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Video von Krawallen stammt von spanischen Covid-Protesten, nicht von Gaza-Demo

Wie in zahlreichen europäischen Städten kam es auch in Barcelona zu pro-palästinensischen Kundgebungen. Unter echte Aufnahmen der Demonstration mischte sich in sozialen Netzwerken aber auch ein Video, das vermeintlich aktuelle Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden und der spanischen Polizei zeigen soll. Das Video ist jedoch alt und stammt aus einem anderen Kontext, wie frühere Veröffentlichungen der Aufnahme belegen. Es entstand im Jahr 2020 bei Protesten gegen Coronamaßnahmen in Spanien.

„In Barcelona kam es zu Zusammenstößen zwischen pro-palästinensischen Demonstranten und der Polizei“, behaupten Beiträge in sozialen Medien Mitte Oktober 2023. Dazu ist von oben gefilmt zu sehen, wie Personen hinter Barrikaden auf Polizeifahrzeuge zulaufen und teils Gegenstände werfen. Weitere Einsatzkräfte verfolgen sie daraufhin. Die Szene wurde mit der Behauptung von Zehntausenden auf Telegram gesehen. Auch auf Facebook und X, ehemals Twitter, verbreitete sie sich.

Die Behauptung verbreitete sich außerdem in mehreren Sprachen, darunter beispielsweise auf Englisch (hier von AFP überprüft) und Arabisch (hier von AFP überprüft).

Screenshot der Behauptung auf Telegram: 24. Oktober 2023

Die Hamas stürmte am 7. Oktober aus dem Gazastreifen nach Israel und tötete rund 1400 Menschen, zumeist Zivilistinnen und Zivilisten, die nach Angaben israelischer Behörden erschossen, verstümmelt oder verbrannt wurden.

Nach israelischen Angaben wurden etwa 1500 Hamas-Kämpfer bei Zusammenstößen getötet, bevor die israelische Armee die Kontrolle über das angegriffene Gebiet zurückgewann.

Rund 5000 Palästinenser, hauptsächlich Zivilistinnen und Zivilisten, wurden im gesamten Gazastreifen bei den unerbittlichen israelischen Bombardierungen als Vergeltung für die Angriffe der militanten islamistischen Palästinensergruppe getötet, so die jüngste Zahl des Hamas-Gesundheitsministeriums in Gaza.

Falschinformationen zum Krieg im Nahen Osten sammelt AFP hier. Dabei wurden zahlreiche Aufnahmen aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen. Feierlichkeiten mit Feuerwerken in Algerien wurden beispielsweise fälschlich als Angriff in Gaza beschrieben. Auch das aktuell verbreitete Video von Auseinandersetzungen mit der spanischen Polizei stammt aus einem anderen Zusammenhang.

Proteste in Spanien

Wie in vielen anderen europäischen Orten, kam es auch in Spanien zu pro-palästinensischen Kundgebungen. In Madrid versammelten sich Tausende in Solidarität mit Palästinenserinnen und Palästinensern. Auch in Barcelona kam es am 21. Oktober 2023 zu einer Demonstration.

Pro-palästinensische Kundgebung in Barcelona am 21. Oktober 2023 – Josep LAGO / AFP

Altes Video von Protesten gegen Coronamaßnahmen

Mit den aktuellen Protesten in Spanien hat das Video allerdings nichts zu tun. Eine Rückwärtssuche nach Ausschnitten aus dem Video führte zu älteren Verwendungen des Videos vom Herbst 2020, lange vor der dem aktuellen Krieg in Israel und dem Gazastreifen.

Zahlreiche Accounts verbreiteten das Video bereits Anfang November 2020, etwa hier. Sie verweisen allerdings auf Proteste gegen Coronamaßnahmen und erwähnen keinen Zusammenhang zur Situation im Nahen Osten. Auch die Zeitung „Daily Mail“ verwendete das Material damals, um über Coronaproteste zu berichten.

AFP konnte den genauen Aufnahmeort herausfinden. Das Video stammt tatsächlich aus Barcelona, wie ein Abgleich der Aufnahme mit Bildern von Google Maps zeigt. Gebäude in der zentral gelegenen Via Laietana stimmen mit Details aus dem Video überein. In beiden sind etwa eine mehrspurige Straße, Fensterbögen an einem Haus, dem spanischen Statistikinstitut, und eine Seitenstraße mit mehreren Bäumen zu sehen.

Screenshot der Behauptung auf Telegram: 24. Oktober 2023

 

Der Aufnahmeort passt ebenfalls zu den Protesten gegen Coronamaßnahmen, die dort 2020 stattfanden. AFP berichtete am 30. Oktober 2020 über Proteste gegen Coronamaßnahmen, etwa eine nächtliche Ausgangssperre, die auch an einem nahegelegenen Platz eskalierten.

Die spanische Zeitung „La Vanguardia veröffentlichte am 30. Oktober 2020 zudem eine weitere Aufnahme, die den Zusammenstoß der Demonstrierenden mit der Polizei aus einer anderen Perspektive zeigt. Das von „La Vanguardia“ verwendete Video zeigt die Szene vom Boden aus gefilmt, die aktuell kursierende Aufnahme ist in der Vogelperspektive aufgenommen.

In beiden sieht man, wie ein Polizist auf einem Motorrad (rote Markierung) vor der Statistikbehörde stürzt. Protestierende laufen auf ihn zu und werfen ein Absperrgitter (gelbe Markierung) in Richtung des Motorrads, das dort zum Liegen kommt. Auch ein Polizeiauto hinter dem gestürzten Polizisten ist in beiden Aufnahmen zu sehen. Die Bewegungen der Personen im Video stimmen ebenfalls überein.

Falschbehauptung auf Facebook (links) im Vergleich mit der Szene bei Coronaprotesten aus einer anderen Perspektive, verwendet von „La Vanguardia“; Screenshot vom 24. Oktober 2023, Hervorhebungen durch AFP

Das Video wurde nicht zum ersten Mal aus dem Kontext gerissen. Bereits in die Berichterstattung über den Anschlag von Wien im November 2020 mischte sich fälschlich das Video aus Barcelona. Im Jahr 2022 wurde es fälschlich als Unruhen von Migranten verbreitet.

Zahlreiche andere Faktenchecks, darunter von AP oder Reuters, beschäftigen sich aktuell mit der Behauptung vom angeblichen Zusammenhang mit dem Krieg in Israel und kamen zum selben Ergebnis.

Fazit: Das Video wurde im Oktober 2020 in Barcelona aufgenommen. Damals kam es bei Protesten gegen Coronamaßnahmen zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei. Mit aktuellen pro-palästinensischen Demonstrationen hat das Video nichts zu tun. In Spanien kam es seit der Eskalation des Konflikts allerdings zu mehreren Demonstrationen.

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Israel-Hamas-Konflikt

Autor(en): Eva WACKENREUTHER / AFP USA

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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