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Angaben zu Gasen bei 100-jährigen Buchen viel zu hoch gegriffen

Vom Wipfel bis tief in die Wurzel: Der Wald erfüllt als Ökosystem wichtige Aufgaben im Klimaschutz. Was aber ein einzelner Baum dazu beiträgt, darüber kursiereren verschiedene Zahlen. In den sozialen Netzwerken ist etwa zu lesen, dass eine 100-jährige Buche täglich 4,5 Tonnen Sauerstoff (O2) erzeugt und sechs Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) aufnimmt. Können die Laubbäume das wirklich leisten?
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Nein, die tägliche Aufnahme von CO2 und Abgabe von Sauerstoff durch Buchen liegt bei mehreren hundert Gramm. Selbst auf das Jahr hochgerechnet ergeben sich daraus nur Kilogrammbeträge.

Fakten

Eine Suche nach dem Wortlaut führt zu einem Blogbeitrag von 2018, in dem eine Rede auf einer Demonstration gegen das Bahnprojekt «Stuttgart 21» veröffentlicht wurde. Dass Bäume die dort erwähnten Funktionen erfüllen, ist zwar richtig. Allerdings stimmen die hohen Werte nicht.

Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärt Jens Günther, Forstwissenschaftler am Umweltbundesamt (UBA), dass hier die Angaben für Tage, Jahre und den Zeitraum von 100 Jahren durcheinandergeraten seien. Außerdem sei beispielsweise die Sauerstoffproduktion von Faktoren wie Baumalter, Standort und Wasserversorgung abhängig. Darum gebe es dazu keine allgemeingültigen Zahlen.

Es existieren allerdings Schätzungen zum jährlichen Leistungsvermögen des Waldes hinsichtlich Sauerstoff und CO2. Zur Veranschaulichung verweist der Forstwissenschaftler vom UBA auf eine Grafik der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), die basierend auf Daten des Thünen-Instituts entstanden ist.

Hier ist die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid für einen ganzen Hektar Wald mit gerade einmal 5,4 Tonnen CO2 angegeben. Das sind zwar fast sechs Tonnen, aber eben für ein Waldstück und nicht wie behauptet für einen einzelnen Baum. Und auch die jährliche Sauerstoffproduktion beläuft sich nur auf durchschnittlich drei Tonnen O2 pro Hektar Wald.

Geschätzte Leistung einer 100-jährigen Buche

Die angeführten Zahlen für einen Einzelbaum hält auch Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Universität Freiburg, für fragwürdig, wie er auf dpa-Anfrage mitteilte. Zusammen mit Professorin Nina Buchmann und Professor Arthur Gessler vom Departement für Umweltsystemwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hat er darum eine Modellrechnung aufgestellt.

Diese basiert auf den Grundlagen einer Studie zu deutschen Buchenwäldern und der Annahme, dass auf einem Hektar Fläche 100 dieser Laubbäume mit den durchschnittlichen Maßen für 100 Jahre Lebensalter stünden. Außerdem wurde zur Berechnung der Werte eine Vegetationszeit von 200 Tagen angesetzt.

In diesem Szenario liegt je einzelner Buche die tägliche Netto-Aufnahme von CO2 im Mittel zwischen 730 und 1100 Gramm. Für Sauerstoff bedeutet das wiederum, dass eine 100-jährige Buche demnach im Schnitt etwa 530 bis 800 Gramm O2 pro Tag produziert.

Hochgerechnet anhand dieses Fallbeispiels bedeutet das, dass Buchen dieses Alters in einer Vegetationsperiode mit 200 Tagen im äußersten Fall rund 220 Kilogramm Kohlenstoffdioxid absorbieren und etwa 160 Kilogramm Sauerstoff produzieren könnten. Von Tonnen also weit entfernt.

(Stand: 14.12.2023)

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Klimawandel, Umwelt

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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