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Dieser französische Bericht über Macrons Absage seines Ukraine-Besuchs ist manipuliert

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte Mitte Februar 2024 einen Ukraine-Besuch ab, westliche Medien berichteten darüber. Stattdessen empfing Macron den ukrainischen Präsidenten in Paris. Gründe für die Entscheidung wurden offiziell nicht genannt. In sozialen Medien wird behauptet, der französische Sender France 24 hätte berichtet, der Besuch sei wegen eines geplanten ukrainischen Attentats auf Macron abgesagt worden. Das ist jedoch falsch. France 24 erklärte, den Beitrag nicht gesendet zu haben. Er findet sich auch nicht auf der Website des Senders. Das Video samt Audiospur weist Anzeichen von Manipulation auf.

„Ein Skandal der Extraklasse bahnt sich an!“, heißt es in einem Facebook-Beitrag vom 15. Februar 2024. „Französische Medien berichten, das Selenskyj-Regime in Kiew bereite ein Attentat auf Macron vor, um Russland für alles verantwortlich zu machen und neue Waffenlieferungen zu fordern. Macrons Besuch in Kiew abrupt abgesagt.“ Darunter ist ein Ausschnitt einer mutmaßlichen Nachrichtensendung zu sehen.

Der früheste Post mit dem Video, den AFP finden konnte, stammt vom Morgen des 14. Februar 2024 und wurde auf Französisch auf X geteilt. Er zeigt in schlechter Qualität einen Bildschirm, auf dem Nachrichten des Senders France 24 auf Französisch zu sehen sind. Dem Video wurden russische Untertitel hinzugefügt. Am gleichen Tag postete auch der offizielle Account des ehemaligen russischen Präsidenten und Premierministers Dmitri Medwedew die Behauptung (hier archiviert) und brachte die Absage mit einem „mutmaßlichen“ Plan eines Attentats in Verbindung, jedoch ohne das Video zu teilen.

Auf X und Telegram werden ebenfalls Beiträge mit dem Video vielfach verbreitet. Darunter sind Versionen des Videos auf Französisch, aber auch Varianten mit deutscher Synchronisation. Auch auf Englisch, Französisch und Bulgarisch wird der Clip geteilt.

Telegram-Screenshot der Behauptung: 11. März 2024

Der Sender France 24 erklärte jedoch öffentlich, die Nachrichtensendung sei eine Fälschung und ihr Journalist sei Opfer eines Deepfakes geworden. Gegenüber AFP erklärte France 24, die Sendung enthalte echte und künstlich erstellte Audio- und Videosequenzen.

Verschiedene deutsche und internationale Medien berichteten Mitte Februar 2024, dass sich Macrons Besuch verzögerte. Eine öffentliche Erklärung gab es dazu nicht und schließlich war es der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der am 16. Februar 2024 Paris besuchte. Mitte März 2024 will Macron in die Ukraine reisen.

Keine Hinweise auf diese Schlagzeile

Die Stimme in dem gefälschten Video sagt auf Französisch, dass Macron „dazu gezwungen war, seinen Besuch in der Ukraine wegen des Versuchs eines Attentats“ durch ukrainische Offizielle abzusagen. Das sei von den französischen Nachrichtendiensten aufgedeckt worden, nachdem Nachrichten und Anrufe abgehört worden seien. Im Video mit der deutschen Synchronisation ist ein Wasserzeichen „powered by EzDubs.ai“ zu erkennen. Eine Suche nach der Website ergab, dass es sich dabei um KI-generierte Live-Synchronisation von Videos handelt, wie auf dem Youtube-Kanal von EzDubs demonstriert wird.

Die Absicht sei es dem Video zufolge gewesen, „erneute Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf die Ukraine zu lenken und mehr Waffenlieferungen zu ermöglichen“, sagt die Stimme. Anschließend würde die Ukraine die „russische Seite beschuldigen und dem Land terroristische Taktiken in der Kriegsführung vorwerfen“. Das geht auch aus den russischen Untertiteln hervor.

Durch eine Stichwortsuche auf der Website von France 24 konnte der Beitrag nicht gefunden werden. Der Sender strahlt alle 30 Minuten eine Nachrichtensendung aus und speichert nicht alle Sendungen, sondern lädt nur die aktuellsten Ausgaben hoch.

Der erste Teil des manipulierten Beitrags trägt die zusammenhangslose Überschrift „Zwei israelische Geiseln in Rafah freigelassen“. Diese Freilassung hat tatsächlich am 12. Februar 2024 stattgefunden, wie mehrere Medien berichteten. Die Überschrift ist im Archiv der Artikel und Videos des Senders vom 12. Februar 2024 aufgelistet. Dort findet sich jedoch kein Beitrag über einen angeblichen geplanten Anschlag auf Macron.

Eine erweiterte Google-Suche nach der Überschrift über das angebliche Attentat lieferte ebenfalls keine Ergebnisse. Eine weitere Überschrift steht auf weißem Hintergrund und bezieht sich auf ein reales Ereignis: „Joe Biden empfängt König Abdullah II. von Jordanien…“. Der Besuch begann am 12. Februar 2024.

Im bearbeiteten Video ist anschließend eine Szene zu sehen, in der sich Macron und Selenskyj umarmen. Dazu heißt es im Bild „Attentat auf französischen Präsidenten vereitelt“.

