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Nein, Ionosphärenheizer können weder Jetstreams steuern noch Wolken beeinflussen

Mittels Ionosphärenheizern wird die 120 Kilometer über der Erde liegende Ionosphäre mit Radiowellen wissenschaftlich untersucht. Im Internet wird jedoch behauptet, die Anlagen könnten das Wetter ganzer Länder sowie Jetstreams steuern.  Das ist falsch. Forschende haben gegenüber AFP bestätigt, dass Ionosphärenheizer technisch nicht in der Lage sind, das Wetter in erheblichem Maße zu verändern.

„Das sind Ionosphärenheizer. Und das kann man mit ihnen machen: Umleitung des Jetstreams, wolkenloser Himmel über Europa“, heißt es in einem Facebook-Video vom 8. September 2023. In dem rund 15-sekündigen Clip werden angeblich Ionosphärenheizer in den USA, in China und in Russland gezeigt. Zu sehen sind außerdem der Verlauf eines Starkwindbandes sowie eine Wetterkarte von Europa ohne Wolken.

Die Videobeschreibung lautet: „Ein Werkzeug zur Steuerung der Jetströme und des Wetters ganzer Nationen. Ein Ionosphärenheizer oder eine ionosphärische Hochfrequenzanlage ist ein leistungsstarker Radiowellensender mit einer Reihe von Antennen, der zur Analyse und Beeinflussung von Plasmafeldern, der Ionosphäre und der oberen Atmosphäre eingesetzt wird. Diese Sender arbeiten im Hochfrequenzbereich (3 bis 30 Megahertz), bei dem Radiowellen von der Ionosphäre zurück zum Boden reflektiert werden.“

Der Clip wurde auf Facebook über 1800 Mal geteilt. Auch auf X, ehemals Twitter, Youtube und Tiktok wird der Beitrag verbreitet. Auf Telegram wurde das Video über 150.000 Mal angesehen.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 13. September 2023

In dem geteilten Video ist rechts unten die Adresse einer Website namens „Wetteradler“ eingeblendet. Diese hat das Video auch auf ihrem Telegram-Kanal veröffentlicht. Auf der Plattform werden unter anderem Kappen zur „Abschirmung von 5G, WLAN & Mobilfunk Frequenzen“ angeboten. Zudem finden sich dort zahlreiche Videos zu Themen wie Wettermanipulation und Chemtrails. AFP hat bereits in der Vergangenheit verschiedene Behauptungen zu den schädlichen Chemikalien, die angeblich von Flugzeugen in der Luft abgegeben werden, überprüft (etwa hierhier oder hier).

Sender für Radiowellen im Hochfrequenzbereich

Auf die Frage, was es mit den im Video thematisierten Ionosphärenheizern auf sich hat, schrieb Christoph Jacobi, Professor für Meteorologie an der Universität Leipzig, AFP am 11. September 2023: „Das sind starke Sender für Radiowellen im Hochfrequenzbereich (3 bis 30 Megahertz, nach oben abgestrahlt). Solche Wellen werden in der Ionosphäre reflektiert. Man kann damit also etwas über die Struktur der Ionosphäre erfahren.“

Die Ionosphäre beginnt in etwa 60 bis 70 Kilometer Höhe und erstreckt sich über 500 Kilometer Höhe. Im Unterschied zu anderen Schichten der Atmosphäre handelt es sich bei der Ionosphäre nicht um eine eigenständige Schicht, sondern vielmehr um „eine Reihe von Bereichen in der Mesosphäre und Thermosphäre“, wie UCAR, das amerikanische Zentrum für wissenschaftliche Bildung, auf seiner Website (hier archiviert) erklärt.

Jacobi führte zu den Anlagen weiter aus: „Heizer deswegen, weil die Radiowellen mit den Elektronen der Ionosphäre wechselwirken und lokal das Plasma erwärmen. Das bedeutet eine Störung, die sich ausbreitet (wie wenn man einen Stein in das Wasser wirft). Diese Ausbreitung ist wiederum vom Zustand der Ionosphäre abhängig und kann daher Aufschluss über diese geben. Die Effekte sind natürlich winzig im Vergleich mit natürlichen Störungen der Ionosphäre durch die Sonne, weswegen man solche Experimente auch nur machen kann, wenn die Sonne ‚ruhig‘ ist.“

Kathrin Baumann-Stanzer, Leiterin der Abteilung für Umweltmeteorologie bei der österreichischen Bundesanstalt Geosphere Austria, schrieb AFP am 12. September 2023: „Die Ionosphäre ist ein Teil der Erdatmosphäre, der in sehr großer Höhe durch die Sonnenstrahlung entsteht und viele leitfähige Teilchen enthält. Der Druck und die Dichte der Atmosphäre ist in dieser Höhe allerdings sehr gering und damit ist es physikalisch unmöglich, das Wetter in der Troposphäre (bis zehn Kilometer) oder Stratosphäre (bis ungefähr 50 Kilometer Höhe) durch Radiowellen, die in der Ionosphäre absorbiert werden, zu manipulieren.“

Ionosphärenheizer in verschiedenen Ländern

In dem geteilten Video sind drei Bilder angeblicher Ionosphärenheizer zu sehen. Diese sollen Anlagen in den USA, in China und in Russland zeigen. Jacobi erklärte dazu schriftlich: „Heater gibt es in Norwegen, Alaska, und bei Nizhny Novgorod in Russland, nicht in China. (…) Es gab einige dieser Heater, die außer Betrieb sind, wie Arecibo (in Puerto Rico, Anm. d. Red.).“

Eine Rückwärtssuche nach den Aufnahmen zeigte, dass es sich bei dem oberen Bild im Video tatsächlich um einen Ionosphärenheizer in den USA handelt. Es zeigt Antennen bei Gakona in Alaska. Das Foto in der Mitte soll angeblich eine solche Anlage in China zeigen. Das ist falsch. Eine Rückwärtssuche ergab, dass es sich um das „MU Radar und Shigaraki MU Observatory“ in Kyoto in Japan, handelt. Das unterste Bild wurde, wie im Video angeführt, in Russland aufgenommen. Es zeigt eine Radaranlage in der Region Irkutsk in Russland.

In dem Clip werden zudem wissenschaftliche Abbildungen gezeigt, allerdings ohne diese näher zu erläutern. Bei den Grafiken handelt es sich jedoch nicht um Erklärungen, inwiefern Ionosphärenheizer Wetter beeinflussen können. Sie beleuchten vielmehr allgemeine wissenschaftliche Hintergründe der Ionosphäre sowie der Forschung dazu.

Florian Aigner, Physiker und Wissenschaftsjournalist, schrieb AFP am 12. September 2023 in Bezug auf den geteilten Beitrag: „Ionosphärenheizer gibt es tatsächlich –  es handelt sich dabei aber keineswegs um eine geheime Verschwörung, sondern um eine harmlose, ungefährliche Art der wissenschaftlichen Forschung, die öffentlich zugänglich ist und deren Ergebnisse man offen nachlesen kann.“

Es gebe seit langer Zeit Experimente mit Funkwellen in der Ionosphäre, unter anderem um Langstrecken-Kommunikation zu verbessern, so Aigner: „Manche diese Experimente dienten in der Vergangenheit auch der militärischen Forschung – etwa der Frage, wie man am besten mit weit entfernten U-Booten kommunizieren kann. Das könnte der Grund sein, warum solche Forschungen bei manchen Leuten bis heute die Aura des Geheimnisvollen haben. In Wahrheit hat man die Physik dahinter längst gut verstanden, die größte Forschungsanlage (HAARP – auch immer wieder in Zusammenhang mit Verschwörungstheorie zu hören) wird daher vom US-Militär heute nicht mehr genutzt, sondern wurde einer Universität übergeben und dient nur noch der wissenschaftlichen Forschung.“

Screenshot von Google Earth der HAARP-Anlage in Alaska: 7. August 2023

Was ist HAARP?

HAARP (High-Frequency Active Auroral Research Program) ist ein amerikanisches Forschungsprogramm, das 1990 ins Leben gerufen wurde, um die Ionosphäre mithilfe von Radiowellen wissenschaftlich zu erforschen. Es verwendet den leistungsstärksten Hochfrequenzsender weltweit, „um das Wissen über die obere Atmosphäre der Erde zu erweitern“, indem „die physikalischen und elektrischen Eigenschaften der Ionosphäre der Erde erforscht werden, die unsere militärischen und zivilen Kommunikations- und Navigationssysteme beeinträchtigen können“, wie es auf der Website des Programms (hier archiviert) heißt. Die Untersuchungen werden mithilfe von 180 Antennen an einem Standort in Alaska durchgeführt.

