Seit 2006 sind Impfstoffe gegen Humane Papillomviren (HPV) in der EU zugelassen. Sie senken das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Im November 2024 kursierten online Zitate eines deutschen Arztes, der vor HPV-Impfungen warnt. Seiner Aussage nach seien sie wenig effektiv, schädlicher als ihr Nutzen und könnten sogar unfruchtbar machen. Fachleute widersprachen diesen Vorwürfen: Demnach wurden die Impfstoffe in zahlreichen wissenschaftlichen Studien geprüft und gelten als sehr sicher.
„Täglich erreichen mich Anfragen, was ich von der HPV-Impfung halte. Offen gestanden: nicht viel“, schrieb ein Facebook-Nutzer am 11. November 2024. Der geteilte Text stammt laut Post von dem Arzt „Dr. med. Michael Spitzbart“, der darin deutlich von einer solchen Impfung abrät. Die Impfung sei nicht effektiv, potenziell schädlich und man solle sich lieber „um ein gutes Immunsystem kümmern“.
Außerdem warnt der Arzt vor angeblichen Nebenwirkungen des Impfstoffes: „Die meist jugendlichen Impflinge [bekommen] eine erneute Dosis vom Wirkverstärker Aluminiumhydroxid und Polysorbat 80 injiziert, welches zu Schädigung der Eierstöcke (…) und damit zur Unfruchtbarkeit führen kann“, heißt es in dem Text. Er impliziert außerdem, die zunehmende Zahl an gegen HPV geimpften Menschen sei der Grund, weshalb „in den letzten Jahren an jeder Ecke Kinderwunschzentren aus dem Boden sprießen“.
Auf Telegram und X wurde der Inhalt des Posts weiter verbreitet und kursierte auch in ungarischer Übersetzung auf Facebook.
Michael Spitzbart, der sich in seinen Profilen auf X und Tiktok als „einer der führenden Gesundheitsexperten Europas, Bestseller-Autor und Keynote-Speaker“ vorstellt, ist in der Vergangenheit bereits durch die Verbreitung von falschen oder irreführenden Gesundheitsinformationen aufgefallen, die etwa vom Faktencheck-Team der Plattform „correctiv“ überprüft wurden.
Umstrittener Arzt
Der in sozialen Medien zitierte Originalpost, den Michael Spitzbart am 11. November 2024 veröffentlichte, ist zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels nicht mehr abrufbar. Er wurde jedoch von einem X-Nutzer archiviert. Der österreichische Molekularbiologe Martin Moder, der sich häufig mit wissenschaftsbezogenen Verschwörungserzählungen befasst und Teil der Wissenschaftskabarettgruppe „Sciene Busters“ ist, hatte Spitzbarts Aussagen auf X öffentlich kritisiert und als „gefährlich“ bezeichnet.
Da Spitzbart laut Impressum seiner Website eine Privatpraxis für „Präventiv- und Orthokularmedizin“ im oberösterreichischen Pöndorf betreibt, meldete Moder ihn am 12. November 2024 bei der zuständigen österreichischen Ärztekammer:
Auch der österreichische Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Johannes Rauch, wurde auf die Diskussion aufmerksam und kommentierte den Fall am 16. November 2024 auf X mit den Worten: „Hoffentlich lassen sich junge Frauen von so unseriösen Schwurblern nicht verunsichern“. Rauch lobte den bisherigen Erfolg der österreichischen HPV-Impfkampagne, da die Impfung seit dem 1. Januar 2024 in der Altersgruppe vom neunten bis zum 30. Geburtstag kostenlos ist.
In österreichischen Medien wurde über den Fall berichtet. Gegenüber dem Medium „Mein Bezirk“ sagte der Präsident der zuständigen oberösterreichischen Ärztekammer am 15. November 2024: „Wir haben ein Disziplinarverfahren (gegen Michael Spitzbart, Anm. d. Red.) eingeleitet.“ Eine Anfrage an die oberösterreichische Ärztekammer diesbezüglich blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet. Eine Nachfrage von „Mein Bezirk“, warum er seine Postings zur HPV-Impfung nach Lautwerden von Kritik gelöscht habe, beantwortete Michael Spitzbart folgendermaßen: „In einer Zeit, in der jede abweichende Meinung sofort durch einen öffentlichen Sturm in den sozialen Medien begleitet wird, habe ich mich bewusst entschieden, die Diskussion aus dem medialen Brennglas herauszunehmen.“ Zudem kritisierte er die oberösterreichische Ärztekammer: „Wenn allerdings eine kritische Auseinandersetzung direkt in die Einleitung von Disziplinarverfahren mündet, wirft das Fragen zur Meinungsfreiheit und zur Offenheit des wissenschaftlichen Diskurses auf.“
In impfskeptischen Kreisen wird immer wieder vor angeblichen Gefahren durch HPV-Impfungen gewarnt. AFP hat in der Vergangenheit bereits entsprechende Falschbehauptungen widerlegt. Auch die aktuell kursierenden Behauptungen von Michael Spitzbart erweisen sich als irreführend, wie Fachleute gegenüber AFP erklärten.
Was ist HPV?
HPV-Infektionen zählen laut Website des Robert Koch-Instituts (RKI) zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen weltweit. In den meisten Fällen verläuft eine HPV-Infektion ohne Symptome. Je nach Virustyp kann eine Ansteckung jedoch weitreichende Folgen haben: Einige Niedrigrisiko-Typen erzeugen Genitalwarzen. Mehrere Hochrisiko-Virustypen können zu Krebs führen – an Gebärmutterhals, Vagina, Vulva, Penis, Anus oder im Mund-Rachen-Raum.
Laut österreichischem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sind krebsverursachende HP-Viren für über 70 Prozent aller bösartigen Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich. Dabei handelt es sich um die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen weltweit.
Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird bereits in über 100 Ländern mit HPV-Impfstoffen geimpft. Demnach schütze eine Impfung effektiv vor den besonders gefährlichen HPV-Typen 16 und 18, die für Gebärmutterhalskrebserkrankungen verantwortlich sind.
Die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich im Lauf ihres Lebens mit HPV. Denn die Viren können nicht nur durch Sexualkontakte, sondern auch durch sehr engen Körperkontakt übertragen werden. Kondome bieten keinen vollständigen Schutz vor einer Infektion.
Basierend auf Daten des Zentrums für Krebsregisterdaten erkrankten in Deutschland in den Jahren 2013 und 2014 etwa 7300 Frauen und 2300 Männer an Krebserkrankungen, die durch eine HPV-Infektion ausgelöst wurden. In Österreich kommt es jährlich zu 130 bis 180 Todesfällen im Zusammenhang mit HPV, mehr als ein Prozent der sexuell aktiven Personen ist von Genitalwarzen betroffen.
HPV-Impfungen gelten als sicher und effektiv
In der EU sind Impfstoffe gegen HPV seit 2006 zugelassen. Sowohl das Österreichische Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als auch die Ständige Impfkommission (Stiko) Deutschlands empfehlen die als „sehr effektiv“ eingestufte Impfung.
Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdiensts (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), erklärte am 28. November 2024 gegenüber AFP, dass ein Impfstoff zahlreiche Tests durchlaufen müsse, bevor er zugelassen werde: „Bei den großen Zulassungsstudien einer Impfung wird sehr ausführlich geschaut, welche potentiellen Risiken und Nebenwirkungen eine Impfung hat. Auf Basis dieser Daten hat sich gezeigt, dass die HPV-Impfstoffe gut verträglich und sicher sind.“
Dem online kursierenden Vorwurf, HPV-Impfungen seien nicht effektiv, widerspricht Weg-Remers und verweist auf zwei große Registerstudien: Im Rahmen einer Studie im „New England Journal of Medicine“ aus dem Jahr 2020 wurden über 1,5 Millionen Mädchen und junge Frauen in Schweden über mehrere Jahre untersucht. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass vor ihrem 17. Lebensjahr geimpften Frauen ein um 88 Prozent geringeres Risiko für Gebärmutterhalskrebs hatten als die ungeimpfte Kontrollgruppe.
Die zweiten Studie, die im Jahr 2021 in „The Lancet“ veröffentlicht wurde, konnte zudem nachweisen, dass die Risikoreduktion umso deutlicher ausfällt, je jünger Mädchen zum Zeitpunkt der Impfung seien. Das lässt sich mit der Tatsache erklären, dass eine Infektion mit HPV meistens durch Sexualkontakte geschieht und somit eine Impfung vor jeder sexuellen Aktivität am effektivsten ist.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sammelt alle gemeldeten unerwünschten Nebenwirkungen nach Impfungen in Deutschland. Basierend auf diesen Daten konnten keine schweren Nebenwirkungen in Zusammenhang mit der HPV-Impfung nachgewiesen werden, wie eine umfassende Übersicht über diverse Studien aus dem Jahr 2018 belegt.
Auch das Global Advisory Committee on Vaccine Safety der WHO kam in einer Bewertung aus dem Jahr 2017 zu einem ähnlichen Ergebnis: Auf Basis von mittlerweile über 270 Millionen verimpften Dosen wurden lediglich erwartbare Impfnebenwirkungen verzeichnet. Als häufig auftretende Nebenwirkungen nach einer HPV-Impfung wurden genannt: Reaktionen an der Einstichstelle (Schwellung, Rötung oder Schmerzen), Kreislaufprobleme, Schwindelgefühle, Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Schmerzen am Arm.
Unfruchtbarkeit, wie von Michael Spitzbart in sozialen Medien behauptet, wurde weder vom PEI noch von der WHO als beobachtete Impfnebenwirkung verzeichnet, fasste das RKI in einem Antwortkatalog zum Thema zusammen.
Irreführende Aussagen zu Inhaltsstoffen und Nebenwirkungen
In dem online verbreiteten Text wird behauptet, HPV-Impfstoffe enthielten „Aluminiumhydroxid und Polysorbat 80“ – Stoffe, die „zur Schädigung der Eierstöcke und damit zur Unfruchtbarkeit“ führen könnten. Auch weitere schwerwiegende Nebenwirkungen wie Autoimmunerkrankungen werden genannt.
Susanne Weg-Remers vom KID widersprach dem: In der EU sind die HPV-Impfstoffe Gardasil, Cervarix und Gardasil 9 zugelassen, deren Inhaltsstoffe ausführlich von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) überprüft wurden. „Das, was potentiell gefährlich sein könnte, ist das Aluminium“, erklärte Weg-Remers. Aluminiumsalze, wie Aluminiumhydroxid, werden als Hilfsstoffe zur Verbesserung der Immunantwort in einigen Impfstoffen eingesetzt. Aluminiumsalze können laut Weg-Remers in großen Mengen gesundheitsgefährdend sein. „Doch die Menge, die in Impfstoffen zu finden ist, liegt weit unter den Grenzwerten, die als gesundheitlich bedenklich gelten“, fügte sie hinzu. Die auf dem Markt befindlichen Impfstoffe enthalten zwischen 0,125 und 0,85 Milligramm Aluminium pro Dosis. Zum Vergleich: Erwachsene nehmen mit ihrer Ernährung pro Tag sieben bis neun Milligramm Aluminium zu sich. Mittlerweile werde in der EU zudem hauptsächlich Gardasil 9 verimpft, da dieser Impfstoff gegen insgesamt neun HP-Viren wirke. Gardasil 9 enthält laut Beschreibung kein Aluminiumhydroxid.
Bei Polysorbat 80 handelt es sich laut EMA um einen Proteinstabilisator, der in zahlreichen Medikamenten und Impfungen eingesetzt wird. „Und auch hier kann man nach den ausführlichen Tests davon ausgehen, dass die in den Impfstoffen enthaltene Menge unbedenklich ist“, sagte Weg-Remers. „Die ganzen Langzeit- und Spätfolgen, auf die Herr Spitzbart Bezug nimmt, sind in den großen Registerstudien nicht beobachtet worden“, fasste Weg-Remers zusammen. „Es gibt keine wissenschaftlich belegten Hinweise darauf, dass die Impfung zur Unfruchtbarkeit führt.“
Ein Sprecher des Nationalen Referenzzentrums für Papillom- und Polyomaviren der Uniklinik Köln antwortete auf AFP-Nachfrage per E-Mail am 27. November 2024: „Die zitierten Beiträge aus Social Media können keinerlei evidenzbasierte Grundlage haben.“ Er verwies auf mehrere aktuelle Studien zu HPV-Impfstoffen, in denen deren Effektivität und Sicherheit bestätigt wurde.
