EM 2024: Nein, Familie aus Hessen musste nicht 1.000 Euro wegen falscher Deutschland-Flagge bezahlen

Wer bei der Europameisterschaft 2024 welche Flaggen schwenken darf, ist in Sozialen Netzwerken ein vielfach diskutiertes Thema. Besonders hohe Reichweite generierte dabei ein Tiktok-Video, in dem ein Mann über einen Bild-Bericht spricht. Eine Familie habe einen Bußgeldbescheid über 1.000 Euro bekommen, weil sie die falsche Flagge gehisst hat, heißt es darin. Das Video wurde mehr als zwei Millionen Mal gesehen und mehrfach weiterverbreitet.

Nur: Der Mann gibt den Bild-Bericht verkürzt wieder – und auch im Bericht war zunächst ist ein Fehler.

Screenshot eines Tiktok-Beitrags.
Dieses Video wurde auf Tiktok mehr als zwei Millionen mal angezeigt – doch einiges darin stimmt nicht (Quelle: Tiktok; Screenshot, Schwärzung und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Tiktok-Nutzer lässt Teile des Bild-Berichts weg, Familie musste nicht zahlen

Der Tiktok-Nutzer erklärt in dem Video, dass es bei der Familie um die sogenannte Bundesdienstflagge gehe, diese dürften nur offizielle Behörden nutzen. So steht das auch in dem Bild-Bericht, den er zeigt. Was der Tiktok-Nutzer nicht dazu sagt: Dass das Ordnungsamt laut Bild den Bußgeldbescheid zurückgezogen habe.

Denn: Privatpersonen ist die Nutzung der Bundesdienstflagge – sie besteht aus den Nationalfarben und dem sogenannten Bundesschild – zwar grundsätzlich nach Paragraf 124 des Ordnungswidrigkeitengesetzes nicht erlaubt. Doch während Großereignissen wie der EM wird das dennoch in der Regel „als Ausdruck der nationalen Verbundenheit als ‚sozialadäquat‘ geduldet werden“, wie das Bundesinnenministerium erklärt. Mehr dazu lesen Sie hier.

Ordnungsamt und Familienmitglied sagen, es habe keinen Bußgeldbescheid gegeben

Das Ordnungsamt und eine Person aus der betroffenen Familie erklären beide auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck: Es gab nie einen Bußgeldbescheid. Sabrina Budinsky, Mitglied der Familie in Ronneburg, Hessen, schildert das so: Das Ordnungsamt habe sie darüber informiert, dass Privatpersonen die Flagge mit dem Adler nicht zeigen dürften. Wenn sie diese nicht abnehmen würden, könnte das bis zu 1.000 Euro Bußgeld kosten. Sie hätten die Fahne also mit einer anderen überdeckt, dann aber noch einmal bei der Gemeinde nachgefragt. Dann sei klar geworden, dass der Adler doch bleiben dürfe.

Das bestätigt Alex Schmidt, Leiter der Zentrale Verwaltung und Finanzwesen in der Gemeinde Ronneburg. Das Ordnungsamt habe die Familie erst auf den entsprechenden Paragrafen hingewiesen, dann aber noch einmal mit dem zuständigen Bundesverwaltungsamt Rücksprache gehalten und der Familie dann mitgeteilt, dass die Flagge während der EM bleiben dürfe. Ein Bußgeldbescheid sei nicht erlassen worden.

Nach einer Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck änderte Bild im Artikel die Passage rund um den Bußgeldbescheid. Der Tiktok-Nutzer, der den Artikel verkürzt wiedergibt, schreibt auf Anfrage: Es sei ihm vor allem darum gegangen, zu erläutern, „dass die Flagge mit dem Bundesadler in Deutschland verboten ist und nur Behörden zusteht“.

Redigatur: Paulina Thom, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Bundesdienstflagge, Protokoll Inland der Bundesregierung: Link (archiviert)
  • Hinweise zur Beflaggung, Protokoll Inland der Bundesregierung: Link (archiviert)
  • Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Paragraf 124: Link (archiviert)
  • 1000 Euro Bußgeld bei falscher Deutschland-Flagge zur EM, Bild, 19. Juni 2024: Link (archiviert)
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Gesellschaft, Verbraucher, Sport

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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