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Nein, Deutschlands Goldreserven in den USA sind nicht weg

Deutschland lagert seit Jahrzehnten Teile seiner Goldreserven im Ausland. In einem Video, das kürzlich vielfach in sozialen Medien geteilt wurde, wird behauptet, die deutschen Goldbestände in den USA seien nicht mehr vorhanden. Diese Behauptung ist falsch. Dokumente der Deutschen Bundesbank zeigen das Gegenteil. Auch ein Experte bestätigte AFP gegenüber, Deutschlands Gold sei nach wie vor vorhanden.

„Deutschlands Goldschätze sind weg!“, heißt es in einem Video, das tausendfach auf Facebook geteilt wurde. Darin wird beschrieben, wie seit über 50 Jahren 1500 Tonnen deutscher Goldreserven in der Federal Reserve Bank in New York in den USA lagern würden. Als Deutschland Teile der Reserven nach Frankfurt zum Sitz der Deutschen Bundesbank ab 2013 habe verlagern wollen, sei dieses Vorhaben auf Gegenwehr bei der Federal Reserve Bank gestoßen. Schließlich wird die Behauptung aufgestellt, die deutschen Goldbestände seien in den Tresoren der Federal Reserve Bank nicht mehr vorhanden.

Das Video wird seit Anfang August 2023 auf Facebook verbreitet, ähnliche Beiträge wurden bislang rund 5000 Mal geteilt. Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass der Videoclip in dem sozialen Netzwerk kursiert. So wurde beispielsweise 2018 ein Beitrag, der das Video beinhaltete, über eintausend Mal geteilt. Bei den Behauptungen des Videos, wonach die deutschen Goldreserven in den USA weg wären und die Federal Reserve Bank die Herausgabe verweigert habe, handelt es sich allerdings um Falschinformationen.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 11. August 2023

Zum ersten Mal wurde das Video am 20. Juli 2014 bei „Klagemauer.TV„, kurz „Kla.TV“, hochgeladen. AFP hat in der Vergangenheit bereits Falschbehauptungen von „Kla.TV“ widerlegt. Gegründet wurde das Video-Portal von Ivo Sasek, wie die erste Archivierung der Website vom 25. März 2014 zeigt. Sasek ist außerdem Begründer der esoterischen Sekte Organische Christen Generation aus der Schweiz, in der Verschwörungstheorien und Antisemitismus propagiert werden (hier archiviert).

„Seit über 50 Jahren lagern in der US-Notenbank Fed 1500 Tonnen deutsches Gold“, beginnt der Sprecher des Videos. Tatsächlich stammen die deutschen Goldreserven zum Großteil aus den 1950er Jahren, wie die Deutsche Bundesbank auf ihrer Website zur Entwicklung der deutschen Goldbestände erklärt (hier archiviert). 1952 sei Deutschland demnach dem Bretton-Woods-System beigetreten. Dabei handelte es sich um ein Währungssystem mit festen Wechselkursen zwischen den Währungen der teilnehmenden Staaten zum US-Dollar. Außerdem wurde der Wechselkurs von 35 US-Dollar pro Feinunze Gold festgelegt, erklärt die Bundesbank. Dieses System habe bis 1973 bestanden.

Gleichzeitig waren die 1950er-Jahre des Wirtschaftswunders, „in denen Deutschland im Rahmen der deutschen Exporterfolge zunehmende Leistungsbilanzüberschüsse erwirtschaftete“, heißt es auf der Website weiter. Diese Überschüsse hätten aufgrund der damals geltenden Abrechnungsmodalitäten in der Europäischen Zahlungsunion, in der die Überschuss- und Defizitpositionen der Mitgliedstaaten abgerechnet wurden, in Dollar oder Gold ausgeglichen werden müssen. Demnach erhielt die Bundesbank bis zur Auflösung der Zahlungsunion im Jahr 1958 auf diesem Weg 1584 Tonnen Gold, erklärte Johannes Beermann am 21. September 2022 bei einer Rede in Frankfurt am Main (hier archiviert). Zum Zeitpunkt der Rede war Beermann Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank.

