Es ist physikalisch unmöglich, die Energiekosten für Wasserstoff auf einen Bruchteil zu senken - Featured image

Es ist physikalisch unmöglich, die Energiekosten für Wasserstoff auf einen Bruchteil zu senken

Wasserstoff gilt als die Schlüsseltechnik, um als grüner Energiespeicher die Wende hin zu erneuerbaren Energien zu bewältigen. In einem Interview in sozialen Medien behauptet ein Mann, es gebe eine Technologie, mit der eine 32-fach effizientere Herstellung von Wasserstoff möglich wäre. Mit dieser Methode könnten etwa Autos mit „Wasser als Kraftstoff“ betrieben werden. Dabei beruft er sich auf eine Studie von indischen Forschern. AFP hat mit Experten der Wasserstoffherstellung gesprochen. Laut ihnen liegt die Effizienz in der Wasserspaltung bereits bei rund 70 Prozent. Eine Steigerung der Effizienz um den Faktor 32 würde demnach bedeuten, dass Energie aus dem Nichts entstehen würde. Das sei mit fundamentalen Gesetzten der Physik zur Energieerhaltung nicht vereinbar. Zudem werfen belgische Forscher der Studie grundlegende methodische Fehler vor.

„Es gibt eine Wasserstofftechnologie in Indien – im Labor verifiziert – die ist 32-fach effizienter als unsere klassische Elektrolyse. 32-fach. Es braucht minimal Energie, um Wasserstoff zu kriegen“, behauptet der österreichische Unternehmer Wilhelm Mohorn in einem über 1000 Mal geteilten Video auf Facebook. Dies sei angeblich zu erreichen, indem man gepulsten Gleichstrom statt Gleichstrom bei der Wasserspaltung verwenden würde. Bei gepulstem Gleichstrom fließt der Strom nicht gleichmäßig, sondern pulsiert in regelmäßigen Abständen.

Außerdem spricht er von „Wasser als Kraftstoff“, aus dem direkt in Autos ausreichend Wasserstoff gewonnen werden könne, um diese zu betreiben.

Screenshot der Behauptung auf Facebook: 26. September 2023

Das Video ist ein Ausschnitt aus einem längeren Interview vom 22. Januar 2023 auf dem Youtubekanal der österreichischen Unternehmerin Petra Führich. Dort geht es vornehmlich um das Konzept der Raumenergie. Dabei handelt sich laut der Österreichischen Vereinigung für Raumenergie (ÖVR) um unerschöpfliche, emissionsfreie „ultimative Energie der Zukunft“. Die österreichische Zeitung „Der Standard“ nennt die Arbeit der Vereinigung „Esoterik in wissenschaftlichem Gewand“. Wilhelm Mohorn ist Präsident und Gründungsmitglied der ÖVR.

Wasserstoff aus Wasser

Die Wasserspaltung ist ein chemischer Prozess, bei dem Wassermoleküle (H2O) in seine Bestandteile, Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2), aufgespalten werden. Dies geschieht durch elektrische Energie in einem Elektrolyseur. Der dabei entstehende Wasserstoff kann als Brennstoff gespeichert werden und so etwa zur Speicherung erneuerbarer Energie dienen.

Ferdi Schüth war von 2014 bis 2020 Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft und ist Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung. Im Gespräch mit AFP erklärte er am 22. September 2023 die Voraussetzungen, um Wasser zu spalten: „Wenn wir Wasserstoff herstellen wollen, dann gibt es ein thermodynamisches Minimum an Energie, das Sie aufwenden müssen, um das Wassermolekül aufzuspalten. Das ist mindestens 33,3 Kilowattstunden für ein Kilogramm Wasserstoff. Sonst bekommen Sie die beiden Wasserstoffatome nicht zusammen und den Sauerstoff nicht raus.“

In der Praxis benötige man aber etwas mehr Energie, so Schüth: „Technisch braucht man je nach Elektrolysetechnologie etwa 50 Kilowattstunden Strom pro Kilo. Das bedeutet, die Wasserspaltung hat etwa eine Effizienz von zwei Drittel.“

Erzeugung von Wasserstoff – STF / AFP

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Ein Kilogramm Wasserstoff hat einen Heizwert von 33,3 Kilowattstunden. Diese ist die thermische Energie, die frei wird, wenn man Wasserstoff mit Sauerstoff wieder zu Wasser verbrennt. Hieraus ergibt sich auch das thermodynamische Minimum an Energie, das theoretisch benötigt wird, um ein Kilogramm Wasserstoff aus Wasser herzustellen. Nutzt man zusätzlich die Energie aus der Kondensation des entstehenden Wasserdampfs, kommt man auf einen Brennwert von 39,33 Kilowattstunden Energie pro Kilogramm.

Das Unternehmen Gasag gibt an (hier archiviert), mit modernen Elektrolyseuren aktuell rund 53 Kilowattstunden Strom bei der Herstellung eines Kilogramms Wasserstoff zu verbrauchen. Geht man nun davon aus, dass man diesen Wert, wie im Video behauptet, um den Faktor 32 effizienter gestalten könne, würde man lediglich 1,7 Kilowattstunden Strom für die Herstellung eines Kilogramms Wasserstoff benötigen. Jedes Kilogramm der produzierte Wasserstoff hätte dann aber 33,3 Kilowattstunden Energie gespeichert, aus der dann wiederum über 20 Kilo Wasserstoff hergestellt werden könnten.

„Das ist fundamental unmöglich. Man kann Energie nicht aus dem Nichts schaffen“, erklärte Ferdi Schüth. Dies widerspreche dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik (hier archiviert), auch als das Gesetz der Energieerhaltung bekannt. Diese physikalische Grundregel besagt, dass die Gesamtenergie in einem abgeschlossenen System erhalten bleibt. Energie kann demnach weder erschaffen noch vernichtet werden. „Der Satz wurde vor fast 200 Jahren formuliert. Seit dieser Zeit haben immer wieder Leute versucht, Ausnahmen zu finden. Es ist noch niemandem gelungen. Das wäre ein Perpetuum Mobile, das kann nicht funktionieren.“

Die Studie aus Indien

Auf Anfrage von AFP vom 26. September 2023 per Mail wollte sich Wilhelm Mohorn nicht weiter zu seinen Behauptungen im Video äußern. Er verwies jedoch auf die Studie (hier archiviert), auf die sich im Video bezieht. Dort schreiben die Forscher, dass durch den Einsatz eines sogenannten Nano-Puls-Gleichstroms bei der Wasserstoffherstellung eine „Energieeinsparung von 96,8 Prozent“ erreicht werden könne. Die Studie ist 2012 im International Journal of Energy and Environmental Engineering, einer Fachzeitschrift mit Peer-Review-System, erschienen.

Diese Studie wurde in einem Review-Artikel (hier archiviert) aus dem Jahr 2021 noch einmal kritisch von Forschenden der Katholischen Universität Löwen überprüft. Die Chemiker aus Belgien kritisierten dort, dass „die Berechnung der verbrauchten Leistung für die gepulste Elektrolyse nicht konventionell“ sei und verschiedene Aspekte vernachlässigt worden wären. „Folglich könnte die Effizienz der gepulsten Elektrolyse in dieser Arbeit stark überschätzt worden sein“, so die Autorinnen und Autoren des Reviews. Und weiter: „Abgesehen von der unkonventionellen Methode der Leistungsmessung ist es theoretisch unmöglich, einen so niedrigen Wert für die elektrische Leistung zu erhalten.“

Prashanth W. Menezes, Leiter der Forschungsgruppe Materialchemie für Dünnschichtkatalyse am Helmholtz-Zentrum Berlin, hat dies in einer Mail am 26. September 2023 gegenüber AFP bestätigt. „So eine Technologie ist nicht denkbar. Wenn man ausschließlich Energie über Strom zuführt, kann die Effizienz von heute von bis zu 70 Prozent maximal um 30 Prozent auf 100 Prozent erhöht werden.“ Das wäre maximal eine Erhöhung um das 1.5-fache. „Prognosen gehen eher um von einer Effizienzsteigerung um 10 bis 20 Prozent in den nächsten 30 Jahren aus.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) besichtigt den Elektrolyseur „Trailblazer“, der jährlich 2900 Tonnen Wasserstoff produzieren soll, in Oberhausen, Westdeutschland, am 2. Mai 2023 – Ina FASSBENDER / AFP

Menezes, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt, hat von der in der Studie genannten Technik noch nie gehört: „Die öffentliche Demonstration einer solchen Technologie würde auf außergewöhnliches wissenschaftliches und öffentliches Interesse stoßen.“ Zwar gebe es Untersuchungen, bei denen gepulster Gleichstrom in Elektrolyseuren zum Einsatz kommt. Jedoch sei ihm kein Effekt bekannt, der zu einer signifikanten Erhöhung der Effizienz führt. „Deswegen arbeiten kommerzielle Elektrolyseure nicht mit gepulstem Gleichstrom“, so der Forscher.

In der Studie haben die Forscher ein Gerät verwendet, dass den üblicherweise durchgehend fließenden Strom im Elektrolyseur in einer Geschwindigkeit von 200 Nanosekunden pulsieren lässt.

Auch Ferdi Schüth hat in der Studie von 2012 zahlreiche Schwächen identifiziert. So wird zum Vergleich nicht ein Elektrolyseur mit einer üblichen Effizienz von rund 70 Prozent herangezogen, sondern ein wesentlich ineffizienter Elektrolyseur. Zudem verletzten die Ergebnisse, die dort mit gepulstem Gleichstrom erzielt wurden, wie oben beschrieben, den Energieerhaltungssatz.

Wasser als Kraftstoff

Im Video wird zudem von „Wasser als Kraftstoff“ gesprochen. Es wird behauptet, man könne „im Auto selbst Wasserstoff produzieren“. Mit der neuen Technologie wären das „Peanuts“, so Mohorn.

Da ein Elektrolyseur mit einer solchen Effizient physikalisch unmöglich sei, sei auch die Vorstellung Autos mit Wasser zu betreiben illusorisch, sagt Ferdi Schüth: „Sie können sich natürlich eine Fotovoltaik Platte aufs Dach eines Autos montieren und dann lassen Sie einen kleinen Elektrolyseur laufen und der macht dann daraus Wasserstoff. Aber natürlich nicht in den Mengen, die man braucht, um ein Fahrzeug zu betreiben. Sie benötigen ungefähr ein Kilo Wasserstoff pro 100 Kilometer. Dafür brächte eine Fotozelle dieser Größe sehr lange.“

Ein solches Solardach (hier archiviert) hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE 2019 vorgestellt, um elektrisch betriebene Fahrzeuge zu laden. Bei einer Sonneneinstrahlung von etwa 210 Watt pro Quadratmeter könne demnach das Dach an einem sonnigen Tag genug Strom erzeugen, um ungefähr zehn Kilometer Reichweite für ein Elektroauto der Mittelklasse bereitzustellen. Über den Verlauf eines Jahres betrachtet, könne dies zu einer Verlängerung der Fahrzeugreichweite um etwa 10 Prozent führen. Laut Umweltbundesamt beträgt der Wirkungsgrad bei einem Wasserstoffauto etwa 28 Prozent und bei einem Elektroauto 62 Prozent.

Fazit: Die Behauptung im geteilten Video, eine 32-fach effizientere Herstellung von Wasserstoff sei möglich, ist falsch. Nach Gesprächen mit Experten ist klar, dass eine solche Methode im Konflikt mit fundamentalen physikalischen Gesetzen steht. Zudem ist die Studie, auf die sich die Behauptung stützt, laut den von AFP befragten Experten fehlerhaft.

Fact Checker Logo

Wissenschaft, Umwelt

Autor(en): Till EICHENAUER / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen