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Niemand ist in Weilheim durch vergiftete Koran-CDs im Krankenhaus gelandet

Bereits 2016 verbreitete sich in sozialen Medien eine Falschinformation um vermeintlich vergiftete CDs, die auch aktuell wieder geteilt wird. Angeblich werden mit einer gefährlichen chemischen Substanz versehene CDs mit Liedern aus dem Koran in Briefkästen im bayerischen Weilheim gesteckt. Die Warnung vor dem Brief ist jedoch unbegründet. Die zuständige Polizei erklärt, es seien dort keine derartigen Fälle bekannt.

„Es werden Umschläge in Briefkästen verteilt. Der Inhalt ist eine CD mit Liedern und Aussagen aus dem Koran“, heißt es in einem Bild, das auf Facebook über 2000 Mal geteilt wurde. „Die CD ist mit chemischer Substanz bearbeitet, die die Atemwege lähmen. Bitte nicht öffnen und sofort die Polizei informieren. In Weilheim sind Betroffene schon im Krankenhaus“, lautet der Text weiter.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 20. Oktober 2023

Das Bild kursiert nicht zum ersten Mal. Bereits 2016 wurden ähnliche Beiträge mit dem Bild eines gelben Umschlags geteilt. Schon zu der Zeit wurden die vermeintlichen Warnungen als Falschinformationen entlarvt.

Die Polizei Oberbayern Süd warnte im Dezember 2016 mit einem Post auf Facebook vor der Falschmeldung und bat darum, sie zu löschen und nicht weiter zu verbreiten. Auch verschiedene Medien wie beispielsweise die „Bayernwelle“ berichteten darüber. In anderen Regionen wie dem Rhein-Neckar-Kreis kursierte die Nachricht damals laut einer Meldung der Zeitung „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ ebenfalls. Auch dort seien der Polizei damals keine Fälle bekannt gewesen.

Facebook-Screenshot des Beitrags der Polizei Oberbayern Süd aus dem Jahr 2016: 25. Oktober 2023

CD wurde von der Stiftung Menschen für Menschen versandt

Auf dem abgebildeten Umschlag ist das Logo der Stiftung Menschen für Menschen zu erkennen, die sich für bessere Lebensbedingungen von Menschen im ländlichen Äthiopien einsetzt. 2016 veröffentlichte sie eine Stellungnahme zu den Beiträgen. Demnach sei auf dem Bild ein Brief mit einer CD zu sehen, der von der Stiftung an Spenderinnen und Spender versandt wurde. „Wir sind über diese Verunglimpfung und den Missbrauch unseres Weihnachts-Briefs extrem verärgert und werden Strafanzeige gegen Unbekannt stellen“, wurde darin Vorstandssprecher Sebastian Brandis zitiert.

„Seit Tagen erreichen die Stiftung immer wieder Anfragen von besorgten und verunsicherten Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet. Auch zahlreiche Polizeidienststellen mussten sich in den vergangenen Tagen mit diesen dubiosen Warnhinweisen beschäftigen und haben mehrfach bestätigt, dass es sich um eine Falschmeldung handelt“, hieß in der Stellungnahme weiter.

Seither ist die Desinformation immer wieder verbreitet worden, in den vergangenen Jahren veröffentlichten andere Faktencheck-Organisationen wie Correctiv und Mimikama, aber auch die Deutsche Presse-Agentur Faktenchecks dazu. Auch das Portal verbraucherschutz.com, das vor Betrug im Internet warnt, klärte 2019 mit einem eigenen Artikel über die Falschinformation auf, die demzufolge damals als Kettenbrief in Whatsapp-Nachrichten verschickt wurde.

Polizei, Krankenhaus und Stiftung dementieren auch aktuelle Beiträge

Die aktuellen Beiträge beziehen sich auf die Stadt Weilheim. Auf Anfrage von AFP erklärte das zuständige Polizeipräsidium Oberbayern Süd in einer E-Mail vom 23. Oktober 2023, dass „in Weilheim oder im übrigen Zuständigkeitsbereich keine Fälle von vergifteten CDs mit Liedern aus dem Koran bekannt“ seien. Dass Patientinnen oder Patienten im Krankenhaus in Weilheim aufgrund des Kontakts mit einer solchen CD behandelt wurden, dementierte Petra Hunger, Sprecherin der Krankenhaus GmbH Landkreis Weilheim-Schongau gegenüber AFP in einer E-Mail vom 25. Oktober 2023: „Wir hatten weder 2016 Patienten im Haus, die Kontakt mit dieser CD hatten, noch haben wir das aktuell.“

Auch eine Anfrage bei der Stiftung Menschen für Menschen bestätigte, dass es sich „von Beginn an um eine Falschmeldung“ handelt, wie die Sprecherin Lisa-Martina Kerscher in einer E-Mail vom 23. Oktober 2023 erklärte. „Die Stiftung Menschen für Menschen hat 2016 eine Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt und prüft im Augenblick die Möglichkeit einer erneuten Strafanzeige“, heißt es weiter.

Die Stiftung betonte erneut: „Wir bitten alle Menschen, die besagte Falschmeldung nicht zu posten oder zu teilen. Jede weitere Verbreitung schadet den Menschen, die tagtäglich die Unterstützung unserer Organisation benötigen“, erklärte Vorstandssprecher Sebastian Brandis.

Fazit: Im bayerischen Weilheim wurden keine CDs mit chemischer Substanz in Briefkästen verteilt. Die Behauptung kursierte bereits 2016 und ist nach wie vor frei erfunden. Unter anderem die zuständige Polizei teilte mit, dass es sich um Falschinformationen handelt. Auch das örtliche Krankenhaus erklärte, dass aktuell wie damals keine Personen aufgrund von Kontakt mit einer CD in Behandlung seien.

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Gesellschaft

Autor(en): Johanna LEHN / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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