Husten bei einem Herzinfarkt? Fachleute warnen vor dieser Technik

Es klingt nach einer simplen Erste-Hilfe-Maßnahme: In einem Kettenbrief in Sozialen Netzwerken empfiehlt ein angeblicher Notarzt eine Technik gegen Herzinfarkt. Wer so einen erleide und alleine sei, müsse nur alle zwei Sekunden einen tiefen Atemzug nehmen und anschließend stark husten. Die „heftigen Hustenbewegungen“ würden das Herz drücken und das Blut im Kreislauf halten. „Erzähl dies so vielen anderen Leuten wie möglich! Es könnte deren Leben retten!!!“, wird in dem Kettenbrief appelliert. Allein ein Beitrag auf Telegram wurde mehr als 330.000 Mal angezeigt.

Doch diese Behauptung stimmt nicht. Der Brief kursiert in abgewandelter Form bereits seit 1999 – auch als vermeintliche Empfehlung eines US-amerikanischen Krankenhauses oder eines Kardiologen. 

Fachleute warnen vor der Technik: Tiefes Husten und Atmen helfe bei einem Herzinfarkt nicht, es könne den Zustand sogar verschlimmern. Bei einem Herzinfarkt sollte man die Notrufnummer 112 wählen. Wer als Helferin oder Helfer vor Ort ist, sollte Erste Hilfe mit einer Herzdruckmassage leisten.

Husten-Technik bei einem Herzinfarkt laut Fachleuten nicht wirksam

Wir haben die Deutsche Herzstiftung nach einer Einschätzung der angeblichen Erste-Hilfe-Maßnahme gefragt. Die empfohlene Technik sei medizinisch weder anerkannt noch wirksam, schrieb uns Christiane Tiefenbacher, Vorstandsmitglied der Stiftung und Chefärztin der Klinik für Kardiologie am Marienhospital Wesel. „Einen Thrombus [Blutgerinnsel, Anm. d. Red.], der zum Herzinfarkt geführt hat, kann man nicht per Husten und Atmen wieder loslösen.“ Im Einzelfall könnten durch solche Techniken vielleicht gefährliche Herzrhythmusstörungen in der Anfangsphase beendet werden, noch bevor es zu Kammerflimmern kommt – dies sei aber kein zuverlässiges Verfahren.

Moritz Seiffert, Leitender Oberarzt am Universitäres Herz- und Gefäßzentrum in Hamburg, schrieb uns: „Die Technik ist mir nicht bekannt und auch keine Leitlinien oder Empfehlungen, die dieses Vorgehen empfehlen würden.“ Er kenne auch keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die das Vorgehen unterstützen oder seine Wirksamkeit bei einem Herzinfarkt belegen würden.

Erste Hilfe bei einem Herzinfarkt: 112 rufen, als Helferin oder Helfer Herzdruckmassage beginnen

Die Husten-Technik könne sogar gefährlich sein, schrieb uns Tiefenbacher: „Bei einem Herzinfarkt kann sich durch das Husten und verstärkte Atmen im schlimmsten Fall die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels noch weiter verschlechtern und das Herz zusätzlich belasten.“ Zudem ginge durch solche Techniken wichtige Zeit verloren. „Bei Verdacht auf Herzinfarkt muss sofort mit dem Notruf 112 der Rettungsdienst gerufen werden“, so Tiefenbacher. 

Möglichst schnell den Notruf zu betätigen, sei elementar, schrieb uns auch Seiffert: „Jede Verzögerung ist potentiell lebensgefährlich, dies beinhaltet auch etwaige Husten-Manöver.“ Bis der Rettungsdienst eintreffe, sollte man sich, wenn möglich, Hilfe suchen. So lauten auch die Empfehlungen des Deutschen Roten Kreuzes und des Malteser Hilfsdienstes.

Nach dem Anruf sollten Helfende am besten selbst Ruhe bewahren und beruhigend auf die betroffene Person einwirken, schreiben die Malteser. Zudem sollte man die Person in eine bequeme Lage bringen, den Oberkörper etwas erhöhen und beengende Kleidungsstücke öffnen, um die Atmung zu erleichtern. Wie man eine Herzdruckmassage richtig ausführt, erklärt die Deutsche Herzstiftung in diesem Video (ab Minute 1:10).

Kettenbrief mit der Husten-Technik bei einem Herzinfarkt kursiert seit Jahren in Sozialen Netzwerken

Eine Google-Suche mit den Stichworten „Kettenbrief Husten Herzinfarkt“ zeigt: Der Kettenbrief kursiert seit Jahren. 2018 erschien ein Artikel der österreichischen Zeitung Der Standard. Laut einem RTLBeitrag von 2017 erhielten damals 10.000 Personen den Kettenbrief per Whatsapp. 

Laut Michael Wichert, Pressesprecher der Deutschen Herzstiftung, wurde der Kettenbrief schon 1999 verbreitet, damals mit der Behauptung, es handle sich um eine Empfehlung des US-amerikanischen Rochester General Hospital in New York. Das Krankenhaus dementierte dies in einer Stellungnahme und riet ebenfalls von der Methode ab. In Sprechstunden der Herzstiftung, so schrieb Wichert, habe es immer wieder Anfragen zu dem Kettenbrief gegeben. Man rate den Personen dann, die Informationen nicht weiterzuleiten oder zu befolgen, und verweise auf Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Verdacht auf Herzinfarkt und Herzstillstand, die den medizinischen Leitlinien folgen.

Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Empfehlungen zur Ersten Hilfe bei einem Herzinfarkt, Deutsche Herzstiftung: Link 
  • Erste Hilfe bei Herzinfarkt, Malteser Hilfsdienst: Link
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Gesundheit

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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