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Weinender Minister: Video ist von 2021 und hat keinen Bezug zu Militärputsch im Niger

Eine Woche nach dem Militärputsch im Niger bleibt die Lage in dem westafrikanischen Land unübersichtlich. Die Putschisten haben die Verfassung außer Kraft gesetzt und alle verfassungsmäßigen Institutionen aufgelöst. Nun kursiert in sozialen Medien ein Video, das zeigen soll, wie ein Politiker der gestürzten Regierung vernommen wird. «Der Finanzminister des Niger brach beim Verhör in Tränen aus», heißt es dazu. Angeblich soll das passiert sein, als der Minister erklären sollte, wohin Geld «aus dem Staatsschatz» verschwunden sei. Dazu ist ein Video zu sehen, in dem sich ein Mann weinend die Augen reibt. Doch es stammt aus einem ganz anderen, älteren Kontext.Bewertung

Falsche Videobeschreibung. Der Clip hat keinen Bezug zum aktuellen Militärputsch im Niger. Er stammt aus dem Jahr 2021 und zeigt einen Ex-Minister, der während der Machtübernahme des Militärs längst nicht mehr im Amt war.

Fakten

Eine Bilderrückwärtssuche mit Ausschnitten aus dem Video führt zu einem Faktencheck des Senders France24 und einem Tweet, der über die echte Herkunft des Videos aufklärt. Es ist seit Dezember 2021 im Internet zu finden und zeigt den früheren nigrischen Justizminister Marou Amadou – nicht den bisherigen Finanzminister.

Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte das Video am 27. Dezember 2021. Seinen Angaben zufolge zeigt es Marou Amadou an diesem Tag im Hotel Bravia in der nigrischen Hauptstadt Niamey. Das Ereignis lässt sich anhand eines Berichts der Nigrischen Presseagentur bestätigen: Demnach hielt Amadou am 27. Dezember eine Pressekonferenz ab, um sein neu gegründetes Zentrum für Klima- und Sicherheitsstudien vorzustellen, eine nicht-staatliche Organisation. Zu diesem Zeitpunkt war Amadou schon nicht mehr Justizminister. Er hatte das Amt von 2011 bis April 2021 inne.

Das Foto in dem Artikel der Nachrichtenagentur stimmt mit einem Bild eines Konferenzraums im Bravia-Hotel in Niamey überein, erkennbar am Teppichmuster und der Wandstruktur. Auf Fotos der Pressekonferenz von 2021 trägt Amadou auch die gleiche Kleidung, die gleiche Brille und den Hut, die alle in dem aktuell kursierenden Social-Media-Video erkennbar sind. Auch die Linien auf der Wand im Hintergrund stimmen im Video und auf dem Pressefoto überein.

Warum genau der Ex-Justizminister während der Pressekonferenz weinte, ist nicht klar. Auf zwei weiteren nigrischen Facebook-Seiten heißt es, sein Gefühlsausbruch sei ein Dank oder eine Hommage an den ehemaligen Präsidenten Mahamadou Issoufou gewesen. Ob das zutrifft, ließ sich nicht unabhängig verifizieren.

Auch ein Vergleich mit Fotos des bisherigen nigrischen Finanzministers Ahmat Jidoud, zeigt, dass die Männer verwechselt wurden. So hat Finanzminister Jidoud etwa andere Gesichtszüge und eine hellere Hautfarbe als der Mann im Video, also Marou Amadou.

Der Putsch im Niger hat das Land und die westafrikanische Sahelregion in eine Krise gestürzt. Am Mittwoch, dem 26. Juli 2023, hatten Offiziere der Präsidialgarde den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum festgesetzt und für entmachtet erklärt. Der Kommandeur der Präsidialgarde, General Omar Tchiani, ernannte sich am Freitag, dem 28. Juli, selbst zum neuen Machthaber. Kurz nach Tchianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf.

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hatte den Putsch im Niger scharf kritisiert. Auch Frankreich, die EU sowie die Afrikanische Union drohen den Putsch-Generälen mit Sanktionen. Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso war der Niger seit 2020 das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde – und ein wichtiger Partner für den Westen.

(Stand: 02.08.2023)

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Politik, Gesellschaft

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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