Im Netz werden immer wieder falsche Gesundheits-Tipps gegeben – oft steht dahinter ein kommerzielles Interesse. Aktuell wird in sozialen Medien eine Trinkflasche aus Kupfer beworben und behauptet, Wasser aus dem Gefäß würde eine Vielzahl an Krankheiten vorbeugen oder sogar heilen. Richtig ist, dass Kupfer als wichtiger Mikronährstoff im menschlichen Körper gebraucht wird. Den verschiedenen Heilsversprechen durch den Gebrauch einer Flasche aus Kupfer widersprechen aber Expertinnen und Experten.
„Kupfer ist sehr sehr gesund für den Menschen und schützt ihr [sic] vor allem.“ In Posts in den sozialen Medien wird Kupfer als Mittel gegen Verdauungsstörungen, Blutarmut und Arthritis angepriesen. Zudem soll das Metall Krebs vorbeugen, das Herz stärken und beim Abnehmen helfen. Insgesamt werden 14 positive Eigenschaften von Kupfer in einer Liste aufgeführt. Um diese gesundheitlichen Vorteile zu genießen, müsse man lediglich Wasser aus einer Kupferflasche trinken, die in einem verlinkten Online-Shop verkauft wird.
Die Behauptung wurde auf Facebook und Telegram geteilt. AFP hat in der Vergangenheit wiederholt falsche Behauptungen über angeblich heilende Eigenschaften von Lebensmitteln widerlegt, wie etwa Zitronen als Krebsmittel oder Koriander zur Heilung von Schwermetallvergiftungen.
Kupferbedarf wird ausreichend über die Nahrung gedeckt
Grundsätzlich sei Kupfer ein essenzieller Mikronährstoff, der in Spuren vom Körper benötigt wird, teilte ein Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gegenüber AFP in einer E-Mail am 23. Juni 2023 mit: „Das Metall spielt hier insbesondere bei Oxidationsprozessen eine wichtige Rolle. Da es als Element vom Körper nicht gebildet werden kann, muss Kupfer über die Nahrung von außen zugeführt werden.“
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gibt als Empfehlung (Link hier archiviert) für den täglichen Bedarf an Kupfer für Männer mit 1,6 Milligram und für Frauen mit 1,3 Milligram an. Die Bevölkerung nehme Kupfer über Lebensmittel und das Trinkwasser auf, so das BfR. Zu den besonders kupferreichen Lebensmitteln gehören Innereien wie Leber oder Nieren, einige Käsesorten, Kakao, Nüsse, Ölsaaten, Weizenkeime oder Hülsenfrüchte.
Laut der Website (Link hier archiviert) des Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) besteht jedoch kein Mangel in der Bevölkerung: „In allen Altersgruppen kann der Kupferbedarf in der Regel über die Nahrung gedeckt werden.“ Auch die Nationalen Gesundheitsinstitute der USA bestätigen (Link hier archiviert) dies: „Die typische Ernährung in den Vereinigten Staaten deckt oder übersteigt die empfohlene Tagesdosis für Kupfer. (…) Kupfermangel ist beim Menschen ungewöhnlich.“
Die Flasche besteht laut Beschreibung im Online-Shop aus reinem Kupfer, ist also nicht, wie oft bei Kupfergeschirr, mit Zinn oder Edelstahl beschichtet. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit schreibt hierzu auf seiner Website (Link hier archiviert): „Um das Herauslösen von Kupferionen (Kupferteilchen mit positiver Ladung, Anm. d. Red.) durch säurehaltige Lebensmittel zu vermeiden, haben kupferhaltige Kochtöpfe häufig zum Beispiel eine Stahlbeschichtung.“ Das BfR schrieb an AFP, dass im Fall der Flasche das Kupfer daher ein Lebensmittelkontaktmaterial (LKM) sei. Hierbei sei es grundsätzlich unerwünscht, dass das Material in das Lebensmittel übergeht und nur insofern zulässig, wenn es kein gesundheitliches Risiko darstellt. Wie viel Kupfer sich aus der Flasche in die Flüssigkeit löst, hänge davon ab, was darin gelagert wird. Warmer Tee oder saure Fruchtsäfte verhalten sich anders als etwa Wasser.
