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CO2 wirkt sich auch negativ auf Pflanzen aus

Die Auswirkungen von Kohlenstoffdioxid auf das Erdklima sind signifikant. In sozialen Medien verbreitete sich nun die Aussage, bei erhöhter Konzentration des Treibhausgases würden Pflanzen besser wachsen. Die Behauptung ist jedoch irreführend und wird genutzt, um die klimaschädlichen Folgen des Gases kleinzureden. Zwar können hohe CO2-Konzentrationen für Pflanzen vorteilhaft sein. Pflanzen können jedoch nur einen Bruchteil der CO2-Emissionen verstoffwechseln. Es ist zudem erwiesen, dass Kohlenstoffdioxid für den menschengemachten Klimawandel verantwortlich ist, der wiederum negative Auswirkungen auf das Wachstum von Pflanzen hat. 

Über 10.000 Mal wurde ein Video geteilt, das ein User am 22. Juni 2024 auf Facebook veröffentlicht hat. „Ich kann nicht verstehen, warum CO2 ein Schadstoff sein soll. Es ist doch die Grundlage für alles Leben auf diesem Planeten“, erklärt der US-amerikanische Klimaforscher John Christy darin. „Ohne CO2 gibt es kein Wachstum. Und bei erhöhter Konzentration wachsen Pflanzen eindeutig besser“, sagt er weiter.

In sozialen Netzwerken werden diese Aussagen genutzt, um die klimaschädlichen Folgen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) kleinzureden. „Wir lassen uns doch für dumm verkaufen“ und „Klima-Diktatur“ schrieb beispielsweise eine Userin unter demselben Video, das am 7. August 2024 auf Facebook gepostet und ebenfalls tausendfach verbreitet wurde.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 9. August 2024

In dem geteilten Clip spricht der US-amerikanische Klimaskeptiker und Klimatologe John Christy. Dieser hat bereits in der Vergangenheit irreführende Aussagen im Zusammenhang mit dem Klimawandel getätigt, die AFP überprüft hat.

Christy kommt auch in der wegen Fehlern heftig kritisierten britischen Doku „The Great Global Warming Swindle“ zu Wort. Im Film auftretende Personen vertreten mehr oder weniger klimawandelskeptische Positionen.

Ausschnitt einer Doku aus dem Jahr 2007

Eine umgekehrte Bildsuche ergab, dass es sich bei dem aktuell geteilten Video um einen Ausschnitt aus einem Beitrag von Spiegel TV aus dem Jahr 2007 handelt. Das Logo ist zudem links unten im Clip zu sehen.

Screenshot des Videos: 9. August 2024, Hervorhebung durch AFP

Der Beitrag von Spiegel TV fasst Aussagen von Wissenschaftlern zusammen, die der Ansicht sind, die globale Erwärmung biete keinen Anlass zur Besorgnis.

Ausschnitte dieses Videos werden online immer wieder geteilt. Gegenüber dem Faktencheck-Team von „Correctiv“ bestätigte das Produktionsteam von Spiegel TV im Jahr 2019, dass der Beitrag am 29. April 2007 auf RTL ausgestrahlt wurde. Es wird von einem „aus heutiger Sicht sicherlich umstrittenen“ Film gesprochen.

Kohlenstoffdioxid ist für Pflanzenwachstum notwendig

Pflanzen benötigen tatsächlich CO2 zum Wachsen, wie AFP bereits in einem anderen Faktencheck zu demselben Themenkomplex gezeigt hat. Sie nutzen Kohlenstoffdioxid, um bei dem Prozess der Photosynthese gemeinsam mit Wasser und Lichtenergie Kohlenhydrate und Sauerstoff zu erzeugen. Dabei entziehen sie der Luft CO2 und speichern den Kohlenstoff in ihren Blättern, Stängeln, Stämmen und Wurzeln. Auf diese Weise entstehen natürliche Kohlenstoffsenken, in denen der Kohlenstoff gebunden wird.

Die Behauptung aus dem aktuell geteilten Video ist laut Fachleuten jedoch irreführend. Philip Wigge, Leiter des Programmbereichs „Pflanzliche Adaption“ am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau, schrieb AFP am 13. August 2024: „Das ist ein bisschen so, als würde man sagen, dass Wasser lebensnotwendig ist (das ist es), aber ignorieren, dass man trotzdem in einem Swimmingpool ertrinken kann.“ Überschüssiges CO2 in der Atmosphäre habe den „unangenehmen Nebeneffekt“, dass es das Klima auf der Erde aufheize.

Hans Pörtner, Klimaforscher am deutschen Alfred-Wegener-Institut, schrieb AFP am 10. August 2024: „Mir scheint dies wieder ein Versuch zu sein, Zweifel zu säen und dadurch Unsicherheit über dringend erforderliche Maßnahmen zur Minderung von CO2-Emissionen und Anpassung an den Klimawandel zu erzeugen und zu verstärken.“ Der Bezug zu den angeblich zu niedrigen und daher im Klimawandel unwirksamen atmosphärischen CO2-Konzentrationen werde laut Pörtner häufiger hergestellt, um Skepsis zu verbreiten.

Das bestätigte auch Klaus Minol gegenüber AFP. Der Biologe leitet die Redaktion Pflanzenforschung.de, ein Projekt des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Er schrieb am 12. August 2024: „Grundsätzlich sind die Aussagen von Herrn Christy grob vereinfachend und berücksichtigen nicht das Kernproblem.“

Erhöhter CO2-Gehalt kann Pflanzenwachstum stimulieren

Zwar können hohe CO2-Konzentrationen in der Luft für viele Pflanzen vorteilhaft sein – insbesondere bei Trockenheit. Hierbei handelt es sich um den sogenannten CO2-Düngeeffekt, wie Geowissenschaftlerin Kirsten Thonicke und Klimaforscher Stefan Rahmstorf, beide vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, gegenüber AFP in E-Mails vom 9. August 2024 erklärten. Rahmstorf führte weiter aus: „Dann müssen die Pflanzen die kleinen Blattöffnungen (Stomata) nicht so weit öffnen, um genug CO2 aus der Luft aufzunehmen, und dann verlieren sie nicht soviel Wasser an die Luft.“ Durch die steigende CO2-Konzentration ist die Erde in manchen Teilen auch tatsächlich grüner geworden. 

CO2 ist jedoch auch für den menschengemachten Klimawandel verantwortlich, der wiederum negative Auswirkungen auf das Wachstum von Pflanzen hat. Der CO2-Düngeeffekt bedeute außerdem nicht, dass ein Klima mit mehr CO2 für die heutigen Pflanzen besser wäre, schrieb etwa Rahmstorf. „Denn dafür müsste der CO2-Düngungseffekt die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Ökosysteme (zum Beispiel Dürreprobleme) mehr als ausgleichen, was in der Regel nicht der Fall ist.“

 

Eine völlig vertrocknete wilde Distelpflanze am 8. August 2024 in Castelvetrano im Südwesten Siziliens, wo die Dürre die Landwirtschaft schwer trifft – MARCO BERTORELLO / AFP

 

Steigende CO2-Werte in der Atmosphäre können nicht durch stärkeres Pflanzenwachstum sofort kompensiert werden, erklärte auch Biologe Minol und verwies auf Forschungsergebnisse zum Thema. Zudem werde auch der Boden – der größte Kohlenstoffspeicher der Erde – durch steigende Temperaturen an Kohlenstoff verlieren, wodurch noch mehr CO2 in die Atmosphäre gelange.

Natürliche Grenze der CO2-Aufnahme

„Die Gleichung ‚mehr CO2 = mehr Biomasse/Wachstum‘ ist zu einfach und vor allem nicht linear“, führte Minol weiter aus. Pflanzen könnten zusätzliches CO2 nämlich nur dann effektiv nutzen, wenn alle anderen Wachstumsfaktoren wie Wasser, Licht und mineralisches Nährstoffangebot ausreichend verfügbar sind.

Die positiven Auswirkungen von Kohlenstoffdioxid auf Pflanzen sind demnach begrenzt, wie AFP bereits in der Vergangenheit näher ausführte. Eine Studie, die 2020 im Fachjournal „Science“ veröffentlicht wurde, kam etwa zu dem Ergebnis, dass die Wirkung des CO2-Düngeeffekts zwischen 1982 und 2015 weltweit abgenommen habe. Das wird unter anderem mit fehlenden Nährstoffen und abnehmender Verfügbarkeit von Bodenwasser erklärt. Laut Klimaforscher Pörtner seien Pflanzen zudem weniger stabil, wenn sie durch CO2-Düngung schneller wachsen. „Hinzu kommt ein abnehmender Nährstoff- inklusive Eiweißgehalt und eine damit abnehmende Qualität von Nahrungspflanzen.“

Vergleich mit früheren CO2-Pegeln hinkt

In dem geteilten Clip erklärt John Christy zudem, dass die CO2-Pegel vor einigen Millionen Jahren nachweislich fünf bis zehn Mal höher gewesen seien als heute. „Langfristig gesehen pusten wir also nur das in die Atmosphäre, was dort ursprünglich schon war“, lautet seine Analyse.

Tatsächlich gab es in der Vergangenheit Perioden mit deutlich höheren CO2-Pegeln. Laut Fachleuten ist ein Vergleich mit heutigen Verhältnissen jedoch limitiert. Wolfgang Obermeier, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Physische Geographie und Landnutzungssysteme der Ludwig-Maximilians-Universität München, schrieb AFP dazu am 9. August 2024, dass derartige Perioden mehr als 100 Millionen Jahre zurückliegen und deutlich wärmer waren.

Das bestätigte auch Klimaforscher Rahmstorf. „Das war vor vielen Millionen Jahren aufgrund der Plattentektonik, bevor homo sapiens überhaupt auf der Erde erschienen.“ Um vergleichbar hohe CO2-Werte zu finden wie heute, müsste man mindestens 15 Millionen Jahre zurückgehen, so Rahmstorf. „Das war eine ganz andere Pflanzenwelt.“

Fachleute sind sich zudem einig, dass die Anführung dieses Aspektes am eigentlichen Thema vorbeigeht. „Großes Problem“ sei laut Obermeier viel eher, dass der CO2-Anstieg aktuell so schnell geschehe und Pflanzen und Tiere ihre Habitate verlieren. „Ganz zu schweigen von der Zunahme an Extremen.“

Immer wieder stellen Userinnen und User in sozialen Medien die Existenz des menschengemachten Klimawandels infrage. AFP überprüfte in der Vergangenheit bereits Behauptungen, wonach die Erderwärmung natürlich und nicht ungewöhnlich sei oder dass nicht der Mensch, sondern die Sonne oder Veränderungen in der Erdumlaufbahn für den Klimawandel verantwortlich seien.

Fazit: Die Behauptung in sozialen Medien, dass höhere CO2-Werte automatisch zu besserem Pflanzenwachstum führen, ist irreführend und ignoriert die umfassenderen negativen Auswirkungen des Klimawandels, der durch erhöhte CO2-Emissionen verursacht wird. Pflanzen können zudem nur einen Bruchteil der CO2-Emissionen verstoffwechseln. 

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Klimawandel, Umwelt

Autor(en): Katharina ZWINS / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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