Menschen beeinflussen Klimawandel stärker als ein Vulkanausbruch - Featured image

Menschen beeinflussen Klimawandel stärker als ein Vulkanausbruch

Die CO2-Emissionen, die durch den jüngsten Ausbruch des Ätna verursacht wurden, sind enorm, liegen aber weit unter den Emissionen, die durch menschliche Aktivitäten verursacht werden. Der Vulkan auf der italienischen Insel Sizilien war am 21. Mai 2023 ausgebrochen. In Beiträgen in sozialen Netzwerken wurde daraufhin behauptet, das Phänomen habe mehr CO2 ausgestoßen, als die Menschheit jemals verursacht hat. Das ist falsch: Diese Art von Ausbruch entspricht in der Regel einem sehr kleinen Bruchteil der menschengemachten Emissionen, erklärten mehrere Expertinnen und Experten gegenüber AFP. Im Durchschnitt stoßen menschliche Aktivitäten jedes Jahr bis zu 100 Mal mehr CO2 aus als alle Vulkane der Erde zusammen, so eine Studie des Deep Carbon Observatory.

In einem Post auf Facebook vom 1. Juni 2023 schreibt ein User: „Heute hat der Ätna in einem Zeitraum von 12 Stunden mehr CO2 in die Atmosphäre geschleudert als alle menschlichen Aktivitäten, seit die Menschen zum ersten Mal aus dem Sumpf gekrochen sind!“ Darunter ist ein Bild eines ausbrechenden Vulkans zu sehen.

Der Post auf Facebook wurde über 600 Mal geteilt, hinzukommen weitere Beiträge mit ähnlichem, leicht abgewandeltem Inhalt: „Bei diesem Ausbruch ist mehr CO2 in die Atmosphäre gepumpt worden, als ganz Europa in den letzten 30 Jahren hätte produzieren können.“

Auch auf Twitter fand sich ein Post mit der Behauptung, der über 700 Mal geteilt wurde. Zuerst tauchte die Behauptung jedoch in einem englischsprachigen Tweet am 25. Mai 2023 auf, der seitdem mehr als 5000 Mal geteilt wurde.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 8. Juni 2023

Menschliche Emissionen pro Jahr „40 bis 100 Mal größer als alle vulkanischen Emissionen“

Diese Behauptungen sind jedoch falsch: Auch über die Aktivität des Ätna hinaus sind die jährlichen Kohlendioxidemissionen aller Vulkane weltweit weitaus geringer als die menschengemachten Emissionen. Dies erklärten Forschende gegenüber AFP.

„Die jährlichen CO2-Emissionen, die mit fossilen Brennstoffen und Waldbränden in Verbindung gebracht werden, sind 40 bis 100 Mal (je nach Jahr) größer als alle Vulkanemissionen zusammengenommen“, sagte Cathy Clerbaux, Forschungsdirektorin am Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Paris, am 26. Mai 2023 gegenüber AFP.

Die befragten Forscher stützen sich auf die Zahlen des Deep Carbon Observatory (DCO), einem Team von 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das sich auf CO2-Emissionen spezialisiert hat und detailliert auflistet, wie Kohlenstoff in natürlichen oder menschlichen Prozessen gespeichert, freigesetzt und wieder aufgenommen wird.

Eine Gesamtansicht, aufgenommen am 4. März 2021 von Giarre, nördlich von Catania, Sizilien, zeigt die Rauchentwicklung des Vulkans Ätna. – GIOVANNI ISOLINO / AFP

In einer Studie, die 2019 veröffentlicht wurde, erklärt das DCO, dass Vulkane durchaus an den weltweiten CO2-Emissionen beteiligt sind. Die Forschenden weisen aber darauf hin, dass ihre Verantwortung für den Klimawandel weitaus geringer ist als menschengemachte Emissionen.

Die CO2-Emissionen, die von erloschenen und ausbrechenden Vulkanen jährlich freigesetzt werden, liegen bei durchschnittlich 0,28 bis 0,36 Gigatonnen pro Jahr. Die menschlichen Aktivitäten (etwa Transport, Industrie, Landwirtschaft, Heizung) haben laut dem Global Carbon Project im Jahr 2022 40,6 Gigatonnen CO2 freigesetzt.

„Klimaskeptiker stürzen sich auf Vulkane und halten sie für den möglichen größten CO2-Emittenten, aber das ist einfach nicht der Fall“, erklärte Marie Edmonds, Co-Autorin der Studie und Forschungsdirektorin am Department of Earth Sciences der Universität Cambridge, gegenüber AFP bei der Veröffentlichung der Studie des Deep Carbon Observatory im Jahr 2022.

Wie es zu einem Vulkanausbruch kommt und was dabei passiert – AFP

Auch den CO2-Ausstoß des Ätna, einem der aktivsten Vulkane weltweit, haben Forschende untersucht. „Ein Vulkan wie der Ätna stößt durchschnittlich etwa 5000 Tonnen CO2 pro Tag aus“, sagte Patrick Allard, Forschungsdirektor am Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS), am 26. Mai 2023 gegenüber AFP. Die CO2-Emissionen stiegen während eines Ausbruchs jedoch stark an, so Allard.

Während des letzten Ausbruchs im Mai konnten die CO2-Emissionswerte vom Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) in Rom, das für die Beobachtung des Ätna zuständig ist, nicht erhoben werden. Der Grund dafür waren schlechte Wetterbedingungen, sagte Patrick Allard.

Der Forscher, der mehrfach am Ätna gearbeitet hat, erklärte aber, dass „ein Ausbruch dieser Art bei einem Vulkan mit besonders CO2-reichem Magma wie dem Ätna etwa 30.000 Tonnen pro Tag produzieren kann. Dabei komme es auf die Länge des jeweiligen Ausbruchs an.

Diese Zahl ist weit entfernt von den 40 Milliarden Tonnen, die jährlich durch menschliche Aktivitäten ausgestoßen werden. Das entspricht mehr als 110 Millionen Tonnen pro Tag.

Ein Video aus dem Jahr 2021

Das Standbild des Posts stammt außerdem nicht vom jüngsten Ausbruch des Ätna, sondern wurde im Jahr 2021 aufgenommen. AFP hat über eine umgekehrte Bildsuche ein identisches Video gefunden, das am 16. Februar 2021 auf Facebook veröffentlicht wurde. Der Urheber der Aufnahmen hat gegenüber der AFP bestätigt, dass das Video tatsächlich bei einem Vulkanausbruch des Ätna 2021 aufgenommen wurde.

Zudem gab es erhebliche Unterschiede zwischen dem Ausbruch am 21. Mai 2023 und dem des Jahres 2021. Beim Ausbruch im Mai 2023 war der Himmel bewölkter und es wurde deutlich mehr Asche sichtbar. Beim Ausbruch 2021 war hingegen mehr Lava sichtbar, so die Berichte des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie des Ätna-Observatoriums.

Links der deutschsprachige Facebook-Beitrag. Rechts das Originalvideo, das erstmals im Februar 2021 auf Facebook geteilt wurde. (Screenshots vom 12. Juni 2023)

Es ist nicht das erste Mal, dass derartige Behauptungen über vulkanische Aktivität im Umlauf sind. In den letzten Jahren hat AFP mehrere ähnliche Aussagen über andere Ausbrüche in Indonesien oder auf der kanarischen Insel La Palma überprüft.

Fazit: Die Behauptung, der Ausbruch des Ätna im Mai 2023 hätte mehr CO2 in die Atmosphäre gebracht als der Mensch in seiner gesamten Geschichte, ist falsch. Expertinnen und Experten haben gegenüber AFP erklärt, dass der Mensch durch seine Aktivitäten jedes Jahr ein Vielfaches mehr an Kohlendioxid produziert, als alle Vulkane auf der Welt zusammen ausstoßen. Zudem wurde die Falschbehauptung mit einem Bild des Ätna aus dem Jahr 2021 illustriert.

Fact Checker Logo

Klimawandel, Umwelt

Autor(en): Till EICHENAUER / Nathan GALLO / AFP Frankreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen