Nicht Wien, sondern Australien: Video von tödlichem Streit für ausländerfeindliche Hetze genutzt

Hinweis: In diesem Faktencheck ist Videomaterial verlinkt, das die Folgen von Gewalt zeigt. 

Ein Video von einer tödlichen Auseinandersetzung kursiert seit Mitte Juni in Sozialen Netzwerken. Zu sehen sind darin mehrere Männer. Einer von ihnen schlägt einen anderen auf den Hals. Der Getroffene bleibt stehen und hält sich die Hand an der getroffenen Stelle. Aus der Wunde strömt Blut – das Opfer macht ein paar Schritte und fällt zu Boden.

Im Netz heißt es, das Video zeige einen aktuellen Vorfall aus Wien. Zu sehen seien ein „muslimischer Messerstecher“ und die Folgen von „Multikulti“, behauptet ein Nutzer auf X; auf Telegram heißt es, der Täter sei ein „syrischer Flüchtling, der erst im Februar 2024 aus dem Mittelmeer gerettet wurde“. In einem sind sich die Beiträge einig: Der Fall werde absichtlich vor der Öffentlichkeit vertuscht.

Das Video verbreitet sich auch auf Polnisch mit der Behauptung, es zeige einen Fall aus Wien und einen ausländischen Täter. Über Whatsapp baten uns zudem mehrere Menschen, das Video zu prüfen. Unser Ergebnis: Das Video ist weder aktuell noch in Österreich entstanden. Nicht zum ersten Mal wird es für Hetze genutzt.

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Dieses Video sei „gestern“ am Praterstern in Wien entstanden, heißt es in einem X-Beitrag. Das stimmt nicht. (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video entstand nicht in Wien, sondern 2022 in Brisbane in Australien

Eine Bilder-Rückwärtssuche mit einem Standbild aus dem Video führt zu mehreren Ergebnissen aus dem Jahr 2022, darunter ein Bericht der neuseeländischen Zeitung New Zealand Herald. Der Artikel enthält auch weitere Standbilder aus dem Video und ein Bild von dem Opfer. Demnach ereignete sich der tödliche Streit am 11. Juli 2022 im Valley Metro Food Court (einem Gastronomiebereich eines Einkaufszentrums) im australischen Brisbane.

Ein Vergleich mit online verfügbaren Bildern des „Food Court“ zeigt mehrere eindeutige Überschneidungen zwischen dem Video und dem Ort. Es ist zum Beispiel ein Laden mit dem Namen „Jackpot Express” zu sehen, daneben ein Laden der Fast-Food-Kette KFC. Auch die charakteristische Beleuchtung und die Sitzbänke ähneln sich.

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Links ein Bild von der „Valley Metro Food Court“ in Brisbane, rechts zwei Standbilder aus dem Video. Auf beiden sind die charakteristische Beleuchtung und Sitzbänke mit Pflanzen zu sehen. (Quelle: Valleyguide.com / Telegram; Screenshots, Markierungen und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Stichwortsuchen führen zu weiteren Berichten über den Fall. Es habe laut einem Artikel zunächst eine verbale Auseinandersetzung zwischen Opfer und Täter außerhalb des Einkaufszentrums gegeben, die dann in Gewalt eskalierte. Der Täter habe sich dann eine Schere besorgt und schließlich zugestochen, heißt es in einem anderen Bericht. Das Opfer sei am Tatort an den Folgen der Stichverletzung gestorben.

Der Täter plädierte danach in einem ersten Prozess auf Selbstverteidigung und wurde auf Kaution freigelassen. Er musste sich Stand September 2023 wegen Mordes vor Gericht verantworten.

In keinem der Berichte gibt es irgendwelche Hinweise darauf, dass er Geflüchteter ist oder aus Syrien stammt. Die Polizei in Brisbane bestätigte uns auf Anfrage, dass das Video den Fall aus Australien zeigt. Zu persönlichen Details von Tätern äußere man sich jedoch grundsätzlich nicht, so der Sprecher.

Schon 2022 verbreitete sich auf Whatsapp die Falschbehauptung, das Video zeige Singen oder Mannheim 

Mehrere Organisationen in Australien, etwa „Jugend gegen Gewalt“, riefen nach dem Vorfall dazu auf, die brutalen Aufnahmen aus dem Netz zu nehmen. Doch das Video kursiert immer wieder mit falschem Kontext; so auch in Deutschland vor zwei Jahren. Laut einem Bericht des baden-württembergischen Südkuriers hieß es damals – vor allem in Whatsapp-Beiträgen –, dass die tödliche Auseinandersetzung wahlweise in einem Einkaufszentrum in Singen oder in Mannheim passiert sei. Auch 2022 behaupteten die Verbreiter, Polizei und Medien würden den Vorfall bewusst verheimlichen oder totschweigen.

Im Südkurier-Artikel rät eine Polizeisprecherin: „Das Video sollte nicht weitergeleitet und am besten sogar gelöscht werden, da es sich um eine echte und wirklich grausame Tat handelte.“

Redigatur: Sophie Timmermann, Uschi Jonas 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  •  „Fortitude Valley, Brisbane, stabbing victim recently celebrated daughter’s first birthday“, New Zealand Herald, 13. Juli 2022: Link
  • „Tödliche Messerattacke im Cano? Unfug! Video sorgt in Singen für Unruhe“, Südkurier,21. Juli 2022: Link (bezahlpflichtig)

 

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Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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