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Aiwanger gibt zu, das Flugblatt im Ranzen gehabt zu haben

Neben der Kritik an Hubert Aiwanger wegen eines antisemitischen Flugblatts und seines heutigen Umgangs mit der Affäre bekommt der bayerische Wirtschaftsminister auch Rückendeckung aus Politik und Medien. Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Entlassung seines Stellvertreters aus seinem Kabinett nicht für verhältnismäßig hält, springt unter anderen der Journalist Julian Reichelt dem Freie-Wähler-Chef zur Seite: «Kein einziger Vorwurf gegen Hubert Aiwanger ist auch nur ansatzweise belegt», veröffentlicht er am 31. August 2023 auf der Online-Plattform X (früher Twitter).Bewertung

Falsch. Aiwanger hat zu diesem Zeitpunkt bereits zugegeben, dass einige der Vorwürfe der Wahrheit entsprechen – etwa dass er die Flugblätter mit judenfeindlichen Inhalten in seiner Schultasche mitgeführt und damals in diesem Zusammenhang eine Strafarbeit erhalten hatte.

Fakten

Die «Süddeutsche Zeitung» («SZ») berichtet am 25. August erstmals über das Flugblatt, das vor mehr als 30 Jahren aufgetaucht sein soll. Die Zeitung beruft sich auf mehrere Personen aus Aiwangers damaligem Umfeld am Burkhart-Gymnasium in Mallersdorf-Pfaffenberg. Als zentrale Vorwürfe und Verdachtsmomente werden folgende Punkte angegeben:

  • Aiwanger soll als Schüler der 11. Klasse ein antisemitisches Flugblatt verfasst haben.
  • Er soll dieses Pamphlet mit rechtsextremistischen Inhalten am Burkhart-Gymnasium ausgelegt haben.
  • In seiner Schultasche seien Kopien des Flugblatts entdeckt worden, heißt es.
  • Wegen des Flugblatts soll damals der Disziplinarausschuss der Schule Aiwanger als Verfasser zur Verantwortung gezogen haben.
  • Nach Zeugenaussagen sollte Aiwanger als Strafe ein Referat halten.
  • Schilderungen einiger Personen legten nahe, Aiwanger sei als Schüler für eine rechtsextreme Gesinnung bekannt gewesen.
  • Aiwanger soll damit geprahlt haben, vor dem Spiegel Hitler-Reden einstudiert und dessen verbotenes Buch «Mein Kampf» gelesen zu haben.

Die «SZ» gibt Aiwanger vor Veröffentlichung des Artikels die Möglichkeit zu einer Reaktion auf die Vorwürfe. Der Freie-Wähler-Chef lässt der Zeitung über einen Sprecher mitteilen, er habe das Flugblatt «nicht produziert». Auch die Vorwürfe im Zusammenhang mit angeblichen Hitler-Reden und «Mein Kampf» lässt Aiwanger zurückweisen.

Einen Tag später äußert sich der Freie-Wähler-Chef schriftlich ausführlicher mit Blick auf das Flugblatt und die Vorwürfe. Die wichtigsten Sätze:

  • «Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst.» Der Verfasser sei ihm bekannt, dieser werde sich selbst erklären.
  • «Bei mir als damals minderjährigen Schüler wurden ein oder wenige Exemplare in meiner Schultasche gefunden.»
  • «Daraufhin wurde ich zum Direktor einbestellt. (…) Als Ausweg wurde mir angeboten, ein Referat zu halten. Dies ging ich unter Druck ein.»
  • «Ob ich eine Erklärung abgegeben oder einzelne Exemplare weitergegeben habe, ist mir heute nicht mehr erinnerlich.»

Am selben Tag präsentiert sich Aiwangers älterer Bruder Helmut als angeblicher Urheber des judenfeindlichen und rechtsextremen Pamphlets: «Ich bin der Verfasser des in der Presse wiedergegebenen Flugblattes», heißt es in einer persönlichen Erklärung, die ein Freie-Wähler-Sprecher verbreitet. Hubert Aiwanger erklärt, er habe keine Erinnerung daran, warum die Flugblätter in seiner Tasche gewesen seien.

Mit den Informationen der vorangegangenen Tage spricht Reichelt am 31. August per Post auf X den bayerischen Wirtschaftsminister von allen Vorwürfen frei. Dabei hat der Freie-Wähler-Chef zu diesem Zeitpunkt bereits zugegeben, dass er das Flugblatt im Ranzen hatte und dass er eine Strafarbeit hat verfassen müssen. Außerdem schloss er nicht aus, in seiner Jugend menschenfeindliche Witze erzählt zu haben. Auch sein Bruder Helmut hat bestätigt, dass Aiwanger die Flugblätter in seiner Schultasche hatte.

Diese Informationen sind auch in dem Artikel eines von Reichelts «nius.de»-Kollegen zu lesen. In diesem Text, den Reichelt auch in seinem X-Beitrag verlinkt, werden mindestens zwei Vorwürfe bestätigt: «Aiwanger – also der Hubert – hatte das judenfeindliche Flugblatt doch in der Tasche, er hat auch das geforderte Straf-Referat gehalten.»

(Stand: 5.9.2023)

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Politik, Gesellschaft

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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