Bewertung
Die WHO hat nicht die Kompetenzen, die Verfassungen ihrer Mitglieder zu untergraben. In dem Ende November veröffentlichten Papier wird mehrfach auf die Souveränität der WHO-Mitgliedsstaaten hingewiesen.
Fakten
Die 194 WHO-Mitglieder haben am 1. Dezember 2021 beschlossen, eine Übereinkunft zu treffen, um Pandemien künftig besser bewältigen zu können. Zur Debatte stehen etwa: bessere Werkzeuge, um Pandemien früh zu erkennen, neue Entscheidungsgremien und mehr Geld.
Vom 5. bis zum 7. Dezember 2022 tagte das zwischenstaatliche Verhandlungsgremium («Intergovernmental Negotiating Body»; INB). Es gab anschließend bekannt, dass im Februar 2023 über einen sogenannten «Null-Entwurf» verhandelt werden soll.
Dessen Grundlage ist ein «konzeptioneller Null-Entwurf», der am 25. November 2022 veröffentlicht wurde. Ob daraus am Ende ein für alle Unterzeichnerstaaten verbindlicher Vertrag wird, steht noch nicht fest. Möglich wäre auch nur eine Resolution mit Empfehlungen. Daher ist im Papier von «Convention, Agreement or other international Instrument» oder kurz «CA+» die Rede.
Missachtung von Länderverfassungen ist Erfindung
Grundsätzlich enthalten bindende WHO-Vereinbarungen stets Hinweise darauf, dass die Unterzeichnerstaaten das Abkommen im Rahmen ihrer nationalen verfassungsmäßigen Ordnung anwenden müssen. So ist es in Artikel 19 der WHO-Verfassung festgeschrieben. Das stellt im Grundsatz sicher, dass ein internationaler Vertrag Demokratie und Parlamente eines WHO-Mitglieds nicht aushebeln kann. Zweifelt das jemand in einem konkreten Fall an, könnten Verfassungsgerichte entscheiden.
Auch im Falle zukünftiger Abkommen kann also nicht alle Souveränität oder Exekutivgewalt auf die Weltgesundheitsorganisation übertragen werden. «Unser Mandat ist zu 100 Prozent bestimmt von den Mitgliedsstaaten und worauf sie sich einigen», sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesu im Mai 2022.
Auch in der Präambel des «konzeptionellen Null-Entwurfs» wird der «Grundsatz der Souveränität der Vertragsstaaten» bei der Pandemieprävention bekräftigt. Konkreter heißt es dann in Artikel 4, dass die Staaten das Recht haben «ihr Vorgehen im Bereich der öffentlichen Gesundheit […] gemäß ihrer eigenen Politik und Gesetzgebung zu bestimmen und zu verwalten». In Artikel 30 ist zudem festgelegt, dass das Abkommen von den Staaten ratifiziert und genehmigt werden muss.
(Stand: 14.12.2022)