Kältester Sommer seit 30 Jahren? Tiktok-Video verfälscht Aussage aus Wettervideo

Statt Sonne, Balkonien oder Spazierengehen im Park war für die meisten in der zweiten Julihälfte 2023 in Deutschland vor allem eines angesagt: Regenwetter und Herbsttemperaturen. Das hat bei vielen Menschen nicht nur auf die Stimmung gedrückt, sondern auch für Spekulationen gesorgt. Auf TikTok verbreitet sich die Behauptung „2023 kältester Sommer seit 30 Jahren“, rund 200.000 Menschen sahen ein entsprechendes knapp anderthalb Minuten langes Video.

Darin ist ein Mann namens Kai Zorn zu sehen, der sagt, der Sommer 2023 könnte „einer der kältesten und nassesten Sommer […] der vergangenen 30 Jahre“ werden. Doch das Video auf Tiktok ist ein irreführender Zusammengeschnitt aus einem viel längeren Video von Zorn. Ein Text, der über dem Video steht, gibt den Inhalt zudem falsch wieder.

Wir haben uns die Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) angeschaut und Einschätzungen von Meteorologen eingeholt, um herauszufinden, wie kalt der Sommer im Vergleich zu anderen Jahren wirklich war.

In diesem Tiktok-Video werden Aussagen von Kai Zorn irreführend zusammengeschnitten
In diesem Tiktok-Video werden Aussagen von Kai Zorn irreführend zusammengeschnitten (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)


Vorhersage von Kai Zorn manipulativ zusammengeschnitten

Auf YouTube finden wir das ungekürzte Video von Zorn. Darin sagt er: „Das Wetter in diesem Sommer ist höchst unterschiedlich. Der Sommer begann sehr sonnig und warm, ist dann abgestürzt. Im Norden Deutschlands beispielsweise könnte er, wenn der August es nicht richtet, einer der kältesten und nassesten Sommer werden der vergangenen dreißig Jahre.“

Zorn formuliert seine Prognose im Youtube-Video im Konjunktiv. Auf Tiktok wurde das Video manipulativ zusammengeschnitten, sodass man die Formulierung im Konjunktiv nur dann hört, wenn man sich das ganze Video in Schleife ansieht. Im Beschreibungstext des Videos auf Tiktok fehlt der Hinweis auf das „könnte“ komplett. Dass die Prognose nur für den Norden Deutschlands gelten soll, wird auf Tiktok unterschlagen; die entsprechende Stelle wurde aus dem Video herausgeschnitten. Zorn sagte also nicht, dass es der kälteste Sommer seit 30 Jahren sei, sondern dass es im Norden Deutschlands einer der kältesten werden könnte.

So warm war der Sommer 2023 bislang wirklich

Aber welche Fakten sind eigentlich notwendig, um den Sommer 2023 zu bewerten?

Der meteorologische Sommer beginnt am 1. Juni und endet am 31. August. Bereits der Juni war 2,1°C wärmer als das im wissenschaftlichen Vergleichszeitraum zwischen 1991 und 2020 der Fall war. Er bot zudem überdurchschnittlich viel Sonnenschein im Vergleich zu den Jahren 1961 bis 1990, schreibt der DWD.

Der Trend setzte sich in der ersten Monatshälfte des Julis fort. Doch trotz des nasskalten Wetters in der zweiten Julihälfte war der Monat laut DWD vor allem zu warm. Im Vergleich zur Referenzperiode 1991 bis 2020 ist der Juli, trotz anderer subjektiver Wahrnehmung, 0,4°C wärmer gewesen.

Die Statistik zeigt also: Bereits im Juni und Juli war der Sommer wärmer als frühere Sommer. Für eine abschließende Beurteilung „des Sommers“ fehlt noch die Temperatur aus August. Der ist aber noch nicht vorbei und lässt sich auch nicht verlässlich vorhersagen.

„Schon ab sieben Tagen bei Regen- und ab zehn Tagen bei Temperaturvorhersagen nehmen die Fehlerquellen so stark zu, dass man kaum mehr genaue Aussagen über die Regen- und Temperaturereignisse treffen kann, sondern nur noch mögliche Trends erkennt“, erklärt uns Meteorologe Andreas Friedrich vom DWD.

Dass der Sommer 2023 aber der kälteste Sommer seit 30 Jahren werden könnte, sieht Friedrich nicht. „Dafür müsste es schon unfassbar kalt im August werden, um die knapp 18 °C Durchschnittstemperatur im Juni und Juli zu unterbieten“. Der kälteste Sommer der vergangenen 30 Jahre war der Sommer 1993 mit einer mittleren Temperatur von 15,84 °C. Wahrscheinlicher sei, dass der Sommer 2023 wieder zu warm werde.

Redigatur: Steffen Kutzner, Matthias Bau

Update, 18. August: Wir haben den Titel angepasst, um deutlicher zu machen, dass die Behauptung auf einem manipulativ verkürzten Tiktok-Video beruht.

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Klimawandel, Umwelt

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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