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Dieses Video einer Attacke mit Feuerwerk stammt nicht aus Berlin, sondern aus den USA

Seit den schweren Krawallen in mehreren deutschen Städten, unter anderem auch Berlin, in der Silvesternacht 2022, wurde davor gewarnt, dass sich ähnliche Szenen ein Jahr später wiederholen könnten. Am 29. Dezember wurde ein Video in sozialen Medien gepostet, das ein Auto zeigt, das mit hoher Geschwindigkeit durch eine Straße fährt, während eine Person Feuerwerkskörper aus dem Dachfenster auf Menschen am Straßenrand schießt. Dazu wird behauptet, das Video stamme aus Berlin. AFP konnte jedoch anhand von Medienberichten und Geodaten zeigen, dass das Video in Minneapolis in den USA und nicht in Deutschland gedreht wurde.

„Berlin freut sich schon auf ein buntes Sylvester!“, steht über einem Video auf Instagram, das ein schwarzes Auto zeigt, das durch eine Straße rast und aus dem mit Feuerwerk wild um sich geschossen wird. Darunter steht „Wenn es eskaliert dann liegt das natürlich am Klimawandel“.

Das Video wurde in der Woche nach dem Upload rund 1,7 Millionen Mal gesehen und hat über 18.000 Likes bekommen.

Screenshot der Behauptung auf Instagram: 5. Januar 2024

Video wurde in den USA gefilmt

Eine umgekehrte Videosuche mit Standbildern des Videos brachte jedoch Hinweise, dass die Aufnahmen in den USA während des Unabhängigkeitstages des Landes gemacht wurden. Mittels einer Websuche mit den Stichworten „4 july driving car fireworks“ fanden sich lokale Zeitungsberichte, aus denen hervorgeht, dass das Video am 4. Juli 2022 in der Innenstadt von Minneapolis im Bundesstaat Minnesota gefilmt wurde.

Das Nachrichtenportal Daily Wire veröffentlichte am 5. Juli 2022 eine längere Version des Videos (hier archiviert) in höherer Auflösung auf Facebook. In dem Video heißt es, dass die Aufnahmen vom 4. Juli aus dem Zentrum von Minneapolis stammen.

Ebenso berichtete der lokale Fernsehsender KSTP-TV am 5. Juli 2022 auf seiner Website (hier archiviert) über den Vorfall. Dort sind ebenso Fotos von Feuerwerk zu sehen, aufgenommen vom Gehweg in derselben Straße. Eine Augenzeugin berichtete dort über die Angriffe mit dem Feuerwerk: „Sie wurden aus Autos geworfen, die Leute hielten Leuchtraketen in der Hand, aber keine normalen Leuchtraketen, sondern die großen, die mehrere Schüsse abgeben.“

Am 6. Juli griff auch das britische Nachrichtenportal Daily Mail den Vorfall auf und veröffentlichte einen Artikel (hier archiviert) mit dem Video auf seiner Website. Laut dem Artikel wurde die Polizei gegen 22 Uhr am Abend des 4. Juli alarmiert.

Die Website Newsweek, die ebenfalls über das Video berichtete (hier archiviert), schreibt, dass das Video zuerst auf Twitter (heute X) gepostet wurde. Auf der Plattform hat das Video (hier archiviert) mittlerweile fast eine halbe Million Likes bekommen.

Straßenecke in der Innenstadt von Minneapolis

Im Artikel des Fernsehsenders KSTP-TV wird als Ort des Geschehens das Wohngebäude Whitney Lofts an der Portland Avenue genannt. Das Gebäude, eine ehemalige Mühle aus dem späten 19. Jahrhundert, in der heute Luxusapartments untergebracht sind, ist im Hintergrund der Aufnahmen zu erkennen. Der Schriftzug „Ceresota“ auf der Fassade ist sowohl im Video, als auch auf Satellitenbildern zu erkennen. Ebenso finden sich die charakteristischen Fenster des davor liegenden Wohngebäudes und die Straßenlampen auf Bildern des Kartendienstes Google Street View wieder.

Screenshots vom Instagram-Video (links), Google Maps (oben rechts) und Google Street View (unten rechts) mit Hervorhebungen durch AFP: 5. Januar 2023

Auch die Straßenecke, die im zweiten Teil des Videos gezeigt wird, lässt sich anhand von Markierungen auf der Straße und Elementen an einem Eckgebäude als die Kreuzung von Washington Avenue und Portland Avenue in Minnesota identifizieren.

Screenshots vom Instagram-Video (links), Google Maps (oben rechts) und Google Street View (unten rechts) mit Hervorhebungen durch AFP: 5. Januar 2023

Wie 2022 kam es auch im darauffolgenden Jahr 2023 laut Medienberichten am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, in Minnesota wieder zu Zwischenfällen, bei denen Passanten und Polizisten mit Feuerwerkskörpern angegriffen wurden.

Lage in Berlin entspannter als im Vorjahr

Im Video auf Instagram wird fälschlicherweise behauptet, die Aufnahmen stammen aus Berlin. Hier kam es in der Silvesternacht 2022 besonders im Stadtteil Neukölln zu Angriffen auf Polizei und Rettungskräfte. Dabei spielten Feuerwerkskörper eine große Rolle.

Im vergangenen Jahr gab es daher im Vorfeld des Jahreswechsels eine Debatte um die Sicherheit in Berlin, besonders mit Blick auf die teilweise gewalttätigen propalästinensischen Proteste im Herbst. Berlins Bürgermeister Kai Wegner kündigte daraufhin am 31. Dezember 2023 eine „Nacht der Repression“ an. 3200 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten waren in der Nacht in der Bundeshauptstadt im Einsatz.

Zu Ausschreitungen in einem Ausmaß wie 2022 kam es zum Jahreswechsel 2023/2024 nicht. Dennoch kam es wieder zu Angriffen auf Polizeibeamte und Rettungskräfte. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zog nach der diesjährigen Silvesternacht trotzdem eine vorsichtig positive Bilanz.

Im eingeblendeten Text im Video heißt es: „Wenn es eskaliert dann liegt das natürlich am Klimawandel“. In der Berichterstattung zu den Krawallen in Berlin am Silvesterabend 2022 wurde tatsächlich die Vermutung geäußert, die hohen Temperaturen hätten die „Neigung zur Randale begünstigt“.  Auch laut Polizei habe das milde Wetter und die Aufhebung der Corona-Regeln zur Lage beigetragen. Am 31. Dezember 2022 wurden in Berlin bis zu 18 Grad Celsius gemessen.

Fazit: Ein Video, das angeblich einen Angriff mit Feuerwerk zum Jahresende 2023 in Berlin zeigt, stammt aus dem Jahr 2022 und wurde in den USA aufgenommen. Anhand von Medienberichten und Geodaten konnte das Video in der Stadt Minnesota verortet werden.

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Gesellschaft

Autor(en): Till EICHENAUER / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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