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Studien zu verarbeiteten Lebensmitteln fehlinterpretiert

Bei Vegetariern und Veganern, die nicht auf den Geschmack tierischer Produkte verzichten wollen, sind pflanzliche Fleischalternativen beliebt. Auf Facebook kursiert nun ein Screenshot eines Artikels des Blogs Report24, in dem behauptet wird, dass «veganes Fake-Fleisch» für die Zunahme von Herztodesfällen und Krebs verantwortlich sei. Das ginge aus Studien hervor. Doch stimmt das?

Bewertung

Für die Behauptung gibt es keinen Beleg. Die zitierten Studien lassen eine solche Schlussfolgerung nicht zu. Die Gesundheitsrisiken bei Fleischersatzprodukten variieren wie bei allen verarbeiteten Lebensmitteln je nach Inhaltsstoffen.

Fakten

Erstmal ganz grundsätzlich: Stark verarbeitete Lebensmittel wie zum Beispiel Fertiggerichte und Fleischersatzprodukte durchlaufen viele industrielle Prozesse. Sie werden erhitzt, ihre Nährstoffe und Proteine aufgespalten, geformt und komprimiert.

Der Report24-Artikel bezieht sich auf zwei Studien. Die erste genannte Studie (2024) untersucht, wie stark verarbeitete Lebensmittel und deren Herkunft – pflanzlich oder tierisch – das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen. In der zweiten Studie (2023) wurde der Zusammenhang zwischen dem Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel, Krebsrisiko und Krebssterblichkeit untersucht.

Wenn man sich die Studien genauer anschaut, fällt auf, dass beide auf derselben Datenbasis der UK Biobank (Die Daten der UK Biobank sind über einen Antrag in der Datenbank verfügbar – Application Number 29239) beruhen. Zwischen 2009 und 2012 wurden mehr als 100 000 Menschen aus Großbritannien zu ihrer Ernährung befragt. Diese Informationen wurden später mit Krankenhaus- und Sterbedaten verknüpft, um Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs zu untersuchen.

Während in der ersten Studie lediglich 0,2 Prozent der getesteten Lebensmittel pflanzliche Fleischersatzprodukte waren, unterscheidet die zweite Studie nicht zwischen pflanzlichen und tierischen Produkten. Daher ist es unmöglich, das genaue Risiko dieser Lebensmittel jeweils anhand einer Studie zu bestimmen.

Die Studien zielten also gar nicht darauf ab, die Langzeitfolgen speziell von pflanzlichen Fleischalternativen zu untersuchen. Zudem war das Angebot von Fleischalternativen 2010 auch nicht vergleichbar mit dem heutigen Angebot. «Anhand dieser Daten lässt sich nicht ableiten, ob der Verzehr von pflanzlichen Fleischalternativ-Produkten zu einem höheren Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs führt», teilte Sabrina Schlesinger vom Deutschen Diabetes Zentrum und Leiterin der Arbeitsgruppe Systematische Reviews der dpa schriftlich mit.

Im Gegenteil – beide Studien bestätigen vieles, was bereits bekannt ist: Eine ausgewogene Ernährung auf pflanzlicher Basis fördert die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Lebensmittel wie Chips, zuckerhaltige Getränke, Kuchen, Kekse und Süßigkeiten gelten als ungesund, egal ob industriell oder selbst hergestellt, und sollten nur in Maßen verzehrt werden.

Warum die Studien mit Vorsicht gelesen werden müssen

Beim Einkaufen sieht man ihn immer wieder auf Verpackungen: den Nutri-Score. Buchstaben in bunten Kästchen geben uns den Nährwert des Produktes an. Grün steht für gut, rot steht für schlecht. So ähnlich funktioniert auch die NOVA-Klassifikation, die für die Produkte in den Studien angewandt wurde. Der NOVA-Score soll anzeigen, wie stark verarbeitet ein Nahrungsmittel ist und teilt diese dabei nach ihrem Verarbeitungsgrad in vier Stufen ein. Dieser ist wissenschaftlich umstritten und es gibt eine Vielzahl an Systemen mit unterschiedlichen Kriterien, um den Grad der Lebensmittelverarbeitung zu bestimmen.

Die Erhebung der UK Biobank, auf der die Studien basieren, erfasste nun die Ernährung der Teilnehmer mittels 24-Stunden-Erinnerungsprotokollen. Doch diese Protokolle enthalten oft keine spezifischen Informationen über den Verarbeitungsgrad der Lebensmittel, die für eine präzise Anwendung der NOVA-Klassifikation aber erforderlich wären. Daher sei NOVA nicht ideal, erklärt Sabrina Schlesinger.

Studien zu pflanzlichen Fleischalternativen

Eine kürzlich durchgeführte Kohortenstudie der Universität Wien ergab, dass stark verarbeitete tierische Produkte das Risiko einer Multimorbidität erhöhen – also das Risiko, mehrerer gleichzeitig auftretender Erkrankungen, darunter Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dasselbe gilt für mit Zucker und Süßstoff gesüßte Softdrinks. Im Gegensatz dazu wurde bei anderen Untergruppen, wie stark verarbeiteten Getreideprodukten oder pflanzlichen Alternativprodukten, kein erhöhtes Risiko festgestellt.

Zudem unterscheiden sich pflanzliche Fleischalternativen nicht nur im Verarbeitungsgrad, sondern auch stark in den verwendeten Inhaltsstoffen sowie im Gehalt an Salz oder gesättigten Fettsäuren. Eine pauschale Bewertung dieser Produkte sei daher nicht möglich, erläutert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.

Ob Fleischersatzprodukte nun gesünder sind, lässt sich generell nicht sagen, teilte Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin der dpa auf Anfrage mit. Expertinnen und Wissenschaftler sind sich einig: Um fundierte Aussagen über Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs treffen zu können, bedarf es dringend umfassender Langzeitstudien.

Es wird daher empfohlen, Fleischersatzprodukte nicht zu häufig auf den Speiseplan zu setzen und lieber zu unverarbeiteten Lebensmitteln zu greifen. «Zum Beispiel kann man sich selber aus roten Linsen oder Bohnen leckere Burger herstellen. Auch Natur-Tofu ist weniger stark verarbeitet als die gängigen Ersatzprodukte», so Schautz.

Laborfleisch – ein Nährboden für Mythen

Seit Jahren gibt es immer wieder Falschinformationen und irreführende Behauptungen zu Laborfleisch – meist Clean-Meat oder In-vitro-Fleisch genannt. Beliebte Protagonisten der Geschichten sind «Multimilliardäre wie Bill Gates» – wie auch in dem Artikel von Report24. Diese würden aktiv einen Umstieg der Ernährung auf Laborfleisch und Insektenmehl fördern. «Nichts davon ist wirklich gesund für die Menschen», so der Autor. Angebliche Studien und Beweise dafür, dass Laborfleisch krebserregend sei, wurden bereits widerlegt.

(Stand: 5.7.2024)

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Wissenschaft, Verbraucher, Gesundheit

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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