuschrecken («sauterelles») die Rede, die mit günstigem Wind («vent propice») über Land und Meer («terre & mer») kommen. Das Ganze spielt sich demnach in Südfrankreich ab, genannt sind die Städte Nizza («Nice»), Antibe («Antibol») und «Freins» – möglicherweise Fréjus. Diese Zeilen unterscheiden sich also deutlich von dem angeblichen Zitat.
Da Nostradamus sich oft kryptisch in seinen Gedichten geäußert hat, gibt es unterschiedliche Interpretationen seiner Werke. So könnten mit Heuschrecken hier tatsächlich Menschen gemeint und in dem Gedicht ein Angriff auf südfranzösische Städte beschrieben sein.
Zu angeblichen Sätzen historischer Persönlichkeiten hat die Deutsche Presse-Agentur bereits mehrere Faktenchecks veröffentlicht. Auch eine angebliche Prophezeiung Nostradamus zur Corona-Pandemie erwies sich als falsches Zitat.
(Stand: 3.11.2022)
Die russische Regierung rechtfertigt ihren Angriff auf die Ukraine immer wieder auch damit, eine «Entnazifizierung» im Nachbarland anzustreben zu wollen. Um diesen Vorwurf zu untermauern, wird Kriegspropaganda über soziale Netzwerke verbreitet. In einem Facebook-Post heißt es fälschlicherweise, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trage einen SS-Totenkopf am Ärmel.
Bewertung
Der Aufnäher, den Selenskyj auf dem Foto trägt, zeigt kein SS-Symbol. Zu sehen ist das offizielle Logo einer ukrainischen Brigade, das keinen Zusammenhang mit der deutschen Nazi-Vergangenheit hat.
Fakten
Das verbreitete Foto von Selenskyj wurde bei einer Arbeitsreise des ukrainischen Präsidenten in Charkiw am 14. September 2022 aufgenommen. Auf der olivgrünen Jacke des Staatschefs befindet sich ein Aufnäher, auf dem tatsächlich ein Totenkopf zu sehen ist. Die Abbildung des Schädels entspricht jedoch nicht einem SS-Schädel.
Der Totenkopf mit einem Schriftzug darüber ist das offizielle Symbol der 72. Brigade, einer mit Schützenpanzern ausgerüsteten Einheit der ukrainischen Armee. Es gibt keine Hinweise darauf, dass dieser Schädel eine faschistische Bedeutung hat.
Der Professor für die Geschichte Osteuropas, Jörg Baberowski, bestätigt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa): «Selenskyj trägt definitiv nicht das Symbol der Totenkopfverbände der SS, das ganz anders aussah und an der Mütze befestigt war. Es ist vielmehr das Symbol einer ukrainischen Brigade.»
Totenkopfsymbole habe es im Militär immer schon gegeben, erklärt Baberowski weiter. Als Beispiele nennt der Experte das preußische Militär oder ukrainische Einheiten während des russischen Bürgerkriegs. Die Totenkopfverbände der SS hätten das Symbol aber berühmt gemacht.
Auf unzählige Beispiele für die militärische Verwendung von Totenschädeln verweist auch Gerhard Bauer, Leiter vom Sachgebiet Uniformen und Feldzeichen am Militärhistorischen Museum Dresden. «Totenschädel sind spätestens seit dem 17. Jahrhundert als militärische Symbole, welche für Todesverachtung und Furchtlosigkeit stehen, gebräuchlich», sagt er in einem Faktencheck beim MDR. Auch das wiederholt von Selenskyj getragene Symbol sei ein militärisches, erklärt der Experte.
Bei einem optischen Vergleich beider Symbole fällt zudem auf: Der Totenkopf an Selenskyjs Aufnäher ist nach rechts und der SS-Schädel nach links gerichtet. Schaut man genauer hin, erkennt man noch weitere Details, die sich unterscheiden – etwa die Form des Kiefers.
(Stand: 08.11.2022)
Auf einem kurzen Video ist zu sehen, wie die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi zu einem großen schwarzen Auto geht. Nutzerinnen und Nutzern in den sozialen Netzwerken schreiben dazu, dass das Video die Festnahme der Politikerin zeigt. Aber stimmt das?
Bewertung
Das Video zeigt lediglich, wie Pelosi von Sicherheitspersonal zu einem Fahrzeug begleitet wird. Sie trat danach mehrfach öffentlich auf.
Fakten
Die Videoaufnahme wurde am 30. Oktober 2022 von NBC ausgestrahlt. Der Sender schreibt zu den Aufnahmen, Pelosi verlasse ihr Haus in San Francisco. Die Personen, die sie begleiten, sind nicht uniformiert, eine hält einen Kaffeebecher in der Hand. Auf eine Festnahme weist nichts hin.
Zwei Tage zuvor, am 28. Oktober, war Pelosis Ehemann Paul im Haus des Paares überfallen und schwer verletzt worden. Er musste nach dem Angriff wegen eines Schädelbruchs und Verletzungen am rechten Arm und den Händen operiert werden. Mittlerweile wurde er aus dem Krankenhaus entlassen.
Der Täter hatte es offenbar auf Nancy Pelosi abgesehen, sie aber nicht angetroffen. Dieser Vorfall könnte zu einem verstärkten Aufgebot von Sicherheitskräften rund um die Politikerin geführt haben – auch mit dem Blick auf die Midterm-Wahlen am 8. November.
Nancy Pelosi erschien auch nach dem 30. Oktober mehrmals im Freien. Sie verließ dasselbe Haus in San Francisco auch am 2. November und am 4. November.
Zudem gab sie dem US-Sender CNN ein Exklusiv-Interview, das am 7. November ausgestrahlt wurde. In der Einleitung zu dem Beitrag, heißt es, dass Pelosi zurück in Washington sei, nachdem sie einige Tage bei ihrem Mann in Kalifornien (San Francisco) verbracht habe.
Es ist nicht das erste Mal, dass fälschlicherweise behauptet wird, Prominente und bekannte Persönlichkeiten seien verhaftet worden. Der dpa-Faktencheck hat beispielsweise bereits bewiesen, dass der CEO von Pfizer nicht verhaftet wurde. Ähnlich unbelegte Gerüchte über Barack Obama oder den Papst wurden von anderen Faktencheck-Organisationen falsifiziert.
(Stand: 8.11.2022)
Tesla-Chef Elon Musk ist bekannt für seine provozierenden Aussagen. Laut einem Facebook-Post soll er nach der Übernahme Twitters angeblich in der «New York Times» gesagt haben: «Es fühlt sich sooo gut an, Twitter zu besitzen, ich werde noch weitere Dinge kaufen. Deutschland zum Beispiel ist ein Unternehmen, das zur Zeit sehr unwirtschaftlich geführt wird.» (Schreibweise im Original) Facebook-User pflichten ihm bei: «Wo er Recht hat…» Doch hat der Twitter-Chef das wirklich gesagt?
Bewertung
Es gibt keine Belege, dass Elon Musk sich so geäußert hat. An dem Tag, an dem Musk die Aussage getroffen haben soll, lässt sich kein Statement von ihm in der «New York Times» finden.
Fakten
Der Facebook-Post verbreitet ein Screenshot von einem Tweet, der die angebliche Aussage Musks vermeldet. Der Tweet wurde am 29. Oktober 2022 abgesetzt.
An diesem Tag erschienen in der «New York Times» zwar vier Artikel (1, 2, 3 und 4), die sich mit der Twitter-Übernahme befassten. Die Aussage über Deutschland findet sich jedoch in keinem davon.
Auch ein wenige Tage älterer Artikel über Musk enthält kein derartiges Statement. Es finden sich in den Artikeln auch keine anderen Aussagen, die Deutschland zum Thema haben. Auch lassen sich keine Belege finden, dass sich Musk in anderen Publikationen so geäußert hat.
(Stand: 8.11.2022)
Am 24. Februar 2022 hat Russland die Ukraine überfallen. Schon vorher verbreiteten pro-russische Internetuser Narrative, die den illegalen Angriffskrieg rechtfertigen sollen. In diesem Zusammenhang wird ein Video geteilt, das ein Interview des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus dem Jahr 2019 zeigen soll. Schon damals habe Selenskyj angeblich über «seine Pläne» gesprochen, heißt es dazu bei Facebook.
In dem Video spricht Selenskyj auf Ukrainisch, dazu wird eine Übersetzung eingeblendet. «Wir werden mit einem Krieg in den Donbass ziehen. Unsere Armee ist bereit. Wir sind bereit für direkte Militäraktionen in den besetzten Gebieten», soll der Präsident demnach gesagt haben. Das Narrativ, das diese Beiträge vermitteln sollen, ist offensichtlich: Selenskyj selbst habe diesen Krieg lange geplant. Doch stimmt das?
Bewertung
Die Selenskyj-Aussagen in dem Video sind zwar korrekt übersetzt worden, wurden aber aus dem Kontext gerissen. Der ukrainische Präsident hatte 2019 auf die Frage eines Journalisten erklärt, warum er das Kriegsrecht nicht verhängt. Die Menschen hätten schließlich keinen Präsidenten gewählt, der Sätze sagt wie: «Wir werden mit einem Krieg in den Donbass ziehen. Unsere Armee ist bereit.»
FaktenAm 10. Oktober 2019 gab der damals neu gewählte Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, eine länger als zwölf Stunden dauernde Pressekonferenz. Der bei Facebook verbreitete Video-Ausschnitt zeigt eine Antwort Selenskyjs bei diesem «Interview-Marathon».
Ein Journalist hatte ihn gefragt, warum dieser aufgrund der Situation in der Ostukraine und der russischen Annexion der Krim nicht das Kriegsrecht verhängt habe und nur von Konflikt und nicht von Krieg spreche. Das berichtet der Fernsehsender «Espreso.TV». Der TV-Sender hat bei Youtube auch ein Video veröffentlicht, dass die Antwort des Präsidenten zeigt.
Präsident sprach sich in Interview für Diplomatie aus
Selenskyj antwortete demnach, dass er als ein «Präsident des Friedens» angetreten sei und für ihn die Gesellschaft das Wichtigste sei. Die Bürgerinnen und Bürger hätten aber keinen Präsidenten gewählt, der jetzt ankommt und sagt: «Von heute an verhängen wir das Kriegsrecht. Wir haben Krieg. Wir werden kämpfen. Wir haben eine Armee bereit. Wir werden durch Krieg in den Donbass ziehen. Wir werden unsere Gebiete durch Krieg und durch das Militär einnehmen. (…) Wir sind bereit für direkte militärische Aktionen auf dem besetzten Gebiet.» Stattdessen spricht sich Selenskyj ergänzend für eine diplomatische Lösung aus – anhand des Normadie-Formats und der Minsker Abkommen. Der nun bei Facebook verbreitete Ausschnitt beginnt also erst in der Mitte seiner Antwort.
Der ukrainische Präsident bedient sich hier für kurze Zeit eines rhetorischen Stilmittels. Der ehemalige Schauspieler schlüpft in die Rolle eines Präsidenten, der – anders als er selbst es plant – statt auf diplomatische auf kriegerische Reaktionen setzt. Die Aussage Selenskyjs wird durch die Verkürzung also verdreht.
(Stand: 8.11.2022)
Geschichten über unbekannte Flugobjekte (Ufos) faszinieren viele Menschen. In einem aktuell verbreiteten Video hört man ein schreiendes Kind, auf einem abgefilmten Fernseher sieht man Polizisten, die eine Menge zurückhalten. Dazu die Schlagzeile: «London UFO Crash». Anscheindend wird in einer Nachrichtensendeung vermeldet, dass das Wahrzeichen Big Ben zerstört wurde. Ist die Meldung echt?
Bewertung
Falsch. Das Video zeigt einen Ausschnitt aus der britischen Science-Fiction-Serie «Doctor Who».
Fakten
Laut einem Facebook-Post soll sich der Vorfall am 5. November 2022 ereignet haben. Eine Google-Suche nach «Big Ben Destroyed london 2022» liefert jedoch keine Ergebnisse. Wäre der Turm wirklich zu Schaden gekommen, ist es nahezu ausgeschlossen, dass niemand darüber berichtet hätte.
Die angebliche Nachrichtensendung findet sich stattdessen bei Youtube – in einem Mitschnitt der britischen Science-Fiction-Serie «Doctor Who». Sie handelt von den Abenteuern eines durch die Zeit reisenden Außerirdischen in menschlicher Gestalt.
Die Serie gibt es bereits seit 1963. Nach zwischenzeitlicher Absetzung wurde sie 2005 neu aufgelegt. In diesem Jahr entstand auch die Episode, aus der der Ausschnitt stammt, der nun fälschlicherweise als tatsächlicher Vorfall verkauft wird.
Immer wieder werden Szenen aus Spielfilmen oder auch Computerspielen in falschem Kontext verbreitet.
(Stand: 10.11.2022)
Tesla-Chef Elon Musk bezeichnet sich immer wieder als Verfechter der Redefreiheit. Angeblich soll er in diesem Zusammenhang gesagt haben: «Sie verbieten nicht die Hassrede. Sie verbieten die Rede, die sie hassen.» Stammt die Aussage wirklich von ihm?
Bewertung
Es lassen sich keine Belege dafür finden, dass Musk diesen Satz gesagt hat. Er bejahte aber eine ähnliche Aussage eines Twitter-Nutzers aus dem Jahr 2021.
Fakten
Ende Oktober 2022 übernahm Elon Musk Kurznachrichtendienstes Twitter. Die Übernahme wurde von einer aufgeheizten Diskussion über Meinungsfreiheit begleitet. In diesem Zusammenhang wurde auch das angebliche Musk-Zitat über Hassrede in verschiedenen Sharepics verbreitet.
Wann die Aussage gefallen sein soll und in welchem Kontext, geht aus den Zitatkacheln nicht hervor. Gezielte Suchen mit dem Zitat in englischer Übersetzung oder dem Zitat und dem Namen des Tesla-Chefs liefern zunächst keine Treffer.
Eine Suche mit der Suchmaschine Yandex gibt aber einen anderen Hinweis: In einer Bildunterschrift auf Newsweek.com heißt es, Musk habe darauf hingewiesen, dass zwischen dem Verbot von Hassrede und Rede, die Technologiekonzerne hassen, unterschieden werden müsse. («Musk has suggested a distinction must be drawn between Big Tech banning hate speech and speech that they hate.»)
Dieser Hinweis bestand jedoch lediglich in einer Reaktion auf einen Kommentar eines anderen Twitternutzers am 12. Januar 2021. Dieser wiederum hatte einen Artikel mit den Worten kommentiert: «Die Hightech-Branche an der Westküste muss zwischen dem Verbot von Hassrede und dem Verbot von Sprache, die sie hasst, unterscheiden.» Der Satire-Artikel wurde im Zuge der Verbannung des Ex-Präsidenten Donald Trump von Twitter veröffentlicht.
Die Aussage des Twitter-Nutzers ähnelt offensichtlich dem angeblichen Musk-Zitat, welches derzeit geteilt wird. Der Tesla-Chef wiederholte den Satz jedoch nicht, sondern schrieb lediglich: «Das ist eine wichtige Unterscheidung.»
Elon Musk sieht sich selbst als Verfechter größtmöglicher Meinungsfreiheit. Am 7. November 2022 twitterte er beispielsweise: «Mein Engagement für die freie Meinungsäußerung geht sogar so weit, dass ich den Account, der meinem Flugzeug folgt, nicht sperre, obwohl das ein unmittelbares persönliches Sicherheitsrisiko darstellt.»
(Stand: 9.11.2022)
Eine vermeintliche Entnazifizierung der Ukraine wird von Russland als Vorwand für den Einmarsch in das Nachbarland benutzt. Im Zusammenhang mit dieser Propaganda-Behauptung über die Regierung in Kiew wird nun ein angebliches Cover des indischen Magazins «Vikatan» lanciert. Darauf ist eine Karikatur des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sehen, der ein Hakenkreuz mit der hinduistischen Swastika übermalt.
Bewertung
Dieses «Vikatan»-Cover existiert nicht.
Fakten
Die in den 1920ern gegründete Vikatan-Gruppe ist ein Medienunternehmen mit Sitz im südindischen Chennai (Bundesstaat Tamil Nadu), das eigenen Angaben zufolge mehrere tamilische Zeitschriften herausbringt – vor allem im Bereich Unterhaltung. Das Aushängeschild «Ananda Vikatan» (teilweise auch nur «Vikatan» genannt) gilt nach Unternehmensangaben als das führende Wochenmagazin in tamilischer Sprache.
In sozialen Medien verbreitet sich das Titelblatt einer vermeintlichen «Ananda Vikatan»-Spezialausgabe vom 31. Oktober 2022. Darauf soll Selenskyj im Angesicht des neuen britischen Premierministers Rishi Sunak, der Vorfahren aus Indien hat, ein Hakenkreuz mit der hinduistischen Swastika übermalen. In den Mund gelegt werden ihm dabei auf Hindi die Sätze: «Wer ist Nazi? Wir sind Fans der indischen Kultur.»
Die augenscheinlichste Ungereimtheit: Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum auf einer tamilischen Zeitschrift Sätze in einer anderen Sprache auftauchen sollen.
Es ist ganz einfach: Dieses Titelblatt ist nie erschienen. Auf der Liste der Magazine, welche die Vikatan-Gruppe jüngst herausgegeben hat, ist ein solcher Titel nicht zu finden. Im ganzen Jahr gab es keine «Ananda Vikatan»-Ausgabe, die irgendeine Karikatur auf dem Cover hatte, auch nicht am 31. Oktober. Vielmehr sind in der Regel Prominente aus Indien abgebildet. Weder Selenskyj noch Sunak waren auf einem der bisher in Oktober und November veröffentlichten Titelblätter zu sehen.
Die Vikatan-Gruppe bewirbt ihre Magazine intensiv über verschiedene sozialen Kanäle. Doch weder auf Facebook (hier oder hier), noch auf Twitter (hier und hier) oder Instagram (hier oder hier) ist das vermeintliche Selenskyj-Cover zu finden.
Vor allem auf pro-russischen Telegram-Accounts wie etwa diesem oder diesem wird das gefälschte «Ananda Vikatan»-Cover massiv herumgereicht.
Was könnte der Hintergrund für die Verbreitung sein? Offenbar soll gezeigt werden, dass auch in Indien die Ansicht verbreitet sei, in Kiew seien Rechtsradikale an der Macht. Die Regierung in Neu Delhi selbst positioniert sich allerdings beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine neutral, weil das Land enge Beziehungen zum Westen und zu Russland hat.
In Indien ist die Swastika nach wie vor eines der häufigsten Glückssymbole. Die Hindus verwenden das Sonnenzeichen etwa auf offiziellen Dokumenten, in Tempeln, auf Schwellen und Türen sowie für Opfergaben.
Anfang des 20. Jahrhunderts übernahmen völkische und antisemitische Organisationen in Europa das Zeichen. Adolf Hitler machte das Hakenkreuz zum Symbol seiner Partei und später Nazi-Deutschlands. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird das Hasszeichen außerhalb Asiens besonders von antisemitischen und rassistischen Gruppierungen verwendet.
(Stand: 10.11.2022)
Als Reaktion auf die Präsidentschaftswahl vom 2. November 2022 soll das brasilianische Militär die Macht übernommen haben. Das behaupten zumindest Nutzer bei Facebook und berufen sich auf eine offiziell aussehende Pressemitteilung: Der brasilianische General Villas Boas habe demnach ankündigt, auf Wunsch der Bevölkerung mit sofortiger Wirkung eine Militärjunta im Land einzusetzen. «Bis zum 31. Dezember 2023» würden die Streitkräfte regieren, heißt es in der Mitteilung. Die Beiträge teilen das Schreiben als Foto zusammen mit einer deutschen Übersetzung.
Bewertung
Die Pressemitteilung macht seit 2018 im Internet die Runde und ist nun im Zuge der jüngsten Präsidentschaftswahlen wieder aufgetaucht. Die brasilianische Armee dementierte dem Bericht bereits vor vier Jahren. Der angebliche Unterzeichner des Schreibens, General Villas Boas, ist seit 2019 nicht mehr Kommandant der brasilianischen Armee.
Fakten
Der scheidende Präsident Jair Bolsonaro ist beim brasilianischen Militär beliebt. Nach seiner Niederlage bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl fordern aktuell die Bolsonaro-Unterstützer die Armee zum Eingreifen auf. Das bei Facebook geteilte Schreiben legt nun nahe, dass die Streitkräfte diesen Forderungen nachgekommen seien. Es ist in den brasilianischen Farben (Gelb und Grün) gestaltet und in portugiesischer Sprache verfasst. Die Mitteilung sei von General Villas Boas unterzeichnet worden. Neben der Signatur ist auch ein Foto des Generals auf der Nachricht zu sehen. Zudem enthält das Schreiben zwei brasilianisch aussehende Logos.
Eine Bilderrückwärtssuche mit der vermeintlichen Pressemitteilung liefert als Ergebnis jedoch schnell mehrere brasilianische Faktenchecks aus dem Jahr 2018. Es stellt sich heraus, dass die vermeintliche Mitteilung bereits vor vier Jahren im Kontext eines Lastwagenfahrerstreiks im Netz die Runde machte. Das brasilianische Militär bestritt daraufhin offiziell, dass es sich um eine echte Pressemitteilung handele. Das gleiche Bild erscheint nun erneut – allerdings wurden die Daten im Text verändert.
Nach Niederlage: Bolsonaro will sich an Verfassung halten
General Villas Boas war 2018 Kommandant der brasilianischen Armee. Das ist er aber seit 2019 nicht mehr. Zwar zeigte sich der Ex-Militär auf Twitter nicht erfreut über den Wahlsieg von Bolsonaros Konkurrenten Lula da Silva, einen Putsch beging er aber nicht.
Die brasilianische Präsidentschaftswahl verlief dieses Jahr sehr angespannt. Es gab Befürchtungen, dass der scheidende Präsident Jair Bolsonaro seine Niederlage nicht akzeptieren würde, was das Land ins Chaos stürzen könnte. Am Ende sagte er, er werde sich an die Verfassung halten, was als Anerkennung des Wahlergebnisses gesehen wird. Diverse Fehlinformationen zur Präsidentschaftswahl machten in den sozialen Netzwerken schon zuvor die Runde.
(Stand: 10.11.2022)
Noch während die Stimmen bei den Zwischenwahlen in den USA, den sogenannten Midterms, ausgezählt werden, verbreiten Social-Media-Nutzer erste Vorwürfe über angeblichen Wahlbetrug. In einigen Beiträgen heißt es, dass ein Mann vor laufender Kamera betrogen habe. Den Beweis dafür soll ein Video liefern, das einen Ausschnitt aus einer Sendung des US-TV-Senders Fox News zeigt. Doch begeht der Mann im Hintergrund tatsächlich Wahlbetrug?Bewertung
Nein, die Behauptungen sind falsch. Bei dem Mann handelt es sich um einen Wahlhelfer. Das Video zeigt, wie er seine Initialen auf leere Stimmzettel setzt. Dies ist kein Betrug. Im Gegenteil: Es ist im US-Bundesstaat Wisconsin gesetzlich so vorgeschrieben.
Fakten
In dem Video ist ein Mann in einem Wahllokal zu sehen, der verschiedene Papiere durchblättert und gelegentlich etwas auf der Seite markiert. Unter anderem bei Facebook wird behauptet, dass der Mann hier vermeintlich live im Fernsehen Stimmzettel fälscht.
Das Video zeigt einen Ausschnitt aus «The Faulkner Focus», einer Sendung des US-TV-Senders Fox News vom Tag der Wahl. Zu Beginn des geteilten Video-Clips ist in der oberen linken Bildecke als Ortsmarke zunächst «Philadelphia» angegeben. Dann werden die Bilder vom Wahllokal mit dem Mann im Hintergrund eingeblendet. Allerdings wechselt in diesem Moment auch der Bildausschnitt, sodass zunächst nicht klar ist, wo diese Aufnahmen entstanden sind. In einem anderen Video lässt sich bei Minute 00:50 jedoch der Ort der Aufnahme nachvollziehen: Die Bilder stammen aus Madison im US-Bundesstaat Wisconsin.
Eine Bildrückwärtssuche zeigt, dass die Bilder in den Olbrich Botanical Gardens in Madison, einem Wahllokal der Stadt, aufgenommen wurden. Madison liegt im Bezirk Dane County. Scott McDonell ist dort als «County Clerk» für Dane County – also als Beamter der Bezirksverwaltung – unter anderem für die Verwaltung der Wahlen zuständig.
Scott teilte auf Twitter und auch einer Journalistin mit, dass das, was im Video zu sehen ist, keinen Betrug zeigt. Es handele sich um ein Standardverfahren: Der Mann sei ein Wahlhelfer, der anzeige, in welchem Wahlbezirk («ward») gewählt wird. Er setze seine Initialen auf einen leeren Stimmzettel. «Dies ist in Wisconsin gesetzlich vorgeschrieben», erklärt Scott. Ein Kollege des Mannes mache dann dasselbe mit den Stimmzetteln und trage ebenfalls seine Initialen ein. Es ist eine zusätzliche Möglichkeit, um die Echtheit der noch auszufüllenden Stimmzettel sicherzustellen. Auch der «Clerk» der Stadt Madison bestätigte auf Twitter dieses Vorgehen.
Bereits im Vorfeld der Midterm Elections war die Stimmung in den USA angespannt: Es bestand die Befürchtung, dass unterlegene Kandidaten den Wahlausgang anzweifeln und fälschlicherweise von einem Wahlbetrug sprechen könnten. In der Folge könnte das zu Gewalt führen – und sich Bilder wie vom 6. Januar 2020 wiederholen. Nachdem Donald Trump sich weigerte, seine Niederlage bei der US-Präsidentschaftswahl zu akzeptieren und stattdessen unbelegte Vorwürfe von Wahlbetrug ins Spiel brachte, hatten damals Menschen das Kapitol gestürmt.
(Stand: 10.11.2022)
Durch einen stetigen Zustrom an Flüchtlingen werden in manchen Gemeinden in Deutschland die Unterbringungsmöglichkeiten knapp. Aus dem bayrischen Landkreis Fürstenfeldbruck heißt es etwa, dass es nicht mehr viel Kapazitäten gebe. Der Landkreisrat erwähnte das Wort Beschlagnahmung. Im Netz tauchte schnell die Behauptung auf, dass genauso wie in Hamburg 2015 nun in Bayern Immobilien enteignet werden, um Geflüchtete unterzubringen. Aber stimmt das so?
Bewertung
In Hamburg wurde 2015 zwar die Möglichkeit geschaffen, leerstehende Gewerbeimmobilien für die Unterbringung von Flüchtlingen zu enteignen. Diese Möglichkeit wurde laut einem Stadtsprecher der Sozialbehörde Hamburg jedoch nie genutzt. In Bayern ist hingegen noch kein Gesetz beschlossen, das eine Enteignung für die Unterbringung von Geflüchteten erlaubt.
Fakten
«Gedacht ist nicht an Wohnungen oder Häuser, sondern an Gewerbeimmobilien, also an leere Hallen oder ähnliche Dinge. Das wird rechtlich möglich sein, wenn es keine andere Möglichkeit mehr für die Unterbringung von Flüchtlingen gibt», sagte Thomas Karmasin, Landrat des bayrischen Landkreises Fürstenfeldbruck, in einem Interview in der «Süddeutschen Zeitung» (kostenpflichtig). In einer Pressemitteilung des Kreises vom 13. Oktober 2022 heißt es, dass die Möglichkeit geprüft werde – beschlossen sei noch nichts.
Schulturnhallen wolle der Landrat nicht mehr als Notunterkunft zur Verfügung stellen. «Die Turnhallen sind bereits in den Jahren 2015 und 2016 den Schulen entzogen worden, danach war auch während der Corona-Pandemie kein Schulsport möglich», sagte Karmasin.
Gab es 2015 Enteignungen in Hamburg?
Der Senat in Hamburg hatte 2015 ein «Gesetz zur Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen» verabschiedet. Dieses trat am 2. Oktober 2015 in und am 31. März 2017 außer Kraft. Zur «Abwehr von bevorstehenden Gefahren für Leib und Leben» konnte die zuständige Behörde laut dem Gesetz Gewerbeimmobilien unter bestimmten Bedingungen sicherstellen. Das betroffene Gelände musste ungenutzt und es durften keine Plätze mehr in den bereits verfügbaren Unterkünften frei sein.
«Nach Durchsicht unserer Unterlagen kann ich mitteilen, dass nach unserem Überblick bislang von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde», sagte ein Sprecher der Sozialbehörde Hamburg der Deutschen Presse-Agentur. Entsprechend finden sich auch keine Medienberichte über Hamburger Immobilien, die auf Grundlage des genannten Gesetzes enteignet wurden.
(Stand: 10.11.2022)
Angeblich werden auf Facebook sogenannte «Tiny Houses», Mini-Häuser, verlost. In den Beiträgen heißt es, dass die Häuser aufgrund von kleinen Kratzern und Schäden nicht verkauft werden könnten und daher verlost werden. Dazu werden Bilder der Mini-Wohnung gezeigt. Um am Gewinnspiel teilzunehmen, werden Nutzerinnen und Nutzer aufgefordert, den Beitrag zu teilen und mit «fertig» zu kommentieren. Doch erwartet sie am Ende tatsächlich der Gewinn eines der wertvollen «Tiny Houses»?
Bewertung
Es handelt sich um kein seriöses Angebot. Die Fotos zeigen zudem ein Tiny House, das in Australien steht.
Fakten
Die Facebook-Seiten hinter den Gewinnspielen wurden jeweils erst kurz vor dem Datum des ersten Posts erstellt. Das ist auf der Plattform im Bereich «Seitentransparenz» zu sehen. Auffällig ist, dass keinerlei weitere Informationen über die vermeintlich zu verlosenden Tiny Houses angegeben sind – etwa zur Größe oder zu Transportmöglichkeiten.
Auf den Facebook-Seiten sind keine Informationen darüber zu finden, wer die Seiten betreibt. Es wird auf keine Webseite einer überprüfbaren Organisation verwiesen. Dabei müssen gewerblich genutzte Seiten laut Gesetz ein Impressum haben, das unter anderem eine Postadresse und Kontaktmöglichkeiten enthält. Auf den Facebook-Seiten gibt es kein solches Impressum.
Mit verbotenen Mitteln sollen bei diesem angeblichen Gewinnspiel offenbar Menschen überzeugt werden, ihre persönlichen Daten preiszugeben. Und das mit hohem Aufwand: Die Macher der Seite antworten einzeln auf die Kommentare unter ihrem Post und fordern dazu auf, sich auf einer unseriösen Seite zu registrieren.
Sucht man nach Fotos, die für das angebliche Gewinnspiel verwendet wurden, findet man heraus, dass die Fotos offenbar das Modell «Canada Goose» zeigen. Bei einer Suche nach diesem Modell lassen sich die verwendeten Fotos finden. Das Modell wird von dem kanadischen Hersteller «Mint Tiny Homes» in unterschiedlichen Einrichtungsstilen produziert.
Verbraucherschützer und die Polizei warnen immer wieder davor, bei dubiosen Gewinnspiel-Angeboten die eigene E-Mail-Adresse oder sonstige persönliche Daten weiterzugeben – auch weil diese Daten verkauft werden können.
(Stand: 10.11.2022)
Deutschland ist souverän. Daran ändern auch keine vermeintlichen Belege aus der Szene der sogenannten Reichsbürger etwas. So ist das auch in diesem Fall: Ein Urteil des Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag sei «implizit» Beweis, dass die Bundesrepublik «kein souveräner Rechtsnachfolger des Staates Deutsches Reich» sei, heißt es in einem Video. Darin ist der damalige Richter Hisashi Owada zu sehen, wie er 2012 ein verhängtes Urteil vorlas.
Bewertung
Das Urteil stellt die Souveränität Deutschlands an keiner Stelle in Frage. Im Gegenteil: Indem es sich auf die staatliche Immunität beruft, bestätigt es sie.
Fakten
Hintergrund des Verfahrens von 2012 war die Frage, ob italienische Opfer deutscher Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs die Bundesrepublik vor italienischen Gerichten auf Schadenersatz verklagen können. Die Gerichtsentscheidung dazu lautete: Nein, können sie nicht. Die Begründung: Dies sei ein Verstoß gegen das völkerrechtliche Prinzip der Staatenimmunität. Damit belegt das Urteil indirekt genau das Gegenteil von dem, was am Ende des Videos behauptet wird.
Mehrdad Payandeh ist Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Recht, Europarecht und Öffentliches Recht an der Bucerius Law School und hat einen Aufsatz über das Urteil geschrieben. Er teilte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit: «Die Tatsache, dass der IGH ein Urteil in einem Verfahren zwischen Deutschland und Italien gefällt hat, bedeutet, dass Deutschland aus seiner Sicht ein Staat, und zwar ein souveräner Staat ist.»
Es ist also falsch zu behaupten, der Gerichtshof bestreite Deutschlands Souveränität – denn die war Voraussetzung, dass der Gerichtshof in dem Verfahren zwischen Deutschland und Italien überhaupt entschieden hat. Nur souveräne Staaten können Partei in Verfahren am Gerichtshof sein, wie es in Artikel 34 des Statuts des Gerichtshofs heißt.
Ergebnis des Verfahrens war, dass Deutschland italienische NS-Opfer nicht individuell entschädigen müsse. Der Internationale Gerichtshof bestätigte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, dass die Souveränität Deutschlands oder die Rechtsnachfolge des Deutschen Reichs nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens war.
Italienische Gerichte hatten trotz der Entscheidung im Jahr 2012 weiterhin Klagen gegen Deutschland zugelassen, wogegen Deutschland im Frühjahr 2022 erneut klagte. Weil Italien einen eigenen Fond für Schadensersatzzahlungen eingerichtet hat, zog Deutschland einen Teil der Klage zurück.
«Reichsbürger» und sogenannte Selbstverwalter sprechen dem deutschen Staat und seinen demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab. Teile der Szene werden von den Behörden als rechtsextrem eingestuft. Die immer wieder genannte Falschbehauptung, es gebe seit Ende des Zweiten Weltkriegs keinen Friedensvertrag zwischen Deutschland und den Alliierten, hat die Deutsche Presse-Agentur schon früher widerlegt. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag regelte im Zuge der Vereinigung der damals beiden deutschen Staaten die Außenpolitik der neuen Bundesrepublik mit den Alliierten. Damit endete der Sonderstatus Deutschlands, der seit 1945 in einer Art internationaler Vormundschaft durch die vier Siegermächte bestanden hatte.
(Stand: 11.11.2022)
Über drei Viertel der Bevölkerung hierzulande haben sich bereits gegen das Coronavirus impfen lassen. Dennoch tauchen gewisse Gerüchte und Falschbehauptungen immer wieder auf. Einige davon wurden auch im Rahmen eines Vortrags auf YouTube veröffentlicht. In diesem wird nicht nur die Wirksamkeit der Corona-Impfungen angezweifelt, sondern auch der Nutzen von Masken bestritten.
Bewertung
Die in dem Vortrag aufgestellten Behauptungen sind teilweise durch Anpassung der untersuchten Daten irreführend, an anderen Stellen ganz falsch. Es ist weder eine eindeutige Gefährdung durch eine Corona-Impfung erkennbar, noch existiert ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen Impfung und Sterblichkeitsrate. Masken schützen – sofern richtig getragen – nachweislich vor einer Ansteckung.
Fakten
In dem Vortrag soll anhand verschiedener Datenanalysen die mangelnde Wirksamkeit der Corona-Impfung sowie deren potenzielle Gefährlichkeit aufgezeigt werden.
Nach einer allgemeinen Einführung geht es zunächst um die Effektivität von Masken. Diese böten angeblich keinen Schutz, denn die Löcher in den Masken seien um ein Vielfaches größer als der Erreger oder schwebefähige Aerosole.
Die Behauptung, Masken seien überflüssig, ist nicht neu. Besonders für partikelfiltrierende Gesichtsmasken (FFP-Masken) gibt es allerdings strenge Vorgaben. In der Europäischen Norm DIN EN 149 ist festgelegt, dass FFP-Masken Teilchengrößen zwischen 0,004 und 1,2 Mikrometer filtern können müssen. Das Coronavirus mit einer Größe zwischen 0,08 und 0,14 Mikrometer fällt in diesen erforderlichen Bereich. FFP2-Masken müssen darüber hinaus mindestens 94 Prozent, FFP3-Masken sogar mindestens 99 Prozent der Aerosole aus der Luft filtern.
Impfquote und Inzidenz
Im weiteren Verlauf wird die Corona-Impfung thematisiert. Basierend auf einem Vergleich von Fallzahlen und verabreichten Auffrischungsimpfungen, den sogenannten Boostern, entsteht die These: