Wagenknecht liegt bei Drohnen-Vorwürfen gegen den Kanzler falsch

Eine Reihe von Vorfällen mit Drohnen, teilweise in der Nähe von Militärstützpunkten oder Flughäfen, sorgen seit Anfang September 2025 verstärkt für Verunsicherung in Deutschland und Europa. An einigen Flughäfen, wie in Kopenhagen oder München, war stundenlang der Flugbetrieb eingestellt worden. Unter anderem um diese Vorfälle ging es auch in einem TV-Interview Anfang Oktober zwischen Caren Miosga und Bundeskanzler Friedrich Merz. Er sagte, er vermute Russland hinter einem Großteil der Drohnenflüge.

Ende Oktober verbreitet die BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht einen Ausschnitt dieses Interviews in den Sozialen Netzwerken und bezichtigt Merz der Lüge: Er habe Russland für Vorfälle verantwortlich gemacht, obwohl zum Zeitpunkt des Interviews bereits klar gewesen sei, dass Russland nicht dahinter stecke. Wir schauen uns die Vorfälle an.

Post von Wagenknecht
Wagenknecht sagt, Merz habe „Drohnen-Desinformation“ verbreitet (Quelle: Sahra Wagenknecht / Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Um welche Drohnen-Vorfälle es bei Wagenknecht und Merz geht

Das Interview zwischen Miosga und Merz fand am 5. Oktober statt. Also drei Tage, nachdem mehrere Drohnen am Flughafen in München gemeldet wurden. Darauf sprach Miosga Merz in ihrer Sendung an: „Herr Bundeskanzler, wissen Sie inzwischen etwas über die Herkunft dieser Objekte?“ Merz antwortete, neben München seien auch Frankfurt am Main und die dänische Hauptstadt Kopenhagen betroffen gewesen. Die Bundespolizei hatte am 3. Oktober eine Drohne am Frankfurter Flughafen gemeldet. In Kopenhagen musste der Flughafen nach mehreren Drohnensichtungen am 22. September schließen.

Auch in Wagenknechts Video geht es um die Vorfälle in diesen drei Städten. Sie blendet dazu diese Aussage von Merz im TV-Interview ein: „Aber noch einmal: Die Bedrohung kommt nicht allein von denen, die sich da einen vermeintlichen Spaß machen, sondern sie kommt ganz ernsthaft von denen, die uns testen wollen. Unsere Vermutung ist, dass Russland hinter den meisten dieser Drohnenflüge steckt.“ Wagenknecht widerspricht: „Bei allen von Merz genannten Vorfällen war nachweislich schon vor des Kanzlers Besuch bei Miosga geklärt, dass Putin oder Russland jedenfalls nicht dahintersteckt.“

Merz zeigte sich bei Russland-Herkunft der Drohnen weniger überzeugt als Wagenknecht es aussehen lässt

Wagenknecht stellt Merz’ Aussage als Tatsachenbehauptung dar, obwohl er eine Vermutung äußert und einordnet, dass manche Drohnensichtungen privaten Ursprungs seien. Kurzum: Sie lässt Kontext aus dem TV-Interview weg.

Im Zusammenhang mit den Drohnen sagte Merz zunächst über deren Herkunft:

Miosga ergänzte anschließend es seien „russische Drohnen im polnischen Luftraum und russische Kampfflugzeuge im estnischen Luftraum“ gesichtet worden und hakte bei Merz nach: Wie wahrscheinlich sei es angesichts der Häufung der Vorfälle, dass Russland hinter den Störmanövern stecke? Merz antwortete: „Na ja, bei den Flugzeugen wissen wir es. […] Bei den Drohnen vermuten wir es, der Sache wird nachgegangen. […] Es hat ja auch Zwischenfälle gegeben mit privat genutzten Drohnen, die aus dem Bauhaus zu bekommen sind.“

Hinter Drohnenflug bei Frankfurt steckte Privatperson, in München laufen Ermittlungen gegen Unbekannt 

Schauen wir uns die von Merz und Wagenknecht genannten Fälle an: Wagenknecht sagt, beim Vorfall in Frankfurt sei schon vor dem TV-Interview klar gewesen, dass Russland nicht dahinterstecke. Das ist richtig. Einen Tag vor der Miosga-Sendung gab die Polizei Frankfurt bekannt, dass die Drohne am dortigen Flughafen von einem Hobbypiloten gesteuert worden war, der deswegen mit einem Bußgeld rechnen muss. Die Polizei gab laut Medienberichten an, dass es keine Hinweise auf Verbindungen des Mannes zu Russland gebe.

Wagenknecht sagt weiter im Video: „Einen ähnlichen Hintergrund hatte auch München.“ Doch eine Google-Suche liefert weder Medienberichte noch offizielle Pressemitteilungen der Behörden, dass hinter den Vorfällen in München eine private Drohne eines Hobbypiloten steckte (Stand: 11. November 2025). Die Generalstaatsanwaltschaft München hat die Ermittlungen übernommen. Oberstaatsanwalt Sebastian Murer schreibt uns auf Anfrage, dass die Ermittlungen „nach wie vor gegen Unbekannt geführt“ werden und bisher keine tatverdächtige Person ermittelt werden konnte.

Drohnen am Flughafen in Kopenhagen – Ermittlungen dauern an

Wie sieht es mit den Drohnensichtungen in Kopenhagen aus? Am 22. September wurden sie dort am Flughafen gesichtet, es folgte eine Reihe von Sichtungen auch an anderen Orten in Dänemark, etwa am Flughafen Aalborg. Die dänischen Behörden sprachen laut Medienberichten von einem „Hybrid-Angriff“, der von einem „professionellen Akteur“ ausgegangen sei. Sie betonten aber auch Unterschiede: Die Drohnen in Aalborg seien laut Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen „lokal“ gestartet worden, die in Kopenhagen dagegen von weiter weg, eventuell von einem Schiff, wie Polizeichef Jens Jespersen vermutete. „Die Anzahl, Größe, Flugmuster, Zeit über dem Flughafen. All dies zusammen deutet darauf hin, dass es sich um einen fähigen Akteur handelt“, sagte Jespersen.

Wagenknecht sagt, einen Tag vor dem TV-Interview mit Merz am 5. Oktober habe es auf einer Pressekonferenz des dänischen Verteidigungsministers und des Chefs des dänischen Militärgeheimdienstes Unsicherheiten gegeben, ob es sich in Kopenhagen überhaupt um Drohnen gehandelt habe. Wagenknecht blendet einen Medienbericht von DR ein, einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in Dänemark. Dem Artikel nach hat sich die politische Rhetorik in Dänemark verändert, statt von Drohnen sprach Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen nun allgemeiner von „luftobservationer“ („Luftbeobachtungen“). Allerdings bezog sich diese Einschätzung nicht allein auf die Vorfälle am Flughafen in Kopenhagen.

Das dänische Verteidigungsministerium verwies CORRECTIV.Faktencheck auf Anfrage an die Polizei. Ein Sprecher der Polizei Kopenhagen antwortete uns, die Ermittlungen zu den „Drohnenbeobachtungen“ am Flughafen würden andauern. „Bisher wurden noch keine endgültigen Schlussfolgerungen gezogen“, schreibt er. Anders als Wagenknecht es darstellt, ist also – wie auch in München – noch nicht geklärt, wer hinter den Vorfällen in Kopenhagen stecken könnte (Stand: 11. November 2025).

Drohnen oft schwer identifizierbar, Hinweise auf russische Herkunft in Polen und Rumänien

Das liegt daran, dass Drohnen und deren Piloten oft schwer identifiziert werden können, zum Beispiel weil sie nach dem Vorfall nicht gefunden werden. Manchmal gibt es auch nur ein Handyvideo, das ein verwaschenes Licht am Nachthimmel zeigt. Wie die Zeit berichtete, ist die Anzahl der Drohnen-Sichtungen im Vergleich zum Vorjahr zwar leicht gestiegen – das könnte aber auch daran liegen, dass das Bewusstsein für das Thema im Zuge der Spannungen mit Russland steigt.

Bis zum 1. Oktober registrierte das deutsche Bundeskriminalamt über Rüstungsunternehmen, militärischen Einrichtungen und solchen der kritischen Infrastruktur „eine niedrige, vierstellige Anzahl von Drohnenüberflügen“, wie CORRECTIV berichtete. Nicht immer stecken dahinter Ausspähaktionen, sondern teilweise auch Hobbypiloten, die mit ihrer Drohne versehentlich in eine Flugverbotszone geraten. 2024 gab es laut CORRECTIV-Recherchen bundesweit 24 Ermittlungen wegen möglichen Spionage-Drohnen.

Bei einigen Drohnensichtungen in Polen gehen Analysten davon aus, dass diese aus Russland stammen. Dort wurden Drohnen Anfang September abgeschossen und untersucht. Auch in Rumänien konnte das Modell einer Drohne im September laut Außenministerium identifiziert und Russland zugeordnet werden. Russland bestreitet beide Vorfälle.

Fazit: Anders als von Wagenknecht behauptet, war zum Zeitpunkt der Sendung nur im Fall Frankfurt am Main „nachweislich“ klar, dass Russland nicht hinter den Drohnenflügen steckte. Die Ermittlungen wegen Drohnensichtungen in München und in Kopenhagen sind dagegen nicht abgeschlossen (Stand: 11. November 2025). Friedrich Merz äußerte sich zudem weniger eindeutig, als Wagenknecht es in ihrem Zusammenschnitt des Interviews darstellt. Wagenknecht antwortete auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck nicht bis zur Veröffentlichung.

Redigatur: Sarah Thust, Matthias Bau

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • TV-Interview Friedrich Merz bei Caren Miosga, 5. Oktober 2025: Link (archiviert)
  • Medienbericht: „Først blev det kaldt droneaktiviteter over kritisk infrastruktur. Nu kalder ministeren det for ‚luftobservationer’“, DR, 4. Oktober 2025: Link (archiviert)
  • Pressemitteilung Polizei Frankfurt am Main, 4. Oktober 2025: Link (archviert)

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Russland, Politik

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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