Deutschland besitzt die zweitgrößten Goldreserven weltweit

Deutschland habe außerdem weitere Devisen umgewandelt, sodass sich der Goldbesitz in diesem Jahr insgesamt auf 2345 Tonnen Gold erhöhte. Zum 31. Dezember 2021 belief sich der Goldbestand auf 3359 Tonnen, was einem Wert von rund 174 Milliarden Euro entsprach, führte Beermann aus. Damit hält Deutschland die zweitgrößten Goldbestände weltweit nach den USA, wie ein Vergleich des World Gold Council zeigt (hier archiviert). Der World Gold Council ist eine Mitgliederorganisation, die sich für Gold als strategisches Gut einsetzt.

Screenshot einer Tabelle vom World Gold Council: 21. August 2023

„Das Gold, das die Bundesrepublik für den Ausgleich von Leistungsbilanzüberschüssen und währungspolitisch bedingt in der Zeit des Bretton-Woods-Systems erhalten hatte, wurde direkt in die ausländischen Lagerstellen der Bundesbank eingeliefert und nicht etwa aus Deutschland in die ausländischen Lagerstellen gebracht“, erklärte Beermann. Aus diesem Grund befänden sich deutsche Goldbestände nicht nur in der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main, sondern auch in der Federal Reserve Bank in New York, der Bank of England in London und bis vor einigen Jahren in der Banque de France in Paris.

„Neben dem historisch bedingten Entstehen der Goldbestände im Ausland war und ist die Verteilung der deutschen Goldreserven auf mehrere Lagerstellen das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung der Kriterien Sicherheit, Liquidität und Kosteneffizienz, wobei wir der Sicherheit die höchste Priorität beimessen“, erklärte Beermann 2022 in seiner Rede weiter. So hatten sowohl der Ort der Geldgeschäfte, als auch der Kalte Krieg Einfluss darauf, wo die Goldbestände gelagert wurden, heißt es in einer Erklärung zum Sachstand des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (hier archiviert). Reint Gropp, Präsident  des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), an dem eine Forschungsabteilung zu Finanzmärkten angesiedelt ist, nannte in einer E-Mail vom 17. August 2023 an AFP einen weiteren Grund: Auch „aufgrund begrenzter Transportmöglichkeiten“ seien die Goldreserven „direkt im Ausland gehalten“ worden.

Goldreserven dienen der Währungssicherung

„Heutzutage hält Deutschland das Gold im Ausland aus praktischen Gründen“, führte Gropp weiter aus. „Goldreserven sind Währungsreserven: Falls der Eurokurs stabilisiert werden muss, soll das Gold einfach in ausländische Währung getauscht werden können, weshalb man einen Teil des Goldes direkt an den Devisenmärkten hält, wo man es mal gebrauchen könnte.“ Außerdem erklärte er, die „Überführung der Goldreserven nach Deutschland ist teuer“. So habe ein Transfer von 300 Tonnen Gold aus New York und 374 Tonnen aus Paris nach Frankfurt – den die Bundesbank 2013 nach Kritik seitens des Bundesrechnungshofes beschlossen hatte – 7,7 Millionen Euro gekostet.

Grundsätzlich seien Goldreserven für die Währungssicherung von Bedeutung, da sie „als eine Art ‚Versicherung‘ für Krisenzeiten gehalten“ werden, erklärte Gropp. So schaffe es unter anderem Vertrauen in die Stabilität der Währung, „da Gold langfristig wertbeständig ist“.

Bundesrechnungshof forderte Inventur der Goldbestände

Bis 2013 wurden laut Deutscher Bundesbank rund 1500 Tonnen der deutschen Goldreserven in der Federal Reserve Bank in New York aufbewahrt, was im gleichen Jahr etwa 42,8 Milliarden Euro entsprach. 2012 forderte der Bundesrechnungshof schließlich die Inventur der Bestände im Ausland, wie AFP damals berichtete (hier archiviert). Zuvor habe der damalige außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion Philipp Mißfelder die Lagerstätten in der Federal Reserve Bank besucht und gleiches in London und Paris machen wollen – was die Bundesbank abgelehnt habe. „‚An der Integrität, dem Ruf und der Sicherheit‘ der Verwahrstellen der ausländischen Zentralbanken bestehe kein Zweifel und die Bundesbank erhalte jedes Jahr von den betreffenden Zentralbanken eine zertifizierte Bestätigung ihrer Bestände auf die nächste Feinunze genau“, schrieb AFP 2012.

Es folgte ein Bericht des Bundesrechnungshofes (hier archiviert), in dem dieser zu der Schlussfolgerung gelangte, dass Stichproben nötig seien: „Angesichts des hohen Wertes der bei ausländischen Notenbanken gelagerten Goldbestände und der Tatsache, dass diese noch nie aufgenommen wurden, hält es der Bundesrechnungshof daher handelsrechtlich für erforderlich, auch die bei ausländischen Notenbanken verwahrten Goldbestände in regelmäßigen Zeitabständen mittels geeigneter Stichproben körperlich aufzunehmen.“ Aufgrund seiner Klassifizierung als „geheim“ ist nur eine geschwärzte Fassung des Berichts zugänglich (hier archiviert).

Bundesbank beschloss Verlagerung von 674 Tonnen Gold

Zusätzlich zur Prüfung beschloss die Deutsche Bundesbank, den Anteil des im Ausland gelagerten Goldes zu reduzieren: Von 2013 bis 2020 sollten 300 Tonnen aus New York und mit 374 Tonnen die gesamten deutschen Reserven in Paris nach Frankfurt gebracht werden (hier archiviert). So sollten schließlich 50 Prozent der Goldreserven in Frankfurt lagern. Als Grund für die Verlagerung nennt IWH-Präsident Gropp gegenüber AFP ein grundsätzlich bestehendes Risiko bei Goldtransfers, dass „gewisse politische oder wirtschaftliche Ereignisse die Auslieferung der Goldbarren an die Bundesbank verhindern“ könnten sowie den damals zunehmenden politischen Druck durch die Finanz- und die europäische Staatsschuldenkrise, „die ausländischen Bestände nach Deutschland zu transferieren“. Paris wurde als Verwahrungsort aufgelöst, da Frankreich Teil des Eurosystems ist (hier archiviert), wie Carl-Ludwig Thiele, damaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, anlässlich des Pressegesprächs zur abgeschlossenen Verlagerung am 23. August 2017 erklärte.

Dass die Verlagerung von Gold mehrere Jahre in Anspruch nehme, sei üblich, erklärte Gropp. Das liege an einer komplexen logistischen Planung, strengen Sicherheitsvorkehrungen während des Transports und der Lagerung, Verhandlungen über Transportwege und Sicherheit sowie notwendigen bürokratischen Schritten für eine ordnungsgemäße Dokumentation der Verlagerung.

In dem online geteilten Video aus dem Jahr 2014 heißt es, die Verlagerung der insgesamt 674 Tonnen Gold aus New York und Paris solle abgebrochen werden. Rückblickend kann das Gegenteil bewiesen werden: Die Deutsche Bundesbank schloss die Verlagerung sogar vorzeitig ab, nämlich 2017 statt 2020 (hier archiviert). Demzufolge lagern seither 50,6 Prozent der Goldreserven (1710 Tonnen) in der Zentrale der Bundesbank in Frankfurt am Main, 36,6 Prozent (1236 Tonnen) in der Federal Reserve Bank in New York und 12,8 Prozent (432 Tonnen) in der Bank of England in London.

Screenshot einer Tabelle aus einer Pressemitteilung der Deutschen Bundesbank: 21. August 2023

Auch der Behauptung, wonach das Gold in den USA nicht mehr vorhanden sei, widerspricht ein Dokument der Deutschen Bundesbank: Zum 31. Dezember 2022 lagerten laut der jährlich veröffentlichten Barrenliste in Frankfurt am Main 136.637 Goldbarren ( 1.715 Tonnen), in New York sind es 98.613 Barren ( 1.239  Tonnen) und in London 32.716 Barren (409 Tonnen; hier archiviert).

Schließlich wird im Video behauptet, 2013 seien fünf Tonnen Gold von New York nach Deutschland gebracht worden, bei denen es sich nicht um Originale gehandelt habe. Als Grund wird die Prägung mit der Jahreszahl 2013 angeführt. Laut Beermanns Rede von 2022 seien die ersten 55 Tonnen aus New York umgeschmolzen worden (hier archiviert), „um zum einen ein Bild über die Genauigkeit des Feingehalts unserer mitunter schon sehr alten Bestände zu erhalten – einzelne Barren waren rund 100 Jahre alt, und zum anderen die Barren auf den heute üblichen Handelsstandard ‚LGD‘ – die Abkürzung steht für ‚London Good Delivery‘ – zu bringen.“ Das bestätigte auch der Präsident des IWH: „Die Form der Barren war veraltet und entsprach nicht dem aktuellen Standard, der an den Börsen gehandelt wird“, so Gropp. „Daher wurde das Gold nach der Ankunft in Deutschland eingeschmolzen und in neue Formen gegossen.“

2013 wenig Gold verlagert

Ein weiterer Aspekt der Goldverlagerung wird in dem online geteilten Video erwähnt: „Für das Jahr 2013 war geplant, 50 Tonnen Gold nach Deutschland zurückzuführen. Tatsächlich kamen dann nur 37 Tonnen an. 32 Tonnen stammten dabei aus Paris und nur fünf Tonnen kamen wirklich von der Fed.“ Diese Behauptung kann anhand der Dokumentation der Bundesbank über den Fortschritt des Goldtransports bestätigt werden: 2013 wurden nur fünf Tonnen aus New York verlagert. Den Grund dafür gibt ein Sprecher der Deutschen Bundesbank gegenüber AFP in einer E-Mail vom 16. August an: „Die im Jahr 2013 verlagerten fünf Tonnen waren ein Test für das ‚Hochfahren‘ der logistischen Infrastrukturen im Rahmen der anstehenden Verlagerungen.“

Screenshot einer Tabelle aus einer Pressemitteilung der Deutschen Bundesbank: 21. August 2023

Weitere Verlagerungen plane die Deutsche Bundesbank dem Sprecher zufolge überdies nicht. „Die Bundesbank lagert Teile ihrer Goldreserven deshalb in New York und London, weil Gold dort schnell in Devisenliquidität umgewandelt werden könnte“, erklärt der Sprecher die Gründe. In Frankfurt sei keine entsprechende Infrastruktur vorhanden. „Der Finanzplatz Frankfurt, an dem die Bundesbank ebenfalls die Hälfte ihrer Goldbestände lagert, ist weder Gold- oder Devisenhandelsplatz noch Lagerstelle für Goldreserven anderer Marktteilnehmer.“

Eine weitere Behauptung aus dem verbreiteten Video lautet, die Federal Reserve Bank habe sich geweigert, „deutsches Eigentum wieder zurückzugeben“. Die Federal Reserve Bank in New York antwortete bis zur Veröffentlichung des Artikels nicht auf die Anfrage von AFP. Die Bundesbank dementiert die Behauptung. „Zu keiner Zeit hat sich die Federal Reserve Bank in New York geweigert, Goldreserven der Bundesbank herauszugeben oder physische Überprüfungen zuzulassen“, erklärte der Bundesbank-Sprecher. IWH-Präsident Reint Gropp fasst die Behauptungen im kursierenden Video wie folgt zusammen: Es seien „Verschwörungstheorien rund um deutsche Goldreserven, für die es keinerlei Beweise gibt.“

Fazit: Die deutschen Goldreserven in den USA lagern nach wie vor in der Federal Reserve Bank, wie die Liste der Bundesbank über den Lagerungsort jedes einzelnen Goldbarren zeigt. Auch hat sich die New Yorker Bank nicht geweigert, die Bestände zu verlagern, wie die Bundesbank gegenüber AFP äußerte. Der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle konnte die Behauptungen ebenfalls nicht bestätigen. Die Behauptungen des Videos aus dem Jahr 2014 sind somit falsch. Nach der Verlagerung von 300 Tonnen aus den USA nach Frankfurt in die Deutsche Bundesbank lagern in New York noch 1236 Tonnen des Goldes.

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Politik, Wirtschaft

Autor(en): Johanna LEHN / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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