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Erhöhte Strahlungswerte in Polen durch Niederschlag ausgelöst, nicht durch Luftangriff

Nach einem russischen Luftangriff in der Westukraine im Mai 2023 behaupteten Userinnen und User in sozialen Netzwerken fälschlicherweise, dass dabei Munition mit „abgereichertem Uran“ zerstört worden sei, und folglich erhöhte Radioaktivität in der Region verzeichnet worden wäre. Als angeblicher Beweis wurden Grafiken angeführt, die tatsächlich höhere Strahlungswerte zeigten – sowohl für die polnische Stadt Lublin als auch für die ukrainische Region von Chmelnyzkyj. Aber diese Werte seien durch Regen verursacht worden, erklärten mehrere Expertinnen und Experten gegenüber AFP. Die polnischen, ukrainischen und slowakischen Behörden sowie die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) erklärten, dass die Strahlungswerte in Europa normal seien.

Am 13. Mai 2023 gaben die ukrainischen Behörden bekannt, dass russische Luftangriffe über Chmelnyzkyj in der Westukraine stattgefunden hatten. Am selben Tag begannen polnischsprachige Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke Videos zu veröffentlichen (hier, hier und hier), die eine riesige Explosion zeigen. Einige Userinnen und User bezeichneten die Explosion als „fast Atompilz“ und behaupteten, dies sei das Ergebnis der Zerstörung eines Munitionslagers der ukrainischen Streitkräfte in Chmelnyzkyj.

Mehrere polnischsprachige Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke behaupteten, dass Wind aus dem Osten der Ukraine die angebliche Wolke nach Polen treiben würde. In einigen Beiträgen wurde eine Grafik geteilt. „Es gibt bestätigte Berichte über zerstörte Lagerhäuser in Chmelnyzkyj, in denen britische Granaten mit abgereichertem Uran gelagert wurden. Die Radioaktivität in Chmelnyzkyj hat erheblich zugenommen. Über diesen Link könnt ihr die Windrichtungen in Europa überprüfen, um zu sehen, ob der radioaktive Niederschlag Polen erreichen wird“, heißt es in polnischsprachigen Facebook-Beiträgen, die am 15. Mai 2023, also zwei Tage nach der Explosion, veröffentlicht wurden.

Ein österreichischer Blog teilte in einem Artikel ebenfalls eine Grafik mit Strahlungswerten und behauptete, dass „Staub von der Uranmunition vom Wind von Chmelnyzkyj nach Lublin geweht wurde“.

Screenshot des Blogs mit der Behauptung: 12. Juni 2023

Die gleiche Behauptung mit dem Diagramm wurde auch auf Telegram und Twitter geteilt.

Ein Twitter-Profil, dessen Behauptungen bereits von AFP auf Polnisch widerlegt wurden, veröffentlichte ein anderes Diagramm mit Bismut-Strahlungswerten mit einem deutlichen Ausschlag nach oben am 15. Mai 2023. „Die Radioaktivität in der Luft in Lublin war an dem Tag, an dem die radioaktive Wolke aus der Ukraine vorbeizog, 300 Mal höher als normal“, behauptet der irreführende Twitter-Beitrag. Das gleiche Diagramm mit der gleichen irreführenden Behauptung wurde von einem polnischen Nutzer auf Telegram veröffentlicht, wo es hunderte Male aufgerufen wurde. Die Grafik wurde auch auf Deutsch, Slowakisch und Bulgarisch mit dem Hinweis veröffentlicht, dass „die Strahlungsgefahr aus der Region Chmelnyzkyj stammt“.

Twitter-Screenshot der Behauptung: 23. Mai 2023

Was ist in Chmelnyzkyj passiert? 

Russland hatte am frühen Morgen des 13. Mai 2023 die Region Chmelnyzkyj mit einer Drohne angegriffen. Das teilten der Bürgermeister von Chmelnyzkyj, Oleksandr Semtschyschyn (hier, hier und hier) und der stellvertretende Leiter der Militärbehörde der Region (OVA) Serhij Tjurin (hier, hier und hier) mit.

Semtschyschyn sagte an diesem Tag, dass „kritische Infrastruktureinrichtungen der Region, die sich außerhalb der Siedlungen befinden“, getroffen und 21 Personen verletzt worden seien. Ukrainische (hier und hier) und polnische Medien berichteten ebenfalls über den Angriff. Einige ukrainische Medien schrieben, dass ein Kraftwerk beschädigt worden sei. Die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform meldete, dass vier Drohnen die Region Chmelnyzkyj getroffen hätten.

Das russische Verteidigungsministerium vermeldete am 14. Mai 2023 auf seiner Website, dass „ein AFU-Munitionsdepot in der Nähe von Chmelnyzkyj zerstört wurde“. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Tass, sagte der Sekretär des Sicherheitsrates, Nikolaj Patruschew, später auf einer Konferenz, dass die Zerstörung der vom Westen an die Ukraine gelieferten Munition mit abgereichertem Uran angeblich eine radioaktive Wolke verursacht habe, die in Richtung Europa driftete. „In Polen wurde bereits ein Anstieg der Strahlungswerte registriert“, wurde er von der Agentur zitiert.

Im März 2023 erklärte Großbritannien, dass es sowohl Challenger-2-Panzer als auch panzerbrechende Granaten mit abgereichertem Uran an die Ukraine liefern würde, wie Euronews und die BBC berichteten. Die Lieferung erfolgte im April 2023.

AFP konnte jedoch nicht feststellen, ob sich diese Art von Munition in den Einrichtungen befand, die am 13. Mai 2023 in Chmelnyzkyj getroffen wurden.

Abgereichertes Uran ist ein Nebenprodukt des Anreicherungsprozesses, der erforderlich ist, um natürlich vorkommendes Uran in Brennstoff für die Stromerzeugung oder für die Waffenproduktion umzuwandeln. Nach Angaben der IAEO ist es „wesentlich weniger radioaktiv als Natururan“. Die chemische Toxizität von abgereichertem Uran wird als bedeutenderes Problem gesehen als die möglichen Auswirkungen seiner Radioaktivität, so ein Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) aus dem Jahr 2022. Weiter hieß es darin, dass abgereichertes Uran in der Ukraine ein Umweltproblem darstelle.

Grafik der Universität Lublin zeigt Ergebnis von Niederschlägen 

AFP konnte den Ursprung beider Grafiken feststellen. Bei manchen Beiträgen war der Name der polnischen Maria Curie-Skłodowska-Universität (UMCS) in Lublin auf der Grafik zu lesen. Wählt man auf der Website der Universität den gefragten Zeitraum (10. bis 16. Mai 2023), erscheint die Grafik im Archivbereich der Seite.

Screenshots von Twitter (links) und von der Website der UMCS in Lublin mit dem gleichen Radioaktivitätsdiagramm in Lublin, erstellt am 23. Mai 2023

Die Universität misst die Radioaktivität in der Luft in Lublin, um den Zusammenhang zwischen der natürlichen Strahlung und der Umwelt zu untersuchen. Wie Überwachungsinstitutionen (beispielsweise die polnische Atomenergiebehörde PAA oder das europäische Radioactivity Environmental Monitoring „Remon„), misst sie die globale radioaktive Kontamination (die Strahlendosisleistung) und untersucht dabei insbesondere zwei Hauptisotope (synthetische Radioisotope Cäsium Cs-137 und Jod I-131). Außerdem misst die Universität auch den Gehalt an anderen charakteristischen Isotopen, unter anderem an Bismut (Bi-214), was auch in der Grafik der verbreiteten Beiträge dargestellt ist.

Auf Anfrage von AFP bestätigte Radosław Zaleski, Professor an der Universität Lublin, per Telefon am 23. Mai 2023: „Ja, das ist eine unserer Grafiken.“ Er lehrt Physik und Kernenergie und ist für die Überwachung der Radioaktivität in der Luft in Lublin zuständig. „Sie zeigt Daten zu Bismut, die wir an der Maria Curie-Skłodowska-Universität in Lublin gemessen haben.“

Im Gegensatz zu Cs-137, das in der Natur nicht vorkommt, sondern aus der Spaltung von Uran in der Atomindustrie stammt, wird das Isotop Bi-214 durch den Zerfall von Radongas gebildet, das auf natürliche Weise aus dem Boden aufsteigt und in die Atmosphäre gelangt. Es wird von fallenden Wassertröpfchen aufgefangen und wenn es regnet, fällt Bismut so auf den Boden. Das bedeutet: Je mehr es regnet, desto mehr Bismut wird nachgewiesen und die Kurve auf dem Diagramm steigt, nur um an sonnigen Tagen wieder zu sinken, wie Zaleski erklärte.

„Ein solcher Anstieg von Bismut ist nichts Ungewöhnliches, sondern das Ergebnis der Regentage zu dieser Zeit. Solche Anstiege treten praktisch bei jedem Regenfall auf und sind für den Menschen überhaupt nicht gefährlich“, sagte er. „Was uns alarmieren sollte, ist das Auftreten von zwei weiteren Isotopen (Jod und Cäsium), die in der Hauptgrafik zu sehen sind. Auf diesem Diagramm zeigt eine rote Linie ein alarmierendes Niveau an. Im Mai lag es weit unter der roten Linie, da keine radioaktive Verseuchung verursacht wurde, weder durch einen Zwischenfall in einem Kernkraftwerk, noch durch Atomwaffen“, sagte Zaleski weiter. In einer Tabelle unter dem Diagramm ist zu lesen, dass Jod I-131 und Cäsium Cs-137 „nicht nachgewiesen“ sind.

„Die Menschen haben Angst vor Strahlung, und in Wirklichkeit bewegen sie sich alle täglich in dieser Strahlung. Wir sind ihr ständig ausgesetzt, sie kommt aus der Erde durch die Sonnenstrahlung“, fügte er hinzu. „Auch das Wort ‚Uran‘ macht ihnen Angst. Es ist wichtig zu wissen, dass abgereichertes Uran eine sehr geringe Radioaktivität hat und im Gegensatz zu angereichertem Uran nicht für Atomwaffen verwendet werden kann“, betonte Zaleski.

„Solche kleinen Schwankungen haben keinerlei Auswirkungen auf die Gesundheit, und selbst wenn, sind sie praktisch unvermeidbar und begleiten die Menschheit schon immer. Während der Regenfälle in diesem Monat stieg die Dosisleistung um maximal 27 Prozent an und die damit verbundene Dosis betrug etwa 0,25 µSv (Mikrosievert), die während des gesamten Monats anwuchs“, sagte er. Nach polnischem Recht darf die Bevölkerung, die nicht aus beruflichen Gründen Strahlung ausgesetzt ist, eine Dosis von bis zu 1000 µSv pro Jahr erhalten. Bei Personen, die beruflich mit Strahlung zu tun haben, beispielsweise Radiologinnen und Radiologen, sind es bis zu 20.000 Mikrosievert pro Jahr. Eine tödliche Dosis beträgt etwa 5000 Millisievert, was fünf Millionen Mikrosievert entspricht.

Ein Sievert (Sv) ist eine Einheit für die effektive Strahlendosis und ist nach dem schwedischen Mediziner und Physiker Rolf Sievert (1896-1966) benannt. Laut IAEO beträgt die Strahlenbelastung eines Menschen durch alle natürlichen Quellen im Durchschnitt etwa 2,4 Millisievert (mSv) pro Jahr. Da ein Sievert eine große Menge ist, wird die Strahlendosis üblicherweise in Millisievert (mSv) oder Mikrosievert (µSv) angegeben, was einem Tausendstel oder einem Millionstel eines Sievert entspricht. Ein Nanosievert (nSv) entspricht 10−9  eines Sievert. Eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs zum Beispiel ergibt eine Strahlendosis von etwa 0,2 mSv.

Die Schwankungen der Strahlungen traten an Tagen auf, an denen es regnete. Das zeigt dieser Vergleich der Niederschlagsmenge und der Strahlungsintensität, aufgezeichnet von der UMCS für die vergangenen 30 Tage:

Ein Screenshot vom UMCS-Facebook-Account mit einem Vergleich der Niederschlagsmenge und der aufgezeichneten Strahlungsintensität vom 18. April bis 18. Mai, aufgenommen von AFP am 24. Mai 2023

Auf dem untenstehenden Diagramm sind viele Spitzenwerte für Bi-214 im Laufe des Jahres zu sehen, zum Beispiel im Januar, Februar und April. Diese Werte gingen alle mit meteorologischen Phänomenen einher. Einige der Spitzenwerte waren sogar höher als die, die nach dem 13. Mai 2023 gemessen wurden.

Screenshot der UMCS-Website, erstellt am 24. Mai 2023

Indikatoren für das Gebiet Chmelnyzkyj „überschreiten nicht“ die Norm 

Bei der Suche auf Websites verschiedener Institutionen, die Strahlungswerte überwachen, ließ sich feststellen, dass das zweite Diagramm, das in irreführenden Beiträgen verbreitet wurde, zu den radiologischen Karten gehört, die von der Datenbank der Europäischen Kommission zur Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt (REMdb) bereitgestellt werden. Das blaue Layout ist typisch für die Websites europäischer Institutionen. Die Datenbank wurde nach dem Unfall von Tschernobyl 1986 eingerichtet, um „die im Rahmen der nationalen Umweltüberwachungsprogramme der Mitgliedstaaten gesammelten Daten  zur Überwachung der Radioaktivität zu speichern“.

Sucht man auf der Strahlungskarte nach dem Ort Chmelnyzkyj und wählt man die gleichen Daten wie in den verbreiteten Beiträgen (zwischen dem 7. Mai und 14. Mai 2023) aus, erhält man die gleiche Grafik:

Screenshots von Facebook (links) und von der Website der Europäischen Kommission der Strahlenbelastungstabelle für Chmelnyzkyj, erstellt am 23. Mai 2023

Auf AFP-Anfrage bestätigte der REMdb-Vertreter Juan Carlos de la Rosa Blul per E-Mail am 28. Mai 2023, dass die Karte aus dem REMdb-Tool stammt. Konkrete Fragen zu den Daten sollten an die Institution gerichtet werden, die die Daten für die Station UA33429 in Chmelnyzkyj zur Verfügung gestellt hat, also die ukrainische Aufsichtsbehörde, fügte er hinzu.

Ein Sprecher der ukrainischen staatlichen Atomaufsichtsbehörde schrieb auf AFP-Anfrage am 26. Mai 2023, dass „im Zeitraum vom 11. Mai bis 18. Mai in der Region Chmelnyzkyj keine Überschreitung der zulässigen Standards von Hintergrundstrahlung festgestellt wurde. Die täglichen Schwankungen der Gammastrahlung lagen und liegen derzeit innerhalb der zulässigen Grenzwerte, wie dies bereits seit vielen Jahren der Beobachtung der Fall ist. Aufgrund der Verbreitung von Fehlinformationen in den europäischen Medien haben wir unseren internationalen Partnern, darunter der IAEO und den europäischen Aufsichtsbehörden, aktuelle Informationen über die Hintergrundstrahlung in der Ukraine zur Verfügung gestellt“. Er verwies auch auf eine Karte der Hintergrundstrahlung in der Ukraine, die ständig aktualisiert wird.

Forschende der Nationalien Universität Chmelnyzkyj waren nach dem Luftangriff am 13. Mai 2023 vor Ort. Sie verneinten, dass die Radioaktivität in der Stadt und den umliegenden Gebieten zugenommen habe. „Nachdem sich in sozialen Netzwerken die Information verbreitet hatte, dass die erhöhte Strahlung in Chmelnyzkyj eine Folge des Angriffs vom 13. Mai sei, haben Wissenschaftler der Nationalen Universität Chmelnyzkyj am 15. und 16. Mai die Hintergrundstrahlung (Gammastrahlungsdosen) in der Stadt Chmelnyzkyj gemessen“, heißt es in einem Artikel, der auf der Website des ukrainischen Bildungsministeriums veröffentlicht wurde.

„Die ermittelten Werte liegen bei 0,12-0,15 μSv pro Stunde und entsprechen damit den Langzeitindikatoren für das Gebiet von Chmelnyzkyj und überschreiten nicht die Norm von (0.3 μSv pro Stunde). Auf der Grundlage der Messergebnisse kann festgestellt werden, dass es keinen Grund zur Besorgnis über einen Anstieg der Hintergrundstrahlung in Chmelnyzkyj gibt“, schließt der Artikel. Die Werte (120 bis 150 Nanosievert pro Stunde) sind fast die gleichen wie auf dem Diagramm in den irreführenden Beiträgen, das seit 12. Mai 2023 den Wert 150 nSv pro Stunde zeigt.

AFP hat auch die Strahlenüberwachungsbehörde in der Slowakei um eine Stellungnahme zu der Grafik gebeten. „Ich kann bestätigen, dass die Gammastrahlungsdosiswerte, die bei etwa 200 nSv pro Stunde liegen, natürliche Werte der Umwelt sind und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Dies ist auf natürliche Gamma-Radionuklide zurückzuführen, die in der Erdkruste, in der Luft oder aus dem Weltraum vorkommen“, erklärte Magdaléna Vičanová, Leiterin der Regionalabteilung des Gesundheitsamtes in Bratislava, am 23. Mai.

Screenshot aus dem Remap-Tool der Europäischen Kommission, erstellt am 26. Mai 2023

AFP hat die Daten für die Tage zwischen dem 18. und 25. Mai 2023 überprüft. Die Strahlung war am 18. Mai 2023 wieder auf 70 nSv pro Stunde gesunken.

 

Screenshot aus dem Remap-Tool der Europäischen Kommission, erstellt am 26. Mai 2023

 

Der Angriff, den die Beiträge für den Anstieg der Werte verantwortlich machen, fand am frühen Morgen des 13. Mai 2023 statt. Der erste Telegram-Beitrag der örtlichen Behörden wurde um vier Uhr morgens Ortszeit an diesem Tag veröffentlicht. Aber der Strahlungsanstieg in der EU-Grafik beginnt am 12. Mai 2023 mit einem Wert von 150 nSv pro Stunde, was also vor dem Angriff passierte. Es ergebe keinen Sinn, dass die Auswirkungen vor dem eigentlichen Angriff auftreten, so Zaleski.

Das betonte auch der Vertreter der Europäischen Kommission, Juan Carlos de la Rosa Blul. „In diesem Fall ist es möglich, beide Ereignisse voneinander zu trennen: den angeblichen Angriff auf das Lager von abgereichertem Uran und den Anstieg der Gammadosisleistungswerte in der Station UA33429. Und zwar deswegen, weil der anhaltende Anstieg der Gammadosisleistungswerte vor dem angeblichen Anschlag auf das Lager von abgereichertem Uran liegt“, schrieb er.

Normale Strahlungswerte, sagen IAEO und nationale Behörden 

AFP hat bei der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien bezüglich der angeblichen radioaktiven Wolke nachgefragt. Im Falle eines nuklearen oder radioaktiven Vorfalls oder Notfalls besteht die Aufgabe der Behörde darin, Informationen zu melden und offiziell auszutauschen, auf Anfrage öffentliche Informationen bereitzustellen und Hilfe zu leisten sowie die Reaktionen über das Vorfall- und Notfallsystem zu koordinieren. Die Vertragsstaaten der Frühwarn- und Hilfeleistungsübereinkommen und die IAEO-Mitgliedstaaten (einschließlich der Ukraine) können dringende Informationen bei nuklearen oder radiologischen Zwischenfällen über eine gesicherte Website namens Unified System for Information Exchange in Incidents and Emergencies (USIE) austauschen.

„Die IAEO wurde von ihren Amtskollegen in der Ukraine und in Polen informiert, dass die Strahlungswerte in beiden Ländern normal seien. Die gemessenen leichten Erhöhungen stehen im Zusammenhang mit natürlichen Schwankungen der Strahlungswerte, stellen kein Risiko für die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt dar und werden routinemäßig beobachtet“, sagte Fredrik Dahl, Sprecher der IAEO, gegenüber AFP am 23. Mai 2023.

Veröffentlichungen, die auf eine mögliche radioaktive Bedrohung in Polen hinwiesen, wurden am 17. Mai 2023 von der polnischen Atomenergiebehörde (PAA) dementiert. Die PAA bezeichnete die Behauptungen als „falsch“ und versicherte, dass die „Strahlungssituation im Land normal“ sei.

In Bezug auf das Diagramm des UMCS in Lublin erklärte die PAA, dass es „erhöhte Werte von Bismut-214 zeigt. Dies ist auch eine Auswirkung des Niederschlags. Bismut-214 (…) kommt natürlich auf der Erdoberfläche und in der Atmosphäre in Form von Aerosolen vor. Wenn es regnet, werden Aerosole, die Bi-214 enthalten, von der Bodenoberfläche aufgewirbelt und auch aus der Atmosphäre ausgelaugt. Wenn sie den Detektor erreichen, kann die von diesem Isotop ausgesandte Gammastrahlung gemessen werden. Dies führt zu einer Erhöhung des radioaktiven Hintergrunds“.

Das polnische Institut für Meteorologie und Wasserwirtschaft (IMGW), das auch die Radioaktivitätswerte überwacht, erklärte, dass keine für die menschliche Gesundheit gefährlichen Werte festgestellt wurden. „Wir haben unsere Daten überprüft, obwohl wir viel weniger Stationen haben als die PAA. In unserem Fall konnten wir nichts Gefährliches feststellen“, schrieb der Sprecher des Instituts, Grzegorz Walijewski, am 23. Mai 2023 an AFP.

In der Slowakei, wo die falschen Behauptungen ebenfalls in sozialen Netzwerken verbreitet wurden, veröffentlichte das Gesundheitsamt am 18. Mai 2023 eine Pressemitteilung, in der es die Behauptungen als „Desinformation“ bezeichnete und betonte, dass „die Werte in der Slowakei und in Polen“ normal seien.

Branislav Chvíla, Leiter des slowakischen Hydrometeorologischen Instituts (SHM), sagte am selben Tag: „In der Slowakei sind viele Fehlinformationen über eine erhöhte Strahlung im Zusammenhang mit den Ereignissen im Gebiet der ukrainischen Stadt Chmelnyzkyj aufgetaucht. Wir sehen diese Nachrichten als einen Hoax.“

„Das Eindringen von Uran in die Atmosphäre kann aufgrund seiner Dichte nur über kurze Strecken erfolgen. Daher scheint eine radioaktive Wolke mit einer hohen Urankonzentration, die sich je nach Wetterbedingungen außerhalb der Ukraine ausbreitet, unwahrscheinlich“, erklärt das französische Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) in einem Kommentar vom 30. Mai 2023.

Weiter hieß es: „Die in Europa durchgeführten Analysen haben keinen Anstieg der Urankonzentration in der Luft ergeben.“ Das Institut bezog sich dabei auf den „Ring of Five„, ein informelles Netzwerk, das 47 Organisationen (Universitätslabors, öffentliche Einrichtungen und Behörden) aus 27 Ländern des europäischen Kontinents, darunter die Ukraine, umfasst.

Fazit: Der Luftangriff auf Chmelnyzkyj hat keine radioaktive Wolke ausgelöst, die sich über Polen und die Slowakei bewegt. Schwankungen in den Strahlungswerten werden unter anderem durch Niederschläge ausgelöst. Sie sind natürlich und haben keine schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit. Das bestätigten mehrere Experten und Institutionen wie die IAEO gegenüber AFP.

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Politik, Ukraine

Autor(en): MAJA CZARNECKA / AFP Polen / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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