Erweiterte Brics-Staaten kontrollieren ab 2024 weniger als 80 Prozent der globalen Ölproduktion - Featured image

Erweiterte Brics-Staaten kontrollieren ab 2024 weniger als 80 Prozent der globalen Ölproduktion

Auf dem diesjährigen Gipfel der Brics-Staaten im August 2023 in Johannesburg haben die fünf aktuellen Mitgliedstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika beschlossen, sechs weitere Staaten in die Vereinigung aufzunehmen. Nach dem Treffen kursierten Beiträge in den sozialen Medien, wonach die Brics-Staaten ab 2024 angeblich 80 Prozent der Ölproduktion kontrollieren würden. Verfügbare Daten widersprechen dem jedoch und zeigen, dass das erweiterte Bündnis etwas über 40 Prozent der globalen Ölproduktion kontrollieren wird. 

„Die erweiterten Brics-Staaten (ist jetzt amtlich) kontrollieren ab 2024 – 80 Prozent der weltweiten Öl-Produktion!!!“, heißt es in einem Beitrag vom 25. August 2023 auf Facebook. In einem Beitrag auf X (ehemals Twitter) von Ökonom Max Otte, ehemaligem Vorsitzenden der Werteunion und Ex-CDU-Mitglied, schreibt dieser zusätzlich: „Das kombinierte BIP dieser Länder beträgt 30 Billionen Dollar und umfasst damit 30 Prozent des Welt-BIP.“

Die Behauptung wurde auch auf anderen Sprachen in sozialen Medien verbreitet, darunter Französisch, Slowakisch,Englisch und Polnisch.

Facebook-Screenshot der Behauptung, aufgenommen am 6. September 2023
X-Screenshot der Behauptung, aufgenommen am 6. September 2023

Ursprünglich prägte die US-Investmentbank Goldman Sachs das Akronym Bric in einem Bericht aus dem Jahr 2001, in dem sie vorhersagte, dass die Volkswirtschaften der vier Länder Brasilien, Russland, Indien und China „die Weltwirtschaft umgestalten“ und das globale Wachstum bis 2050 dominieren würden. Auf Initiative Russlands gründeten die Mitgliedstaaten 2006 ein informelles Gremium, wie der Brics-Website zu entnehmen ist. Der erste Bric-Gipfel fand im Juni 2009 in Jekaterinburg, Russland, statt. Südafrika trat der Gruppe 2010 bei und das Akronym wurde in BRICS geändert.

Auf dem 15. Brics-Jahresgipfel vom 22. bis 24. August 2023 in Johannesburg, Südafrika, wurde eine Erweiterung um sechs neue Länder ratifiziert und angekündigt, dass Ägypten, Argentinien, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate“ ab dem 1. Januar 2024 „vollwertige Mitglieder“ werden sollen.

Mit dem bevorstehenden Beitritt führender Ölproduzenten wie Saudi-Arabien, dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten – Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) – begannen nach dem Gipfel die Falschbehauptungen zu kursieren, durch die Erweiterung würden die Brics 80 Prozent der weltweiten Rohölproduktion kontrollieren.

Auf erweiterte Brics-Staaten werden rund 40 Prozent der globalen Rohölproduktion entfallen 

Der polnische Ölexperte Andrzej Szczesniak kommentierte diese Desinformation am 25. August 2023 mit einem Beitrag auf X und schrieb, der Anteil von 80 Prozent sei falsch. Ihm zufolge würden die elf Länder der neuen Brics „43 Prozent der weltweiten Ölproduktion kontrollieren“.

Zuverlässige Daten zur Ölproduktion finden sich auf Websites wie die der Opec, der Internationalen Energieagentur (IEA) und der US-amerikanischen Energie-Informationsbehörde (EIA).

Den Daten des Monatsberichts zum Ölmarkt aus dem Juli 2023 der IEA zufolge (Link hier archiviert) – einer 1974 gegründeten zwischenstaatlichen Organisation, die politische Empfehlungen, Analysen und Daten über den gesamten globalen Energiesektor bereitstellt – förderten die elf Länder der erweiterten Brics-Staaten im Jahr 2022 zusammen rund 37 Millionen Barrel Öl pro Tag (bpd).

Nach Angaben der Opec (Link hier archiviert) – des 1960 gegründeten Erdölkartells, das die Erdölpolitik der Mitgliedstaaten koordinieren und vereinheitlichen sowie die Preise auf dem Weltmarkt steuern soll – belief sich die Gesamtproduktion der elf Länder im Jahr 2022 auf fast 35 Millionen Barrel pro Tag.

Die amerikanische Energie-Informationsbehörde – die nach eigenen Angaben unabhängige und unparteiische Informationen zu Energie sammele, analysiere und verbreite – kalkuliert ihrer Website zufolge (Link hier archiviert) für das Jahr 2022 eine Gesamtproduktion von fast 42 Millionen bpd.

Die Ölproduktion der einzelnen Mitgliedsländer der Brics-Staaten ab 2024 wird für das Jahr 2022 von den Organisationen wie folgt angegeben (in Millionen bpd):

Ölproduktion der derzeitigen und neuen Brics-Mitgliedstaaten im Jahr 2022. Tabelle zusammengestellt von AFP am 5. September 2023

Für 2023 prognostiziert die Energie-Informationsbehörde der USA, dass die globale Ölproduktion um 1,6 Millionen bpd auf 101,5 Millionen bpd ansteigen wird (Link hier archiviert).

Andere Medien wie Forbes und die datenjournalistische Website Visual Capitalist (Link hier archiviert) liefern ähnliche Zahlen. Die untenstehende Grafik von Visual Capitalist zeigt, wie sich der Beitritt der sechs neuen Mitglieder auf den Einfluss und die Reichweite der Brics auswirken wird.

Screenshot der Website visualcapitalist.com, aufgenommen am 31. August 2023

Forbes untersuchte ebenfalls die Auswirkungen des erweiterten Bündnisses (Link hier archiviert). „Eine kürzlich auf VisualCapitalist.com veröffentlichte Analyse kommt zu dem Schluss, dass die neuen, erweiterten Brics-Staaten nun zusammen 43 Prozent der weltweiten Rohölproduktion repräsentieren werden“, schreibt Forbes.

Das in den USA ansässige Zentrum für strategische und internationale Studien (CSIS) kam in seiner Analyse zu einer ähnlichen Schlussfolgerung (Link hier archiviert): „Mit Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Iran würde diese erweiterte Gruppe drei der größten Ölexporteure der Welt umfassen und 42 Prozent des weltweiten Ölangebots ausmachen.“

„Das Management des Ölmarktes wird weiterhin in der Zuständigkeit der Organisation der erdölexportierenden Länder und verbündeter Produzenten (Opec+) liegen. Langfristig könnte eine erweiterte Brics-Gruppe jedoch für die Energiemärkte von Bedeutung sein“, schrieb CSIS. Einigen Medienberichten zufolge (hier und hier) sind bis zu 40 weitere Länder an einer Mitgliedschaft in der Gruppe interessiert.

Erweiterte Brics-Staaten erwirtschaften fast ein Drittel des globalen BIP 

Während die Behauptung, dass auf die erweiterten Brics-Staaten der größte Teil der weltweiten Ölproduktion entfallen wird, falsch ist, wird die zweite Behauptung der Beiträge in den sozialen Medien – dass das kombinierte Bruttoinlandsprodukt der elf Volkswirtschaften 30 Billionen Dollar betrage und damit 30 Prozent des weltweiten BIP ausmache – durch die verfügbaren Daten bestätigt.

In seinem Ausblick auf die Weltwirtschaft vom April 2023 (Link hier archiviert) veröffentlichte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognosen für das globale Wachstum im Jahr 2023; die in Paris ansässige Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte ihre Schätzungen für 2023 ebenfalls auf ihrer Website (Link hier archiviert).

AFP hat eine Liste der IWF-Prognosen für das BIP der elf Länder im Jahr 2023 (zu laufenden Preisen in Billionen US-Dollar) erstellt:

Bruttoinlandsprodukt der derzeitigen und neuen Brics-Mitgliedstaaten, basierend auf Daten des Internationalen Währungsfonds. Tabelle zusammengestellt von AFP am 5. September 2023

Visual Capitalist geht, unter Verwendung von IWF-Daten, davon aus, dass das kombinierte BIP der elf Länder im Jahr 2023 auf 30,8 Billionen US-Dollar ansteigen wird, was etwas mehr als 29 Prozent des gesamten globalen BIP von 105,6 Billionen US-Dollar entspricht.

Fazit: Öffentlich zugängliche Daten zur weltweiten Ölproduktion zeigen, dass die erweiterten Brics-Staaten ab 2024 zusammen rund 40 Prozent des globalen Öls produzieren werden. Die Behauptung, wonach sich die Produktion auf 80 Prozent belaufen würde, ist falsch. Das gemeinsame Bruttoinlandsprodukt dieser elf Länder wird hingegen tatsächlich bei knapp unter einem Drittel des weltweiten BIP liegen.

Fact Checker Logo

Wirtschaft

Autor(en): Maja CZARNECKA / Johanna LEHN / AFP Polen / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen