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Baerbock spricht von «über 560 Tagen» seit Kriegsbeginn

Menschen versprechen und verhaspeln sich, das ist nicht selten. Davor ist auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nicht gefeit. Nach einem Besuch in der Ukraine wird der Grünen-Politikerin aber nun unterstellt, bei ihr sei das Jahr plötzlich 560 statt 365 Tage lang. Das habe sie auf einer Pressekonferenz in Kiew so gesagt. Aber von einem «peinlichen Aussetzer», wie etwa die rechtskonservative Wochenzeitung «Junge Freiheit» schreibt, oder einer außer Kraft gesetzten Zeitrechnung, wie die Schweizer «Weltwoche» hämisch kommentiert, kann in diesem Fall überhaupt keine Rede sein.

Bewertung

Wer Baerbocks Rede vollständig anhört, erkennt: Die Angabe von «über 560 Tagen» bezieht sich auf den Zeitraum seit Kriegsbeginn, nicht auf ein Kalenderjahr. Sie nennt die Zahl in ihrer Rede noch ein weiteres Mal. Auch das Auswärtige Amt verbreitet die Angabe über seine Social-Media-Kanäle.

Fakten

Der Vorwurf gegen Baerbock entbrennt an einem ihrer Sätze auf der Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba. Am 11. September 2023 sagt sie in Kiew (ab 5:07 Min.): «Meine Botschaft auch jeden Tag, in den über 560 Tagen, im letzten Jahr, ist: Wir helfen euch nicht nur, sondern wir stehen an eurer Seite, solange ihr uns braucht.»

Es ist der vierte Besuch Baerbocks in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Land. Bis zu ihrer Pressekonferenz sind seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022 genau 565 Tage vergangen. Darauf bezieht sich Baerbock ganz offensichtlich. Denn das Auswärtige Amt verbreitet die Angabe etwa auf Facebook oder via Instagram.

Denn sie verwendet die Zahl bei diesem Auftritt vor der Presse mehrmals. An den ukrainischen Außenminister gewandt sagt sie (ab 11:31 Min.): «Lieber Dymtro, auch nach 565 Tagen kann es keine Gewöhnung an diese Gräueltaten, an diesen furchtbaren Angriffskrieg geben.»

An anderer Stelle bezieht sich Baerbock auch auf diese Zahl, allerdings mit einem Zahlendreher (also einem tatsächlichen Versprecher): Über ihre Erlebnisse aus vier Besuchen in der Ukraine sagt sie (ab 3:58 Min.), diese seien «nichts im Vergleich zu den 556 [eigentlich 565] Tagen, an denen für die Menschen in der ganzen Ukraine der Krieg jeden Tag, jede Stunde zum schrecklichen Alltag geworden ist.»

Baerbock hat über die gesamte Dauer des Krieges («in den über 560 Tagen») und auch im vergangenen Jahr («im letzten Jahr») immer wieder deutlich gemacht, dass Deutschland an der Seite der Ukraine steht – auch bei den drei vorangegangen Visiten in dem Land (hier, hier und hier).

Wie sie jedem Menschen passieren können, sind auch der Außenministerin schon Versprecher unterlaufen. Zum Beispiel sagt sie auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023 mit Blick auf den Ukraine-Krieg auf Englisch: Wenn sich Russlands Präsident Wladimir Putin «um 360 Grad» drehe, sei die Welt wieder zufrieden. Gemeint sind sicherlich 180 Grad.

(Stand: 15.9.2023)

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Politik, Ukraine

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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