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Dieses Inserat ist alt und hat nichts mit der Demonstration gegen Rechts in Hamburg zu tun

Hunderttausende Menschen sind am Wochenende des 20. und 21. Januars 2024 gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gegangen. Auch in Hamburg fand am 19. Januar 2024 eine große Demonstration statt. Online kursiert nun die Falschbehauptung, mittels eines Inserats auf einem Jobportal seien bezahlte Statistinnen und Statisten für die Protesten in Hamburg gesucht worden. Die geteilte Annonce ist jedoch alt und hat nichts mit einer echten Demonstration zu tun, sondern mit einem Filmdreh. Das geht sowohl aus dem Inserat selbst als auch aus einer Stellungnahme des Jobportals gegenüber AFP hervor. Polizei, Veranstalter und Medienschaffende haben auf der Demonstration zudem nichts Derartiges wahrgenommen.

„Ja ja, Hamburg… Demo“, heißt es in einem Beitrag auf Facebook vom 20. Januar 2024. Dazu teilte der User ein Inserat einer Jobplattform. „Statist:innen (m/w/d) als ‚Demoteilnehmer‘ für eine Videoaufnahme“, heißt es darin. Gesucht werden in der Annonce Menschen zwischen 18 und 35 Jahren. Als Ort wird Hamburg angegeben, das Honor liegt bei 60 Euro. Eine andere Userin teilte ein Bild desselben Inserats am 22. Januar 2024 auf X und schrieb: „Da wurden doch tatsächlich über #jobwrk Statisten als ‚Demoteilnehmer‘ für Filmaufnahmen in Hamburg gesucht … ‚…nur im Hintergrund, sodass die eigentliche Demo voller wirkt‘.“ Die Behauptung wird vor allem auf Facebook verbreitet. Sie kursiert allerdings auch auf anderen Plattformen wie Youtube

Facebook-Screenshot der Behauptung: 24. Januar 2024

In Reaktion auf eine kürzlich veröffentlichte Recherche der Plattform „Correctiv“ über ein Geheimtreffen in einer Villa in Potsdam, bei dem Pläne zur Massendeportation von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert wurden und an dem Rechtsextreme und AfD-Politiker sowie zwei Mitglieder der Werte Union teilgenommen hatten, haben in zahlreichen deutschen Städten Demonstrationen mit insgesamt hunderttausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattgefunden.

Auch in Hamburg kamen bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus am 19. Januar 2024 zehntausende Protestierende zusammen.

Zu den aktuellen Demonstrationen kursieren online zahlreiche Falschinformationen. AFP hat bereits hier die Falschbehauptung widerlegt, dass ein Bild mit Menschenmassen in Hamburg manipuliert worden sei. Aus Medienberichten geht zudem hervor, dass der Vorwurf von bezahlten Demonstrantinnen und Demonstranten – vor allem auch bei linken Kundgebungen – häufig vorkommt.

Inserat stammt aus dem Jahr 2022

Die derzeit geteilte Aussage zu einem Inserat, in dem angeblich Statistinnen und Statisten für die aktuellen Proteste in Hamburg gesucht wurden, ist ebenfalls unzutreffend.

Eine Stichwortsuche führte AFP zu der geteilten Annonce auf der Plattform „Jobwrk„. Dort heißt es jedoch in einem Hinweis explizit: „Dieses Inserat wurde am 13. Oktober 2022 veröffentlicht, mit Bewerbungsschluss am 18. Oktober 2022 und steht in keinem Zusammenhang mit den Demonstrationen in Hamburg am 19. Januar 2024. Jobwrk ist keine Casting- oder Vermittlungsagentur. Für den Inhalt ist ausschließlich der Auftraggeber verantwortlich.“

Screenshot des „Jobwrk“-Inserats: 24. Januar 2024, Hervorhebungen durch AFP

Auf Anfrage von AFP konkretisierte eine Mitarbeiterin von „Jobwrk“ per E-Mail am 24. Januar 2024: „Bei dem Inserat vom 13. Oktober 2022 handelte es sich um eine Videoproduktion, fernab jeglicher echter Proteste/Demos: ‚für eine Filmsequenz suchen wir einige Statisten für eine kurzes Video‘.“

Sie verwies zudem auf den von „Jobwrk“ am 22. Januar 2024 hinzugefügten Hinweis im Inserat, dass dieses alt sei. Eine Google-Suche mit Eingrenzung des Suchzeitraums auf Oktober 2022 würde dies ebenfalls ergeben, hieß es. „Damit ist zweifellos nachgewiesen, dass das Gesuch in keinem Kontext zur Demonstration am 19. Januar 2024 steht.“ Da das Inserat am 22. Januar 2024 um den Hinweis ergänzt und somit geupdatet wurde, konnte AFP dasselbe Suchergebnis nicht mehr erzielen. Der im Quelltext der Seite angegebene Erscheinungstermin passt aber zu dem später angefügten Datumshinweis. Die Bilanz der „Jobwrk“-Mitarbeiterin dazu lautete: „Leider wurde das Inserat aus dem Kontext gezogen, um dem Narrativ der Fake-Demonstration zu dienen.“

Auf dem in den geteilten Beiträgen beigefügten Bild ist zudem in roter Schrift zu lesen, dass die Bewerbungsphase bereits beendet sei.

Polizei liegen keine Hinweise vor

In zahlreichen deutschen Medien wurde berichtet, dass die Versammlung in Hamburg wegen Sicherheitsbedenken durch unerwartet viele Demonstrierende abgebrochen wurde. Demnach gab die Polizei die Teilnehmerzahlen mit rund 50.000 Personen an. In einer Nachricht an AFP schrieb die Pressestelle der Polizei Hamburg am 24. Januar 2024: „Der Polizei Hamburg liegen keine Hinweise dazu vor, dass bezahlte Statistinnen und Statisten an der Demonstration gegen Rechts in der Hamburger Innenstadt am 19. Januar 2024 teilgenommen haben.“

Von der Pressestelle des Hamburger Senats hieß es ebenfalls gegenüber AFP in einer Nachricht vom 23. Januar 2024: „Es liegen uns keine Informationen darüber vor, ob es (bezahlte) Statist:innen auf der Demo am 19. Januar 2024 gegeben hat.“

AFP konnte zudem keine seriösen Medienberichte mit Hinweisen darauf finden. Für AFP berichtete eine Journalistin über die Demonstration in Hamburg. Sie verfolgte die Kundgebungen vor Ort und erklärte  auch auf Nachfrage zu Statistinnen und Statisten –, „nichts Unübliches“ beobachtet zu haben.

Veranstalter dementieren Vorwurf

Zur Demonstration aufgerufen hatte ein breites Bündnis aus Politik, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und Vereinen. Unter anderem wurde die Demonstration vom Verein „Unternehmer ohne Grenzen“ mitorganisiert. Deren Geschäftsführer, SPD-Politiker Kazim Abaci, schrieb AFP auf Anfrage am 24. Januar 2024, dass es keine Statistinnen und Statisten gegeben habe: „Das weise ich mit aller Klarheit zurück. Alle, die an diesem Tag vor Ort waren, haben dies freiwillig getan, um unsere Demokratie gegen rechts zu schützen und ein klares Signal zu senden.“

Auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland gehörte zu den Veranstalterinnen und Veranstaltern der Demonstration in Hamburg. Eine Presse- und Medienreferentin der Bischofskanzlei Hamburg schrieb AFP am 24. Januar 2024, dass die Veranstalter „zu keinem Zeitpunkt“ solche Inserate aufgegeben hätten. „Es handelt sich bei anderslautenden Behauptungen um klare Fälle von Desinformation.“

Ähnlich argumentierte auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Hamburg, der die Demonstration ebenfalls mitorganisierte. Auf Anfrage hieß es von Tanja Chawla, Vorsitzende des DGB Hamburg, gegenüber AFP am 24. Januar 2024 in einer Nachricht, dass es „selbstverständlich“ keine bezahlten Statistinnen und Statisten auf der Kundgebung gegeben habe. Sie konkretisierte: „Wir haben nichts Ungewöhnliches wahrgenommen. Die hohe Teilnehmerzahl spricht für sich. Dass diese Behauptung absurd ist, zeigt sich allein schon daran, dass eine Summe von über 6,4 Millionen Euro fällig (bei Bezahlung von rund 100.000 Demonstrierenden, Anm. d. Red.) gewesen wäre. Wer hätte das bezahlen sollen?“ Chwala bezeichnete die Aussagen als „gezielte Desinformation“ und führte aus: „Diese Mär wird von rechten Akteur*innen immer wieder aufgewärmt, um Proteste gegen Rechts zu delegitimieren.“ AFP konnte online auch keine anderen Inserate für eine aktuelle Demoteilnahme finden.

Fazit: Am 19. Januar 2024 fand in Hamburg eine große Demonstration gegen Rechtsextremismus statt. Online heißt es fälschlich, mittels eines Inserats auf einem Jobportal seien bezahlte Statistinnen und Statisten dafür gesucht worden. Die geteilte Annonce ist jedoch alt und hat nichts mit einer echten Demonstration zu tun, sondern mit einem Filmdreh. Das geht sowohl aus dem Inserat selbst als auch aus einer Stellungnahme des Jobportals hervor. Von der Polizei, den Veranstaltern sowie Medienschaffenden wurde vor Ort zudem nichts Derartiges wahrgenommen.

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Autor(en): Katharina ZWINS / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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