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Windräder produzieren vielfach mehr Energie, als ihre Herstellung kostet

Strom aus erneuerbaren Energiequellen, wie Wind, leistet einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgase. In einem Video im Netz wird jedoch behauptet, das energieintensive Betonfundament von Windkraftanlagen würde unverhältnismäßig viel CO2 verursachen. Das ist falsch. Studien belegen, dass Windräder bereits nach einem Jahr mehr Energie erzeugt haben, als ihre Herstellung kostet – inklusive Fundament. Expertinnen und Experten haben gegenüber AFP erklärt, wie erheblich Windkraft zum Klimaschutz beiträgt.

In einem viralen Video auf Facebook, dass der Klimaskeptiker Anthony Lee geteilt hat, wird vorgerechnet, wie viel Beton das Fundament einer Windturbine braucht. Demgegenüber wird eine angeblich niedrige „Produktivität“ der Anlagen gestellt und angezweifelt, ob man mit dem Bau von Windkraftanlagen schlussendlich CO2 einsparen könne. Auch auf X (ehemals Twitter) wurde das Video tausendfach geteilt.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 11. September 2023

Das Video ist ein Ausschnitt aus einem längeren Video, das auf einem windkraftkritischen Kanal auf Instagram und Youtube mit dem Titel „Werner erklärt Windindustrieanlagen Teil 6 (Zement mit CO2-Abdruck)“ veröffentlicht wurde. Der Mann im Video ist Werner Haller, Unternehmer aus der Region Ravensburg. Er stellt die Rechnung auf, dass 1500 Kubikmeter Beton für das Fundament einer einzelnen Windturbine benötigt werden. So würden alleine dafür mehr als 315 Tonnen CO2 ausgestoßen.

Demgegenüber stehe laut Hallers Aussage im Video eine durchschnittliche „Produktivität“ der Anlagen von 18 bis 22 Prozent: „Das heißt, die Scheißdinger stehen mehr, wie dass sie laufen.“ Auch der Titel des Videos auf Facebook zweifelt an, dass Windkraftanlagen in der Summe eine positive Klimabilanz haben: „Alle, die behaupten Windenergieanlagen sparen CO2 bitte ganz genau aufpassen!!!“.

Gegenüber AFP bestätigte Haller die Behauptung am 13. September 2023. Der Unternehmer, der einen Baumaschinen- und Nutzfahrzeughandel betreibt, hält den Wind im Altdorfer Wald für zu gering, um die Anlagen an diesem Standort produktiv zu nutzen: „Windenergie ist im Prinzip keine schlechte Idee. Aber nicht an diesem Standort.“ Er behauptet, die Wirkungsgrade in Baden-Württemberg seien zu gering. Die Angaben der Hersteller zur Stromproduktion hält er für nicht haltbar.

Menge an Beton ist realistisch

Die Aussagen beziehen sich auf einen geplanten Windpark im Altdorfer Wald bei Ravensburg in Baden-Württemberg. Dort sollen bis 2029 39 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von rund 280 Megawatt aufgestellt werden. Laut der Website der für den Bau verantwortlichen Windpark Altdorfer Wald GmbH sollen dort Windturbinen des Models V172-7.2 MW des dänischen Herstellers Vestas aufgebaut werden. Diese sollen eine „Nabenhöhe von bis zu 199 Meter und einer Gesamthöhe von bis zu 285 Meter“ erreichen.

Im Video wird dazu folgendes behauptet: „Wir brauchen bei einem Rad 1500 Kubikmeter Beton. Das entspricht bei einem Rad 21.000 Sack Zement, was Sie hier sehen. Das entspricht 525.000 Kilogramm Zement, wohlgemerkt, nicht Beton, reiner Zement.“

Die Menge von 1500 Kubikmetern Beton für Anlagen dieser Größe seien realistisch, schreibt Inna Eck, Sprecherin des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme (IWES), in einer Mail an AFP am 8. September 2023: „Die genannten Angaben sind für diesen Windenergieanlagentyp annähernd passend.“ Auch der Betonhersteller Dyckerhoff gibt an, dass „durchaus 1000 Kubikmeter Beton für ein Fundament benötigt werden“. Laut Hersteller besteht die Gesamtmasse einer vergleichbaren Anlage zu 72 Prozent aus Beton.

Der Betonrechner der Website www.beton-info.de geht bei 1500 Kubikmetern Beton sogar von einer Zementmenge von 720.000 Kilogramm aus.

Berechnung der Zementmenge von 1500 Kubikmetern Beton auf der Seite Beton Meister. Screenshot vom 11. September 2023

CO2-Ausstoß des Fundaments in einem Monat kompensiert

Stefan Emeis, Professor für Meteorologie mit einem Lehrauftrag für Energiemeteorologie am Karlsruher Institut für Technologie, rechnet in einer Mail vom 4. September 2023 an AFP vor, wie viel CO2 das Fundament einer Windturbine verursacht: „Pro Kubikmeter Beton werden rund 200 Kilogramm CO2 freigesetzt. Das entspricht bei 1500 Kubikmetern 300.000 Kilogramm CO2.“ Werner Haller geht in seinem Video von 315.000 Kilogramm CO2 aus.

Demgegenüber stellt Emeis aber die CO2-Ersparnisse einer Anlage mit 7 MW: „Windräder an Land erreichen rechnerisch knapp 2000 Stunden Volllaststunden pro Jahr. Das ergibt bei 7 MW 14.000 Megawattstunden Strom pro Jahr.“ Laut Emeis und Zahlen des Umweltbundesamts wurden 2021 in Deutschland im Durchschnitt pro produziertem Megawatt durchschnittlich rund 485 Kilogramm CO2 ausgestoßen.

„Pro Jahr werden somit durch diese eine Windkraftanlage 6.790.000 Kilogramm CO2 vermieden“, so der Forscher.  „Das heißt, das CO2 für den Beton ist rechnerisch in weniger als einem Monat wieder durch den Betrieb kompensiert.“ Für die Kompensation der gesamten Anlage, inklusive Turm, hält Emeis sechs bis neun Monate für realistisch. Sein Fazit: „Windkraftanlagen lohnen sich, um CO2 einzusparen.“

Ökobilanz des Herstellers

Eine ähnliche Rechnung stellt auch der dänische Hersteller der Windturbinen Vestas selbst auf. So werden in einer unabhängig geprüften Ökobilanz die gesamten Kosten einer Anlage dargestellt. Die jüngste Baureihe, das Modell Models V172-7.2 MW, wurde noch nicht geprüft. Für ein vergleichbares Windrad mit 6.2 MW Leistung liegt ein solcher Bericht bereits vor. Verantwortlich für die Prüfung war Matthias Finkbeiner, Direktor des Instituts für Technischen Umweltschutz der Technischen Universität Berlin.

In dem Bericht wird der Energy-Break-Even-Point, also der Zeitpunkt, ab dem die Windturbine mehr Energie erzeugt hat als bei der Herstellung, Betrieb und Recycling aufgewendet wird, mit 6,5 Monaten angegeben. Dies gilt bei schwachen Windverhältnissen an Land. „Diese kann so interpretiert werden, dass die Enventus V162-6,2 MW Windkraftanlage über ihre Lebensdauer 37-mal mehr Energie zurückgibt, als sie während des Lebenszyklus der Anlage verbraucht“, so der Bericht. Laut Vestas beträgt die Lebensdauer ihrer Anlagen 20 Jahre.

Das Fraunhofer-Institut verweist in diesem Kontext auf den Neuen Europäischen Windatlas: „In der Nähe des Standorts Altdorfer Wald wird eine mittlere Windgeschwindigkeit von knapp 6 Meter pro Sekunde auf 150 m angegeben.“ Das sei etwas weniger als die vom Hersteller angenommenen 7,4 m/s. „Damit wird der Energy-Break-Even-Point entsprechend später erreicht als in den berechneten 6,5 Monaten.“

Dem stimmt auch Lennart Mohr vom Fachgebiet Erneuerbare Energien des Umweltbundesamtes in einer E-Mail an AFP vom 6. September 2023 zu. Er verweist auf eine Studie seiner Behörde, in der die Ökobilanz von Windenergie- und Photovoltaikanlagen untersucht wurde. „In der Studie wurde die energetische Amortisationszeit einer Windenergieanlage betrachtet. Dabei zeigen die Ergebnisse, dass die in der Herstellung, Nutzung und am Lebensende der Anlagen eingesetzte Primärenergie bereits spätestens nach einem Jahr Anlagenlaufzeit in Form des erzeugten Windstroms zurückgewonnen wird.“ In der Studie ist der Energieverbrauch für das Fundament der Anlagen mit eingerechnet.

Windenergie in Deutschland – Anlagen und Leistung seit 2013. – AFP

Durchschnittliche Leistung von Windturbinen

Im Video wird behauptet, dass die Windräder „im Schnitt 18 bis 22 Prozent Produktivität“ haben. Beziehungsweise es wird gesagt, „die Scheißdinger stehen mehr, wie dass sie laufen“.

Bernhard Siegel, Experte für regenerative Energietechnik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, hat in einer E-Mail an AFP vom 31. August 2023 diese Aussagen eingeordnet. „In der Studie zur Ökobilanz von Windenergie des Umweltbundesamts gehen die Autoren von 1800 Volllaststunden pro Jahr aus.“ Das sei eine fiktive Anzahl an Stunden, in der die maximale Leistung erbracht wird, so Siegel. Je nach Wetter bringe die Anlage zwischen null und 100 Prozent an Leistung. „Bezogen aufs Jahr mit 8760 Stunden sind das ca. 20,5 Prozent der maximal möglichen Leistung.“ Bei Windenergieanlagen auf See liegt dieser Wert bei 37 Prozent.

Das Fraunhofer-Institut erklärt diesen Wert als „das Verhältnis zwischen der theoretisch erzeugbaren Strommenge, wenn die Anlage das ganze Jahr über auf Nennleistung laufen würde, und der in Wirklichkeit erzeugten Strommenge.“ Dies werde der Kapazitätsfaktor genannt. „Moderne Windenergieanlagen wandeln Wind in Strom um, sobald eine Windgeschwindigkeit von ca. 3 m/s auf Nabenhöhe überschritten wird. Diese Windgeschwindigkeit wird einen Großteil des Jahres überschritten, weshalb Windräder den größten Teil des Jahres Strom produzieren.“ Mit steigender Windgeschwindigkeit steige auch die Leistung bis zur Nennleistung an, so Sprecherin Inna Eck. „Da der Wind nicht immer so stark bläst, produzieren die Windenergieanlagen die meiste Zeit Strom in Teillast.“

Bau eines Windrades bei Dortmund, aufgenommen am 14. Juli 2023 – Ina FASSBENDER / AFP

Der Kapazitätsfaktor sei in den letzten Jahren immer weiter angestiegen, sagt Lennart Mohr, vom Umweltbundesamt: „Generell ist der Anstieg durch die Technikentwicklung zu erklären, wobei insbesondere anhand höherer Anlagen durchschnittlich stärkere und stetigere Windverhältnisse an Land wie auf See erschlossen werden können.“ Generell seien die rund 20 Prozent Leistung durch die von Tag zu Tag unterschiedlichen Windverhältnisse zu erklären. „Hinzu kommen technische Aspekte, wie etwa das Netzmanagement oder die Wartung. Aber auch nicht-technische Gründe wie Auflagen hinsichtlich artenschutzrechtlicher Aspekte, die Zeiten des Stillstands vorsehen.“

Windenergie verursacht wenig Treibhausgase

Auch wenn Windräder an Land nur rund ein Fünftel ihrer maximal möglichen Leistung erreichen, sind sie eine klimafreundliche Methode zur Energiegewinnung. Um die Klimafolgen für die Stromerzeugung zur errechnen, wird bestimmt, wie viel Gramm CO2-Äquivalent pro produzierter Kilowattstunde erzeugt wird. Laut Zahlen des Umweltbundesamtes liegt der Wert für Windkraftanlagen, inklusive aller Emissionen der Produktion der Anlage, bei 17,7 Gramm pro Kilowattstunde.

Zum Vergleich: Kernenergie produziert 18,3 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde, Erdgas 247 Gramm und Braunkohle sogar 412 Gramm.

Durch die vergleichsweise klimafreundliche Energieerzeugung durch Windkraft gehen die Projektverantwortlichen, die Windpark Altdorfer Wald GmbH, von bis zu 400.000 Tonnen eingespartem CO2 pro Jahr durch den Windpark aus.

Fazit: Windräder sind klimafreundlich. Richtig ist, dass die Herstellung des Turms und des Fundaments große Mengen an Energie benötigt. Jedoch produzieren die Windturbinen in weniger als einem Jahr mehr Energie als für den Bau aufgewendet wurde. Dies haben Expertinnen und Experten gegenüber AFP erklärt und ist durch Studien bestätigt worden.

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Wirtschaft, Umwelt

Autor(en): Till EICHENAUER / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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