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Erster Mpox-Patient wurde bereits 2022 in Münchner Klinik behandelt

Seit die Weltgesundheitsorganisation Mpox zur gesundheitlichen Notlage erklärt hat, kursieren online vermehrt Falschinformationen über die Viruserkrankung. Im August 2024 wurde in sozialen Medien die Behauptung verbreitet, der erste Mpox-Patient Deutschlands werde derzeit in einem Münchner Krankenhaus behandelt – und zwar vom selben Chefarzt wie der erste deutsche Covid-19-Patient im Jahr 2020. In den Beiträgen wird zudem suggeriert, die Parallelen könnten kein Zufall sein. Die ersten Covid-19-Patienten und der erste Mpox-Patient wurden zwar tatsächlich im selben Krankenhaus in München unter der Aufsicht des dortigen Chefarztes behandelt. Diese Klinik ist die einzige auf pathogene Viruserkrankungen spezialisierte Klinik Bayerns. Die online kursierende Datierung ist zudem irreführend, da Mpox bereits vor zwei Jahren in Deutschland diagnostiziert wurde.

Die Viruserkrankung Mpox ist in sozialen Medien Anlass vielfältiger Spekulationen. „Der erste Patient mit Affenpocken in Deutschland liegt in München im Klinikum Schwabing. Wie damals beim ersten Corona Patienten. Behandelnder Arzt ist Clemens Wendtner. Wie damals beim ersten Corona Patienten“, heißt es in einem weit verbreiteten Facebook-Post vom 16. August 2024. Dazu wird ein Video geteilt, das Ausschnitte aus den Nachrichtensendungen „Tagesschau“, „Tagesthemen“ und „heute-journal“ über die Viruserkrankungen zeigt.

Der Beitrag wurde vielfach auf Facebook, Threads, X, Youtube und Telegram geteilt. Auch in anderen Sprachen, wie Griechisch und Tschechisch kursierte der Post, teilweise zusammen mit dem deutschsprachigen Video.

Aus den Kommentaren unter den Posts geht hervor, dass der Beitrag von coronaskeptischen Stimmen als Argument gegen den staatlichen Umgang mit der Pandemie genutzt wird. „Die Lügen und Verbrechen beginnen von vorne!“, kommentierte etwa ein Nutzer. Ein anderer Facebook-Nutzer schrieb: „Zu viele Zufälle, um zufällig zu sein.“

Doch wie AFP nachweisen konnte, ist die kursierende Behauptung irreführend.

Facebook- und Telegram-Screenshots der Behauptung: 21. August 2024

Die Viruserkrankung Mpox (vormals „Affenpocken“) wurde laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1970 erstmals beim Menschen nachgewiesen und trat vor allem in Regenwaldregionen Zentral- und Westafrikas auf. Sie kann durch engen Kontakt von Mensch zu Mensch und gelegentlich auch von Tieren auf Menschen übertragen werden. In den Jahren 2022 bis 2023 verbreitete sich die Krankheit weltweit. Nach Angaben der WHO klingen die Symptome wie Fieber oder Hautausschlag in der Regel nach ein paar Wochen von selbst ab, Todesfälle sind selten.

Im November 2022 empfahl die WHO, die Viruserkrankung fortan „Mpox“ (Kurzform des englischen „monkeypox“) zu nennen. So sollen rassistische und stigmatisierende Zuschreibungen vermieden werden. Es handelt sich jedoch um dieselbe Erkrankung, über die unter dem Namen „Affenpocken“ berichtet wurde und wird.

AFP hat in der Vergangenheit bereits mehrere Falschinformationen über die Krankheit geprüft, etwa über eine vermeintliche Verbindung zwischen dem Mpox-Ausbruch von 2022 und dem Astrazeneca-Impfstoff gegen Covid-19 sowie zu mRNA-Impfstoffen allgemein.

Videozusammenschnitt authentischer Nachrichtensendungen

Online werden vermeintlich verdächtigen Parallelen zwischen den ersten deutschen Covid-19- und Mpox-Patienten mit einem zusammengeschnittenen Video aus verschiedenen undatierten Nachrichtensendungen dargestellt. Das Video beginnt mit einem „Tagesschau“-Beitrag über den ersten Coronavirus-Fall in Deutschland. „Ein Mann aus Bayern hat sich mit dem Coronavirus infiziert“, heißt es darin. Darauf folgt nach einem harten Schnitt ein weiterer „Tagesschau“-Beitrag. Der Moderator sagt darin: „In Deutschland ist erstmals ein Fall von Affenpocken bestätigt worden. Ein 26-jähriger Patient werde derzeit isoliert in einer Klinik in München versorgt.“

Im Weiteren folgen Bilder der München Klinik Schwabing, sowie zwei Interviewausschnitte mit Professor Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing. Im ersten Interviewausschnitt des „heute-Journal“ äußert sich Wendtner zu Covid-19, im zweiten Interviewausschnitt bei den „Tagesthemen“ zu Mpox. Hinterlegt ist das Video mit fröhlicher Musik und dem Gesangstext: „One of these things is not like the others. One of these things doesn’t belong. Can you tell which thing is not like the others by the time I finish this song?“ Auf Deutsch bedeutet das: „Eines dieser Dinge ist anders als die anderen, eines dieser Dinge gehört nicht dazu. Erkennst du, was anders ist, bis ich dieses Lied beendet habe?“ Die direkte Gegenüberstellung der Nachrichtenbilder und das Lied mit ironischem Text deuten dabei an, dass diese Parallelen verdächtig seien.

