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Keine Reanimation – Demonstrationsteilnehmer war bewusstlos

Bei einer linken Demonstration in Berlin hat es Festnahmen gegeben, die Polizei spricht von 24 verletzten Einsatzkräften. Teilnehmer wiederum werfen der Polizei Gewalt vor. In einigen Beiträgen im Netz ist sogar davon die Rede, dass ein Demonstrationsteilnehmer wiederbelebt werden musste. Was ist dort vorgefallen?

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Laut mehreren Quellen, darunter Polizei und Sanitäter, musste bei der Demonstration keine Person reanimiert werden. Medien haben Berichte dazu nachträglich korrigiert.

Fakten

Jedes Jahr im Januar gibt es zum Gedenken an die Ermordung der kommunistischen Politiker Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Jahr 1919 in Berlin Veranstaltungen und Demonstrationen aus dem linken Spektrum. Eine Demonstration am 12. Januar 2025 wurde von Auseinandersetzungen mit der Polizei und Festnahmen begleitet. Und, glaubt man einigen Social-Media-Beiträgen, auch von einem Demonstranten, der von der Polizei so schwer verletzt worden sei, dass er wiederbelebt werden musste.

Ein entsprechender Vorwurf wurde zum Beispiel in einem Beitrag auf X erhoben, dem ein kurzes Video anhängt. Zu sehen sind Sanitäter, die von Polizisten und Planen abgeschirmt werden und offenbar eine Behandlung durchführen. Dazu heißt es in dem Beitrag: «Auf der LL Demo wird nach dem Angriff der Bullen ein Teilnehmer mit Herz Muskel Massage und Atemgerät wiederbelebt» (Schreibweise im Original).

Ein ähnlich lautender Vorwurf wird in einem englischsprachigen X-Beitrag von «red.» erhoben. Dem US-Außenministerium zufolge handelt es sich bei dem Medium um eine vom russischen Staatssender RT betriebene Plattform aus Berlin. «red.» veröffentlichte zudem ein weiteres Video von der Szene, schrieb in diesem Zusammenhang aber nur von einer bewusstlosen Person.

Die falsche Behauptung fand sich zunächst auch in einem Bericht der «Berliner Zeitung», wurde von dieser aber später korrigiert. Nun heißt es in einem Hinweis unter dem Text: «Tatsächlich war die Person ohnmächtig und benötigte intensive medizinische Betreuung, eine Wiederbelebung war jedoch nicht erforderlich.» Auch auf dem X-Account, der das Video verbreitet, wurde die Angabe später richtiggestellt.

Sanitäter widersprechen Polizei nur in einem Punkt

Das deckt sich mit weiteren Angaben, etwa vom «Sanitätskollektiv Berlin» auf X: «Entgegen diverser Berichte gab es auf der diesjährigen Luxemburg-Liebknecht-Demo keine #Reanimation. Die Person wurde durch uns als Sanitätsdienst versorgt und befand sich zu keiner Zeit in akuter Lebensgefahr.» Das Sanitätskollektiv stellt laut eigener Beschreibung Sanitätspersonal für Veranstaltungen und auch für Demonstrationen, ist aber kein Rettungsdienst.

Die Angaben der Sanitäter decken sich weitgehend mit Einschätzungen der Polizei. Laut einer Pressemitteilung «wurde ein Teilnehmer des Aufzugs kurzzeitig bewusstlos, so dass ausgebildete Rettungssanitäter der Polizei an den Mann zur Ersthilfe herangeführt wurden».

Die Sanitäter widersprechen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) lediglich der Formulierung der Polizei-Pressestelle, wonach es sich um «Sanitäter der Polizei» gehandelt habe: «Das im Verlauf der Behandlung eintreffende Sanitätspersonal der Berliner Polizei bot Unterstützung an, welche jedoch unsererseits ausgeschlagen wurde, da eine adäquate Patientenversorgung zu diesem Zeitpunkt bereits gewährleistet war. Im Anschluss wurde die Person von unseren Einsatzkräften an einen durch die Berliner Polizei alarmierten RTW der Berliner Feuerwehr übergeben.»

Verletzte Polizisten und Demonstranten

Laut Polizeiangaben wurde im Krankenhaus die Identität des Mannes geprüft, wobei ein offener Haftbefehl festgestellt wurde. Der Mann sei dann der Justiz überstellt worden.

Zu der medizinischen Behandlung kam es den Angaben zufolge nach Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Diese schreibt, dass sie «unmittelbaren Zwang in Form von Schieben, Drücken und Schlägen» sowie «Tritte, Mehrzweckschlagstöcke sowie Reizstoffsprühgeräte» eingesetzt habe. Bis zu 350 Demonstranten wiederum hätten laut der Polizei Einsatzkräfte tätlich angegriffen, unter anderem «mit Fahnenstangen gezielt gegen Kopf und Hals» sowie mit Tritten.

Die Polizei schrieb später von 24 verletzten Einsatzkräften während des gesamten Versammlungsgeschehens am 12. Januar. 23 davon hätten den Dienst fortsetzen können. Es habe 31 Festnahmen und 34 Strafanzeigen gegeben. Eine genaue Zahl von verletzten Demonstranten ist nicht bekannt. Das Sanitätskollektiv schreibt auf dpa-Anfrage, man habe eine mittlere zweistellige Zahl von Menschen «unter anderem wegen Augenreizungen, Augenverletzungen, Kopfverletzungen, Frakturen und Prellungen» behandelt.

Widersprüchliche Aussagen zur Frage nach der Ursache

Zum Fall der bewusstlosen Personen schreiben die Sanitäter: «Beim Eintreffen unserer Einsatzkräfte befand sich die Person in einer polizeilichen Maßnahme – ob diese für den gesundheitlichen Zustand der Person ursächlich war, mögen wir nicht zu beurteilen. Unseren behandelnden Einsatzkräften gegenüber verweigerten die Beamten der Polizei auf wiederholte Nachfrage Auskünfte zu den der Behandlungssituation vorausgegangenen Geschehnissen.»

Laut Ferat Koçak, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses (Linke), hätten Polizisten mehrmals auf das Gesicht der Person eingeschlagen. Die Polizei schrieb auf dpa-Anfrage: «Es liegen keine Hinweise dazu vor, dass es zu einem übermäßigen Einsatz polizeilicher Gewalt kam.»

Auf X kursieren Videos, die die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten im Berliner Stadtteil Friedrichshain zeigen. Ein konkreter Vorfall mit der später bewusstlosen Person ist aber nicht zu erkennen. Die Aufnahmen stammen von der Frankfurter Allee auf Höhe der U-Bahnstation Samariterstraße.

Die Chronologie, in der sie auf einem X-Account veröffentlicht wurden, legt nahe, dass auch das Video vom Einsatz der Sanitäter dort entstand. Gegenüber dpa schreiben sowohl das Sanitätskollektiv als auch die Polizei, dass die vermeintliche Wiederbelebung sich auf den Vorfall an diesem Ort beziehe. Der Zeitpunkt war demnach zwischen 11:30 und 11:45 Uhr.

Hinweise, dass sich die Social-Media-Beiträge über eine angebliche Wiederbelebung auf einen möglichen anderen medizinischen Vorfall an diesem Tag beziehen, gibt es demnach nicht.

(Stand: 20.1.2025)

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Politik

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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