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Beschluss des BGH zu Viren-Wette fehlinterpretiert

Seit Jahren kursiert die Behauptung im Internet, der Bundesgerichtshof (BGH) habe bestätigt, dass es keine Viren gebe. In einem Facebook-Post wird ein Papier mit der Überschrift «Bundesgerichtshof und Oberlandesgericht Stuttgart entziehen dem Virus- und Impfglauben den Boden» verbreitet. Darin heißt es unter anderem, es sei nun «höchstrichterliche Rechtsprechung, dass alle Behauptungen zur Ansteckung von Masern, zu Masernimpfungen und zum Masern-Virus keine wissenschaftliche Grundlage haben». Gibt es tatsächlich eine derartige BGH-Entscheidung?

Bewertung

Diese Interpretation von zwei Urteilen ist falsch. Es gibt keine derartige Gerichtsentscheidung.

Fakten

Das auf Facebook geteilte Schreiben bezieht sich auf einen «Dr. Stefan Lanka» und einen «Masern-Virus-Prozess». Tatsächlich geht es bei den erwähnten beiden Urteilen um einen Rechtsstreit zwischen dem Biologen Lanka und dem damaligen Studenten und jetzigen Arzt David Bardens.

Lanka hatte im November 2011 ein Preisgeld in Höhe von 100.000 Euro ausgelobt. In der Ausschreibung hieß es: «Das Preisgeld wird ausgezahlt, wenn eine wissenschaftliche Publikation vorgelegt wird, in der die Existenz des Masern-Virus nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen und darin u. a. dessen Durchmesser bestimmt ist.» (zitiert nach dem späteren Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart).

Publikationen beweisen Existenz des Masernvirus

Bardens hatte daraufhin sechs wissenschaftliche Publikationen zu Masernviren an Lanka geschickt und um Überweisung von 100.000 Euro gebeten. Als das Geld nicht eintraf, zog Bardens vor Gericht. Das Landgericht Ravensburg gab ihm am 12. März 2015 recht und verurteilte Lanka dazu, die 100.000 Euro zu zahlen. Er stellte fest, die vorgelegten Publikationen bewiesen «in ihrer Gesamtschau die Existenz eines Virus, das für die Masernerkrankung ursächlich ist». Deswegen müsse das Geld gezahlt werden.

Lanka ging in die Berufung und bekam am 16. Februar 2016 in einem wesentlichen Punkt Recht. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschied, der Biologe müsse die 100.000 Euro nicht zahlen. Aus dem Text der Auslobung gehe nämlich hervor, dass «eine wissenschaftliche Publikation» – nicht mehrere – vorgelegt werden müssten. Das Geld hätte nur dann «verdient werden können, wenn die zu beweisenden Umstände allesamt in einer in sich abgeschlossenen Arbeit dargetan worden wären».

Das Oberlandesgericht hat aber in diesem Urteil nirgendwo festgestellt, dass Lanka mit seinen Zweifeln an der Existenz eines Masernvirus recht haben könnte. Ganz im Gegenteil: In Absatz 114 der Urteilsbegründung stimmt das OLG ausdrücklich der Feststellung des Landgerichts zu, dass der Nachweis für die Existenz des Virus erbracht worden sei.

Rechtsstreit drehte sich um Preisgeld

Davon, dass das OLG Stuttgart der Berufung Lankas – wie dieser in einer eigenen Publikation behauptet – «vollumfänglich» stattgegeben habe, kann nach Lektüre des Urteils keine Rede sein. Tatsächlich wurde lediglich die Zahlung der 100.000 Euro gestrichen – ansonsten wurde die «weitergehende Berufung» Lankas «als unzulässig verworfen» (Absatz 4 des Urteils).

Bardens reichte dann beim Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde dagegen ein, dass das Oberlandesgericht Stuttgart die Revision nicht zugelassen hatte. Der Bundesgerichtshof wies in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2016 diese Beschwerde zurück. Dabei nahm er überhaupt nicht zur Frage Stellung, ob es ein Masernvirus gibt. Diesen Eindruck versucht Lanka fälschlich zu erwecken.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vor allem zurückgewiesen, «weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat», Verfahrensrügen nicht wichtig genug seien und die einheitliche Rechtsprechung das Eingreifen eines Revisionsgerichtes nicht erfordere.

Das Robert Koch-Institut (RKI) beschreibt auf seiner Webseite ausführlich das Masernvirus. Dort heißt es unter anderem, trotz einer seit Jahrzehnten verfügbaren, sicheren und wirksamen Impfung seien allein im Jahr 2018 weltweit mehr als 140.000 Menschen – vor allem Kinder – an Masern gestorben. Vor Einführung der Impfungen gegen Masern zu Beginn der 1960er Jahre seien es schätzungsweise 2 bis 3 Millionen Masern-Tote pro Jahr gewesen.

(Stand 28.8.2024)

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Corona, Gesundheit

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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