Klaus Kröncke, Biochemiker in der Medizinischen Fakultät am Universitätsklinikum Düsseldorf, geht nicht davon aus, dass sich relevante Mengen an Kupfer bei Gebrauch aus der Flasche lösen: „Aus der Wand von metallischen Kupferbehältnissen (z.B. Rohre, Becher, etc.) lösen sich einzelne wenige Kupferionen, wenn das Metall mit leicht saurem Wasser in Berührung kommt.“ Meistens läge der pH-Wert von Trinkwasser aber über dem pH-neutralen Wert von 7,0 und sei damit leicht alkalisch und nicht sauer, so der Wissenschaftler in einer Mail am 4. Juli 2023 an AFP.
Zusätzliches Kupfer hilft nicht beim Abnehmen, bei Krebs oder Schilddrüsenproblemen
Die Vielzahl an gesundheitlichen Vorteile, die durch das Trinken aus der Kupferflasche eintreten sollen, konnte AFP auf Nachfrage bei Forschenden und Gesundheitsexpertinnen und -experten nicht bestätigen.
Marc Donath, Chefarzt für Endokrinologie, Diabetologie & Metabolismus am Universitätsspital Basel, schreibt in einer Mail an AFP am 3. Juli 2023: „Alle 14 Aussagen sind wissenschaftlich nicht belegt.“ Kupfer helfe nicht beim Abnehmen oder bei der Aufnahme von Pflanzenstoffen.
Dies gelte auch für die Behauptung, Kupfer würde das Risiko für eine Krebserkrankung senken: „Es wurden keine evidenzbasierten Empfehlungen gefunden, die aussagen, dass eine zusätzliche Kupferaufnahme das Krebsrisiko reduziert“, schrieb Stefanie Klein vom Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums am 5. Juni an AFP. Zwar sei Kupfer für den Menschen ein notwendiger Bestandteil verschiedener Enzyme und essenziell beim Eisenstoffwechsel, jedoch solle „eine Nahrungsergänzung nicht mittels Wasser aus einer Kupferflasche geschehen“, so die Sprecherin des KID.
Matthias Schmidt, Oberarzt für Nuklearmedizin an der Uniklinik Köln, weist auf eine Studie aus dem Jahr 2022 (Link hier archiviert) hin, die besagt, ein Mangel an Kupfer könnte die Schilddrüsenzellen unter „oxidativen Stress“ setzen. Eine Therapie mit Kupfer sei dazu aber nicht etabliert. „Wer ein Kupfergefäß schön findet, kann sich ja gerne ein solches zulegen. Einen Beleg für einen gesundheitsförderlichen Effekt auf die Schilddrüse durch Trinken aus einem Kupfergefäß kenne ich nicht“, so Schmidt in einer E-Mail an AFP vom 3. Juli 2023.
Michael Hermann, Vorstand der Chirurgischen Abteilung der Klinik Landstraße in Wien, sieht dies ähnlich: „Kupfer hat nichts mit der Schilddrüse zu tun, bzw. braucht die Schilddrüse kein Kupfer, sondern nur Jod“, schreibt Hermann in einer Mail an AFP am 3. Juli 2023. Einen positiven Effekt auf die Schilddrüse durch Wasser aus einer Kupferflasche gebe es auch seines Wissens nach nicht.
Keine Vorteile bei der Melaninproduktion, Anämie, Arthritis oder Herzkrankheiten
Zusätzliches Kupfer habe keine positiven Effekte auf die Melaninproduktion, wie behauptet wird: „Ich kann bestätigen, dass das wichtigste Enzym der Melaninsynthese, die Tyrosinase, Kupfer als Kofaktor benötigt, aber ich kenne keinen Kupfermangel, der zu Melanin-Problemen führen könnte, offensichtlich reicht unsere normale Nahrung völlig aus, wenn wir auch im Schnitt etwas weniger davon aufnehmen, als wir sollten“, so Michael Bader, Professor für Molekularbiologie am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin in einer Mail an die Redaktion am 3. Juli 2023. Bei Kupfer sei eine Überdosis gefährlicher als ein leichter Mangel und Nahrungsergänzung sei deshalb mit Vorsicht zu genießen.
Martina Muckenthaler, Leiterin des Zentrums für Translationale Biomedizinische Eisenforschung am Universitätsklinikum Heidelberg und Expertin für seltene Anämien, schrieb AFP am 23. Juni 2023, dass Kupfer tatsächlich benötigt werde, um ausreichend Eisen aus Zellen zu exportieren und dem Blutkreislauf für die Bildung roter Blutzellen zur Verfügung zu stellen. „Allerdings ist es bei gesunden Menschen nicht bekannt, dass das Kupfer, das über die Nahrung aufgenommen wird nicht dafür ausreichen würde. Eine zusätzliche Kupferzufuhr trägt daher nicht zur Korrektur einer bestehenden Anämie bei“, so Muckenthaler.
„Es gibt Daten (Link hier archiviert), die eine Kupferdefizienz (Kupfermangel, Anm d. Red) bei Patienten mit Arthritis zeigen konnten. Therapieansätzen mit Kupferarmbändern zum Beispiel konnten keinen positiven Effekt bei der Behandlung zeigen“, schrieb Jörg Henes, ärztlicher Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Klinische Immunologie, Rheumatologie und Autoimmunerkrankungen (INDIRA), am 3. Juni per E-Mail an AFP. Auch könne ein Kupfermangel die Gefahr von Infektionen, kardiovaskulärer Erkrankungen und Osteoporose erhöhen. „Ob das Trinken aus einem Kupfergefäß einen Effekt hat, wage ich sehr zu bezweifeln“, so der Wissenschaftler.
In Bezug auf Herzkrankheiten spiele Kupfer eine äußerst untergeordnete Rolle, da es keine relevanten „klinischen Hinweise und Studienevidenz“ gebe, schrieb Axel Preßler, Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin und Experten für Sportkardiologie, am 3. Juli 2023 an AFP. Zwar könne „ein chronischer Kupfermangel rein theoretisch auch Herzerkrankungen wie Herzschwäche oder auch Verkalkungen der Gefäße zumindest mitbedingen“, jedoch sei dies im Alltag ein sehr untergeordneter Faktor, so Preßler. Um einen normalen Kupferwert im Blut zu erreichen, kann der Herzspezialist die Kupferflasche nicht empfehlen: „Aus einem Kupfergefäß würde ich aber sicher nicht trinken, auch wenn ich weiß, dass es diese etwas mittelalterlich anmutenden Theorien gibt. Kupfer wird in aller Regel ausreichend mit der Nahrung aufgenommen, und ein Gefäß birgt für mich eher die Gefahr einer Überdosierung beziehungsweise einer unkontrollierten Aufnahme.“
Gehirnfunktionen und Verdauung
Gerd Kempermann ist Gruppenleiter am Center for Regenerative Therapies Dresden (CRTD) und forscht zu Neurogenese, also der Bildung von Nervenzellen. Er schrieb AFP am 3. Juli 2023 in einer E-Mail von einer Studie aus dem Jahr 2022, laut der hohe lokale Kupferspiegel in bestimmten Hirnarealen die Bildung von Nervenzellen fördern könnten. „Die Studie ist aber nicht sehr stark“, so Kempermann. Auf der anderen Seite gibt es zwei andere Studien, die einen Kupfermangel für die Neubildung von Nervenzellen für förderlich halten. „Letzteres erscheint mir deutlich plausibler.“ (Links zu den Studien hier, hier und hier archiviert)
Laut Kempermann sei Kupfer wichtig für das Gehirn und Störungen im Kupferhaushalt seien mit Problemen behaftet. „Aber die Situation ist komplex, weil zum Beispiel sowohl Kupferdefizienz als auch -überschuss in Verbindung mit der Alzheimer- oder der Parkinsonkrankheit gebracht worden sind“, so Kempermann. Zu einem Nutzen durch zusätzliche Aufnahme sei dem Forscher nichts bekannt. Zu einer Verjüngung des Gehirns trage das Element nicht bei.
Für Martin Storr, Facharzt für Innere Medizin und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sind die positiven Effekte von Kupfer auf die Verdauung eine „Unfugsbehauptung“. Eine gesundheitsförderliche Wirkung auf die Verdauung sei nicht bekannt. Auch er sieht eher die Gefahr einer Überdosierung von Kupfer, die Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen zur Folge haben könnte. „Mein Fazit: Wer sich nicht schaden will, soll das eher unterlassen“, so Storr in einer E-Mail an AFP am 4. Juli 2023.
Thomas Frieling, ärztlicher Direktor der Helios Privatklinik Krefeld und Professor für Innere Medizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, sieht ebenfalls alle Behauptungen in den Beiträgen zu Kupfer als falsch an: „Alle aufgeführten Aussagen sind wissenschaftlich nicht belegt und aus schulmedizinischer Sicht nicht zu empfehlen, da sie keinen nachweisbaren klinischen Nutzen haben“, erklärt er schriftlich am 3. Juli 2023.
Auch dem Bundesinstitut für Risikobewertung liegen keine wissenschaftlich ermittelten Belege zu den 14 genannten therapeutischen und gesundheitsfördernden Wirkungen von Kupfer vor.
Antibakterielle Eigenschaften
In den Postings wird zudem behauptet, „Kupfer desinfiziert sich alle 8 Stunden von selbst, Kupfer ist giftig für Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen“ und „Kupfer wirkt Antibakteriell“. Hierfür gibt es tatsächlich wissenschaftliche Hinweise. Eine Studie aus dem Jahr 2012 legt nahe, dass Kupfer tatsächlich eine antibakterielle Wirkung hat. Im Fachmagazin (Link hier archiviert) Journal of Health, Population and Nutrition haben Wissenschaftler Wasser mit Salmonellen, Cholera- und Coli-Bakterien versetzt und über Nacht in einem Kupfergefäß aufbewahrt. Laut der Studie war es nach 16 Stunden nicht möglich, überlebende Bakterien im Wasser zu finden. Die Studie gibt ebenso an, dass die Menge an Kupfer, die sich während des Experiments im Wasser gelöst hat, im Durchschnitt bei 177 ppb (Teile Kupfer pro eine Milliarde Teile Wasser) lag. Dies liegt weit unter der maximalen Menge von 1300 ppb, die United States Environmental Protection Agency (EPA) für Trinkwasser festgelegt hat.
Weiter wird im Beitrag auf Facebook behauptet: „Türklinken würden sich immer wieder von selbst reinigen, deshalb gab es früher Türklinken und viele Materialien aus Kupfer.“ Einen ähnlichen Effekt kann Klaus Kröncke bestätigen. „Was man aber über metallisches Kupfer weiß: Es wirkt, wie Silber, antibakteriell, indem es verhindert, dass sich Bakterien an der Kupferoberfläche festsetzen und vermehren. Kupferionen können Bakterien auch direkt abtöten. Da bestimmte Bakterien zu einer Diarrhö führen können, wäre dies also höchstens ein indirekter Effekt von Wasser aus Kupfergefäßen.“
Fazit: Wasser aus Kupferflaschen ist kein Heilmittel gegen eine Vielzahl an Krankheiten. Zwar braucht der Mensch Kupfer für verschiedene lebenswichtige Prozesse im Körper, das Metall wird aber über die Nahrung ausreichend aufgenommen. Eine zusätzliche Aufnahme von Kupfer hat keine Vorteile für die Gesundheit. Dies bestätigten Forschende der AFP.