APA-Faktencheck: "Düngeeffekt" von CO2 gegenüber Klimakrise nichtig - Featured image

„Düngeeffekt“ von CO2 gegenüber Klimakrise nichtig

Zuletzt ist in Sozialen Medien mehrfach der Zusammenhang zwischen Kohlenstoffdioxid (CO2) und Pflanzenwachstum diskutiert worden. Pflanzen würden sich bei höherer CO2-Konzentration wohler fühlen, heißt es etwa in einem Posting (1). User nahmen die Behauptung zum Anlass, die menschengemachte Klimakrise zu relativieren. Die FPÖ griff das Thema ebenfalls auf (2) und sprach mit Blick auf die Klimakrise davon, dass Pflanzen CO2 „wie der Mensch den Sauerstoff zum Leben“ bräuchten.

Einschätzung:

Tatsächlich brauchen Pflanzen CO2 für ihr Wachstum, allerdings ist der viel zitierte „Düngeeffekt“ von CO2 weitaus kleiner als gedacht und wird von den negativen Auswirkungen der Klimakrise deutlich überlagert.

Überprüfung:

Pflanzen verwandeln mit Hilfe von der Energie des Sonnenlichts Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser zu Glucose, die für das Wachstum der Pflanze essenziell ist und als Stärke gespeichert wird – der Prozess der Photosynthese (3). CO2 ist also neben Wasser tatsächlich die „Hauptnahrung“ für Pflanzen.

Aber: Zuviel CO2 in der Atmosphäre ist kontraproduktiv. Mit den Vorteilen von CO2 für das Pflanzenwachstum zu argumentieren ist gerade mit Blick auf die Klimakrise irreführend. Die Informations-Plattform „Klimafakten“ beispielsweise schreibt, dass ein „vermehrtes Angebot von Kohlendioxid“ die Photosynthese zwar anrege, Experimente aber gezeigt hätten, dass der „CO2-Düngeeffekt“ oft keine oder nur eine vorübergehende Wirkung auf das Wachstum habe (4).

Pflanzen bräuchten zudem nicht nur Kohlenstoffdioxid, sondern auch wichtige Nährstoffe aus dem Boden wie etwa Stickstoff und Phosphor. Deren Vorkommen erhöht sich aber nicht parallel zum CO2-Anstieg – dessen Nutzen ist demnach laut einer Studie überschaubar (5).

„Salopp gesagt wird vielen Pflanzen ein höherer CO2-Gehalt in der Luft auch deshalb keine großen Vorteile bieten, weil sie künftig häufiger versengen und verdorren“, heißt es in dem „Klimafakten“-Beitrag. Der mögliche „CO2-Düngeeffekt“ durch eine höhere CO2-Konzentration sei im Vergleich zu anderen Umweltfaktoren also „vernachlässigbar“.

Der Anteil von CO2 in der Atmosphäre ist in der jüngeren Vergangenheit rasant angestiegen. Lag er zu Beginn der Industriellen Revolution noch bei etwa 280 parts per million (ppm) (6), ist er aktuellen Messungen der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) zufolge auf 426 ppm – also fast das doppelte – gestiegen (7). Ein ⁠ppm⁠ entspricht einem Molekül Kohlendioxid pro einer Million Moleküle trockener Luft.

Publikation aus 2016 als mögliche Quelle

Mehrere Faktenchecks (8,9,10), die in Kooperation mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) entstanden sind, zeigen, dass solche irreführenden Behauptungen über den positiven Zusammenhang zwischen CO2 und Pflanzenwachstum in Kreisen der Klimakrisen-Leugner und -Relativierer immer wieder angeführt werden. Ursprünglich gehen die Annahmen möglicherweise auf eine wissenschaftliche Publikation aus dem Jahr 2016 zurück (11).

Dem Artikel zufolge ist die Erde seit den 1980er Jahren deutlich grüner geworden. Das Papier sollte aber nicht als Argument gegen Emissionsminderungen verwendet werden, stellten einige der mitwirkenden Autorinnen und Autoren später klar (12): Es sei unklar, wie lange der „Ergrünungs“-Trend bei weiter steigender CO2-Konzentration anhalten werde, heißt es.

„Die Vorteile einer grüner werdenden Erde“ würden „hinter den voraussichtlichen negativen Auswirkungen von Extremwetterereignissen“ zurückbleiben. Und tatsächlich macht die Klimakrise extreme Wetter- und Klimaereignisse „wahrscheinlicher und heftiger“, berichtet das deutsche Max-Planck-Institut über Studien des europäischen Konsortiums Xaida (13).

Wichtige Kennzahlen: Pro-Kopf- und ausgelagerte Emissionen

Auch das in der Diskussion um Kohlenstoffdioxid gerne vorgebrachte Argument, Österreich sei nur für 0,2 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich (14), muss in einen entsprechenden Kontext gebracht werden. Denn bei Pro-Kopf-Emissionen liegt Österreich laut Klimadashboard über dem weltweiten Durchschnitt (15).

Während das Pro-Kopf-CO2 vor allem im arabischen Raum 2022 weit über dem weltweiten Schnitt von 4,7 Tonnen lag (in Katar beispielsweise achtmal so hoch), ist auch Österreich auf den vorderen Rängen und damit deutlich über dem Schnitt zu finden (16). Große Länder des Globalen Südens wie Indien, Brasilien oder Indonesien lagen mit einem Sechstel bis knapp mehr als einem Drittel des heimischen CO2-Ausstoßes pro Kopf weit dahinter.

Tatsächlich ist Österreichs CO2-Fußabdruck noch höher. Das liegt an den sogenannten „ausgelagerten Emissionen“ (17). Dabei geht es kurz gesagt um CO2-Emissionen, die durch den Import von Rohstoffen und Gütern sowohl beim Transport als auch etwa bei ausgelagerter Produktion im Ausland anfallen und in nationalen Zahlen üblicherweise nicht berücksichtigt werden. Deren genaue Berechnung ist allerdings äußerst schwierig, da es unterschiedliche Modelle und Herangehensweisen dafür gibt (18).

Quellen:

(1) Facebook-Posting: https://go.apa.at/ZQKl9pEQ (archiviert: https://archive.is/mSa3K)

(2) FPÖ-Aussendung: https://go.apa.at/xftlRoPi (archiviert: https://archive.ph/k3Q3q)

(3) Erklärung Photosynthese: https://go.apa.at/QwINiaba (archiviert: https://archive.ph/Z6F69)

(4) Klimafakten zu „CO2-Düngeeffekt“: https://go.apa.at/P0PuEbIF (archiviert: https://archive.ph/rOvkt)

(5) Forschungsergebnisse zu Pflanzenwachstum: https://go.apa.at/n8qPK3Wr (archiviert: https://perma.cc/2LQM-65Y7)

(6) Umweltbundesamt zu CO2: https://go.apa.at/eqWtAjah (archiviert: https://archive.ph/XAUSZ)

(7) Aktuelle CO2-Konzentration: https://go.apa.at/CGZ4WJia (archiviert: https://perma.cc/2JJG-QL54)

(8) dpa-Faktencheck: https://go.apa.at/kOsn9oGS (archiviert: https://perma.cc/7VPT-XVQK)

(9) Weiterer dpa-Faktencheck: https://go.apa.at/Hf0Ksa7p (archiviert: https://perma.cc/8MNJ-AUX3)

(10) Weiterer dpa-Faktencheck: https://go.apa.at/uiIdpVje (archiviert: https://perma.cc/K6BU-3GFX)

(11) Greening of the Earth and its drivers: https://go.apa.at/oL9Ct2hp (archiviert: https://archive.ph/s2X9t)

(12) Klarstellung der Autoren: https://go.apa.at/C4q8pIM2 (archiviert: https://perma.cc/XFN5-TVX8)

(13) MPG zum Klima im Jahr 2023: https://go.apa.at/K1YyQPDb (archiviert: https://perma.cc/744J-A7UW)

(14) Klimafakten-Faktencheck: https://go.apa.at/cWmGdvzi (archiviert: https://perma.cc/XNL8-KV5E)

(15) Emissionen in Österreich: https://go.apa.at/Za0vucr5 (archiviert: https://perma.cc/64MS-DZJL)

(16) CO2-Emissionen pro Kopf 2022: https://go.apa.at/abKvIT0j (archiviert: https://perma.cc/GV8S-BUPV)

(17) Ausgelagerte Emissionen: https://go.apa.at/aFXyWviQ (archiviert: https://perma.cc/UL9M-78SE)

(18) Berechnung ausgelagerte Emissionen: https://go.apa.at/JTDYzSgs (archiviert: https://perma.cc/JZ7R-ELBY)

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Klimawandel

Autor(en): APA

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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