Extremhitze und Klimakatastrophen können sich auf die menschliche Gesundheit auswirken. Seit Frühjahr 2025 kursiert ein Sharepic einer Ärztin, die in einer TV-Sendung im Februar 2025 auftrat und sich zu diesem Thema äußerte. Doch ihre Aussagen wurden falsch zitiert und vielfach verspottet. Eine Analyse der gesamten Sendung sowie eine Stellungnahme der Ärztin zeigen, dass die online geteilte Behauptung dazu falsch ist.
„Chef, ich kann heute nicht zur Arbeit kommen, hab Klimawandel“, scherzten mehrere Userinnen und User auf Facebook. Dazu kursierte etwa am 4. August 2025 ein Bild einer Frau mit kurzem Haarschnitt, die einen rosa Pullover sowie eine Brille trägt. Vor ihr befindet sich ein Mikro. Sie scheint in einem Fernsehstudio zu sitzen. „Ich bin Ärztin“, ist auf dem Sharepic zu lesen, „zu mir kommen immer mehr Menschen die an dem Klimawandel erkranken“.
Die Behauptung wurde ebenfalls auf Linkedin, Threads sowie X geteilt. AfD-Politiker Jürgen Alenberg aus Niedersachsen verbreitete das Sharepic ebenfalls spöttisch in einem Facebook-Post im Mai 2025, der Hasskommentaren eine Bühne bot. Der älteste Beitrag, den AFP zu dem Thema finden konnte, stammt vom 17. Februar 2025.

Doch die Aussage wurde verfälscht wiedergegeben. AFP konnte zudem die Ärztin identifizieren, die sich gegenüber AFP zu den Behauptungen sowie dem ihr dadurch widerfahrenen Hass im Netz äußerte.
Was die Ärztin tatsächlich sagte
AFP untersuchte das Bild auf Hinweise zur ursprünglichen Quelle. In der linken unteren Ecke befinden sich die Buchstaben „HLARENA“, welche einen Hinweis auf die Sendung liefert, aus der der Screenshot stammt.
Das abgeschnittene Wort erinnerte an die „Wahlarena“ – ein typischerweise vor Bundestagswahlen beliebtes Format von TV-Sendern, bei dem Spitzenkandidatinnen und -kandidaten Fragen beantworten müssen. Eine Stichwortsuche mit den Wörtern „Wahlarena“, „Ärztin“ und „Klimawandel“ führte tatsächlich zur ARD-„Wahlarena“, ausgestrahlt am 17. Februar 2025. Zu Gast waren die Kanzlerkandidaten und -kandidatin für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025: Friedrich Merz (CDU/CSU), Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Alice Weidel (AfD). Ab Minute 53:23 stellte die Frau aus dem Sharepic, die sich im Publikum befand, eine Frage.
Zuerst stellte sie sich mit dem Namen „Ameli Breuer“ vor. Sie sei Ärztin. Ihre Aufgabe sei, „die Gesundheit der Menschen zu schützen“. Weiter sagte sie: „Ich sehe jetzt aber zunehmend in der klinischen Praxis, und das ist wissenschaftlich schon länger bekannt, dass die Klimakrise gravierende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat.“ Deswegen stellte sie dem damaligen Kanzlerkandidaten Scholz die Frage: „Was werden Sie als Kanzler tun, um die Bevölkerung vor den gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise zu schützen?“
Bei Ameli Breuer im Publikum handelt es sich um eine Medizinerin an der Klinik für Neurologie der Berliner Charité, wie AFP mithilfe einer Stichwortsuche herausfand. Dieses Ergebnis konnte AFP auch mithilfe des Gesichtssuchdienstes Pimeyes bestätigen. Durch eine Suche nach dem geteilten Screenshot fand AFP andere Fotos von Breuer – unter anderem auf der Website der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (Klug), bei der Breuer als Sprecherin der Arbeitsgruppe Neurologie tätig ist.
Nachdem Scholz auf ihre Frage antwortete und dann abschweifte, kam Breuer erneut ab Minute 55:30 zu Wort. Sie richtete erneut eine Frage an Scholz und bezog sich darauf, wie er „das Gesundheitswesen resilient gestalten“ wolle. Breuer führte aus: „Die Klimakrise ist bereits da. Wir sehen die Auswirkungen ja schon. Wir werden uns auch in Deutschland vermehrt mit Luftverschmutzung, Hitzetoten und so weiter auseinandersetzen müssen. Dafür müssen wir das Gesundheitssystem entsprechend gestalten. Was sind Ihre Antworten darauf?“
Eine Aufzeichnung der Sendung ist ebenfalls auf dem Youtube-Kanal der ARD-„Tagesschau“ verfügbar (hier archiviert).
Wie sich der Klimawandel auf die Gesundheit auswirkt
AFP kontaktierte Breuer und erhielt ein Statement per E-Mail: „Die Auswirkungen der Klimakrise auf die menschliche Gesundheit sind gut belegt“, schrieb die Medizinerin am 26. September 2025. Bereits vor neun Jahren habe die „renommierte Fachzeitschrift ‚The Lancet‘ erklärt, dass der Klimawandel die größte Bedrohung für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert“ sei (hier archiviert). „Heute spüren wir die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise auch in Deutschland deutlich und sie stellen unser Gesundheitssystem vor große Herausforderungen“, sagte Breuer. Weiter führte die Ärztin aus: „Dies erlebe ich als Neurologin unmittelbar in meinem klinischen Alltag. So steigt etwa in Hitzeperioden das Schlaganfallrisiko, neue Infektionskrankheiten breiten sich aus und Luftverschmutzung erhöht nachweislich das Demenzrisiko.“
Nathalie Nidens, Ärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich gesundheitlicher Hitzeschutz bei Klug, bestätigte am 2. Oktober 2025, dass der Klimawandel gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen habe: „Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen oder Stürme führen nicht nur direkt zu Verletzungen und Todesfällen, sondern begünstigen auch psychische Erkrankungen wie Angststörungen.“
Veränderte Umweltbedingungen würden zudem zu Allergien infolge einer stärkeren Pollenbelastung führen, zählte Nidens auf. Infektionskrankheiten würden durch die Ausbreitung von Krankheitsüberträgern wie Zecken oder Stechmücken zunehmen. Auch „aus einer verminderten Qualität und Verfügbarkeit von Trinkwasser und Nahrungsmitteln“ würden Risiken entstehen.

Nidens verwies auf zahlreiche Studien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit befassen. In einem „The Lancet“-Bericht aus dem Jahr 2024 hieß es etwa, dass die Temperaturen in Europa „doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt“ stiegen, was „die Gesundheit der Bevölkerung auf dem gesamten Kontinent“ gefährde und zu „unnötigen Todesfällen“ führe. Aktuelle Studien aus Deutschland befassten sich zudem mit gesundheitlichen Folgen von Hitze wie Schlaganfällen, Herzinfarkten, Frühgeburten sowie hitzebedingten Sterbefällen.
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) warnten vor gesundheitlichen Schäden durch den Klimawandel.
Nidens erwähnte ebenfalls Untersuchungen zu den gesundheitlichen Folgen der Flutkatastrophe im Jahr 2021 im Ahrtal in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Die Wissenschaft ist sich einig, dass schwere Niederschläge seit den 1950er-Jahren häufiger wurden und das auf die Klimaerwärmung zurückzuführen ist. Eine Analyse zum Ahrtal-Hochwasser, die im Jahr 2024 in der Monatszeitschrift „Bundesgesundheitsblatt“ erschien, deutete laut Studienautorinnen und -autoren darauf hin, dass „die mentale Gesundheit der lokalen Bevölkerung und die Gesundheitsversorgung insgesamt vom Hochwasser beeinträchtigt wurden“.
Breuer äußerte sich zu „abwertenden Kommentaren“
Medizinerin Breuer äußerte sich gegenüber AFP zu den diskreditierenden Äußerungen gegen ihre Person im Netz: „Dass meine Frage im Rahmen der ARD-Wahlarena an den damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz in den sozialen Medien falsch zitiert und lächerlich gemacht wurde, hat mich zunächst überrascht und getroffen.“
Wie Breuer bereits in der Wahlarena betont habe, sei es „als Ärztin meine Pflicht, die Gesundheit der Menschen zu schützen“ und zwar „über die Arbeit im Krankenhaus hinaus“, schrieb sie weiter. „Öffentlich genau dafür angegriffen und diskreditiert zu werden, ist schmerzhaft“. Es habe ihr „aber im zweiten Moment gezeigt, wie wichtig es ist, weiterhin auf die Klimakrise als reale Bedrohung für die menschliche Gesundheit hinzuweisen, sich gegen Desinformation einzusetzen und sich durch abwertende Kommentare nicht einschüchtern zu lassen“, so Breuer.
AFP widerlegte des Öfteren Behauptungen im Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel.
Fazit: Seit Frühjahr 2025 kursiert ein Sharepic, wonach eine Ärztin im Fernsehen gesagt hätte, zu ihr würden „immer mehr Menschen“ kommen, die am Klimawandel „erkranken“. Doch dabei handelt es sich um ein falsches Zitat. Dies belegen die Originalaufzeichnung der Sendung sowie die Medizinerin selbst. Wie mehrere Studien darlegen, kann der menschengemachte Klimawandel Risiken etwa für Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Frühgeburten steigern.