Fein säuberlich in Dreierreihen liegen dutzende Säcke Zement auf einem LKW-Parkplatz. Der Mann, der sie dort hingelegt hat, will einen Punkt klar machen: Windräder zerstören das Klima. Warum, das rechnet er Schritt für Schritt in einem Video vor. Der Clip verbreitet sich auf Facebook, Instagram, Tiktok und Youtube.
Ein einziges Windradfundament, so seine Rechnung, bestehe aus 21.000 Säcken Zement und habe einen Fußabdruck von rund 315 Tonnen CO2. Und das bei einer „Produktivität“ von 18 bis 22 Prozent, wie er sagt. Damit ist offenbar gemeint, wie häufig ein Windrad in Betrieb ist und wie lange es stillsteht. All das sei eine „mittlere Katastrophe“, sagt er.
Bei dem Mann handelt es sich um Werner Haller. Ein Unternehmer, der sich mit dem Video und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegen ein Windkraftprojekt im Altdorfer Wald in Baden-Württemberg positioniert. „Windenergie ist im Prinzip keine schlechte Idee. Aber nicht an diesem Standort“, sagte er gegenüber der AFP.
Wir haben Expertinnen und Experten befragt, ob Hallers Zahlen stimmen und wie sich Zement als Baustoff in Windkraftanlagen auf deren CO2-Bilanz auswirkt. Das Fazit: Die Rechnung stimmt zwar in etwa. Doch Windkraft ist trotzdem klimafreundlich. Denn über eine relativ kurze Laufzeit spart ein Windrad deutlich mehr CO2 ein, als bei seinem Bau verursacht wird.
Werner Haller verkauft gebrauchte Betonmischer
Im Video sind als Teil der Kulisse weiß-blau gestreifte Betonmischer zu sehen. Teilweise sind an den Maschinen die Rechnungen über den benötigten Zement und dessen CO2-Abdruck befestigt. In den Kommentaren auf Facebook findet sich ein Hinweis auf den Aufnahmeort: „Das im Hintergrund ist Obstgroßmarkt und Landmaschinenwerkstatt der Baywa in Ravensburg“, schreibt ein Nutzer. Auf Satellitenbildern finden wir in der Nähe dieses Unternehmens die blau-weißen Betonmischer. Neben der Baywa ist auf dem Gelände auch die Firma „Werner Haller Baumaschinen- und Nutzfahrzeughandel“ angesiedelt.
Auf Instagram finden wir ein Profil unter dem Namen Werner Haller, das denselben Mann wie im Video zeigt. Dort wurde Ende August bereits das Video in voller Länge geteilt. Es finden sich außerdem weitere Videos, in denen sich Haller gegen Windkraft positioniert.
Darunter Videos von September, in denen ein Flugzeug zu sehen ist, das ein Banner mit der Aufschrift „285 Meter“ hinter sich her zieht – das soll der Höhe entsprechen, die geplante Windräder im Altdorfer Wald hätten. Auch für diese Aktion soll Haller verantwortlich sein. In einem Beitrag über die Banner-Aktion stellt er eine Webseite vor, auf der verschiedene Youtube-Videos von ihm aufgelistet sind. Auch das über den CO2-Abdruck der Zementfundamente. Gegenüber der AFP bestätigte Haller, dessen Urheber zu sein.
Tatsächlich werden hunderte Kubikmeter Zement für ein Windradfundament gebraucht
Für das Fundament eines Windrads würden 1.500 Kubikmeter Beton benötigt, sagt Haller im Video. Beton besteht typischerweise aus Wasser, Zement, Zusatzstoffen und Gestein wie Sand, Kies oder Splitt und wird als Baumaterial verwendet.
Für einen Kubikmeter Beton wiederum würden 350 Kilogramm Zement benötigt. Der dient im Beton, grob gesagt, als Bindemittel für Wasser und wird, wenn er austrocknet, hart. Rund 60 Prozent eines Sacks Zement seien „reiner CO2-Abdruck“, sagt Haller, und meint damit wahrscheinlich die Menge des Treibhausgases, die während dessen Gewinnung verursacht wird. Zement wird über den Abbau von Rohmaterialien in Steinbrüchen und die anschließende Erhitzung auf 1.400 bis 1.500 Grad sowie weitere Verarbeitungsschritte gewonnen.
Nach den Aussagen Hallers werden bei der Herstellung von rund 100 Kilogramm Zement 60 Kilogramm CO2 verursacht. Beim Bau einer Windkraftanlage, für die 525 Tonnen Zement benötigt würden, wären das also CO2-Emission von etwa 315 Tonnen.
Die Angaben seien „annähernd passend“, schreibt uns Inna Eck, Marketing-Leiterin am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES). Auch Holger Ohlenburg sieht das so. Er ist Referent für naturverträgliche Windenergie am Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende. Die Angaben seien „zumindest nicht gänzlich abwegig“, schreibt er.
Je nach Untergrund und Anlagentyp können die genauen Mengen an Beton für das Fundament einer Windkraftanlage variieren: Der Beton- und Zementhersteller Dyckerhoff rechnet in einem Beitrag von 2018 mit rund 1.000 Kubikmetern pro Windrad. Das Bauunternehmen Max Bögl schrieb 2016 von 650 Kubikmetern, die Industriemeistervereinigung Kassel e. V. rechnete 2022 mit 1.300 Kubikmetern. Auch 1.500 Kubikmeter benötigter Beton, die im Video angegeben werden, seien bei größeren Anlagen laut Ohlenburg nicht abwegig.