Bis zum Jahr 2015 wurde HAARP gemeinsam von der United States Air Force (USAF) und der United States Navy verwaltet. Nachdem die USAF im Laufe der 25-jährigen Nutzung schrittweise weniger Mittel für das Projekt bereitgestellt hatte, übernahm die University of Alaska Fairbanks den Betrieb der Einrichtung, wie auf der Website des Programms (hier archiviert) zu lesen ist.

HAARP „wurde ursprünglich vom Militär gebaut, aber aus wissenschaftlichen Gründen. Das Militär wollte die Ionosphäre verstehen. Zum Beispiel, um Radarsignale von der Ionosphäre abprallen zu lassen, um weit entfernte Raketen aufzuspüren“, sagte Jeffrey Hughes, Professor für Astronomie an der Universität von Boston, AFP am 2. August 2023 im Zusammenhang mit früheren Falschbehauptungen zu HAARP. Der Forscher fügte hinzu, dass neben der Anlage in Alaska noch zwei vergleichbare Anlagen existieren, eine im Norden Norwegens und eine in Russland, etwa 500 Kilometer westlich von Moskau. Weltweit gebe es nicht 180 HAARP-Anlagen, wie online in der Vergangenheit fälschlich behauptet wurde. Die Anlage in Alaska verfügt jedoch über insgesamt 180 Antennen.

AFP hat in der Vergangenheit bereits die falsche Aussage, HAARP könne Unwetter, Erdbeben oder Vulkanausbrüche auslösen, widerlegt. Auch Falschbehauptungen in Zusammenhang mit HAARP und Erdbeben oder Gewittern hat AFP überprüft.

Vergleichsweise wenig Energie von Ionosphärenheizern

Laut dem verbreiteten Posting können Ionosphärenheizer angeblich Jetstreams umleiten sowie einen wolkenlosen Himmel über Europa verursachen. Unter Jetstream wird ein „schmales, bandartiges Starkwindfeld“ in der Troposphäre oder Stratosphäre verstanden. Der Starkwind entsteht an der Grenze zwischen kalten und warmen Luftmassen und weht von Westen nach Osten.

Christoph Jacobi erklärte gegenüber AFP: „Die Umleitung des Jetstreams oder die Beeinflussung der Bewölkung sind natürlich absoluter Quatsch. Die Heater sind nicht einmal in der Lage, die Hochatmosphäre mehr als lokal und kurzfristig zu beeinflussen, damit ist ein Einfluss auf die millionenmal schwerere Troposphäre absolut ausgeschlossen.“ Kathrin Baumann-Stanzer ergänzte: „Diese Arbeiten haben daher keine Auswirkungen auf das Wettergeschehen in der Troposphäre und Stratosphäre, und diese auch nicht zum Ziel.“

Florian Aigner schrieb AFP: „Seit vielen Jahren wird diesen Experimenten allerlei unterstellt: Sie könnten Naturkatastrophen auslösen, bis hin zu Erdbeben, hieß es immer wieder. Das ist falsch. Auch die nun aufgetauchten Behauptungen, man könne damit den Jetstream verlegen oder das Wetter verändern, sind nicht haltbar.“ Das zeige bereits ein simpler Blick auf die Energiebilanz: „Die verwendeten Sendeanlagen haben zwar tatsächlich eine hohe Abstrahlungsleistung, trotzdem liegt sie um Größenordnungen unter der Einstrahlungsleistung der Sonne, die auf die jeweils selbe Fläche eintrifft. Die Strahlung hat somit keinen nennenswerten Einfluss auf die Atmosphäre – dafür würde man unvergleichlich viel mehr Energie benötigen.“

HAARP habe eine Leistung, die ungefähr 2000 Haarföns entspreche, so der Experte: „Natürlich kann man mit 2000 Haarföns nicht das Wetter verändern – für HAARP gilt dasselbe. Eine echte, spürbare Aufheizung der Ionosphäre würde viel mehr Energie benötigen.“ Aigners Resümee: „Womit wir es hier zu tun haben, ist einfach eine Weiterführung alter, längst bekannter Verschwörungsnarrative, für die es niemals eine physikalische Plausibilität oder gar einen Beleg gab. Das ist Verschwörungsglaube ohne wissenschaftlichen Hintergrund.“

Fazit: In einem aktuell geteilten Video wird behauptet, Ionosphärenheizer könnten den Jetstream umleiten sowie einen wolkenlosen Himmel über Europa verursachen. Das ist falsch. Fachleute erklärten gegenüber AFP, dass die Anlagen nicht in der Lage sind, das Wetter in großem Ausmaß zu verändern.

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Wissenschaft, Umwelt

Autor(en): Katharina ZWINS / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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