Nein, Koriander hilft nicht, Schwermetalle aus dem Körper auszuleiten

Online werden immer wieder Lebensmitteln heilende Wirkungen zugeschrieben, die sich wissenschaftlich nicht belegen lassen. Zuletzt wurde in fragwürdigen Blogeinträgen im Netz behauptet, eine halbe Tasse frischer Koriander am Tag würde giftige Schwermetalle aus dem menschlichen Körper entfernen. Blei, Kupfer oder Quecksilber sollen angeblich durch das Kraut aus dem Körper ausgeleitet werden. Das stimmt nicht, erklärten Expertinnen und Experten gegenüber AFP. 

Die Beiträge in den sozialen Medien versprechen, dass das Essen von Koriander helfen könne, giftige Stoffe auszuscheiden: „Das Kraut kann innerhalb von 42 Tagen, bis zu 80 Prozent der Schwermetalle aus deinem Körper entfernen“, heißt es dort. Unterstützt werden müsse die Entgiftung durch den Einsatz der Chlorella-Alge. In den Posts ist derselbe Text in Blogeinträgen auf verschiedenen Webseiten (hierhier und hier) verlinkt, in dem weitere Behauptungen zu Toxinen, deren Effekte und Abbau im menschlichen Körper aufgestellt werden.

Die Beiträge wurden auf Facebook, Twitter und Telegram geteilt.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 22. Juni 2023

Belastung mit Schwermetall geht zurück

In dem Blogeintrag aus dem Jahr 2022 wird zunächst behauptet: „Durch Umweltbelastungen ist unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden immer mehr gefährdet.“ Der Mensch sei zunehmend durch Kupfer aus der Landwirtschaft, Blei aus Abgasen oder Quecksilber aus Meeresfrüchten und Zahnfüllungen aus Amalgam belastet.

Dem widersprach Andrea Hartwig, Professorin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Leiterin der Abteilung Lebensmittelchemie und Toxikologie, in einer E-Mail an AFP vom 21. Juni 2023: „Allgemein ist die Umweltkontamination durch Schwermetalle glücklicherweise in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.“

Dem stimmte auch Helga Stopper, Professorin für Analytische Toxikologie in der Universität Würzburg, in einer E-Mail an AFP vom 21. Juni 2023 zu. Zwar seien Schwermetalle grundsätzlich problematisch, „die Behauptung ist allerdings zu verallgemeinernd“, so Stopper. Und weiter: „Blei ist in Benzin verboten. Die Blei-Emissionen in Deutschland sind nur noch 10 Prozent von der Menge in den 1990er-Jahren und die Blutbleiwerte der Menschen sowie die Zahl der Vergiftungsfälle sind zurückgegangen.“

In den Blogeinträgen wird behauptet, dass Quecksilber, etwa in Zahnfüllungen mit Amalgam, schädlich sei. Stopper stimmt grundsätzlich zu, dass sich Quecksilber in Organen anreichern und „die Ausscheidung dann tatsächlich lange dauern“ könne. Jedoch gehe von Zahnfüllungen keine Gefahr aus, wie im Beitrag behauptet wird. Hier sei die Menge des Schwermetalls zu gering. Auch Quecksilberverbindungen in Pflanzenschutzmitteln seien gänzlich verboten.

Zahnfüllungen sind keine Gesundheitsgefahr

Im Text wird ebenfalls behauptet, dass „viele Medikamente, wie Bluthochdruckmittel und Impfstoffe (Starrkrampf) mit Quecksilber belastet“ seien. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) teilte AFP am 23. Juni 2023 auf Anfrage mit, dass die Zusammensetzung aller Arzneimittel in Europa genaustens überprüft werde. Verwendungszweck, Qualität und Menge jedes einzelnen Inhaltsstoffes müssten den äußerst strengen regulatorischen und wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen.

Tatsächlich können jedoch einige Impfstoffe Thiomersal, eine Ethylquecksilberverbindung, enthalten. Diese seien aber deutlich leichter vom Körper abgebaut werden kann als das Methylquecksilber, die sich etwa in manchen Fischsorten finden, so die AGES.  Laut dem deutschen Paul-Ehrlich-Institut sind in „Deutschland zugelassene Impfstoffe (…) sind thiomersalfrei, das heißt frei von Quecksilberverbindungen, und werden als Fertigspritzen geliefert.“ Eine Ausnahme bildeten lediglich einige Grippeimpfstoffe in Mehrdosenbehältnissen. Letztere können Thiomersal als Konservierungsmittel enthalten.

Antibakterielle Wirkung unter Laborbedingen

In dem Beitrag wird eine Studie (Link hier archiviert) des Journal of Medical Microbiology aus dem Jahr 2011 angeführt, laut der Korianderöl bei der Bekämpfung von antibiotikaresistenten Keimen hilft. Tatsächlich wurde in dieser Studie Korianderöl unter anderem in Verbindung mit einem multiresistenten Bakterienstamm getestet. Eine 1,6-prozentige Korianderöl-Lösung konnte die Menge an Bakterien unter Laborbedingungen in einem Fall um 21 Prozent reduzieren. Das Öl zerstört laut den Forschern die Zellwände der Bakterien.

Helga Stopper sagte gegenüber AFP zu den Ergebnissen der Studie: „Die Untersuchungen wurden mit Korianderöl gemacht. Korianderöl ist vielversprechend, aber kein zugelassenes Arzneimittel und daher nicht auf mögliche nachteilige Effekte in dem Umfang wie Arzneimittel geprüft. Koriander als Gewürz (meist aus Samen) kann sicherlich nur vorbeugende, unterstützende Wirkung besitzen, und ist nicht zur Therapie antibiotikabedürftiger Infektionen geeignet.“ Man müsse vorsichtig damit sein, den Eindruck zu erwecken, Antibiotika mit Korianderöl ersetzen zu können.

Die Studienautoren sehen in Koriander Potenzial, um den bakteriellen Verderb von Lebensmitteln zu verhindern. Abschließend heißt es: „Diese Forschung muss jedoch noch weiter vertieft werden, um die Eignung dieser bemerkenswerten antibakteriellen Eigenschaften für praktische Anwendungen zu bewerten.“

Tierversuche mit Korianderextrakten

Ein Faktencheck der Website USA Today, hat bereits 2021 Behauptungen untersucht, laut denen Koriander Schwermetalle aus dem Gehirn entfernt. In einer dort erwähnten Studie (Link hier archiviert) aus dem Jahr 2014, veröffentlicht im Fachblatt Biological Trace Element Research, haben Wissenschaftler den Effekt von Koriander auf Bleivergiftungen untersucht. Der Laborversuch wurde an Mäusen durchgeführt. Hierbei fanden die Forscher Hinweise, dass der gespritzte Korianderextrakt einen schützenden Effekt auf das Gehirn der Mäuse von Blei verursachten Schäden hat. Es wurde jedoch nur untersucht, ob das Korianderextrakt Gehirnareale vor Schäden durch Blei schützen kann und nicht, ob es hilft, das Schwermetall aus dem Körper auszuscheiden.

Eine weitere Studie (Link hier archiviert) an Ratten, die 2021 im Avicenna Journal of Phytomedicine erschienen ist, hat ebenfalls die Verlangsamung von Gehirnschäden durch Bleivergiftungen gezeigt, nachdem den Tieren Extrakt aus der Korianderpflanze injiziert wurden. Auch hier wurde nicht berichtet, dass sich die Menge an Blei in den Tieren verringerte.

Zudem sind Untersuchungen an Mäusen nicht direkt auf den Menschen übertragbar. In einer Studie (Link hier archiviert) aus dem Journal of Birjand University of Medical Sciences von 2008 an 32 Kindern mit erhöhtem Bleigehalt im Blut konnte nach zwei Wochen Behandlung mit Korianderextrakt keine Wirkung nachgewiesen werden.

Wirkstoffkonzentration ist zu gering

Auch die AGES sieht keine Belege für die Wirksamkeit von Koriander, weder für die frischen Korianderblätter, noch für das erwähnte Korianderöl. Den Phytomedizinern und Phytomedizinerinnen des Instituts sei „keine wissenschaftlich fundierte Basis für diese Aussagen bekannt“. Alle ätherischen Öle hätten als gemeinsames Merkmal, dass sie grundsätzlich gegen Bakterien und Pilze wirken.

Das sei aber auch eine Frage der Konzentration. „Höchstwahrscheinlich sind das Konzentrationen, die nur im Labor, im Reagenzglas, nicht aber bei der Anwendung am Menschen erzielt werden können“, so ein Sprecher der Agentur gegenüber AFP. Und weiter: „Wir können diese Aussagen nicht nachvollziehen. Unseres Wissens ist zu Koriander gar nichts an medizinischer Wirksamkeit ausreichend belegt, es gibts auch keinerlei Arzneimittel in Österreich mit dem Wirkstoff Koriander, nicht einmal ein traditionell pflanzliches.“

Zudem sei Wirksamkeit auch stets eine Frage der Wirkstoffkonzentration, erklärt die AGES. So gebe es etwa immer wieder Berichte über sogenannte natürliche Antibiotika. „Oral aufgenommen werden die Komponenten so verdünnt, dass wissenschaftliche Ergebnisse, die mit reinem Öl oder mit einzelnen isolierten Komponenten durchgeführt wurden, einfach nicht auf den Menschen übertragbar sind.“

Michael Wink, Seniorprofessor für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie an der Universität Heidelberg, bezeichnet in einer Mail an AFP am 27. Juni 2023 die Wirksamkeit von Koriander gegen Schwermetallbelastungen als Falschmeldung. Zwar könnte man Schwermetalle im Reagenzglas mit pflanzlichen Gerbstoffen und dem Pflanzenstoff Polyphenol aus einer Lösung ausgeschieden werden. „Das klappt aber nicht im menschlichen Körper. Koriander enthält keine größeren Mengen an Polyphenolen, bestenfalls in den Wurzeln“, so Wink.

Ähnliches gilt auch für die im Blogeintrag erwähnte Chlorella-Alge. „Eine entgiftende Wirkung beim Menschen durch Schwermetallbindung ist nicht belegt. Da diese Algen aber unter anderem Schwermetalle in der Umwelt binden, besteht meiner Ansicht nach eher die Gefahr, dass man dadurch noch zusätzliche Schwermetalle aufnimmt“, sagt Andrea Hartwig. „Durch eine ausgewogene Ernährung tut man sich sicherlich einen wesentlich größeren Gefallen als durch die solche Nahrungsergänzungsmittel.“ Auch der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) sieht keinen Beleg für die entgiftende Wirkung der Algen.

Fazit: Koriander ist kein wirksames Mittel bei Belastungen mit Schwermetallen. Zwar gibt es Studien, die sich mit Koriander und Schwermetallen beschäftigen, es konnte jedoch nicht nachgewiesen werde, dass die Pflanze hilft, diese Toxine aus dem menschlichen Körper auszuleiten. Dies bestätigten Forschende gegenüber AFP.

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Gesellschaft, Gesundheit

Autor(en): Till EICHENAUER / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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