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Deutschland ist ein Steuerstaat

Falschbehauptungen aus dem Kreis der sogenannten «Reichsbürger» sollen oft weismachen, dass alltägliche Prinzipien des Staatswesens in Deutschland nicht gälten. Zur Begründung wird auf einzelne Passagen aus historischen Quellen verwiesen – die aus dem Kontext gerissen werden. In einem Sharepic heißt es zum Beispiel, das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass es «in der BRD keine Steuerpflicht» gebe. Das ist falsch.

Bewertung

Das Urteil wird falsch interpretiert. In Deutschland hat der Staat das Recht, Steuern einzutreiben.

Fakten

In den Artikeln 104a bis 108 des Grundgesetzes ist festgelegt, dass Bund und Länder Steuern erheben können. Wichtigstes Gesetz für das Steuerrecht in Deutschland ist die Abgabenordnung, die in Paragraph 33 den Steuerpflichtigen definiert. Die Bürgerinnen und Bürger sind verpflichtet, Steuern zu zahlen, aus denen der Staat Ausgaben für das Gemeinwesen finanziert.

Rainer Wernsmann, Professor für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Passau, teilte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage per Mail mit: «Dass Deutschland ein sogenannter Steuerstaat ist, der sich im Wesentlichen aus Steuern finanziert und nicht aus eigener wirtschaftlicher Betätigung, folgt aus Art. 105 ff. im Grundgesetz. Das Grundgesetz setzt die Steuern als Regelfinanzierungsinstrument voraus.»

Im Jahr 1955 gab es keine Entscheidung des Verfassungsgerichts mit dem im Sharepic genannten Aktenzeichen. Durch andere Quellen, die die Falschbehauptung verbreiten und einen Satz aus dem Urteil zitieren, zeigt sich, welches Urteil gemeint ist: die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Dezember 1980 (BVerfGE 55, 274). Damals sollte das Gericht über die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz entscheiden und führte im Laufe des Urteils tatsächlich Grundsätzliches zum Steuerrecht in Deutschland aus.

Es heißt jedoch an keiner Stelle, es gebe «keine Steuerpflicht». Vielmehr geht das Gericht von der Notwendigkeit von Steuern aus: «Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, dass sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben leisten können».

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise 1995 die Steuerpflicht bestätigt (BVerfGE 93, 121). «Dort führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass Steuern, die in Art. 106 GG genannt sind, nicht hinsichtlich ihres Ob verfassungswidrig sein können, sondern dass allenfalls das Wie (die Ausgestaltung) verfassungswidrig sein kann», erklärt Steuerrechtsexperte Wernsmann.

Die Behauptung, ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs habe die «Zuständigkeit des Deutschen Reichs» bestätigt, ist ebenfalls falsch.

(Stand: 14.11.2022)

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Politik

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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