Landtagswahl in Sachsen: Angeblicher Wahlbetrug in Rötha ist erfunden

In Rötha, einem Dorf vor den Toren von Leipzig, soll es in einem Wahllokal angeblich Hinweise auf Wahlbetrug bei der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2024 gegeben haben. Das zumindest wird auf Facebook und Telegram behauptet, unter anderem von dem AfD Kreisverband Leipziger Land: „Wahlbetrug in Rötha (nahe Leipzig)? Im Wahllokal ‚Mehrgenerationenhaus‘ in Rötha soll es große Ungereimtheiten geben. Aufmerksame Bürger haben die Polizei gerufen.“

Aber die Polizei wurde nicht von aufmerksamen Bürgern gerufen, sondern vom Wahlvorstand. Ein Wähler hatte während der Stimmabgabe für die Landtagswahl die Mitglieder des Wahlvorstands beschimpft und sich an der Wahlurne zu schaffen gemacht.

Beiträge wie dieser zu einem angeblichen Wahlbetrug im sächsischen Rötha kursieren auf Facebook und Telegram. Es gab jedoch keinerlei Verdacht auf Wahlbetrug. Die einzige Unregelmäßigkeit war ein Wähler, der den Ablauf stören wollte. (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Angebliche Unregelmäßigkeiten: Wähler löst Siegel einer Wahlurne und spricht von Wahlbetrug

Eine Sprecherin der Polizei Leipzig, Sandra Freitag, bestätigte uns, dass die Wahlleiterin des Wahllokals im Mehrgenerationenhaus in Rötha am Wahlsonntag um 16.10 Uhr Polizei gerufen hatte.

Der Bürgermeister des Ortes, Pascal Németh, berichtet uns am Telefon, was passiert war: Ein Mann, der in dem kleinen Ort für rechtspopulistische Ausfälle bekannt sei, habe im Wahllokal mehrere Personen als „links-grün versifft“ beschimpft. Außerdem habe er bemängelt, dass die Urne seiner Ansicht nach nicht richtig versiegelt sei und das demonstriert, indem er eines der drei Siegel abriss.

Die Polizei habe dann die Versiegelung der Urne überprüft. Die zuständige Polizeidienststelle schrieb uns, „dass alles ordnungsgemäß war und es keine Unregelmäßigkeiten im Wahlablauf gab“.

Bürgermeister Németh berichtet weiter, dass kurzzeitig der Straftatbestand des Siegelbruchs im Raum gestanden habe. Da der Mann aber nur eines der drei Siegel gelöst hatte, betrachtete die Polizei die Urne weiterhin als versiegelt und verschlossen. Der Wähler sei, so Németh, explizit eingeladen worden, zur Auszählung der Stimmen als Wahlbeobachter wiederzukommen. Aufgetaucht sei er jedoch nicht.

Wahlurnen müssen nicht versiegelt sein

Ob und wie Wahlurnen versiegelt und/oder verschlossen sein müssen, ist immer wieder Teil von Desinformation. Die Landeswahlordnung von Sachsen ist in dieser Hinsicht genauso vage wie die Bundeswahlordnung. In der Landeswahlordnung steht in Paragraph 40 und 45 lediglich, dass die Urne einen verschließbaren Deckel haben muss und der Wahlvorstand die Urne vor der Wahl verschließen oder versiegeln muss. Wie genau, lässt die Wahlordnung allerdings offen. Es sind weder Vorhängeschlösser nötig, noch muss die Urne zwingend versiegelt sein.

Wie wir in einem früheren Text bereits geschrieben haben, gilt eine Wahlurne laut Bundeswahlleiterin bereits dann als verschlossen, wenn der Deckel mit einem Streifen Tesafilm befestigt wird. Es geht lediglich darum, dass man nicht einfach so den Deckel abnehmen und Stimmzettel herausnehmen kann.

Wir haben bei dem AfD-Kreisverband nachgefragt, der die Behauptung verbreitet hatte. Auf welche Quelle bezog man sich? Eine Antwort erhielten wir jedoch nicht.

Alle Faktenchecks rund um die Landtagswahlen 2024 finden Sie hier.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Matthias Bau

Fact Checker Logo

Wahlen

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen