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Viren gibt es wirklich, anders als online behauptet

Viren werden seit mehr als einem Jahrhundert erforscht, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sequenzieren ihre Genome und machen elektronenmikroskopische Aufnahmen von ihnen. Trotzdessen behaupten ein Pharmakologe sowie zwei Ärztinnen und Ärzte, Viren seien ein „Schwindel“ und würden „nicht existieren“. Tausende Studien beweisen jedoch das Gegenteil. Expertinnen und Experten erklärten gegenüber AFP, an der Existenz von Viren gebe es keine Zweifel – sie seien genauso sichtbar wie etwa Kühe oder die Sonne.

„Pfizer-Vizepräsident pfeift: ‚Viren existieren NICHT'“, schrieb eine Nutzerin in einem Facebook-Beitrag am 16. August 2024 und teilte ein Video eines Interviews mit dem Pharmakologen und ehemaligen Pfizer-Vizepräsident Mike Yeadon. Er behauptete darin, dass das Covid-19-Virus nicht existiere und es keine Beweise dafür gebe, dass Viren im Allgemeinen überhaupt existieren.

Das Video stammt von der impfkritischen Website The People’s Voice, die auch einen Artikel über Yeadons Aussagen veröffentlicht hat. Darin ist eine längere Version des Videos zu sehen als die, die in sozialen Medien geteilt wird. AFP hat bereits mehrfach Falschinformationen widerlegt, die von der Website verbreitet wurden.

Der Artikel zitiert einen weiteren Arzt und eine Ärztin, die ebenfalls behaupten, Viren würden nicht existieren: Thomas Cowan und Samantha Bailey. Cowan erklärt darin, dass Viren nie isoliert und nachgewiesen worden seien. Das sei auch nicht möglich, da es sie nicht gebe, so Cowan. Bailey wird mit der Aussage zitiert, dass „das medizinische Establishment Angst hat, weil sie wissen, dass sie die Existenz von Viren nicht beweisen können“. Yeadon, Cowan und Bailey verbreiteten in der Vergangenheit ebenfalls Desinformation zu gesundheitlichen Themen.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 6. September 2024

Diese Behauptungen sind jedoch falsch, wie unzählige Beweise für die Existenz von Viren zeigen.

Viren existieren

In der Wissenschaft gibt es keinen Zweifel daran, dass Viren existieren. Bei Google Scholar werden tausende wissenschaftliche Studien zu Schlagwörtern wie„virus detection“ („Virenerkennung“), „identifying viruses“ („Identifizierung von Viren“) oder „imaging viruses“ („Darstellung von Viren“) angezeigt.

Das erste entdeckte Virus war das Tabakmosaikvirus Ende des 19. Jahrhunderts. Die weitere Erforschung dieses Virus führte zu dem Nachweis, dass Viren eine Art Teilchen sind (hier archiviert). Mit dem Gelbfieber-Virus wurde 1901 schließlich das erste menschliche Virus entdeckt (hier archiviert). Es sind mehr als 200 Virenarten bekannt, die Menschen infizieren können. Jedes Jahr werden drei bis vier neue Arten entdeckt. Seit ihrer Entwicklung dient die Elektronenmikroskopie zur Entdeckung, Identifizierung und Abbildung von Viren (hier archiviert).

Transmissions-Elektronenmikroskopische Aufnahme von SARS-CoV-2, mit Viruspartikeln (runde goldene Objekte), die aus der Oberfläche von im Labor gezüchteten Zellen austreten, isoliert von einem Patienten in den USA – Handout / National Institute of Allergy and Infectious Diseases

„Wir wissen, dass Viren existieren, weil wir sie sehen können“, erklärte der Molekularbiologe Miloš Babić in einer E-Mail an AFP vom 19. August 2024. „Wir können sie direkt unter dem Mikroskop betrachten und sehen, wie die Infektion verläuft, sobald das Virus die Zelle erreicht und sich zu vermehren beginnt“, schrieb Babić. „Wir können Menschen einem Virus aussetzen und sehen, dass bestimmte Viren bestimmte Arten von Krankheiten verursachen.“ Ihm zufolge sei „die Behauptung, dass Viren nicht existieren, das Gleiche wie zu behaupten, dass Kühe nicht existieren würden – man müsste buchstäblich das ignorieren, was man mit eigenen Augen sehen kann“.

Dass wir sicher sein können, dass Viren existieren, weil wir sie sehen können, äußerte auch Vanja Juranić Lisnić, Doktorin der Biomedizin an der kroatischen Rijeka Universität, in einer E-Mail an AFP am 20. August 2024. „Zu behaupten, es gäbe sie nicht, ist für mich wie zu behaupten, es gäbe keine Wolken oder die Sonne“, erklärte sie.

