Der Vorwurf gegen den Sender: In einer Reportage komme ein Junge zu Wort, der der «Sohn eines hohen Hamas Führers» (Rechtschreibung wie im Original) sei, also der islamistischen Terrororganisation angehöre, die im Gazastreifen jahrelang an der Macht war und weiter aktiv ist. Der britische Sender BBC habe «den verlogenen Käse schon revidieren» müssen, heißt es. Gemeint ist vermutlich, dass die BBC einen Bericht über den Jungen zurückgezogen haben soll. Was ist dran an der Kritik?
Bewertung
Es gibt keine Belege für den Vorwurf gegen die ARD. Der Junge ist ein anderer als jener, der in einer BBC-Dokumentation zu Wort kam. Diese wurde tatsächlich zurückgezogen, nachdem Hamas-Verbindungen bekannt wurden.
Fakten
Der Kommentar mit dem Vorwurf wurde unter einem Facebook-Beitrag der «Tagesschau» vom 14. Juli 2025 gepostet. Dieser verweist auf ein Audio-Stück auf «tagesschau.de» über die humanitäre Krise im Gaza-Streifen. Darin heißt es, ein Team des ARD-Studios Tel Aviv habe ein Interview mit einem Zwölfjährigen aus Gaza-Stadt geführt.
Der Junge kommt zu Wort und berichtet von den Schwierigkeiten, an Lebensmittel zu kommen. Zur Schule ist er dem Bericht zufolge seit fast zwei Jahren nicht mehr gegangen. Auch der Vater des Jungen wird zitiert. Hinweise auf eine Verbindung der Familie zur Hamas werden nicht genannt. Doch genau das ist der Vorwurf gegen die ARD, während die BBC, so heißt es, aufgrund der Hamas-Verbindung reagiert und einen Beitrag zurückgezogen hätte.
BBC zog Dokumentation wegen Hamas-Verbindung zurück
Eine Recherche zeigt, dass zumindest dieser Teil der Behauptung einen wahren Kern hat: Die BBC hat im Februar einen Bericht zurückgezogen, nachdem Kritik an der Auswahl eines Protagonisten laut wurde. Ein 13-Jähriger stand im Zentrum der Dokumentation mit dem Titel «Gaza: How to Survive a Warzone».
Der Vater dieses Jungen ist stellvertretender Landwirtschaftsminister in Gaza, das von der Hamas regiert wird. Das bestätigte die BBC im Juli in einem Artikel, nachdem der Sender eine Untersuchung in Auftrag gegeben hatte. Die BBC spricht darin von einem Verstoß gegen die eigenen redaktionellen Richtlinien, weist den größten Teil der Verantwortung aber einer externen Produktionsfirma zu.
Namen und Aussehen der Jungen unterscheiden sich
In der Dokumentation und in Medienberichten über die Zurückziehung (hier und hier) wird der Name des Jungen mit Abdullah Al-Yazouri angegeben. Sein Vater, der stellvertretende Landwirtschaftsminister, ist demnach Ayman Al-Yazouri. Auf palästinensischen Webseiten wird sein Amt auch als «Unterstaatssekretär» bezeichnet.
Klar wird dadurch aber auch: Es handelt sich um eine andere Familie und damit einen anderen Jungen als im ARD-Beitrag. Denn der Junge, der mit der ARD gesprochen hat, heißt Mohammed Al-Darbi. Der Vorname seines Vaters ist Munzir.
Außer in dem Audio-Beitrag kommen beide auch in einer Ausgabe der ARD-Fernsehsendung «Weltspiegel» vor. Ein Vergleich der TV-Bilder der ARD mit Fotos aus dem BBC-Bericht und von Ayman Alyazouri zeigt ebenfalls, dass es sich eindeutig um unterschiedliche Personen und damit Familien handelt. Für den Vorwurf, die ARD habe den Sohn eines Hamas-Funktionärs zu Wort kommen lassen, fehlt damit jeder Beleg.
(Stand: 17.7.2025)