Eine umgekehrte Videosuche der einzelnen undatierten Videosequenzen belegt, dass es sich um authentische Auszüge aus Nachrichtensendungen handelt. Der „Tagesschau“-Beitrag über den ersten deutschen Corona-Patienten stammt vom 28. Januar 2020 und der „Tagesschau“-Beitrag über den ersten deutschen Mpox-Patienten vom 20. Mai 2022:

Facebook-Screenshot der Behauptung (links) und Youtube-Screenshot des offiziellen „Tagesschau“-Kanals (rechts), Hervorhebungen durch AFP: 21. August 2024

Die im dazugehörigen Post geteilte Behauptung, der erste deutsche „Patient mit Affenpocken“ liege derzeit (also im August 2024) in einer Münchner Klinik, ist somit unzutreffend: Die Krankheit wurde bereits vor über zwei Jahren erstmals in Deutschland nachgewiesen.

Korrekte Angaben zu Klinik und Arzt, irreführender Zeitpunkt

Die online geteilten Aussagen über Klinik und chefärztliche Betreuung treffen zu, wie Ann Sophie Schlosser, stellvertretende Pressesprecherin der München Klinik, auf AFP-Anfrage am 20. August 2024 bestätigte: „Es ist richtig, dass die bundesweit ersten bestätigten Fälle von Covid-19 und Affenpocken in der Infektiologie der München Klinik Schwabing unter damaliger chefärztlicher Leitung von Prof. Clemens Wendtner behandelt wurden.“

Bei den ersten deutschen Covid-19-Fällen handelte es sich laut Schlosser um Mitarbeitende des Unternehmens Webasto, die am 27. Januar 2020 erkrankten. Der Autozulieferer Webasto sitzt im Ortsteil Stockdorf der oberbayerischen Gemeinde Gauting, lediglich 17 Kilometer von München entfernt und damit im Einzugsbereich der München Klinik Schwabing. Laut Medienberichterstattung hatten sich die Mitarbeitenden bei einer chinesischen Kollegin angesteckt, die ab dem 19. Januar 2020 für einige Tage aus China zu Gast in Stockdorf war und später positiv getestet wurde.

Der erste deutsche Mpox-Fall wurde vom Bayerischen Gesundheitsministerium am 20. Mai 2022 bestätigt: Demnach sei der 26-jährige Mann von Portugal über Spanien nach Deutschland eingereist und habe sich seit einer Woche in München aufgehalten, als er erste Symptome bemerkte. Daraufhin suchte er einen Arzt auf, der entsprechende Untersuchungen am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München veranlasste.

Das Institut bestätigte die Infektion bereits am 19. Mai 2022: Es habe „erstmals in Deutschland bei einem Patienten mit charakteristischen Hautveränderungen das Affenpockenvirus zweifelsfrei nachgewiesen“. Am 21. Mai 2022 gelang zudem die vollständige Entschlüsselung des Virus-Erbguts: „Es zeigte sich, dass der Erreger zur westafrikanischen Linie der Affenpockenviren gehört.“

Nach der Diagnose des Instituts für Mikrobiologie wurde der Patient in die München Klinik überwiesen. „Die Versorgung findet in einem Schleusenzimmer mit Unterdruck getrennt und isoliert vom übrigen Klinikbetrieb in der Infektiologie der München Klinik Schwabing statt“, heißt es in einer Pressemitteilung des Krankenhauses vom 20. Mai 2022.

Der in den Posts genannte Arzt, Clemens Wendtner, ist leitender Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin der München Klinik Schwabing. Diese Abteilung ist laut Website des Krankenhauses neben Infektionskrankheiten, wie Hirnhautentzündungen, Tuberkulose, Aids oder Hepatitis, auch für importierte Erkrankungen zuständig. „Neben einheimischen Infektionskrankheiten treten vermehrt auch importierte Erkrankungen in den Vordergrund“, heißt es auf der Website. Covid-19 und Mpox sind beides Viruserkrankungen, die zunächst in China, beziehungsweise der Demokratischen Republik Kongo aufgetreten sind. Daran erkrankte Patientinnen und Patienten in Bayern fielen somit in den Zuständigkeitsbereich der Abteilung Infektiologie und Tropenmedizin, unter chefärztlicher Leitung von Clemens Wendtner.

Zahlreiche Medien berichteten über diese Fälle in den Jahren 2020 und 2022.

