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Doch, laut deutscher Regierung belegen Studien die Wirksamkeit der Coronaimpfung

Zahlreiche Studien zeigen, dass die Coronaimpfung bei der Eindämmung der krankheitsbedingten Todesfälle wirksam ist. In sozialen Netzwerken kursierte zuletzt jedoch die Behauptung, dass es laut deutscher Bundesregierung keine Studie gebe, die die Wirksamkeit der Impfung belegt. Das ist irreführend. In einem Dokument des Bundesgesundheitsministeriums vom August 2023 hieß es, dass der Regierung keine Zahlen zu placebokontrollierten Studien zum Biontech/Pfizer-Impfstoff im Zusammenhang mit Nebenwirkungen bekannt seien. Zur Wirksamkeit des Vakzins wurden keine Angaben gemacht. Gegenüber AFP betonten sowohl das Ministerium als auch Fachleute, dass die Effektivität gegen Covid-19 Erkrankungen sowie die Sicherheit des Impfstoffes mit zahlreichen Studien bestätigt wurden.

„BREAKING: Die Bundesregierung hat bestätigt, dass es keine Studie gibt, die die Wirksamkeit der COVID-Impfung belegt‼️“, heißt es in einem Facebook-Posting vom 12. August 2023. Auf dem geteilten Bild ist ein Dokument mit Signatur des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit zu sehen. Es bildet die Antwort auf eine schriftliche Anfrage eines Politikers der deutschen AfD an die Bundesregierung ab. Das Dokument ist mit 4. August 2023 datiert.

Das Posting wurde auf Facebook mehrfach geteilt. Auf Telegram wurde der Beitrag über 16.000 Mal angesehen. Auch auf Twitter, das inzwischen in X umbenannt wurde, wird das Posting verbreitet. AFP wurde via WhatsApp auf die Behauptungen aufmerksam gemacht. Auch in anderen Sprachen wie Italienisch kursiert der Beitrag.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 30. August 2023

Die aktuell geteilten Beiträge sind jedoch irreführend. Fachleute sowie die deutsche Bundesregierung selbst erklärten gegenüber AFP, dass die Wirksamkeit des Vakzins gegen Covid-19 Erkrankungen durch zahlreiche Studien belegt sei.

Im Zusammenhang mit der Coronaimpfung kursieren zahlreiche falsche Gesundheitsinformationen in sozialen Medien. Faktenchecks zur Pandemie sammelt AFP hier, zu Impfstoffen hier.

AfD-Anfrage an die deutsche Bundesregierung

Die verbreitete Behauptung basiert auf einer Antwort des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit (Link hier archiviert) vom 4. August 2023. Darin wird auf eine Anfrage des AfD-Politikers Roger Beckamp an die deutsche Bundesregierung reagiert. Der Screenshot der Antwort wird in sozialen Medien geteilt.

Der AfD-Politiker befragt die Regierung jedoch nicht zu generellen Wirksamkeitsstudien im Zusammenhang mit der Covidimpfung. Er stellt eine Frage zu einer Art von Studie zum Wirkstoff von Biontech/Pfizer und „unerwünschten Ereignissen“. Konkret möchte er wissen, ob der Bundesregierung „Zahlen aus placebokontrollierten, randomisierten und verblindeten wissenschaftlichen Studien“ vorliegen, die statistisch signifikant belegen, dass mit der Substanz von Biontech/Pfizer behandelte Probanden „insgesamt unter weniger medizinisch unerwünschten Ereignissen litten als Probanden, die das Placebo (Kochsalzlösung) erhalten haben“. Derartige Zahlen liegen der Bundesregierung laut der Antwort tatsächlich nicht vor.

Bundesgesundheitsministerium dementiert

Die deutsche Regierung bestätigt in diesem Dokument jedoch nicht, dass es keine Studien gibt, die die Wirksamkeit der Covidimpfung belegen – anders als in sozialen Medien behauptet wird. Das ist irreführend.

Auf AFP-Anfrage heißt es vom Bundesgesundheitsministerium am 28. August 2023 per E-Mail, dass sich die geteilte Behauptung „nicht aus der Antwort der Bundesregierung ableiten“ lasse und demnach „falsch“ sei. Außerdem heißt es weiter: „In den zulassungsrelevanten klinischen Studien wurde die Wirksamkeit gegen symptomatische Covid-19 Erkrankungen bestätigt und das Nebenwirkungsprofil untersucht. Das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs wird durch die Studien belegt und im Rahmen der bestehenden Zulassung weiterhin überprüft.“

Weiter wird auf die Ausführungen der EU-Arzneimittelbehörde EMA verwiesen, die in der Europäischen Union die Covid-19-Impfstoffe im zentralisierten Zulassungsverfahren bewertet.

Medizinisches Personal bereitet Spritzen mit Pfizer/Biontech-Impfstoff gegen das Coronavirus (Covid-19) während einer Impfaktion für Kinder in Berlin, Deutschland, am 8. Januar 2022, vor. – HANNIBAL HANSCHKE / AFP

Wirksamkeit der Impfung wurde bestätigt

Die EMA führt auf ihrer Website (Link hier archiviert) zum Comirnaty-Impfstoff von Biontech/Pfizer an: „Die Daten zeigen, dass Comirnaty und seine angepassten Impfstoffe die Bildung von Antikörpern gegen SARs-CoV-2 verursachen, die vor Covid-19 schützen können. Die Hauptstudien zu Comirnaty zeigten, dass der Impfstoff in allen Altersgruppen eine hohe Wirksamkeit aufweist. Die meisten Nebenwirkungen sind leicht bis mäßig ausgeprägt und verschwinden innerhalb weniger Tage. Die Agentur hat daher entschieden, dass der Nutzen von Comirnaty, einschließlich der angepassten Impfstoffe, größer ist als seine Risiken und dass es für die Verwendung in der EU zugelassen werden kann.“

Am 31. August 2023 heißt es von der EMA gegenüber AFP schriftlich: „Alle Covid-19-Impfstoffe, die in der EU zugelassen sind, wurden von der EMA bewertet, die sie als sicher, wirksam und qualitativ hochwertig eingestuft hat.“ Außerdem wird unter Anführung wissenschaftlicher Analysen erläutert: „Die Covid-19-Impfung hat schätzungsweise Millionen von Leben in der EU und darüber hinaus gerettet. Nach Schätzungen von Forschern hat das erste Jahr der Covid-19-Impfung die Zahl der Covid-19-bedingten Todesfälle weltweit mehr als halbiert, so dass zwischen 14 und 20 Millionen Todesfälle vermieden werden konnten.“

Das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) schrieb AFP am 29. August 2023 zur Wirksamkeit des Vakzins unter Verweis auf seine Website (Link hier archiviert): „Die Ständige Impfkommission hat ihre Impfempfehlungen ausführlich begründet und in der Wissenschaftlichen Begründung auf Daten zur Wirksamkeit verwiesen.“ Im aktuellsten epidemiologischen Bulletin des Instituts (Link hier archiviert) vom Mai 2023 wird die Effektivität und Sicherheit der Coronaimpfung ebenfalls mehrfach angeführt.

Fläschchen mit dem Impfstoff von Pfizer/Biontech gegen die Coronavirus-Erkrankung in einem Sozialzentrum des beliebten Viertels La Gavotte Peyret in Septeme-Les-Vallons in der Nähe von Marseille am 12. Januar 2022. – CLEMENT MAHOUDEAU / AFP

Zulassungsstudie von Biontech/Pfizer

Bevor ein Impfstoff zugelassen wird, müssen die Hersteller klinische Studiendaten und Informationen zu potenziellen Nebenwirkungen an die Zulassungsbehörden übermitteln. Im Dezember 2020 veröffentlichten die Hersteller Biontech/Pfizer die Ergebnisse ihrer Phase-3-Studie (Link hier archiviert), an der über 43.000 Personen teilgenommen hatten, im New England Journal of Medicine (Link hier archiviert). Innerhalb dieser Studie erhielt die eine Hälfte der Teilnehmenden den Impfstoff, während die andere Hälfte ein Placebo erhielt.

Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erklärt den Ablauf derartiger Studien zu Coronaimpfungen auf seiner Website (Link hier archiviert) näher: „Bei der zulassungsrelevanten klinischen Prüfung zur Sicherheit und Wirksamkeit eines Covid-19-Impfstoffkandidaten, normalerweise Phase 3 oder 2/3, werden die Studienteilnehmenden zufällig (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugeordnet. Die eine Gruppe wird mit dem Impfstoffkandidaten geimpft (sogenannte Verumgruppe), der Kontrollgruppe wird ein Placebo oder ein anderer Impfstoff verabreicht.“ Dabei werde darauf geachtet, dass beide Gruppen vergleichbar zusammengesetzt sind (zum Beispiel im Hinblick auf Alter, Geschlecht etc.) und ein vergleichbares SARS-CoV-2-Infektionsrisiko besteht.

Auch von Seiten der EMA hieß es dazu gegenüber AFP am 31. August 2023 per E-Mail: „Vor ihrer Zulassung wurden die Impfstoffe an Zehntausenden von Teilnehmern in randomisierten, kontrollierten klinischen Studien getestet, um zu bestätigen, dass sie den wissenschaftlichen Standards der EMA für Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität entsprechen.“

2021 gab es Kritik an der Zulassungsstudie von Biontech/Pfizer, wie aus Medienberichten hervorgeht. Einige Standards sollen bei der Durchführung nicht oder nur unzureichend eingehalten worden sein: Nebenwirkungen sollen etwa nur sehr langsam nachverfolgt worden sein, Impfstoffe wurde scheinbar nicht korrekt gelagert. Auf die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffes hätten sich die geäußerten Bedenken jedoch nicht ausgewirkt, erklärten zahlreiche Fachleute.

Das PEI schreibt auf seiner Website im November 2021 (Link hier archiviert): „Die Wirksamkeit und Sicherheit des Covid-19-Impfstoffs Comirnaty von Biontech/Pfizer sowie die entsprechenden Ergebnisse aus der klinischen Phase-3-Prüfung haben sich auch nach der Zulassung bei der inzwischen millionenfachen Anwendung des Impfstoffs bestätigt.“ Gegenüber AFP wurde dies per E-Mail am 29. August 2023 bestätigt.

Keine weitere Placebostudie nach Zulassung

Das deutsche Portal „Transparenztest“ setzte sich in einem Artikel vom 18. August 2023 (Link hier archiviert) ebenfalls mit der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf die AfD-Anfrage auseinander. Die Seite wurde bereits in der Vergangenheit von Faktenprüfern überprüft. Der Artikel wird in sozialen Medien mehrfach geteilt. In dem Text wird unter anderem angeführt: „Es gibt zwar tausende von Studien. Es gibt aber keine außer – der originalen Zulassungsstudie –, die placebokontrolliert, randomisiert, mit Doppelblind-Verfahren und mit ausreichenden Teilnehmerzahlen signifikante Ergebnisse zur Wirksamkeit bei positivem Nutzen-Risiko-Verhältnis geliefert hat.“

Das PEI schrieb AFP dazu am 31. August 2023 per E-Mail: „Auf alle Fälle ist es aus ethischen Gründen nicht möglich, Studien nach der Zulassung placebokontrolliert durchzuführen. Denn bei einer häufig schwer verlaufenden Erkrankung wie Covid-19 darf denjenigen, die an einer Studie teilnehmen, der wirksame Impfstoff, für den mit der Zulassung ein günstiges Verhältnis von Nutzen und Risiko bescheinigt wurde, nicht vorenthalten werden.“

Hans-Jörg Ehni vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen und der Medizinethiker Urban Wiesing verweisen in einer Analyse von Richtlinien von Placebos in klinischen Versuchsreihen (Link hier archiviert) unter anderem auf die Deklaration von Helsinki (Link hier archiviert). In diesem Dokument des Weltärztebundes zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen heißt es zur Verwendung von Placebo in Artikel 33, dass diese unter anderem nur zulässig ist, „wenn keine nachgewiesene Maßnahme existiert“.

Ein Mitarbeiter des Gesundheitswesens bereitet eine Dosis des Impfstoffs von Pfizer/Biontech gegen Covid-19 in einem Impfzentrum in Bogota vor, am 19. Januar 2022. – Daniel MUNOZ / AFP

„Weniger medizinisch unerwünschte Ereignisse“

Der AfD-Politiker fragte die deutsche Bundesregierung konkret nach Zahlen die belegen würden, dass mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer behandelte Probanden insgesamt unter „weniger medizinisch unerwünschten Ereignissen“ litten als Probanden, die das Placebo erhalten haben.

Zulassungsstudien untersuchen, ob Impfstoffe zu sogenannten schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (auf Englisch: „serious adverse events“, SAE) führen. Diese müssen nicht zwingend auf die Coronaimpfung zurückzuführen sein. Die Erfassung sämtlicher Ereignisse bei den Studienteilnehmenden dient jedoch dazu, potenzielle Nebenwirkungen zu identifizieren. Wenn ein spezifisches Ereignis bei geimpften Studienteilnehmenden häufiger auftritt als bei jenen, die lediglich ein Placebo erhielten, deutet dies darauf hin, dass es sich um eine Nebenwirkung des Vakzins handeln könnte.

Auf Telegram verlinkt Roger Beckamp den Anhang der Zulassungsstudie von Biontech/Pfizer (Link hier archiviert) und schreibt dazu: „Im Anhang zur Studie des Herstellers könnt Ihr selbst nachprüfen, dass die mit der Substanz gespritzten Personen sehr viel kränker waren.“

Von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums hieß es dazu am 28. August 2023 gegenüber AFP: „Bei keiner dieser Studien wurden in der Wirkstoffgruppe summarisch weniger unerwünschte Ereignisse als in der Placebogruppe beobachtet, was im Rahmen klinischer Prüfungen üblich ist. Placebo-kontrollierte klinische Prüfungen messen die gesamte pharmakologisch vermittelte Wirkung eines Arzneimittels und ermöglichen so eine  Erkennung unerwünschter Ereignisse, die auf das Arzneimittel zurückzuführen sind.“

Eine genaue Betrachtung der Zulassungsstudie von Biontech/Pfizer (Link hier archiviert) samt Anhang (Link hier archiviert) zeigt tatsächlich: Am häufigsten sind leichte bis mittelschwere Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen aufgetreten – und zwar in der Impfgruppe häufiger als in der Placebogruppe. Bei derartigen Reaktionen handelt es sich jedoch überwiegend um Zeichen dafür, dass sich das Immunsystem mit dem Impfstoff auseinandersetzt. „Die Häufigkeit schwerwiegender unerwünschter Ereignisse war in der Impfstoff- und der Placebogruppe ähnlich (0,6 Prozent bzw. 0,5 Prozent)“, hieß es weiter.

Das PEI schrieb AFP am 31. August 2023 zu den Ergebnissen der Biontech/Pfizer-Studie: „Für die Bewertung der Impfstoffsicherheit ist es entscheidend, ob ungewöhnlich viele schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auftreten. Dies sollte nicht der Fall sein. Das in der Publikation vorgestellte Ergebnis ist nicht ungewöhnlich, sondern gut.“

Fazit: In sozialen Netzwerken kursierte zuletzt die Behauptung, dass es laut deutscher Bundesregierung keine Studie gebe, die die Wirksamkeit der Coronaimpfung belege. Das ist irreführend. In dem geteilten Dokument des Bundesgesundheitsministeriums vom August 2023 wurden keine Angaben zur Wirksamkeit des Vakzins gemacht. Gegenüber AFP betonten sowohl das Ministerium als auch Fachleute, dass die Effektivität des Impfstoffes gegen Covid-19 Erkrankungen mit zahlreichen Studien bestätigt wurde.

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Politik, Corona, Gesundheit

Autor(en): Katharina ZWINS / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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