Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke in Kanada beschweren sich darüber, dass Informationen über die Waldbrände in Kanada angeblich eingeschränkt würden, weil Beiträge im Rahmen des neuen Gesetzes C-11, einer Maßnahme zur Regulierung digitaler Plattformen, gesperrt wurden. Das ist falsch. Die Regierung und eine Politikwissenschaftlerin erklärten, dass das Gesetz noch nicht in Kraft getreten sei und nicht auf nutzergenerierte Inhalte in sozialen Netzwerken angewandt werde.
„Das ist richtige Zensur, wo sie Leute zum Schweigen bringen und ihnen nicht erlauben, etwas zu veröffentlichen, was wirklich passiert“, sagt der Sprecher in einem englischsprachigen Tiktok-Video, das am 10. Juni 2023 veröffentlicht und über 132.000 Mal angesehen wurde.
In dem Video behauptet der Mann, es gebe einen Mangel an Beiträgen von Nutzerinnen und Nutzern in Kanada über die anhaltenden Waldbrände, weil Inhalte angeblich nach der jüngsten Verabschiedung des Online Streaming Acts, auch bekannt als Gesetzentwurf C-11, blockiert würden.
Ähnliche Behauptungen wurden in englischer Sprache auf Facebook, Twitter und Tiktok geteilt.
Der Gesetzesentwurf C-11, der das kanadische Rundfunkgesetz abändert, ist jedoch noch nicht in Kraft getreten. Laura Scaffidi, eine Sprecherin des Ministers für das kanadische Kulturerbe, der den Gesetzesentwurf C-11 eingebracht hat, sagte, dass das Gesetz am 27. April 2023 die königliche Zustimmung erhalten habe, aber die kanadische Rundfunk- und Telekommunikationskommission (CRTC) noch Richtlinien für die Anwendung des Gesetzes festlegen müsse.
„C-11 wurde noch nicht umgesetzt und wird erst dann in Kraft treten, wenn die Regierung der CRTC eine politische Weisung erteilt und die CRTC die Vorschriften ausarbeitet“, sagte Scaffidi gegenüber AFP am 20. Juni 2023.
Nach Angaben von CrowdTangle, einem Tool zur Überwachung sozialer Netzwerke, haben Beiträge über Waldbrände auf öffentlichen Facebook-Seiten, die von Kanada aus betrieben werden, seit Anfang Mai 2023 Hunderttausende von Interaktionen erfahren.
Verwirrung um Gesetzesentwurf C-11
Seit der Einführung des Gesetzesentwurfs C-11 wird der Online Streaming Act öffentlich genauestens überprüft und ist Gegenstand von Fehlinformationen, da Kanadierinnen und Kanadier die Befürchtung äußerten, dass die Regulierung von Inhalten zu einer Zensur führen könnte.
Im kanadischen Rundfunkgesetz schreibt die CRTC vor, dass ein bestimmter Anteil der Inhalte in Fernsehen und Radio kanadisch sein muss. Die mit C-11 eingebrachten Änderungen zielen darauf ab, die gleiche Art von Vorschriften für Streaming-Dienste einzuführen, erklärte Vass Bednar, Professorin für öffentliche Ordnung an der McMaster University in Hamilton in Kanada, am 19. Juni 2023 gegenüber AFP.
Sowohl Scaffidi als auch Bednar sagten, dass der Gesetzentwurf keine von Nutzerinnen und Nutzern generierten Inhalte in sozialen Netzwerken betreffen solle, er richte sich an Streaming-Anbieter wie Netflix und Spotify.
Die offene Formulierung des Gesetzes wurde jedoch kritisiert, weil sie der CRTC möglicherweise mehr Macht zur Regulierung von Plattformen über die Förderung kanadischer Inhalte hinaus einräumt.
Die CRTC hat zwar erklärt, dass das Gesetz nur für Streaming-Dienste gelten werde und nicht für Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke oder Content Creator auf Youtube oder Podcast-Betreiberinnen und -Betreiber. Bednar sagte aber, es könne klarer kommuniziert werden, wie sich das Gesetz tatsächlich auf die Nutzererfahrung auf diesen Plattformen auswirken wird.
„Die CRTC hat sich zurückhaltend dazu geäußert, wie das aussehen soll“, sagte sie. „Aufgrund dieser Zurückhaltung, machen sich Leute ihre eigenen Gedanken dazu, wie das eigentlich funktionieren soll.“
So hat AFP bereits die Behauptung widerlegt, dass das Gesetz angeblich dazu benutzt werden solle, eine US-amerikanische Website für Waffenverkauf in Kanada zu sperren.
Es kursierte auch die Behauptung, dass die Premierministerin von Alberta, Danielle Smith, durch den Gesetzentwurf C-11 zensiert worden sei, als ihre Facebook-Seite vorübergehend für Beiträge gesperrt war. Dies ging Berichten zufolge jedoch auf die Einschränkung einer Person zurück, die für die Administration der Seite zuständig war, und betraf nicht die Seite selbst.
Eine andere Gesetzesvorlage C-18 zielt darauf ab, dass Technologieunternehmen für die Veröffentlichung von kanadischen Nachrichten zahlen sollen. Als dieser Entwurf am 22. Juni 2023 die königliche Zustimmung erhielt, erklärte das US-amerikanische Technologieunternehmen und Facebook-Mutter Meta, dass es darauf reagieren würde, indem es Nachrichten auf seinen Plattformen blockieren würde. Die Entfernung von Nachrichten für kanadische Nutzerinnen und Nutzer auf Facebook und Instagram wurde daraufhin fälschlicherweise mit dem Gesetzentwurf C-11 in Verbindung gebracht.
Fehlinformationen zu Waldbränden
Die heftige kanadische Waldbrandsaison, die zur Evakuierung von Zehntausenden und zur Zerstörung von Millionen von Hektaren von Wald geführt hat, hat in sozialen Netzwerken auch zu haltlosen Verschwörungserzählungen geführt.
Seit dem frühen Beginn der Waldbrandsaison in Alberta hat AFP Behauptungen über angebliche Brandstiftung oder das angeblich absichtliche Auslösen der Waldbrände durch die Regierung widerlegt. In vielen Beiträgen wurde behauptet, dass die Brände angeblich gelegt würden, um künstlich Panik vor dem Klimawandel zu schüren.
Das Video, in dem falsche Behauptungen über die Gesetzesvorlage C-11 aufgestellt werden, wurde als Reaktion auf einen Kommentar zu einem früheren Video aufgenommen, in dem es hieß, die Brände würden angeblich gelegt, um einen Klimanotstand zu schaffen.
Während die Untersuchungen zu den Ursachen der Brände noch andauern, haben kanadische Beamte gegenüber AFP wiederholt erklärt, dass die rekordverdächtige Waldbrandsaison auf heiße, trockene und windige Bedingungen zurückzuführen sei, die durch den Klimawandel entstehen.
Weitere Faktenchecks zu Kanada sammelt AFP hier.
Fazit: In sozialen Netzwerken werden Beiträge zu den Waldbränden in Kanada nicht aufgrund des neuen Gesetzes für Streaming-Anbieter C-11 eingeschränkt. Die Gesetzesvorlage ist noch nicht in Kraft getreten und wird nicht auf nutzergenerierte Inhalte angewandt, wie die kanadische Regierung und eine Politikwissenschaftlerin gegenüber AFP erklärten. In sozialen Netzwerken gibt es außerdem eine Vielzahl an Beiträgen zur Waldbrandsaison, die Hunderttausende von Interaktionen aufweisen.