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Dieses Video zeigt einen Gefangenenaustausch und nicht ukrainische Soldaten, die kapitulieren

Ende Juli 2023 wurde in sozialen Medien ein Video verbreitet, auf dem Soldaten und Panzer zu sehen sind, die weiße Flaggen gehisst haben. Es wird behauptet, dies seien ukrainische Soldaten, die sich der russischen Armee ergeben. Eine Recherche von AFP ergab jedoch, dass das Video tatsächlich einen Gefangenenaustausch zwischen der ukrainischen Armee und der russischen Söldnergruppe Wagner nahe der ostukrainischen Stadt Bachmut zeigt. Bilder des Austauschs, die sowohl von Wagner als auch vom ukrainischen Militär gepostet wurden, stimmen mit den Aufnahmen in den falschen Social-Media-Posts überein. 

„Drohnenaufnahmen zeigen, wie sich die ersten Truppenverbände kampflos ergeben und mit weißer Fahne am Panzer auf die russische Armee zufahren“, schrieb ein Nutzer in einem Beitrag vom 25. Juli 2023 auf Facebook. Und weiter: „Niemand will mehr in Selenskyjs verlorenem Krieg sterben.“

In dem Video sind Militärfahrzeuge auf einer Straße zu sehen. Auf einigen sind weiße Fahnen gehisst. In der Nähe der Fahrzeuge sind zwei Reihen von Menschen zu sehen. Dasselbe Video kursiert in slowakischer und serbischer Sprache auf Telegram.

Facebook-Screenshot der Behauptung, aufgenommen am 1. August 2023

Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 hat AFP bereits viele falsche Behauptungen im Zusammenhang mit dem Krieg widerlegt. Eine vollständige Liste dieser Behauptungen finden Sie hier.

AFP war nicht in der Lage, den genauen Ursprung des Videos, das in den sozialen Medien geteilt wurde, zu ermitteln. Es konnten jedoch mindestens zwei weitere Aufzeichnungen desselben Ereignisses identifiziert werden. Diese beweisen, dass der Kontext der Aufnahme ein anderer war als in den falschen Posts behauptet.

Eine umgekehrte Videosuche der Aufnahmen ergab mehrere Ergebnisse aus verschiedenen sozialen Netzwerken. Diese führte zu einer Diskussion auf Reddit, in der erwähnt wurde, dass es sich um einen Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine handelte.

Einer der Hinweise war auch die Tatsache, dass sich die Soldaten in beide Richtungen bewegen und nicht nur in eine, wie es im Falle einer Kapitulation wahrscheinlich gewesen wäre. Außerdem sind weiße Fahnen zwar ein gängiges Symbol für eine Kapitulation, sie können aber bedeuten, dass die Kriegsparteien während eines Treffens, etwa eines Gefangenenaustauschs, nicht aufeinander schießen werden. Das Bundesministerium der Verteidigung nennt in seiner Dienstvorschrift, dem Humanitären Völkerrecht in bewaffneten Konflikten, die weiße Flagge, als ein Symbol auch im Kontext von Verhandlungen.

Gefangenenaustausch und keine Kapitulation

Dann wurde bei Google eine Stichwortsuche mit den Begriffen „Gefangenenaustausch“ auf Englisch, Russisch und Ukrainisch durchgeführt, um Informationen über einen möglichen Austausch in den letzten Monaten zu finden. Bei der Recherche fanden sich Berichte des Wall Street Journal, des Telegraph und der Deutschen Welle über einen Gefangenenaustausch am 25. Mai 2023 zwischen der ukrainischen Armee und der Söldnergruppe Wagner. Die Söldnergruppe kämpfte auf der Seite der russischen Armee und eroberte im Mai die ostukrainische Stadt Bachmut.

Der Austausch fand in der Nähe von Bachmut statt, wie slowakische und ukrainische Medien, sowie offizielle ukrainische Stellen berichteten. Die ukrainische Koordinierungsstelle für die Behandlung von Kriegsgefangenen hat auf ihrem Youtube-Kanal ein Video der befreiten Kriegsgefangenen veröffentlicht.

Wagner hatte die ursprüngliche Videoaufnahme, die von den Nachrichtenportalen aufgegriffen wurde, am 25. Mai auf seinem Telegram-Konto veröffentlicht.

Die 93. mechanisierte Brigade der ukrainischen Armee hat ein weiteres Video des Gefangenenaustauschs am selben Tag auf Youtube veröffentlicht.

Diese drei Videos wurden nun von AFP verglichen. Sie wurden aber aus unterschiedlichen Blickwinkeln, alle aus einer erhöhten Perspektive gefilmt (wahrscheinlich mit einer Drohne). Durch eine Analyse der erkennbaren Elemente in den Videos wird deutlich, dass sie den Gefangenenaustausch darstellen. Wie unten gezeigt, sind die Fahrzeuge beispielsweise immer in der gleichen Position zueinander (mit blauen Kreisen markiert), der markante helle Fleck auf der Straße bleibt identisch (mit rotem Kreis markiert), und die Kolonnen von Personen erscheinen unverändert (mit grünem Kreis markiert). Die unterschiedlichen Aufnahmeperspektiven sind der Grund dafür, dass die Reihen in leicht unterschiedlichen Winkeln erscheinen.

Screenshot des auf Facebook geteilten Videos (links) im Vergleich zum Screenshot des Videos von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (rechts). Screenshots vom 26. Juli 2023. Kreise und rechteckige Markierungen wurden von AFP hinzugefügt.

Im folgenden Vergleich ist auf beiden Fotos auch ein Weg (mit grünem Kreis markiert) zu sehen, der rechts von der Straße in die Felder führt:

Screenshot des auf Facebook geteilten Videos (links) im Vergleich zum Screenshot des Videos auf dem YouTube-Kanal der 93. mechanisierten Brigade der ukrainischen Armee (rechts). Screenshots vom 26. Juli 2023. Die kreisförmigen Markierungen wurden von AFP hinzugefügt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte in einer Rede am 25. Mai(Link hier archiviert), dass 106 Ukrainer – 98 Soldaten und Unteroffiziere sowie acht Offiziere – im Rahmen des Austauschs aus der Gefangenschaft entlassen wurden. Am selben Tag veröffentlichte Wagners Telegram-Kanal auch ein Video des Austauschs.

Feldweg raus auch Bachmut

Es ist AFP gelungen, den Ort des Gefangenenaustauschs zu lokalisieren. Die Suche begann mit einer Karte von Bachmut, auf der die von den Konfliktparteien kontrollierten Gebiete eingezeichnet waren. Die Karte wurde am Tag des Gefangenenaustauschs, am 25. Mai 2023, vom Institute for the Study of War veröffentlicht.

Die Karte zeigt, dass der größte Teil der Stadt an diesem Tag von russischen Truppen kontrolliert wurde. Wenn der Austausch auf neutralem Gebiet stattgefunden haben soll, wäre dies wahrscheinlich direkt außerhalb der Stadt auf der Westseite passiert. Aus den Videos geht auch klar hervor, dass der Austausch nicht auf einer Hauptstraße stattfand, weshalb die Autobahn T0504 ausgeschlossen werden kann.

Die Untersuchung der Straßen in der Umgebung führte zu einer Nebenstraße (Link hier archiviert), die Bachmut und das Dorf Ivanivske verbindet. An dieser Stelle wurde eine Kreuzung mit einem unbefestigten Feldweg und Feldern mit senkrechten Linien gefunden. Dies ähnelt stark den sichtbaren Elementen, die auf dem Videomaterial zu sehen sind.

Screenshot aus dem auf Facebook geteilten Video (links) im Vergleich zu Google Maps (rechts). Screenshots vom 26. Juli 2023. Die Markierungen wurden von AFP hinzugefügt.

Die Community rund um das Konto Geoconfirmed auf der Plattform Twitter, die derzeit in X umbenannt wird, kam beim Versuch, die Videos zu lokalisieren, zu demselben Ergebnis.

Fazit: Ein Video von einem Gefangenenaustausch zwischen der ukrainischen Armee und russischen Söldnern wurde im Netz fälschlicherweise als Kapitulation von ukrainischen Soldaten dargestellt. AFP konnte nachweisen, dass die Aufnahmen dieselbe Szene zeigen, wie Videos eines Austauschs von Gefangenen am 25. Mai 2023 im ostukrainischen Bachmut.

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Politik, Ukraine

Autor(en): Till EICHENAUER / Matus KRCMARIK / AFP Slowakei

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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