Nein, dieses Video zeigt nicht, wie Ägypter Mitte Oktober Hilfsgüter nach Gaza bringen

Als Reaktion auf die Terrorangriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verschärfte die israelische Regierung die Blockade des Gazastreifens. Israel erlaubte zunächst keine Lieferungen nach Gaza. Wasser, Lebensmittel und andere Hilfsgüter sind seitdem extrem knapp. Wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete, lässt Israel seit dem 2. November aber wieder eine Minimalversorgung zu.

In diesem Kontext verbreitete sich Mitte Oktober ein Video im Netz, das angeblich zeigen soll wie zu Fuß Hilfsgüter aus Ägypten transportiert werden: „Ägypter überqueren die palästinensische Grenze, um die Menschen in Gaza mit Wasser, Nahrungsmitteln und Vorräten zu versorgen“, hieß es zu dem Video auf X am 14. Oktober 2023. In der Aufnahme sind viele Menschen zu sehen, die mit weißen Rucksäcken durch eine Wüstenlandschaft laufen.

Das Video mit der Behauptung verbreitete sich auf Facebook, Telegram, Tiktok und X. Doch es zeigt etwas anderes als behauptet: Die Aufnahme kursiert schon mindestens seit Ende August 2023, also vor den Attacken der Hamas und der Blockade des Gazastreifens durch Israel. Vermutlich ist das Video auch nicht in ägyptischer Grenznähe zu Gaza entstanden, sondern an der libysch-ägyptischen Grenze.

Fernsehsender teilte altes Video eigenen Angaben zufolge versehentlich und löschte den Beitrag

In einigen der Videos ist das Logo „K24“ zu sehen. Dabei handelt es sich um das Logo des Fernsehsenders Kurdistan 24, aus der gleichnamigen Region im Irak. Doch weder auf K24-Webseiten, noch auf dessen Social-Media-Kanälen konnten wir das Video finden.

Der Sender schrieb uns auf Anfrage: „Das alte Video wurde versehentlich gepostet und dann entfernt.“ Davor hätten Andere das Video bereits weiterverbreitet. Auf Nachfragen, was die Aufnahme zeigt und wann und wo sie gemacht wurde, antwortete der Sender nicht.

Video kursierte schon vor den Angriffen der Hamas und zeigt vermutlich die libysch-ägyptische Grenze  

Dass das Video alt ist, zeigt außerdem eine Bilder-Rückwärtssuche: Beiträge mit dem Video wurden auf X bereits rund einen Monat vor den Terrorangriffen der Hamas veröffentlicht – am 1. September und 7. September 2023. In diesen Beiträgen ist nichts von Hilfsgütern für Gaza zu lesen, sie erwähnen jedoch die libysch-ägyptische Grenze. Laut einem Kommentar soll es sich bei den Menschen im Video um Schmuggler handeln. Andere Kommentierende zweifeln den Aufnahmeort jedoch an: die Kleidung der Menschen deute auf Menschen aus Syrien oder dem Irak; ein anderer schreibt, dass es sich um die Grenze zwischen Jemen und Saudi-Arabien handle.

Über eine Stichwortsuche auf Tiktok mit den Worten „الحدود بين مصر وليبيا“ („Grenze von Ägypten und Libyen“) finden wir einen weiteren Beitrag – dort wurde das Video bereits am 31. August 2023 geteilt. Auch hier schreibt der Autor, es handele sich um die libysch-ägyptische Grenze, bei Sallum an der Nordküste Ägyptens. Das Tiktok-Profil hatte schon zuvor ein ähnliches Video geteilt, auch darin sind Personen in ähnlicher Kleidung und mit ähnlichen Rucksäcken zu sehen.

Die arabische Faktencheck-Redaktion Misbar fand zudem bereits im September 2023 mehrere Videos, die ähnliche Szenen zeigen und ebenfalls die libysch-ägyptischen Grenze als Aufnahmeort angeben. Misbar fand auch einen Facebook-Beitrag eines libyschen Fernsehsenders von Juni 2022. Darin wird von ägyptischen Schmugglern in der libyschen Region Amsaad an der nordöstlichen Grenze zu Ägypten berichtet. Auch in diesem Beitrag tragen die Personen ähnliche Rucksäcke und Kleidung.

Im Hintergrund des aktuell geteilten Videos ist am Horizont ein Gebäude mit gewölbtem runden Dach zu erkennen. Es ähnelt dem Grenz-Terminal bei Sallum. Ob es sich tatsächlich um dasselbe Gebäude handelt, lässt sich aber wegen der geringen Auflösung des Videos nicht abschließend feststellen.

Fest steht: Das Video ist nicht nach den Terrorangriffen der Hamas im Oktober 2023 entstanden. Auch gibt es keine Medienberichte, die solche Hilfslieferungen belegen würden.

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Redigatur: Uschi Jonas, Kimberly Nicolaus