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Aussagen über Migrantenkriminalität irreführend

Sicherheit und Migration waren nicht nur bei der Nationalratswahl entscheidende Themen, sie dominieren auch immer wieder die Schlagzeilen. Oft wird dabei emotionalisiert und Statistiken werden für die Untermauerung von Behauptungen herangezogen. So auch in einem Artikel einer reichweitenstarken Plattform zu Ausländerkriminalität, in dem behauptet wird, dass 300 Frauen pro Jahr von Migranten vergewaltigt werden (1). Diese Aussage ist aber irreführend und verzerrt die Realität.

Einschätzung: Die Behauptung, dass in Österreich pro Jahr 300 Frauen von Migranten vergewaltigt werden, ist durch Zahlen nicht belegt. Ob ein Tatverdächtiger Migrationshintergrund hat, wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht erfasst, sie unterscheidet nur zwischen Österreichern und Nicht-Österreichern. Die Zahlen, mit denen in dem Artikel hantiert wird, basieren auf einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des Innenministeriums. Es handelt sich allerdings nicht um Verurteilungen, sondern um Anzeigen.

Überprüfung: In der Kriminalstatistik werden grundsätzlich inländische und ausländische Tatverdächtige unterschieden (2). Unter ausländischen („fremden“) Tatverdächtigen werden alle Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft subsumiert. Das heißt, darunter fallen neben Geflüchteten und Asylwerbenden auch ausländische Studierende und Touristen in Österreich ebenso wie etwa alle EU-Bürgerinnen und Bürger.

Das Kriterium „Migrant“ oder „Migrationshintergrund“ existiert in der PKS nicht, wie der Sprecher des Bundeskriminalamtes (BK) gegenüber der APA bestätigte. Dasselbe geht auch aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ durch das Innenministerium (18482/AB) hervor (3). Alle Tatverdächtigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft als „Migranten“ zu bezeichnen, ist daher eine unzulässige Pauschalisierung.

Ausländische Tatverdächtige werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik in die Kategorien „erwerbstätig“, „in Ausbildung“, „Tourist“, „Asylwerber“, „nicht erwerbstätig und in Österreich sozialversichert“, „nicht erwerbstätig und in Österreich nicht sozialversichert“ und „nicht rechtmäßig aufhältig bzw. geduldet“ eingeteilt, wie aus einer detaillierten Auswertung der Kriminalstatistik, die das Bundeskriminalamt der APA auf Anfrage zur Verfügung stellte, hervorgeht.

 

Täter oft auch aus EU-Ländern

Diese Zahlen des BK zeigen, dass im Jahr 2023 von insgesamt 427 angezeigten Vergewaltigungen durch ausländische Tatverdächtige knapp die Hälfte (185) auf Erwerbstätige entfällt, 103 auf Nicht-Erwerbstätige (19 davon ohne Sozialversicherung in Österreich) und 49 auf Asylwerber. Wirft man einen Blick auf die tatsächlichen Verurteilungen, zeigt sich, dass die Zahl wesentlich geringer ist als die Anzeigen. So wurden 2023 insgesamt 253 Nicht-Österreicher wegen Vergewaltigung (§201 StGB) verurteilt (4).

Überraschend ist, dass die vier am häufigsten verurteilten nicht-österreichischen Staatsangehörigen – alle Straftaten (nicht nur Vergewaltigung) betreffend – aus Rumänien, Serbien, der Türkei und Deutschland stammen (5). Das sind zwei EU-Länder (Deutschland, Rumänien), ein EU-Beitrittskandidat (Serbien) und ein EU-Bewerberland (Türkei) – und damit nicht die Staaten, die üblicherweise im Fokus stehen, wenn es um die von manchen Parteien geforderte Begrenzung von Zuwanderung geht.

Um ein umfassenderes Bild zu erhalten, ist auch die Betrachtung der Art der Täter-Opferbeziehungen interessant, denn die meisten Sexualdelikte finden im Familien- und Bekanntenkreis statt. Bei Vergewaltigungsfällen im Jahr 2022 gab es laut Kriminalitätsbericht bei nur neun Prozent der Fälle keine Täter-Opfer-Beziehung. Fast ein Drittel (30 Prozent) fand in familiären Beziehungen statt, in fast der Hälfte der Fälle (42,5 Prozent) gab es ein Bekanntschaftsverhältnis zwischen Täter und Opfer (6).

 

Kritik an Kriminalstatistik

Generell ist zu sagen, dass die Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik für Vergleiche, wie häufig Ausländer oder Inländer Straftaten begehen, nur begrenzt aussagekräftig sind. Manche Kriminologen sehen in der Statistik nicht mehr als einen „reinen Tätigkeitsbericht der Polizei“ und kritisieren die Unterscheidung in Inländer und Fremde mit der Begründung, sie bediene „rassistische Diskurse“ (7,8).

Wie die kriminologische Forschung zeigt, sind für die Bereitschaft zur Begehung von Straftaten weniger die Herkunft oder Staatsbürgerschaft eines Menschen, sondern Faktoren wie Gewalterfahrung, Bildungsniveau oder Armut entscheidend (9,10). „Ausgrenzung, Wegfall einer menschenwürdigen Mindestsicherung und pauschalierende Aussagen und Medienberichte über bestimmte Nationen fördern lediglich Radikalisierung, Armut und damit Kriminalität“, betont der Wiener Kriminologe Christian Grafl von der Universität Wien (11).

Zudem spielt auch die Anzeigenbereitschaft eine entscheidende Rolle. Studien hätten gezeigt, dass „fremde oder als fremd wahrgenommene Menschen viel häufiger angezeigt werden als jene, die ‚zur eigenen Gruppe‘ gehören“, so Veronika Hofinger, stellvertretende Leiterin des Institutes für Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck, gegenüber der APA.

 

Quellen

Unzensuriert-Artikel: https://go.apa.at/rsRtATSa (archiviert: https://archive.today/0Ktzm)

Polizeiliche Kriminalstatistik 2023: https://go.apa.at/ErMb8Ec (archiviert: https://perma.cc/NT5A-8TJF)

Parlamentarische Anfragebeantwortung Innenministerium: https://go.apa.at/fnfSYzjT: https://perma.cc/N8CM-ZGXW

Parlamentarische Anfragebeantwortung Justizministerium: https://go.apa.at/Q3HiF9yP (archiviert: https://perma.cc/P6JL-5PLQ)

Beilage zur parlamentarischen Anfragebeantwortung des Justizministeriums: https://go.apa.at/qw5ZCwP2 (archiviert: https://archive.ph/ODteZ)

Kriminalitätsbericht 2022: https://go.apa.at/k5kWAD2Q (archiviert: https://perma.cc/X2W4-G3S4

„mdr“-Interview mit Kriminologen zur Kriminalstatistik: https://go.apa.at/pDQjfVyJ (archiviert: https://archive.today/5zYnM)

„Zeit“-Interview mit Kriminologen zur Kriminalstatistik: https://go.apa.at/AYNyk9DY (archiviert: https://archive.today/7mzkO)

Studie zu Gewaltkriminalität von Flüchtlingen: https://go.apa.at/pdhGxK95 (archiviert: https://perma.cc/2BTY-2JPX)

Beitrag „Migration und Kriminalität“: https://go.apa.at/bjg7VxrY (archiviert: https://perma.cc/57LU-EHY3 )

Beitrag „Migrantenkriminalität in Österreich: https://go.apa.at/nyrrO0hy (archiviert: https://perma.cc/58ZW-CEAW)

Definition „Migration“ IOM: https://go.apa.at/kDyPPRyr (archiviert: https://archive.today/Y0iCJ)

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Autor(en): APA

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