Mithilfe einer umgekehrten Bildsuche fand AFP heraus, dass der Ausschnitt von der Auszeichnung Selenskyjs mit dem Großen Kreuz der französischen Ehrenlegion im Februar 2023 stammt.

Screenshot des manipulierten Videos mit Aufnahmen von der Auszeichnung Selenskyjs mit dem Großen Kreuz der französischen Ehrenlegion in Paris im Februar 2023 inklusive der Bildunterschrift über das angeblich vereitelte Attentat: 21. Februar 2024

In dem manipulierten Video sind dann Nahaufnahmen von Macron zu sehen, in denen er spricht. AFP durchsuchte das offizielle Facebook-Profil des französischen Präsidenten nach diesen Aufnahmen und fand heraus, dass sie aus einem Mitte Dezember 2023 veröffentlichten Video stammen. Darin spricht Macron über Elektroautos und die Umwelt.

France 24 widerlegte die Behauptung

Schon am Tag der Veröffentlichung des manipulierten Videos widerlegte France 24 die Falschinformationen durch sein eigenes Faktencheck-Team „Les Observateurs“. „Auch wenn das Video einen Ausschnitt eines Nachrichtenbeitrags von France 24 enthält, äußerte sich Journalist Julien Fanciulli nie in dieser Weise. Wir nennen es einen ‚Deepfake‘: ein KI-Tool wird genutzt, um eine Person – mit einer mehr oder weniger ähnlichen Tonlage – etwas komplett anderes als im Originalvideo sagen zu lassen“, heißt es darin.

Zwei Tage später bezeichnete Fanciulli das Video in einem Post auf X ebenfalls als „Deepfake“.

Screenshot des Posts auf X: 13. März 2024

Emerald Maxwell, Faktencheckerin bei France 24, erklärte gegenüber AFP in einer E-Mail vom 19. Februar 2024, die Überschrift zu den freigelassenen Geiseln sei am 12. Februar 2024 in vielen Beiträgen zu sehen gewesen. Dennoch sei jener über Macron im gefälschten Video „manipuliert“ worden „und entspricht nicht den Richtlinien von France 24“.

Sie sendete AFP einen der Beiträge von Fanciulli mit der betreffenden Überschrift und erklärte, dass von France 24 genutzte Software gesendete Eilmeldungen nicht archiviert.

Vergleich des manipulierten Videos (links) und des von France 24 zur Verfügung gestellten Videos (rechts), gelbe Hervorhebungen gemeinsamer Elemente durch AFP: 20. Februar 2024

„Kurz gesagt ist das Video eine Mischung aus dem echten Julien (mit seiner manipulierten Stimme), ein paar Sekunden echter Aufnahmen und der manipulierten Aufnahme von Macron“, erklärte sie.

Bei genauem Hinsehen wird deutlich, dass die Audiospur und die Bewegung von Fanciullis Lippen in dem geteilten Video nicht übereinstimmen. Der Investigativreporter Christo Grozew bezeichnete den Clip in einem Post auf X als „plump gefälschtes Video“ und als „einen der schlechtesten Deepfakes“ des Kremls.

Frankreich und Russland weisen die Fälschung zurück

Das französische Außenministerium bezeichnete den gefälschten France 24-Beitrag in einer Pressekonferenz am 15. Februar 2024 als prorussische Desinformation (hier archiviert). „Es gab keine Sicherheitsbedenken zur Zeit des geplanten Besuchs. Diese Frage hat sich nie gestellt“, zitierte AFP zudem französische Regierungskreise am 19. Februar 2024.

Sogar die staatseigene russische Nachrichtenagentur TASS zitierte in einer Meldung den Sender France 24 mit der Äußerung, dass das Video eine Fälschung sei.

Prorussische Desinformation ist Teil des Krieges Russlands gegen die Ukraine. So wurden mit der „Doppelgänger„-Kampagne anti-ukrainische Falschinformationen verbreitet, indem gefälschte Meldungen nachgeahmter westlicher Medien-Websites in sozialen Netzwerken geteilt wurden. Französische Nachrichtendienste schreiben die Kampagne Russland zu.

AFP widerlegte bereits einige falsche Behauptungen über die Ukraine und ihre Regierung, die westliche Unterstützung der Ukraine konterminieren sollten.

Mitte Februar berichtete die „Washington Post“, sie habe über 100 Dokumente eingesehen, die das Ausmaß der gegen Selenskyj gerichtete Kreml-Propaganda verdeutlichten. Mit der Kampagne solle die ukrainische Gesellschaft gespalten werden, indem das Militär und die Regierung diskreditiert würden. Auch die ukrainischen Truppen sollten dadurch demoralisiert werden. Ein Beispiel ist ein manipuliertes Video des ehemaligen ukrainischen Oberbefehlshabers Walerij Saluschnyj von November 2023, in dem er in einer gefälschten Tonspur scheinbar zum Aufstand gegen Selenskyj aufruft.

Fazit: Das Video des France 24-Beitrags über Macrons wegen eines Anschlagsplans abgesagte Ukraine-Reise ist manipuliert. Der Sender erklärte, einen solchen Beitrag nicht gesendet zu haben. Außerdem stimmen die Tonspur und Lippenbewegungen des Journalisten nicht überein.

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Politik, Ukraine

Autor(en): Rossen BOSSEV / Johanna LEHN / AFP Bulgarien

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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