Einzige Klinik für pathogene Viruserkrankungen in Bayern

Dass sowohl die ersten deutschen Covid-19-Patienten als auch der erste Mpox-Patient in der München Klinik Schwabing behandelt wurden, sei eine logische Konsequenz der Zuständigkeit, erklärte Kliniksprecherin Schlosser gegenüber AFP: „Die München Klinik Schwabing ist das einzige Stakob-Behandlungszentrum in Bayern – diesen Zentren kommt bei der bundesweiten Versorgung von Patient*innen mit hochansteckenden Erregern eine besondere Bedeutung zu, da sie eine besondere infektiologische Expertise im Bereich des Personals, der technischen Ausstattung und der Labordiagnostik vorhalten.“

Der Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger (Stakob) ist in Deutschland für ein bundesweites Expertennetzwerk zuständig. Kommen Patientinnen und Patienten mit einer hochpathogenen Krankheit in Kontakt, werden sie an das nächstgelegene Kompetenz- und Behandlungszentrum verwiesen. In diesen Kliniken gibt es demnach entsprechend geschultes Personal mit infektiologischem Fachwissen und besondere technische Ausstattung, wie beispielsweise Sonderisolierstationen.

Covid-19 und Mpox sind laut Robert Koch-Institut (RKI) beide als meldepflichtige hochpathogene Viruserkrankungen eingestuft. „Hochpathogen“ bedeutet, dass eine Krankheit sehr ansteckend ist und gleichzeitig ein großes Schadenspotenzial mit sich bringt, da sie selten auftritt und ein erhebliches Unsicherheitspotenzial für die Bevölkerung und Fachpersonal beinhaltet.

Auf der Website des RKI sind alle Stakob-Zentren mit entsprechendem Zuständigkeitsgebiet in einer Deutschlandkarte eingezeichnet. Die München Klinik Schwabing ist das einzige entsprechende Behandlungszentrum Bayerns. Da sowohl die Webasto-Mitarbeitenden aus Stockdorf als auch der in München diagnostizierte Mpox-Patient in Bayern erkrankten, war es folgerichtig, dass sie in der München Klinik Schwabing behandelt wurden.

Mpox-Notlage vom August 2024

Die irreführenden Behauptungen tauchten ab Mitte August 2024 in sozialen Medien auf – kurz nachdem die WHO am 14. August 2024 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite für Mpox erklärt hatte. Grund dafür war der Anstieg von Erkrankungen mit einem gefährlichen Virustyp in mehreren afrikanischen Staaten im Jahr 2024.

WHO ruft wegen Ausbreitung von Mpox-Krankheit höchste globale Alarmstufe aus: Fälle in der Demokratischen Republik Kongo und in den übrigen afrikanischen Ländern seit 2022 – Nicholas SHEARMAN / Thorsten EBERDING / AFP

Laut RKI wird bei Mpox zwischen zwei verschiedenen Typen unterschieden, die jedoch beide ähnliche Symptome erzeugen können: Klade I und Klade II. Das weltweite Auftreten von Mpox in den Jahren 2022 bis 2023 war auf den Typ IIb zurückzuführen, die meisten Betroffenen erkrankten nicht schwer.

Die 2024 ausgerufene Notlage ist auf vermehrte Infektionen des Typs Ib in der Demokratischen Republik Kongo und benachbarten Ländern zurückzuführen. Diese Virusvariante wurde im September 2023 in der Demokratischen Republik Kongo entdeckt. Sie führt zu Hautausschlag am ganzen Körper, während die bisherigen Varianten nur einzelne Körperstellen betreffen. Die Gesundheitsbehörde der Afrikanischen Union zählte im Jahr 2024 bis Anfang August bereits 2863 bestätigte Fälle, sowie 517 Tote.

 

Informationsblatt über die verschiedenen Typen des Mpox-Virus – Nalini LEPETIT-CHELLA / Sabrina BLANCHARD / AFP

 

Stand Juni 2024 wurden insgesamt mehr als 99.176 Fälle an die WHO gemeldet, darunter 208 Todesfälle. Aktuelle Fallzahlen finden sich auf der monatlich aktualisierten Mpox-Übersichtsseite der WHO.

„In Deutschland sind im Mai 2022 erstmals Fälle von Mpox (Klade IIb) identifiziert worden“, schreibt das RKI auf seiner Website. Stand 15. August 2024 wurden insgesamt rund 3800 Fälle identifiziert, der Großteil davon mit 3700 Fällen im Zeitraum Frühsommer bis Herbst 2022. Todesfälle im Zusammenhang mit Mpox wurden in Deutschland bislang nicht identifiziert, auch kein Auftreten von Mpox des Typs Klade I. Alle Fallzahlen können täglich aktualisiert auf der RKI-Seite SurvStat abgerufen werden.

Weitere Faktenchecks zu den Themen Covid-19, Impfungen und Mpox sammelt AFP auf ihrer Website.

Fazit: Tatsächlich wurden die ersten deutschen Covid-Patienten und der erste Mpox-Patient in derselben Klinik in München behandelt. Die München Klinik Schwabing ist spezialisiert auf hochpathogene Viruserkrankungen und das einzige Krankenhaus mit entsprechender Expertise in Bayern. Doch entgegen online kursierender Behauptung ist der erste deutsche Mpox-Patient bereits im Jahr 2022 erkrankt. Mit der Gesundheitsnotlage aus dem August 2024 hat der Fall nichts zu tun.

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Gesundheit

Autor(en): Gundula HAAGE / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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