Eine Ausgabe des „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“, das vom PEI herausgegeben wird, thematisierte das Thema HPV-Impfungen im Jahr 2018 umfassend und fasste diverse Studien zusammen. Im Fazit heißt es dort: „Der aktuelle Forschungsstand weist auf ein gutes Sicherheitsprofil bei weiblichen wie männlichen Impflingen hin“. Zudem gebe es „keine Anhaltspunkte für einen kausalen Zusammenhang zwischen HPV-Impfung und Autoimmunerkrankungen“. Aus dem Bulletin geht hervor, dass Unfruchtbarkeit als mögliche Impfnebenwirkung in keiner der Studien festgestellt wurde.
Den von Spitzbart implizierten Zusammenhang zwischen mehr geimpften Personen und einer zunehmenden Anzahl an Kinderwunschkliniken wies Weg-Remers zudem als unwissenschaftliche Spekulation zurück: „In den großen Registerstudien hat man einige hunderttausend Mädchen und Frauen über mehrere Jahre nachbeobachtet“, erklärte sie. „Dabei wurde nicht festgestellt, dass die Gruppe der Geimpften häufiger unfruchtbar war als die Ungeimpften.“
Eine Zunahme an Kinderwunschbehandlungen könne man in vielen Ländern Europas beobachten, doch es gebe keinen wissenschaftlich belegten Zusammenhang zu Impfungen. „Unfruchtbarkeit ist ein komplexes Geschehen, das von vielen Faktoren beeinflusst werden kann“, erklärte Weg-Remers. So habe sich das Alter, in dem Frauen durchschnittlich ihrem Kinderwunsch verfolgen, zuletzt immer weiter nach hinten verschoben. „Es ist bekannt, dass die Fruchtbarkeit in jungen Jahren am größten ist und ab 30 sukzessive abnimmt.“
Unwissenschaftliche Gesundheitstipps
In dem online kursierenden Beitrag wird außerdem behauptet, ein starkes Immunsystem sei ein völlig ausreichender Schutz vor einer HPV-Erkrankung. Susanne Weg-Remers vom KID sieht das kritisch: „Es ist sicherlich nicht verkehrt, sein Immunsystem zu stärken, indem man gesund lebt, sich gesund ernährt, sich an der frischen Luft bewegt und so weiter“, sagte sie gegenüber AFP. Ein gutes Immunsystem allein verhindere aber nicht, sich mit HP-Viren infizieren zu können.
Auch die HPV-Impfung bietet keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Erkrankung mit Gebärmutterhalskrebs, verringert aber deutlich das Risiko einer Erkrankung. Darum seien regelmäßige Vorsorgetermine auch für geimpfte Personen wichtig. „Wenn eine Krebsvorstufe früh erkannt wird, kann diese auch behandelt werden und damit die Erkrankungshäufigkeit an Gebärmutterhalskrebs ganz deutlich gesenkt werden“, sagte Weg-Remers.
Grundsätzlich rät sie dazu, „gesundheitliche Entscheidungen wie Impfungen auf wissenschaftliche Daten zu stützen“, anstatt unbelegten Aussagen in sozialen Medien zu vertrauen.
Alle Faktenchecks zum Thema Impfungen finden sich auf der AFP-Website.
Fazit: Online kursierten irreführende Aussagen über die Sicherheit von HPV-Impfungen. Wie Fachleute auf Basis zahlreicher wissenschaftlicher Studien erklärten, gelten die HPV-Impfungen jedoch als sicher und effektiv. Ein wissenschaftlich belegter Zusammenhang zwischen Unfruchtbarkeit und der Impfung besteht nicht.