Beton besteht zu rund 13 Prozent aus Zement, dessen Produktion verursacht pro Tonne 600 Kilogramm CO2
Beton besteht, auch das gibt Haller richtig an, zum Teil aus Zement. Die Frage, wie groß dieser Teil ist, hängt von der Art des Betons ab. Holger Ohlenburg schreibt uns, dass bei den Fundamenten von Windrädern typischerweise sogenannter Transportbeton (Festigkeitsklasse C 30/37) eingesetzt werde. Der wird in fahrbaren Betonmischern transportiert, wie sie auch in dem Video auf Facebook zu sehen sind.
Das Gewicht von Transportbeton macht zu gut 13 Prozent der Zement aus. Wie bei anderem Beton auch, besteht er darüber hinaus aus Kies, Sand, Wasser und weiteren Zuschlagstoffen, so Ohlenburg.
Im Video rechnet Haller mit einem Fundament aus 1.500 Kubikmetern Beton. Bei einem Transportbeton der Festigkeitsklasse C 30/37 heißt das, dass etwa 448,5 Tonnen Zement benötigt werden, etwas weniger als die behaupteten 525 Tonnen.
Richtig ist, dass pro Tonne Zement 0,6 Tonnen CO2 ausgestoßen werden. So steht das auf der Webseite der internationalen Energieagentur und so bestätigt das auch Holger Ohlenburg. Für das Windrad mit dem Fundament aus 1.500 Kubikmetern Beton heißt das, dass 269,1 Tonnen CO2 ausgestoßen werden. Im Video rechnet Haller mit 315 Tonnen CO2 pro Fundament, also mit rund 15 Prozent mehr.
Die verursachten Emissionen müssen in Relation zum erzeugten Strom gesetzt werden
Um zu beurteilen, wie klimafreundlich Windkraft ist, muss auch der laufende Betrieb betrachtet und mit anderen Kraftwerkstypen verglichen werden.
Inna Eck vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme schreibt: Ein Windrad entlasse über seine Laufzeit insgesamt viel weniger CO2 in die Atmosphäre als Anlagen aus nicht-regenerativen Quellen, also zum Beispiel Öl- und Gasanlagen.
Eine Übersicht dazu veröffentlichte das Umweltbundesamt (Microsoft Excel Datei). Sie zeigt: Bei Windrädern fallen je nach Standort 10 bis 18 Gramm CO2 pro Kilowattstunde an. Darin sind CO2-Emissionen, die beim Bau entstehen, bereits eingerechnet. Auch die Installation, Kabel, Umspannwerke und Nutzung und Wartung wurden für diesen Wert berücksichtigt. Bei Erdgasanlagen-, Öl- und Kohleanlagen liege der Wert um ein Vielfaches höher. Bei einer Braunkohleanlage sind es bis zu 1.042 Gramm, also ein Hundertfaches. Eine Studie des UN-Weltklimarates (Seite 1335) rechnete 2014 mit einem Medianwert von 11 Gramm.
Haller sagt auch, Windkraftanlagen hätten nur eine „Produktivität“ von 18 bis 22 Prozent. Damit ist offenbar gemeint, dass Windkraftanlagen nicht permanent mit maximaler Leistung laufen. Das ist richtig. In seiner Studie von 2022 zur Ökobilanz von Windenergie rechnet das Umweltbundesamt mit 1800 Volllaststunden im Jahr – die Zahl bezeichnet den Nutzungsgrad der Windräder beziehungsweise wie viele Stunden eine Anlage in einem Jahr bei voller Kapazität laufen würde. Für ein Jahr entspricht das 20,5 Prozent. Die Zahl deckt sich mit einer Angabe der Volllaststunden für das deutsche Binnenland von Statista. In Norddeutschland läge der Wert demnach höher.
CO2-Emissionen meist innerhalb eines Jahres kompensiert
Was Haller aber außer Acht lässt: Windkraftanlagen kompensieren dennoch meist schon im ersten Jahr die CO2-Emissionen, die über den gesamten Lebenszyklus entstehen. Forschende der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg von 2021 errechneten, dass es in Europa durchschnittlich 6,1 Monate dauere, bis ein Windkraftwerk CO2 einspare. Für Deutschland lag der Wert bei 7,2 Monate. Eine Studie der FH Münster von 2023 rechnet mit 6 bis 14 Monaten.
Fazit: Der Ersteller des Youtube-Videos rechnet zwar grob richtig vor, wie viel Beton und damit wie viel Zement im Fundament eines Windrads steckt. Auch seine Angaben über den CO2-Abdruck dieses Zements stimmen. Doch er lässt außer Acht, dass Windräder schon nach einigen Monaten mehr CO2 einsparen, als bei ihrer Herstellung inklusive Vorketten ausgestoßen wird. Das unterscheidet sie von Öl-, Kohle- oder Gasanlagen.
Redigatur: Gabriele Scherndl, Matthias Bau
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Studie Umweltbundesamt 2021 zu Ökobilanzen von Windenergie- und Photovoltaikanlagen: Link (archiviert)
- Studie Umweltbundesamt 2022 zu Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger: Link (archiviert)