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Nein, dieses scheinbar offene Schloss beweist keine Unregelmäßigkeiten bei der Wahl

Hunderte User haben das Bild eines scheinbar offenen Wahlschlosses bei der Stimmabgabe von Armin Laschet (CDU) gezeigt. Dazu zitieren User einen Wikipedia-Artikel über die Wahlregeln, in dem von „geschlossenen Wahlurnen“ die Rede ist. Die tatsächlichen Wahlregeln geben nicht genau vor, wie die Urne geschlossen werden muss. Urnen werden bei der Wahl von den Wahlhelferinnen und Helfern überwacht.

Hunderte User haben am Wahltag das Bild einer scheinbar nicht richtig verschlossenen Wahlurne auf Facebook geteilt (hier, hier). Dazu zitieren die Postings teilweise einen Wikipedia-Artikel, in dem es heißt: „Die verschlossene Wahlurne wird nach Beendigung der Wahl oder Abstimmung im Wahllokal öffentlich ausgeleert, damit die Wahl- oder Stimmzettel gezählt werden können.” Andere schreiben: “Damit müsste die Urne entleert und als ungültig erklärt werden.“

Facebook-Screenshot der Falschbehauptung: 26.09.2021

Entstanden ist das tatsächlich existierende Bild bei der Stimmabgabe des Union-Spitzenkandidaten Armin Laschet, die wegen eines falsch gefalteten Stimmzettels am Wahltag durch die Medien ging (hier, hier). Der oft verlinkte Wikipedia-Artikel existiert ebenfalls tatsächlich, und der zitierte Satz taucht darin auf.

AFP hat am 26.09.2021 beim Bundeswahlleiter nach der Urne gefragt. Ein Sprecher antwortete in einer E-Mail: „Eine abschließende Beurteilung der Sachlage hinsichtlich der Urne ist anhand des Fotos aus unserer Sicht nicht möglich.“

Zu den Wahlurnen gibt es allerdings Regelungen nach § 51 Absatz 2. Hier heißt es: „Die Wahlurne muss mit einem Deckel versehen sein. Ihre innere Höhe soll in der Regel 90 cm, der Abstand jeder Wand von der gegenüberliegenden mindestens 35 cm betragen. Im Deckel muss die Wahlurne einen Spalt haben, der nicht weiter als 2 cm sein darf. Sie muss verschließbar sein.“

Der Sprecher des Bundeswahlleiters bestätigte AFP: „Wie die Urne verschlossen werden muss, ist nicht festgelegt. Auch Siegel sind nicht vorgeschrieben. Und: Der Wahlvorstand beaufsichtigt mit mehreren Personen durchgehend die Wahlurne, sodass keine Manipulation des Inhalts möglich ist.“

Auf der Facebookseite von AFP-Faktencheck hat ein Leser außerdem auf ein Formular in der Bundeswahlordnung hingewiesen, das die Vorbereitung der Wahlurne dokumentiert. Dort lassen sich die Punkte „versiegelt“ und “verschlossen; der Wahlvorsteher nahm den Schlüssel in Verwahrung” ankreuzen. AFP hat daraufhin noch einmal beim Bundeswahlleiter zu dieser Regelung nachgefragt.

Am 1. Oktober bestätigte eine Sprecherin in einem Telefonat: Siegel und Schlösser seien nicht vorgeschrieben. „Dies ist dem Umstand geschuldet, dass es immer wieder neue Materialien und Techniken zum Verschließen gibt. Diese könnten in den wahlrechtlichen Vorschriften nicht vollumfänglich abgebildet werden“, schrieb sie auch in einer E-Mail an AFP..

Das könne dazu führen, dass die beiden Kästchen zur Versiegelung und zum Schlüsselschloss in dem Formular frei bleiben könnten. Sie seien nur eine Ergänzung. „Es gibt auch Verschlussvorrichtungen ohne Schlüssel und Siegel – zum Beispiel eine Verplombung. Dabei muss die Wahlurne wie ein Sparschwein nach der Wahl aufgebrochen werden“, sagte eine Sprecherin des Bundeswahlleiters. Solch ein Verschluss müsse anderweitig vermerkt werden. Das Formular sei dafür nur ein Muster, das in den einzelnen Regionen angepasst oder auch selbst geschrieben werden könne. Der Deckel und das Gehäuse müssten aber gemeinsam verschlossen werden und dürfen nicht vor Ende der Wahl geöffnet werden.

Fazit: Das scheinbar offene Schloss ist rechtlich kein Problem. Mehrere Personen beaufsichtigen die Urne. Posting-Autorinnen und Autoren fehlinterpretieren die Sätze eines Wikipedia-Eintrags. Das Gesetz verlangt keine „abgeschlossenen“ Wahlurnen.

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Autor(en): Max BIEDERBECK, AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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