„Wir können sie sehen und sie haben messbare Effekte auf uns und unsere Umwelt. Genauso wie Viren.“ Mithilfe von Elektronenmikroskopen seien ganze Viren aus Patientenproben oder Zellkulturen sichtbar, genauso wie „Teile der Viren mithilfe von Antikörpern und Licht- oder Fluoreszenzmikroskopen“, erklärte Juranić Lisnić. „Außerdem können wir ihre Genome sequenzieren und mit Methoden wie PCR oder Hybridisierung nachweisen“, schrieb sie weiter. „Und schließlich können wir durch Viren verursachte Veränderungen an Zellen oder Geweben erkennen.“

Was sind Viren?

„Viren haben keinen eigenen Stoffwechselapparat“, erklärt die Website infektionsschutz.de, ein Informationsangebot der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). „Deshalb sind sie auch keine Lebewesen.“ Sie sind „infektiöse Partikel, die aus Nukleinsäuren (DNA oder RNA) und Proteinen bestehen“ und brauchen für ihre Vermehrung Wirtszellen, „deren Strukturen sie nutzen, um ihre Virusbestandteile zu produzieren“. Diese Zellen können sowohl menschlicher, als auch tierischer oder pflanzlicher Natur sein.

Juranić Lisnić erklärte, dass das Tabakmosaikvirus identifiziert wurde (hier archiviert), nachdem Forschende Extrakte kranker Pflanzen durch einen sogenannten Chamberland-Filter gaben, ein Porzellansieb mit Öffnungen kleiner als Bakterien. Da sich gesunde Pflanzen durch den Kontakt mit den gefilterten Extrakten mit den Erregern ansteckten, schlossen die Forschenden, dass die Krankheit durch etwas Kleineres als Bakterien oder Schimmelsporen verursacht wurde.

„In den 1930er-Jahren, als sich die Elektronenmikroskopie entwickelte, wurden die ersten elektronenmikroskopischen Aufnahmen von Viren gemacht – darunter das Tabakmosaikvirus, aber auch Pocken und Windpocken“, erklärte Juranić Lisnić. „Seitdem wurden Millionen solcher Mikrofotografien von allen bekannten Viren angefertigt, unabhängig davon, ob die Viruskulturen in einem Labor gezüchtet und gereinigt wurden oder ob die Viren direkt von infizierten Personen entnommen wurden.“

Juranić Lisnić betonte, dass die Effekte von Viren, aber auch ihre Bestandteile mit Hilfe von Antikörpern nachgewiesen werden können. Das Zentrum für Proteomik der kroatischen Universität Rijeka verfügt über eine Sammlung von über 200 Antikörpern für zahlreiche menschliche und tierische Viren. Proteomik ist die Forschung, die sich mit der Gesamtheit der Proteine befasst, die sich zu einem definierten Zeitpunkt in einer Zelle oder einem Lebewesen befinden.

„Schließlich können wir auch Viren nachweisen, indem wir ihr genetisches Material nachweisen – entweder gezielt, wenn die virale Sequenz bekannt ist, mit der heute weit verbreiteten quantitativen PRC-Methode, oder nicht gezielt, indem wir die Sequenzierung der nächsten Generation verwenden, die das gesamte Mikrobiom eines Menschen oder einer bestimmten Probe sequenzieren kann“, erklärte Juranić Lisnić und wies darauf hin, dass alle Sequenzen in öffentlich zugänglichen Datenbanken gespeichert werden, die von jedermann durchsucht werden können, um festzustellen, ob bei der Sequenzierung ein neues Virus, eine Bakterie oder ein Schimmelpilz entdeckt wurde.

„Viele Viren können in einem Labor gezüchtet, gereinigt und kristallisiert werden und dann mit einer der oben genannten Methoden sichtbar gemacht werden“, so Juranić Lisnić. „Einige Viren, die sich nur schwer oder gar nicht in Zellkulturen kultivieren lassen, können wir dennoch aus Gewebe oder Ausscheidungen von infizierten Patienten sichtbar machen.“

Colorierte Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) eines Ebola-Virus-Virion – CDC

Wiederkehrender Mythos zur Virusisolierung

Miloš Babić vermutet, dass der Mythos, Forschende hätten das Covid-19-Virus nicht isoliert, Anfang 2020 entstanden sei, als Forschende versuchten, einen speziellen PCR-Test zum Nachweis des Virus zu entwickeln. „Damals gab es keine Protokolle, um die Viren zwischen den Laboren auszutauschen, sodass die Auoren keinen Zugang zu dem isolierten Virus hatten“, erklärte Babić.

Ein Virus zu isolieren bedeutet, dass das Virus aus einer Probe entnommen und in einer Kultur vermehrt werden kann. Diese Isolation ist wichtig, um das Virus genauer untersuchen zu können. Seit Ausbruch der Pandemie wurde die Isolierung immer wieder angezweifelt, beispielsweise von dem deutschen Arzt und Coronaskeptiker Bodo Schiffmann.

„Deshalb schrieben sie in ihre Studie, sie hätten das isolierte Virus nicht zur Verfügung gehabt und dass sie den PCR-Test an synthetischer RNA getestet hätten. Später gab es hunderte Studien über das isolierte Virus und es gibt zehntausende Studien mit dem netten Untertitel ‚Isolierung des Virus‘ und der Beschreibung, wie genau die Isolierung ablief“, führte Babić weiter aus.

„Nach all dem wurde die erste Studie mit der Aussage ‚Wir haben das isolierte Virus nicht‘ viral in sozialen Medien geteilt“, erklärte er und verwies auf Falschinformation, die zum damaligen Zeitpunkt von anderen Faktencheck-Organisationen widerlegt wurden. „Auf der Grundlage dieses Zitats und unter Missachtung aller anderen Arbeiten und Erkenntnisse haben einige Leute vorschnell behauptet, es gäbe kein isoliertes Virus. Von dort aus entwickelte sich die Geschichte zu der Behauptung, dass kein Virus isoliert wurde, und dann zu der Geschichte, dass es keine Viren gibt“, fügte Babić hinzu.

Das SARS-CoV-2, das Covid-19 auslöst, wurde jedoch mehrfach von verschiedenen wissenschaftlichen Teams isoliert (hier, hier und hier archiviert) und bildlich dargestellt (hier archiviert). AFP widerlegte im Verlauf der Pandemie ebenfalls die Behauptung, das Virus sei nicht isoliert worden.

Behauptung von nicht praktizierenden Ärzten verbreitet

Der Pharmakologe Yeadon sowie die Ärztin und der Arzt, die im Zusammenhang mit der Behauptung zitiert werden, haben in der Vergangenheit bereits Falschinformationen über medizinsiche Themen verbreitet.

Der irreführende Artikel sowie das Video, die in sozialen Medien verbreitet wurden, bezeichnen Mike Yeadon als einen ehemaligen Vizepräsidenten des Unternehmens Pfizer und als dessen „Forschungsleiter“. Zwar war Yeadon ein Vizepräsident des Pharmakonzerns, er war jedoch wissenschaftlicher Leiter eines speziellen Forschungsbereichs: Allergie- und Atemwegsforschung. Nachdem er Pfizer verlassen hat, gründete er die Biotech-Firma Ziarco, die 2012 eine Förderung von Pfizer erhielt.

Yeadon war ein angesehener Wissenschaftler in seinem Forschungsbereich und forderte kurz nach dem Ausbruch der Krankheit die schnelle Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffes, später machte er aber vermehrt ungenaue Aussagen im Zusammenhang mit Corona und dessen Impfung.

So behauptete er fälschlicherweise, dass die Impfung Frauen unfruchtbar mache und dass die Impfdosen für Kinder 50 Mal tödlicher sei als das Virus selbst. Ende 2020, bevor die zweite Welle der Pandemie 2021 begann, verbreitete Yeadon die weitere Falschbehauptung, dass die „Pandemie im Grunde vorbei“ sei, dass es keine Impfstoffe brauche, „da viele Menschen nicht für das Virus empfänglich“ seien und dass PCR-Tests falsch-positive Ergebnisse liefern würden.

Samantha Bailey verbreitete irreführende Behauptungen über die Regelungen zu PCR-Tests in Neuseeland, während Thomas Cowan sagte, das neue Coronavirus sei durch 5G-Strahlung entstanden.

Die kalifornische Ärztekammer setzte 2017 die Tätigkeit Cowans als Arzt auf Bewährung, 2021 gab dieser schließlich seine Zulassung in Kalifornien zurück. Auch Samantha Bailey behauptet in ihren Videos, sie sei „Hausärztin“, verfügt aber seit Mai 2021 über keine Approbation mehr.

Fazit: Unzählige Studien sowie Aufnahmen von Viren unter Elektronenmikroskopen und Expertinnen und Experten bestätigen, dass Viren existieren. Die Aussagen der drei Ärztinnen und Ärzte, dass es keine Viren gäbe, sind nicht korrekt. Zudem haben sie bereits mehrfach Falschinformationen zu medizinischen Themen verbreitet.

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Wissenschaft, Gesundheit

Autor(en): Ivan FISCHER / Johanna LEHN / AFP Kroatien

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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