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Liste toter Geflüchteter enthält nicht nur Ertrunkene

Seit 1993 dokumentiert die Organisation «United for Intercultural Action» wie viele Menschen während der Flucht nach Europa sterben. Doch seit einer Aktion im Europaparlament verbreitet sich eine Falschbehauptung über die erhobenen Daten. Eine «Namensliste der ertrunkenen Flüchtlinge» sei «im Plenarsaal des EU-Parlaments ausgelegt» worden, heißt es in einem Facebook-Post mit Sharepic. Daran schließt sich die Frage an: «Woher haben die alle Namen, wenn die meisten keine Papiere bei sich hatten?!»Bewertung

Es handelt sich nicht um eine Liste ertrunkener Flüchtlinge. Die Aufzählung enthält auch auf andere Art gestorbene Migranten. Die Namen von Tausenden der aufgeführten Menschen sind unbekannt.

Fakten

Das Foto zeigt gar keine Namensliste «ertrunkener Flüchtlinge». Vielmehr handelt es sich um eine Liste, auf der Menschen aufgeführt sind, die seit 1993 während oder nach der Flucht gestorben sein sollen. Bei allen sind Datum, Ort und Umstände des Todes sowie die Quelle der Information angegeben. Bei manchen werden Namen genannt, in sehr vielen Zeilen seht hingegen nur «N.N.». Die Abkürzung steht für «Nomen nominandum», ein Hinweis darauf, dass der Name nicht bekannt ist.

Die aktuelle Version dieser Liste enthält mehr als 60 000 Einträge. Dabei handelt es sich jedoch nicht nur um ertrunkene Menschen, sondern auch um solche, die beispielsweise auf der Flucht vor der Polizei, im Polizeigewahrsam, durch Hunger oder durch Suizid zu Tode kamen. Die Liste wird von der in Amsterdam ansässigen Organisation United for Intercultural Action gepflegt.

Die Künstlerin Banu Cennetoglu hat die Liste oft zum Thema von Installationen im öffentlichen Raum gemacht. So wurde die damals etwa 100 Meter lange Liste am 28. April 2015 vor dem Eingang des Europaparlaments in Straßburg im Rahmen einer Demonstration «Migrants Lives Matter» am Rande von Beratungen der Abgeordneten über die Flüchtlingskrise ausgelegt. In einem Video des Europäischen Parlamentes sind (ab 0:50) zahlreiche beispielhafte Einträge zu sehen. Seinerzeit umfasste die Liste, wie aus einem Bericht der «Bild» hervorgeht, 17 306 Todesfälle.

Die Behauptung, es gebe eine «Namensliste», obwohl die meisten Flüchtlinge keine Papiere bei sich trugen, ist also eindeutig falsch.

(Stand: 8.7.2024)

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Migration, Politik, EU

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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