Dieses Foto von Alexej Nawalny mit Hitlergruß und Nazi-Tattoo ist gefälscht - Featured image

Dieses Foto von Alexej Nawalny mit Hitlergruß und Nazi-Tattoo ist gefälscht

Nach dem Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny am 16. Februar 2024 in einem russischen Gefängnis überschlugen sich die Reaktionen in sozialen Medien. Viele zollten ihm Tribut, es gab jedoch auch diejenigen, die seinen Tod begrüßten. Sie behaupteten, der bekannteste Gegner des Kremls sei ein „Neonazi“ gewesen und teilten ein Bild, auf dem er angeblich den Hitlergruß mache und ein Hitler-Tattoo auf der Brust habe. Dieses Foto, das bereits seit 2011 im Umlauf ist, ist jedoch bearbeitet – Nawalnys Kopf wurde auf den Körper eines anderen Mannes aufgesetzt. 

Am 16. Februar 2024 ist Russlands bekanntester Oppositioneller und schärfster Gegner des Kremls Alexej Nawalny im Alter von 47 Jahren in der Strafkolonie „Polarwolf“ in der sibirischen Arktis zu Tode gekommen. Viele westliche Politikerinnen und Politiker geben dem Kreml die Schuld an seinem Tod.

Karte zur Strafkolonie IK-3 in Charp am Polarkreis, wo Nawalny seine letzten Wochen verbrachte. – Nalini LEPETIT-CHELLA / Valentina BRESCHI / AFP

Nach einem Giftanschlag auf ihn und drei Jahren Lagerhaft lässt sein Tod nun eine ohnehin sehr geschwächte Opposition rund einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen ohne ihre Galionsfigur zurück.

Der französische Botschafter in Russland, Pierre Levy, legte am 19. Februar 2024 in Moskau Blumen zum Gedenken an Alexej Nawalny nieder. – AFP

Nawalnys Tod hat vor allem im Westen aber auch in Russland eine große Welle der Empörung und viele Emotionen ausgelöst. In Russland sind jedoch Proteste gegen den Kreml, öffentliche Aktionen der Opposition und generell nicht-genehmigte Versammlungen verboten. Und so wurden mehr als 400 Menschen verhaftet, als sie bei Gedenkveranstaltungen in Dutzenden russischen Städten Nawalny die letzte Ehre erwiesen.

Auch in sozialen Medien wurde dem bekanntesten russischen Oppositionellen gedacht.

Einige begrüßten seinen Tod jedoch auch und behaupteten, Nawalny sei ein „Neonazi“ gewesen – um das zu untermauern, posteten sie ein Foto, auf dem angeblich Nawalny zu sehen sei. „Nawalny war ein Nazi“, behauptete ein Nutzer in einem kroatischen Facebook-Post vom 27. Februar 2024, während ein anderer ihn als „Liebling des Westens“ bezeichnete, bevor er feststellte: „Er war ein berüchtigter Nazi“. Auch auf Deutsch verbreiteten User das Foto auf Facebook.

Screenshots der Behauptung auf Facebook (links) und X (rechts): 1. März 2024

Obwohl sich Nawalny in der Vergangenheit fremdenfeindlich und rassistisch geäußert und an Veranstaltungen von Nationalisten teilgenommen hat – wie westliche Medien etwa hier und hier, sowie AFP hier berichteten – handelt es sich bei dem derzeit im Internet kursierenden Bild um eine Fotomontage. Auf dem Originalbild ist Nawalny nicht zu sehen.

Das bearbeitete Foto ist bereits seit 2011 im Umlauf

Eine umgekehrte Bildersuche zeigte, dass das Foto nicht neu ist, sondern bereits seit 2011 im Internet kursiert. Erstmals tauchte es eine Woche nach der Teilnahme Nawalnys am „Russischen Marsch„, einer nationalistischen Gedenkveranstaltung, im November 2011 auf. Am 6. November 2011 erschien das Bild in der Rubrik „Foto des Tages“ auf der russischen Website besttoday.ru mit folgender Bildunterschrift: „Nach Nawalnys Teilnahme am ‚Russischen Marsch‘ veröffentlichen Blogger themenbezogene Fotomontagen“.

Nawalny verteidigte seine Teilnahme an der Kundgebung der radikalen Nationalisten mit der Behauptung, sie sei „ein Ventil für die Wut auf die Regierung“ gewesen. Er forderte die Absetzung von Wladimir Putins Partei Einiges Russland, die er als Partei der „Gauner und Diebe“ bezeichnete. Gegenüber Reuters sagte er damals, dass man beim „Russischen Marsch“ die Möglichkeit hatte, „Probleme anzusprechen, die wirklich existieren in der Gesellschaft, die aber tabu sind und über die deshalb nie diskutiert wird“.

Das auf besttoday.ru veröffentlichte Bild wird dem russischen Nutzer „neprio“ auf X zugeschrieben, auf dessen Beiträge nur zugelassene Follower zugreifen können – AFP konnte daher nicht überprüfen, ob das Bild von diesem Konto stammt.

Screenshot der Website besttoday.ru mit dem am 6. November 2011 veröffentlichten und bearbeiteten Bild: 27. Februar 2024

Durch die umgekehrte Bildersuche bei „Verwandte Suche“ auf Google Lens erschienen ähnliche Fotos eines Mannes mit Glatze und denselben Tätowierungen auf der Brust. Nur das Gesicht ist ein anderes:

Screenshot der Google-Suchergebnisse: 19. Februar 2024

AFP machte daraufhin das Originalfoto ausfindig, auf dem ein Mann mit kahlgeschorenem Kopf zu sehen ist, der den Hitlergruß macht, und zwar in derselben Position und vor demselben Hintergrund. Dieses Foto existiert bereits seit November 2011 und wurde am 5. November 2011 auf einem russischen Blog veröffentlicht – mit der Angabe, es stamme vom „Russischen Marsch“.

Screenshot des russischen Webblogs: 27. Februar 2024

In der folgenden Gegenüberstellung sind die beiden Aufnahmen – das Original und das derzeit auf Facebook geteilte Foto – übereinandergelegt zu sehen, was zeigt, dass der Kopf Nawalnys digital in das Bild eingefügt wurde.

Nawalnys Gesundheitszustand verschlechterte sich im Gefängnis

Russische Regierungsvertreter hielten den Leichnam Nawalnys eine Woche lang zurück und weigerten sich, ihn seiner Mutter Ljudmila zur Beerdigung zu übergeben. Nawalnys Team behauptete, die örtlichen Behörden hätten gedroht, ihn auf dem Gefängnisgelände zu beerdigen, wenn seine Mutter nicht zustimme, keine öffentliche Beerdigung für ihn auszurichten. Am 24. Februar 2024 wurde sein Leichnam schließlich seiner Mutter übergeben.

Alexej Nawalny war der prominenteste russische Oppositionelle – vor mehr als einem Jahrzehnt wurde er der Öffentlichkeit bekannt, als er schwere Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Putin und die ihm nahestehende Elite erhob.

Der erbittertste Widersacher Putins erntete die Bewunderung der russischen Opposition, als er 2021 freiwillig von Deutschland nach Russland zurückkehrte, nachdem ein Giftanschlag auf ihn verübt worden war. Die Labortests in Deutschland ergaben, dass man versucht hatte, ihn mit dem Nervengift Nowitschok zu töten.

Nach seiner Rückkehr nach Russland wurde er wegen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen verhaftet und in ein Gefängnis gesperrt. Nach etlichen neuen Anklagen, die seiner Meinung nach erfunden wurden, um ihn zum Schweigen zu bringen, wurde er zu einer zusätzlichen Strafe von 19 Jahren verurteilt. Im Gefängnis wurde er in Isolationshaft verwahrt und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich, so dass er im April 2023 bereits in einem kritischen Zustand war.

Nawalnys Witwe, Julia Nawalnaja, hat geschworen, den von ihrem Mann geführten Kampf gegen Putin fortzusetzen und sie rief seine Anhängerschaft auf, sich ihr anzuschließen. „Wladimir Putin hat meinen Mann getötet“ […] „Ich will in einem freien Russland leben, ich will ein freies Russland aufbauen“, sagte sie in einer Videobotschaft.

Die Behauptungen über seine Verbindungen zum Nationalsozialismus entsprechen den häufig wiederholten Kreml-Narrativen, mit denen die Opposition sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes diskreditiert wird. In falschen oder irreführenden Beiträgen wird beispielsweise versucht, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj entweder als Nazi-Sympathisanten oder als Mitglied der LGBTQ+-Gemeinschaft darzustellen.

Nach dem Tod von Nawalny war auch seine Witwe Julia Nawalnaja im Visier falscher und irreführender Behauptungen, wie etwa hier.

Fazit: Das auf Facebook geteilte Foto ist eine Montage und zeigt im Original nicht Nawalny, sondern einen lachenden, kahlgeschorenen Neonazi.

Fact Checker Logo

Politik

Autor(en): Lisa-Marie ROZSA / Juliette MANSOUR / AFP Frankreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen