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Waldbrände in Griechenland schürten Ressentiments gegen Migranten

Griechenland wurde im Sommer 2023 vom größten in Europa bisher dokumentierten Waldbrand heimgesucht. Infolgedessen kursierten im August 2023 unzutreffende und unbegründete Behauptungen, dass Asylsuchende Brände gelegt hätten, woraufhin eine Welle aus Hass gegen Migrantinnen und Migranten losbrach.

Kurz nachdem die ersten Brände am 19. August 2023 in der Nähe der Stadt Alexandroupolis ausgebrochen waren – in der Nähe einer viel genutzten Route von Migrantinnen und Migranten, die aus der Türkei nach Europa kommen – wurden Bilder und Videos in sozialen Netzwerken geteilt, die angeblich Geflüchtete bei Brandstiftungen beim Grenzübertritt zeigen.

In mindestens zwei griechischen Nachrichtenberichten wurden Migrantinnen und Migranten beschuldigt. Obwohl die Berichte schnell dementiert wurden, verbreiteten sich in sozialen Netzwerken unbegründete Anschuldigungen, die in einigen Fällen in Aufrufe zu Gewalt mündeten.

Bei dem Waldbrand in Alexandroupolis handelt es sich um den größten Brand in der Europäischen Union seit dem Jahr 2000, als das Europäische Waldbrandinformationssystem (Effis) mit den Aufzeichnungen begann, wie Effis am 29. August 2023 mitteilte.

Die verbalen Angriffe verschärften sich, nachdem eine Gruppe von 13 pakistanischen und syrischen Männern von Einheimischen beschuldigt wurde, auf frischer Tat ertappt worden zu sein, als sie außerhalb von Alexandroupolis in der Region Evros ein Feuer legen wollten.

Ein Einheimischer veröffentlichte am 22. August 2023 ein Live-Video auf Facebook, das mehrere Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten eingesperrt in einem Wohnwagen zeigte. In dem Video prahlte er damit, sie angeblich erwischt zu haben, weil sie versucht hätten „uns zu verbrennen“.

„Zeig sie nicht… verbrenn sie“, schrieb jemand in den Kommentaren.

Ein Beitrag auf X (ehemals Twitter) zeigt das Facebook-Live-Video eines Einheimischen, der Migrantinnen und Migranten in Evros festgehalten hatte. Screenshot erstellt am 28. August 2023

Der 45-jährige Einheimische wurde noch am selben Tag zusammen mit zwei mutmaßlichen Komplizen verhaftet, wobei die Behörden betonten, dass Selbstjustiz nicht geduldet werde. Die drei wurden unter anderem wegen Anstiftung zu rassistischer Gewalt angeklagt und unter Hausarrest gestellt.

Die 13 Migranten wurden ebenfalls verhaftet und später wegen illegaler Einreise und versuchter Brandstiftung angeklagt. Eine Regierungsquelle sagte jedoch gegenüber der griechischen Tageszeitung Kathimerini, dass die bisherigen Beweise darauf hindeuteten, dass es sich dabei eher um versehentliche Brandstiftung durch das Anstecken von Lagerfeuern als um vorsätzliche Brandstiftung handele.

Das Foto eines Hilfsmittels, das angeblich zum Auslösen von Bränden verwendet wurde, kursierte im Internet. Das Bild zeigte zwei Autoreifen, in die Holz und Styropor gestopft waren. Es geht jedoch nicht daraus hervor, wer die Konstruktion gebaut hat und wofür.

Am 25. August 2023 ließen die Justizbehörden, die den Fall untersuchen, vier der Migranten frei. Die übrigen neun wurden am 28. August 2023 ebenfalls ohne einschränkende Maßnahmen freigelassen. Die Anklage wegen Brandstiftung wurde gegen alle 13 fallengelassen, da der einzige Beweis gegen sie die Aussage des Mannes war, der sie festgehalten hatte. Dieser steht weiterhin bis zum Prozess unter Hausarrest.

Anschließend wurden sie in ein Haftzentrum für Migranten gebracht, weil sie illegal eingereist waren.

Eine Gruppe von 13 pakistanischen und syrischen Migranten, die wegen illegaler Einreise und versuchter Brandstiftung angeklagt wurden, wird am 25. August 2023 zum Gerichtsgebäude in Alexandroupolis eskortiert – Sakis MITROLIDIS / AFP

Der Mann, der verhaftet wurde, weil er die Migranten festgehalten hatte, und der von den griechischen Medien „Evros-Sheriff“ getauft wurde, behauptete, er sei eingeschritten, nachdem er gesehen hätte, wie die Migranten versuchten, die Vorrichtung in einem Gebüsch in der Nähe eines Supermarkts anzuzünden.

Ein ähnlicher Vorfall aus der Region Evros erregte am 28. August 2023 die Aufmerksamkeit der Medien. Auf einem in sozialen Netzwerken veröffentlichten Video sind Migranten zu sehen, die auf dem Boden liegen, während zwei Männer und der Mann, der das Video aufnimmt, um sie herumstehen. Letzterer bezeichnet die Migranten abschätzig als „Investoren“ und nimmt dabei auf eine Aussage des ehemaligen stellvertretenden griechischen Außenministers Dimitris Mardas Bezug: Im Jahr 2016 hatte Mardas gesagt, dass die Regierung finanziell potente Migranten, die im Land investieren könnten, bevorzugt behandeln würde.

Laut einer anderen Behauptung, die in sozialen Netzwerken viel verbreitet wird, sollen angeblich 20 Migranten außerhalb von Alexandroupolis nach einem Schusswechsel mit der Polizei festgenommen worden sein. Die Behörden wiesen diese Behauptung später gegenüber AFP zurück.

Das Faktencheck-Team von Ellinika Hoaxes untersuchte die Behauptung ebenfalls und konnte nicht bestätigen, dass dieser Vorfall jemals stattgefunden hat.

Der nationale griechische Fernsehsender Open hatte am 23. August 2023 auch berichtet, dass zwei Migranten beim Legen eines Feuers in der benachbarten Region Rodopi erwischt worden seien. Inzwischen hat der Sender die Meldung korrigiert.

Feuer durch Blitzschlag ausgelöst 

Das Feuer, das am 19. August 2023 ausbrach und über Teile Nordgriechenlands hinwegfegte, wurde nach Angaben des Bürgermeisters von Alexandroupolis, Giannis Zamboukis, durch einen Blitzschlag ausgelöst.

Das Erdbeobachtungsprogramm der EU, der Copernicus-Dienst, bezeichnete den Brand als den größten auf EU-Boden der vergangenen Jahre. Die verbrannte Gesamtfläche wurde bis zum 29. August 2023 auf 808,7 Quadratkilometer geschätzt.

Screenshot X-Beitrag von Copernicus, erstellt am 28. August 2023

Das Gebiet liegt nur wenige Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Regelmäßig kommt es hier zu von Schleusern unterstützten Grenzübertritten von Migrantinnen und Migranten.

Im Jahr 2020 versuchten Zehntausende von Migrantinnen und Migranten, sich einen Weg durch dieses abgelegene Gebiet im Nordosten zu bahnen, und gerieten dabei tagelang mit griechischen Sicherheitskräften aneinander.

Die Arbeiten zum Ausbau eines 37,5 Kilometer langen Zauns, um die Grenzübertritte einzudämmen, sollen bis Ende 2023 abgeschlossen sein.

Hubschrauber überfliegen einen Waldbrand in der Nähe von Alexandroupolis, Nordgriechenland, am 21. August 2023 – SAKIS MITROLIDIS / AFP

„Sie wollen uns zerstören“

Die Anti-Migranten-Stimmung, die in sozialen Netzwerken deutlich wird, ist in den griechischen Grenzgebieten stark ausgeprägt.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass die Brände von Migranten gelegt wurden“, sagte der in Evros lebende Christos Paschalakis gegenüber AFP am 23. August 2023. „Sie verbrennen uns, sie stehlen von uns, sie töten uns in Verkehrsunfällen“, sagte er.

„Ich habe keinen Zweifel daran, dass der Waldbrand von Migranten gelegt wurde“, sagte am 24. August 2023 Vangelis Rallis, ein 70-jähriger pensionierter Holzfäller aus Dadia, einem Dorf in der Nähe eines wichtigen Nationalparks, in dem es im vergangenen Jahr ebenfalls brannte.

„Letztes Jahr haben sie ihn angezündet, und in diesem Jahr sind sie zurückgekommen, um zu beenden, was sie angefangen haben. Vielleicht wurden sie sogar dafür bezahlt. Sie wollen uns zerstören“, sagte er.

Das Thema löste auch eine politische Kontroverse aus, nachdem Kyriakos Velopoulos, der Vorsitzende der nationalistischen Partei Griechische Lösung, sich den Angriffen auf Migrantinnen und Migranten anschloss und den Mann lobte, der wegen Festhalten eines Migranten festgenommen wurde.

Ein Abgeordneter von Velopoulos’ Partei, Paris Papadakis, rief die Einheimischen ebenfalls dazu auf, „Maßnahmen zu ergreifen“, da Migrantinnen und Migranten angeblich die Pilotinnen und Piloten von Löschflugzeugen „behindern“ würden. „Wir befinden uns im Krieg“, schrieb Papadakis in einem Facebook-Beitrag.

Bei den nationalen Wahlen im Juni 2023 erreichten die Partei von Velopoulos und zwei weitere rechtsextreme Gruppierungen in Nordgriechenland ihre höchsten Werte.

In der Region Evros erhielt die Griechische Lösung beinahe neun Prozent der Stimmen.

Bei den Opfern handelt es sich vermutlich um Migranten 

Die Brände in der Region Evros haben 20 Menschen das Leben gekostet, bei denen es sich vermutlich um Migrantinnen und Migranten handelt.

Eine Gruppe von 18 Personen, darunter zwei Kinder, wurde am 22. August 2023 in der Nähe eines Dorfes 38 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt gefunden.

Dieses am 23. August 2023 aufgenommene Foto zeigt ein zerstörtes Gebäude, in dem 18 mutmaßliche Migrantinnen und Migranten im Dorf Avanta bei Alexandroupolis tot aufgefunden wurden – SAKIS MITROLIDIS / AFP

Ein weiterer Mann, höchstwahrscheinlich ein Migrant, wurde einen Tag zuvor in der Gegend von Lefkimmi nahe der türkischen Grenze tot aufgefunden. Am Freitag, 25. August 2023, wurde in derselben Gegend eine weitere verkohlte Leiche gefunden, wahrscheinlich ebenfalls ein Migrant.

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Migration, Politik, Katastrophen

Autor(en): Petros KONSTANTINIDIS / Vassilis KYRIAKOULIS / AFP Deutschland / AFP Griechenland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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