Nein, Iphone-Besitzer sind nicht automatisch Organspender

„Leute, ganz kurz.“ So beginnt ein Tiktoker und will auf eine wichtige Einstellung beim Iphone aufmerksam machen. Angeblich macht das Iphone einen automatisch zur Organspenderin oder zum Organspender. Im sogenannten Notfallpass sei die entsprechende Funktion in den Werkseinstellungen aktiviert. Ändere man das nicht, stimme man automatisch einer Organspende zu.

Über 220.000 Aufrufe verzeichnet das Video. Einige bedanken sich in den Kommentaren für den Hinweis, ein User stellt jedoch in Frage, wie verbindlich eine solche Angabe wäre.

Ein Screenshot des Tiktok-Videos, das die Behauptung verbreitet (Quelle: Tiktok, Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Notfallpass ist auf dem Iphone nicht automatisch aktiviert 

Die Behauptung kursierte schon einmal im Jahr 2019. Mit dem Notfallpass können Rettungsdienste vom Sperrbildschirm aus auf wichtige medizinische Daten wie Allergien, Krankheiten oder Notfallkontakte zugreifen, ohne das Handy entsperren zu müssen.

Der Notfallpass ist im Iphone aber nicht automatisch aktiviert, sondern muss erst eingerichtet werden. In Deutschland erscheint darin das Feld „Organspender“. Standardmäßig ist darin aber „Keine Angabe“ ausgewählt, schreibt Apple auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck. Aber wäre ein „Ja“ oder „Nein“ überhaupt verbindlich?

Wir haben nachgeprüft: Der Notfallpass muss auf dem Iphone erst erstellt werden. Dabei kann, aber muss nicht, das Feld „Organspende“ ausgefüllt werden. (Quelle: Apple Health App, Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

BZgA: Ein Eintrag im Notfallpass ist in Deutschland keine gültige Zustimmung für eine Organspende 

Die Organspende ist in Deutschland im Transplantationsgesetz geregelt. Wer nach dem Tod Organe und Gewebe spenden möchte, muss dem zu Lebzeiten schriftlich zugestimmt oder die Zustimmung im Organspende-Register eingetragen haben. „Ist im Todesfall der Wille der verstorbenen Person nicht bekannt, werden die Angehörigen nach einer Entscheidung im Sinne der oder des Verstorbenen gefragt“, schreibt eine Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf Anfrage.

Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende kann im Organspendeausweis, in einer Patientenverfügung oder auf jedem anderen Schriftstück festgehalten werden informiert die BZgA auf einer Informationsseite zur Organspende. Wichtig sei, dass der Wille eindeutig formuliert und die Erklärung eigenhändig unterschrieben ist.

Im Notfallpass von Apple fehlt eine eigenhändige Unterschrift. „Die hinterlegten Informationen zur Organ- und Gewebespende sind so nicht rechtsgültig“, erklärt die Sprecherin der BZgA. Im Ernstfall könnten sie jedoch den Angehörigen als Hinweis dienen, um im Sinne der Verstorbenen zu entscheiden, falls kein anderes schriftliches Dokument vorliege.

Das bestätigt Marion Albers, Professorin an der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg: „Eine rechtswirksame Einwilligung in eine Organspende ist die bloße Eintragung in eine schlichte App daher nicht. Apps müssen hohen Anforderungen an Authentifizierung oder Datensicherheit genügen, damit sie für solche Einwilligungserklärungen geeignet sind, wie es etwa bei Apps der Krankenversicherungen der Fall sein soll, die mit einer GesundheitsID genutzt werden können.“ Gegebenenfalls könne man eine Eintragung zusammen mit anderen Anzeichen würdigen, um den mutmaßlichen Willen der betroffenen Person zu ermitteln.

Bei Reisen gilt die Regelung des jeweiligen Landes

In den USA sehen die Angaben zur Organspende im Iphone anders aus. Dort können sich Iphone-Nutzende direkt über die „Health App“ als Organspenderin oder Organspender registrieren. Auf der Webseite ist beschrieben, wie das funktioniert. Auch hierfür muss man sich jedoch erst anmelden – die Angabe ist nicht automatisch.

Anders als in Deutschland gilt in anderen Ländern die Widerspruchslösung bei der Organspende. Das heißt, dass alle potentiell Organe spenden können, die einer Spende zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen haben. Stirbt eine Person im Ausland, so greife die Regelung des jeweiligen Landes, nicht die des Heimatlandes, erklärt die BZgA online und empfiehlt, sich vor einem Auslandsaufenthalt über die dort geltende Regelung zu informieren und gegebenenfalls einen Organspendeausweis in der Landessprache mitführen.

Wir haben den Tiktok-Nutzer gefragt, woher er seine Informationen hat, erhielten jedoch bis zur Veröffentlichung keine Antwort.

Zu dieser Behauptung haben Teilnehmende der Community des CORRECTIV.Faktenforums recherchiert. Die Ergebnisse dienten als Grundlage für diesen Faktencheck.

Über CORRECTIV.Faktenforum kann sich jeder gegen Falschbehauptungen im Netz engagieren. Mehr zum Projekt, den Veranstaltungen und den Beteiligungsmöglichkeiten unter www.faktenforum.org.

Redigatur: Steffen Kutzner, Sophie Timmermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Transplantationsgesetz, Bundestag, letzte Änderung 22. März 2024: Link (archiviert)
  • organspende-info.de, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Link
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Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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