Seit der Entwicklung der Corona-Impfung hat ihre Wirkung wieder und wieder Schauermärchen entstehen lassen. Hartnäckig halten sich Gerüchte rund um vermeintlich gravierende Impffolgen. Aktuell wird im Netz der Leserbrief einer Hebamme geteilt, die viele unerwartete Todesfälle und Fehlgeburten sowie ansteigende Krebsfälle und einbrechende Geburtenzahlen beklagt. Doch die Thesen sind längst widerlegt.
Fakten
Der Leserbrief einer Privatperson mit dem Titel «Wissenwollen oder Nichtwissenwollen» ist vor Weihnachten 2022 in verschiedenen baden-württembergischen Regionalzeitungen erschienen (kostenpflichtig: hier und hier) und wird seither intensiv in sozialen Medien verbreitet. Darin behauptet eine Hebamme, niemand könne im Zusammenhang mit der Corona-Impfung noch von Fremd- oder Eigenschutz sprechen.Das Robert Koch-Institut (RKI) überwacht laufend die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe. Die Impfung schützt nicht zu 100 Prozent vor Ansteckung. Ziel der Entwicklung war es stets, dass der Impfstoff schwere Krankheitsverläufe verhindert – und das tut er.Zur Übertragbarkeit liegen derzeit zwar keine ausreichenden Daten vor. Eine aktuelle US-Studie bestätigt jedoch die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen, wonach die Übertragung auf Geimpfte auch bei der Omikron-Variante reduziert zu sein scheint.Ein Anstieg an Impfdurchbrüchen ist dem RKI zufolge mit steigender Impfquote in der Bevölkerung erwartbar und kein Hinweis auf eine mangelnde Wirkung.
Strenge Überwachung möglicher Nebenwirkungen
Falschmeldungen zu Todesfällen infolge einer Impfung gegen Covid-19 kursieren schon seit Beginn der Impfkampagne in Deutschland und wurden von der Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits mehrfach widerlegt. Meist wurden in der Vergangenheit Verdachtsfälle fälschlicherweise mit Sterbefällen gleichgesetzt, Daten ohne Zusammenhang präsentiert – und manchmal Vorfälle auch einfach erfunden.
Nach wie vor gibt es keine Belege dafür, dass die Impfung zu vermehrten Todesfällen geführt hat. Dem aktuellen «Bulletin zur Arzneimittelsicherheit» (S. 32) des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom Dezember 2022 zufolge ist «insgesamt und insbesondere auch bei älteren Personen» keine Übersterblichkeit infolge einer Covid-19-Impfung zu erkennen. Das PEI sammelt Verdachtsfälle zu möglichen Impfnebenwirkungen.
Für die angeblich wegen der Impfungen «explodierenden» Krebsraten werden im Leserbrief keine Belege angegeben. Bislang gibt es für das Jahr 2022 keine offiziellen Zahlen, nur vorläufige Analysen und Prognosen. Die Deutsche Krebsgesellschaft etwa verweist auf einen Artikel aus dem Frühjahr 2022: Darin werden höhere Raten von Krebsdiagnosen in fortgeschrittenen Stadien darauf zurückgeführt, dass Vorsorgemaßnahmen zur Früherkennung während der Pandemie verschoben wurden.
Diese Entwicklung beobachtete auch eine Studie aus Italien vom November 2022 und mahnt die Folgen für die Überlebenschancen von Betroffenen an. Krebspatienten wird die Corona-Impfung – bis auf Ausnahmefälle – ausdrücklich empfohlen, wie die dpa bereits in einem Faktencheck darlegte.
Schwangerschaft während der Pandemie
Die Behauptung, eine Corona-Impfung könne für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder gefährlich sein, kam ebenfalls in der Vergangenheit immer wieder auf. Die dpa hat zur Sicherheit des Impfstoffs in der Schwangerschaft sowie zu Falschmeldungen von Fehlgeburten bereits Faktenchecks veröffentlicht.
Eine Fehlgeburt liegt rein rechtlich der Personenstandsverordnung zufolge vor, wenn ein Kind mit weniger als 500 Gramm Gewicht oder vor der 24. Schwangerschaftswoche im Mutterleib stirbt oder nicht lebensfähig auf die Welt kommt. Da dazu kein Eintrag im Personenstandsregister gemacht wird, gibt es keine exakten Zahlen zu Fehlgeburten in Deutschland.
Das Risiko, ein Kind zu verlieren, nimmt bis zur 12. Schwangerschaftswoche mit jeder Woche ab. Erst ab diesem Zeitpunkt spricht auch die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Empfehlung für eine Impfung von Schwangeren aus.
Verstirbt ein Kind nach der 24. Schwangerschaftswoche oder mit mehr Gewicht, wird von einer Totgeburt gesprochen. Diese wird standesamtlich beurkundet. Bislang liegen nur Zahlen für 2021 vor. Hier ist zwar ein leichter Anstieg zu erkennen, allerdings sind auch insgesamt mehr Kinder lebend zur Welt gekommen.
Die Ursachen für das frühzeitige Versterben eines ungeborenen Kindes sind verschieden. Für die meisten Fälle wird eine Plazentaerkrankung verantwortlich gemacht, bei der der Fötus nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. In einer Studie vom Februar 2022 wurde festgestellt, dass eine Corona-Infektion zu einer Entzündung der Plazenta und damit einhergehend zu einer solchen Unterversorgung des Kindes führen kann.
Weniger Neugeborene in Krisenzeiten
Die Geburtenzahlen werden ebenfalls seit Pandemiebeginn immer wieder kritisch unter die Lupe genommen. Für Europa gibt es für 2022 bislang lediglich Prognosen der Vereinten Nationen sowie vorläufige Daten der nationalen statistischen Behörden.
Einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung und der Universität Stockholm zufolge ist einer der möglichen Gründe für den Geburtenrückgang unter anderen der, dass die Impfung für Schwangere zunächst nicht ausdrücklich empfohlen war, und viele Frauen ihren Kinderwunsch darum aufgeschoben hätten.
Diese Empfehlung erfolgte schließlich hierzulande im September 2021 (S. 10) explizit nicht nur für Schwangere und Stillende, sondern auch für Frauen mit Kinderwunsch. Zuvor war bereits im Juni die Impfpriorisierung gefallen. Ab diesem Zeitpunkt war es möglich, sich unabhängig von Alter, Vorerkrankung oder Beruf impfen zu lassen.
Hätte die Impfung Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit, müsste die Geburtenstatistik (vorläufige Zahlen können hier generiert werden) ab April 2022 erste Einbrüche verzeichnen. Ab Mai 2022 steigen die zunächst rückläufigen Zahlen aber wieder. Darüber hinaus ist der Rückgang im Osten Deutschlands deutlich ausgeprägter, obwohl dort die Impfquote stets niedriger war – das geht nicht mit einem angeblich direkten Zusammenhang zwischen Impfung und Fruchtbarkeit einher.
Eine Schweizer Studie über die bereits 2021 europaweit rückläufigen Geburtenzahlen kam zu dem Ergebnis, dass wesentliche Faktoren unter anderem die Länge der Lockdowns sowie die Verunsicherung durch Krisen in Wirtschaft und Gesundheitssystemen gewesen sein könnten. Nach Aufhebung der Beschränkungen sei aber wieder ein Anstieg der Geburten zu beobachten. Ähnliches berichtet das französische Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien, das diesen Effekt über drei Lockdowns hinweg feststellte.
(Stand: 9.1.2023)